Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Interessengemeinschaft LiveKommbinat Leipzig – regionaler Ableger des Bundesverbandes der Musikspielstätten in Deutschland e.V.

1. Kulturraumschutz

1.1. Befürworten Sie die Einordnung von Musikspielstätten als Orte kultureller Nutzung in der Baunutzungsverordnung und würden eine entsprechende Initiative im Bundesrat unterstützen?

Wir wollen Kulturfreiräume schaffen – unter Nutzung und weiter Auslegung oder gegebenenfalls auch erforderlicher Änderung der maßgeblichen, leider nun einmal bundesgesetzlichen Baurechtsbestimmun-gen. Musikspielstätten sind aus unserer Sicht kulturelle Orte und keine bloßen „Vergnügungsstätten“. Sie sollten baurechtlich mit den bereits vorhandenen „Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke“ gleichgestellt werden, um ihre Regulierung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. Dementsprechend sind wir dafür, dass die sächsische Landesregierung eine entsprechende Initiative im Bundesrat startet oder unterstützt. Clubs gehören ins Herz der Städte.

1.2. Setzen Sie sich für die Umsetzung des Agent-of-Change-Prinzips bzw. die entsprechende Auslegung des Rücksichtnahmegebotes gemäß §15 BauGB bei Baugenehmigungsverfahren ein?

Ja. Wir befürworten die Einführung des „Agent of Change“-Prinzips, durch welches Bauherren dazu ver-pflichtet werden, bei Bauvorhaben in Clubnähe für passiven Lärmschutz zu sorgen. Musikspielstätten dürfen nicht in ihrem Bestand gefährdet werden. Wer in Wohnraum investiert und entsprechende Erträge erwartet, steht auch in der Pflicht, für ein friedliches Zusammenleben im Quartier zu sorgen.

1.3. Unterstützen Sie eine sachsenweite Abschaffung der Sperrzeit im Sächsischen Gaststättengesetz?

Auch wir halten die Sperrzeit für antiquiert und teilen Ihre Einschätzung, dass sie ihrem ursprünglichen Zweck längst nicht mehr dient. Ihre Streichung aus dem Sächsischen Gaststättengesetz unterstützen wir.

2. Kulturförderung

2.1. Wie stehen Sie zu Förderung der Netzwerkarbeit und Strukturen der Popularmusik, im speziellen dem Konzept der Musikzentrale Sachsen?

Netzwerkarbeit und Strukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft müssen auch in Zukunft gefördert wer-den. Dies gilt natürlich auch für die Popularmusik. In einem kulturpolitischen Dialog wollen wir gemein-sam mit allen Akteuren klären, wie sich die Gesamtsituation der Kulturförderung darstellt und welche Schlussfolgerungen für eine eventuelle eigenständige Förderung Einzelner bzw. einzelner Interessenvertretungen (z.B. der Popularmusik) gezogen werden können. Kulturschaffende, ihre Sparten und Branchen dürfen nicht gegeneinander „ausgespielt“ werden. Grundsätzlich sollte jedoch der Popularmusik mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. (Siehe auch die Antwort auf die Frage 3.1)

2.2. Wie stehen Sie zur Schaffung eines Lärmschutzfonds für Musikspielstätten?

Der Schaffung eines Lärmschutzfonds für Musikspielstätten stehen wir offen gegenüber. Die Richtlinie „Lärmschutz Clubs“ des Landes Berlin kann hierfür als Beispiel angesehen werden.

2.3. Soll man Musikspielstätten dabei finanziell unterstützen, den Forderungen nach z.B. Brandschutzkonzepten und Gutachten im Interesse der allgemeinen Sicherheit nachzukommen?

Die finanzielle Unterstützung bei der Einhaltung von Maßnahmen im Interesse der allgemeinen Sicherheit muss gewährleistet werden. Die Sicherheit der Akteure, der Gäste und der Anwohner stehen dabei im Vordergrund. Wie bereits unter 2.1. beschrieben, wollen wir die Fördermöglichkeiten überprüfen. Der Schaffung eines Fonds stehen wir aufgeschlossen gegenüber.

2.4. Unterstützen Sie den Aufbau eines mitteldeutschen Musikzentrums „Music Hub – neuer Sound im
Revier“ in Leipzig im Zuge der Umstrukturierungsmaßnahmen aufgrund des Kohleausstiegs?

Ja. Wir unterstützen die Idee des Aufbaus eines mitteldeutschen Musikzentrums „Music Hub – neuer Sound im Revier“ im Zuge der Umstrukturierungsmaßnahmen aufgrund des Kohleausstieges. Die Standortwahl sollte einem Gesamtkonzept für Sachsen getroffen werden. Die Kultur in allen ihren Facetten kann wichtiger Eckpfeiler bei der Umgestaltung sein. Deshalb wollen wir auch für die Lausitz das Pilotprojekt eines personell, räumlich und zeitlich begrenzten Grundeinkommens starten. Damit wollen wir – insbesondere im Kultur- und Bildungsbereich – eine zusätzliche Chance eröffnen, auch ungewöhnliche Ideen auszuprobieren und zur Projektreife zu führen.

3. Nachhaltigkeit und ländlicher Raum

3.1. Fördern und unterstützen Sie Initiativen, die (Sub-)Kultureinrichtungen in ländlichen Räumen betreiben?

Ja, das ist uns ein wichtiges Anliegen, denn zu attraktiven Lebensbedingungen gehört auch ein vielfältiges und gut erreichbares Kulturangebot. Insbesondere für ländliche Regionen können Kunst und Kultur ein probates Mittel sein, der Abwanderung entgegen zu wirken und die Wirtschaft sowie den Tourismus zu stärken. Ehrenamtliches Engagement in diesem Zusammenhang kann gar nicht genug gewürdigt werden. Die bisherigen Fördermodelle müssen hinsichtlich ihrer Wirkung und des Verwaltungsverfahrens bzw. ‑aufwandes geprüft werden. In einem kulturpolitischen Dialog möchten wir gemeinsam mit allen Akteuren klären, wie sich die Gesamtsituation der Kulturförderung darstellt und welche Schlussfolgerungen für eine eventuelle eigenständige Förderung Einzelner gezogen werden können. Dabei können ausdifferenziertere Förderkriterien, die Abschaffung des Eigenanteils und Positivkriterien für Anträge die Antragsstellung und ‑bearbeitung erleichtern. Kleinprojektefonds mit vereinfachten Förderkriterien können einer schnelleren Förderentscheidung und Mittelvergabe dienen. Anträge auf Fördermittel müssen, je nach Umfang der Fördersumme, innerhalb von vier, sechs oder acht Wochen, bearbeitet und entschieden wer-den. Erfolgt dies nicht, gelten die Anträge automatisch als bewilligt. Dafür muss man aber die Verwaltung insgesamt modernisieren und, wenn nötig auch ausbauen, um hier überhaupt die Kapazitäten zu haben, das dann auch zu gewährleisten.

Wir wollen also die Vielfalt der Akteurinnen und Akteure in der Kultur erhalten und das Spektrum der Fördermöglichkeiten erweitern. Es geht dabei nicht allein um finanzielle Unterstützung – manchmal benötigen Menschen, die ein Projekt realisieren wollen, einfach nur eine geeignete Räumlichkeit. Des-halb wollen wir, neben der finanziellen Absicherung durch institutionelle oder projektbezogene Förderung, z. B. verstärkt landeseigene und kommunale Liegenschaften und Gebäude, die keiner Verwendung unterliegen, umwidmen und über (Zwischen-) Nutzungsverträge kulturellen und künstlerischen Initiativen zur Verfügung stellen. Dafür werden wir den Kommunen die notwendigen Landesmittel zur Verfügung stellen.

Wir wollen die Kommunen und Kulturräume so ausstatten, dass es ihnen möglich ist, die reichhaltige Kunst- und Kulturlandschaft in Sachsen zu erhalten, weiterzuentwickeln und auskömmlich zu finanzieren. Wir wollen ein landesweites Entwicklungskonzept für Kunst und Kultur erstellen und uns auch weiterhin für eine verbesserte finanzielle Ausstattung der Kommunen stark machen. Wir wollen, dass alle Menschen in Sachsen am kulturellen Leben teilhaben können und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln kein Problem mehr darstellt. Wir wollen finanzielle Barrieren genauso abbauen wie Barrieren im Bereich der Infrastruktur. Wir schaffen einen inklusiven Zugang zu Kunst und Kultur, damit jede und jeder sich lebenslang nicht nur kulturell bilden, sondern auch an gesellschaftlichen Entwicklungen, Impulsen und Diskussionen teilhaben kann.

3.2 Unterstützen sie die Erhöhung der (Nacht-)Taktfrequenz des ÖPNV und die Einführung eines 365-Euro-Tickets, um Orte im ländlichen Raum und deren Kultureinrichtungen erreichbarer für Gäste aus den Nachbargroßstädten und (ländlichen) Nachbarkommunen zu machen?

Ja, wir unterstützen voll und ganz die Erhöhung der Taktfrequenz des ÖPNV und die Einführung eines günstigen, landesweiten Tickets, insbesondere für junge Sächsinnen und Sachsen. Wie wir uns einen erstrebenswerten ÖPNV vorstellen, haben wir jüngst in einem Antrag im Sächsischen Landtag formuliert (Drs. 6/ 17160 „ÖPNV-Reform Sachsen 2019“). Darin schlagen vor, den ÖPNV zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu machen und die Anbindung bzw. Taktfrequenz vorzuschreiben (u.a. 2‑Stunden-Takt für Gemeinden < 500 Einwohner). Außerdem schlagen wir vor umfassende Servicegarantien für Fahrgäste (Tarifklarheit, Informations- und Vertriebsgarantie, Anschlussgarantie …) einzuführen. Uns geht es aber auch um den Ausbau und die Reaktivierung von Bahnstrecken und die Einführung von  Modellprojekten  mit „Nutznießerfinanzierung“, „Bürgerticket“ und „fahrscheinfreien ÖPNV“. Das Ziel sollte ein einheitlicher Tarifverbund sein, um das Tarif-Wirrwarr und die teuren Fahrten über Verbundgrenzen hinweg zu beenden. Der erste sofortige Schritt dazu ist aus unserer Sicht die Einführung eines Sachsentarifs für verbundübergreifende Fahrten und ein unentgeltliches Ausbildungs- und Azubiticket (inkl. Freiwilligendienstleistenden) für Sachsen. Außerdem wollen wir die Mitbestimmung der Fahrgäste verbessern, unter anderem durch die Förderung von Fahrgastbeiräten und Fahrplankonferenzen. Auch dazu haben wir einen konkreten Vorschlag im Parlament vorgelegt (Drs. 6/15562 „Sächsisches ÖPNV-Beteiligungsgesetz“)

3.3. Unterstützen Sie den Aufbau eines Fonds zum klimaneutralen Umbau von Kultureinrichtungen?

Wir unterstützen grundsätzlich die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen in Kultureinrichtungen. Neben Fonds kommen dazu auch andere Instrumente in Frage. Teilweise gib es schon Förderinstrumente. Beispielsweise ist es heute schon möglich, sich als kulturelle Einrichtung den Einbau hocheffizienter Beleuchtung oder die Sanierung von raumlufttechnischen Anlagen u. a. über die Kommunalrichtlinie des Bundes mit 25 % bis 40 % fördern zu lassen. Oft ist diese Möglichkeit nicht bekannt oder aber die Förderquote ist zu niedrig sind bzw. die Eigenanteile zu hoch. Hier kann der Freistaat z. B. eine Aufstockung anbieten.

4. Gesundheit / Awareness

4.1 Unterstützen Sie die Arbeit von Projekten wie den Leipziger Drug Scouts, die Menschen helfen, sich vom Konsum illegaler Substanzen zu lösen bzw. die negativen Auswirkungen des Konsums zu verringern?

Ja, unbedingt! Das entspricht unserer grundsätzlichen drogenpolitischen Positionierung. In unserem Wahlprogramm findet sich dazu der leitende Rahmen: „Wir wollen Sachsen zum humanistischen, vernunftorientierten Vorreiter der deutschen Drogenpolitik machen. (…) Wir wollen Leben retten, Selbstbestimmung schützen und progressive Ansätze fördern.“ Das bedeutet für uns auch, dass zielgruppenspezifische Angebote, wie beispielsweise das der Drug Scouts, unbedingt unterstützt und nicht kriminalisiert gehören. Die Drug Scouts arbeiten nicht mit moralisch überhöhtem Zeigefinger, sondern haben Ursachen, Umstände und mögliche Problematiken des Konsums von (illegalisierten) Substanzen im Blick. Sie vereinen das in ihrer Arbeit mit dem individuellen Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und dem Anspruch, aufzuklären, zu informieren und realistische Wege zu gehen – anstatt Konsument*innen zu stigmatisieren und auszugrenzen.

4.2 Befürworten Sie die Einrichtung eines Drug Checking Angebotes, um Konsumenten die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Drogen testen zu lassen, um gesundheitliche Risiken durch schädliche Inhaltsstoffe oder Überdosierung zu verringern?

Ja. Wir haben dazu in unserem Wahlprogramm formuliert: „Erfolgreiche Ansätze und Methoden der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe werden wir unterstützen. (…) Wir werden Drug-Checking entkriminalisieren und als staatlich gefördertes Angebot ausbauen.“

4.3. Unterstützen Sie eine vorurteilsfreie Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden mit den Clubs im Bereich illegaler Substanzen?

Ja, selbstverständlich. Allerdings ist hier eine entsprechende Sensibilisierung der Sicherheitsbehörden nötig. „Vorurteilsfreie Zusammenarbeit“ ist nicht möglich, wenn Konsumierende und Clubs kriminalisiert werden. Der Konsum – auch von illegalisierten Substanzen – ist keine Straftat. Und Clubs sind nicht ur-sächlich für das Vorhandensein illegalisierter Drogen. Die Einrichtungen sollten nicht mit überzogener Repression konfrontiert werden, sondern Unterstützung erhalten, in vernetzte Angebote der Suchtprävention und ‑hilfe einbezogen werden und auch durch die Sicherheitsbehörden entsprechend progressiv begleitet werden. Das gilt übrigens nicht nur für Clubs, sondern sollte Kneipen genauso einbeziehen wie Festivals, Konzertstätten u.a. Kultureinrichtungen. Lebendige Sub- und Clubkultur und selbstbestimmtes Leben würdigt man nicht mit überzogener Repression, sondern mit Aufgeschlossenheit, Rationalität und vorurteilsfreier safer-clubbing-Arbeit durch alle Beteiligten.