Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Gefangenen-Gewerkschaft/ Bundesweite Organisation (GG/BO)

1. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für die Gewerkschaftsfreiheit inhaftierter Arbeiter*innen einsetzen? Wenn ja, wie?
2. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für den Mindestlohn inhaftierter Arbeiter*innen einsetzen? Wenn ja, wie?
3. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für die volle Einbeziehung inhaftierter Arbeiter*innen in die Sozialversicherungssysteme (Rente, Krankenversicherung) einsetzen? Wenn ja, wie?

Zusammenfassende Antwort:
Ja. DIE LINKE. Sachsen wird auch weiterhin diese Ziele der GG/BO unterstützen. Mit dem Beschluss des Bundesvorstandes der LINKEN (Nr. 2016/108 G.7) vom 22. Oktober 2016, wurden die Forderungen nach Mindestlohn, Rentenversicherung und Gewerkschaftsfreiheit für Inhaftierte explizit zu politischen Forderungen der LINKEN erklärt: DIE LINKE setzt sich in den Parlamenten auf Landes- und Bundesebene dafür ein, das Thema Rentenversicherung für Inhaftierte weiter voran zu treiben und fordert weiterhin den Einbezug der Gefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung. DIE LINKE. Sachsen setzt sich für die Einführung des Mindestlohns für arbeitende Strafgefangene und Sicherungsverwahrte ein. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet die Zahlung eines Mindestlohnes für Jedermann, der arbeitet – ohne Ausnahmen. Die Partei DIE LINKE erklärt sich solidarisch mit der GG/BO und unterstützt ihre Bestrebungen auf volle Gewerkschaftsanerkennung. Diese Positionen wird DIE LINKE in der kommenden Legislatur selbstverständlich weiter verfolgen und vor allem in den Parlamenten auf Bundes- und Landesebene formulieren und zur Abstimmung stellen.

Resozialisierung
4. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für den Erlass eines Resozialisierungsgesetzes einsetzen? Wenn ja, wie?
5. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für die vermehrte Gewährung von gesetzlich möglichen Lockerungen einsetzen? Wenn ja, wie? 
6. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für die Auslastung und den Ausbau der Plätze im offenen Vollzug einsetzen? Wenn ja, wie?

Zusammenfassende Antwort:
Ja. Wie auch in der nun auslaufenden Legislaturperiode wird sich DIE LINKE. Sachsen weiterhin dafür einsetzen, dass ein längst überfälliges Gesetz zur grundlegenden Regelung von Voraussetzungen der Resozialisierung von Strafgefangenen in Sachsen verabschiedet wird. In einem ersten Schritt sollte dafür beim Staatsministerium der Justiz eine unabhängig und weisungsfrei tätige Fachkommission eingerichtet werden, die sich paritätisch aus externen Fachexpert*innen, fachkompetenten Vertreter*innen aus dem Bereich des Strafvollzugs, der Sozialen Dienste der Justiz, der Freien Straffälligenhilfe, der Opferhilfe und der Gefangenenvertretungen sowie aus von den Fraktionen des Landtags entsandten Mitgliedern zusammensetzt und konkrete Vorschläge zur Regelung, Verbesserung und weiteren Entwicklung der ambulanten und stationären Resozialisierung in Sachsen erarbeitet. Außerdem (insbesondere in Bezug auf Frage Nr. 6) sollten alternative Formen zum vollständigen Wegsperren nach Möglichkeit immer Vorrang haben und kapazitär ermöglicht werden. Neben dem Offenen Vollzug wäre vor allem auch der Strafvollzug in Freien Formen zu nennen.

Vollzugsgestaltung
7. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für marktgerechte sowie monopolfreie Insasseneinkäufe einsetzen? Wenn ja, wie?
8. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für marktgerechte Telefonkosten einsetzen? Wenn ja, wie?
9. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für die Internetnutzung durch Gefangene einsetzen? Wenn ja, wie?

Zusammenfassende Antwort:
Ja. Das sächsische Strafvollzugsgesetz regelt, dass es Gefangenen möglich sein muss, einzukaufen und damit bspw. über das Angebot der Anstaltsverpflegung hinaus, Nahrungs‑, Genuss- aber auch Körperpflegemittel besorgt werden können. Oftmals liegen die Angebote allerdings jenseits marktüblicher/marktgerechter Preise. In Anbetracht der geringeren Verfügbarkeit von Eigengeld im Strafvollzug ist das ein nicht haltbarer Zustand.
Aus diversen Gerichtsentscheidungen geht außerdem hervor, dass berechnete Telefonkosten im Strafvollzug marktgerecht sein müssen und die Vollzugsanstalten dafür Sorge zu tragen haben, dass Inhaftierte zu marktgerechten Preisen Telefonate führen können. Bestehende vertragliche Vereinbarungen mit überteuerten Anbietern bieten keine ausreichende Grundlage, um an der überteuerten Berechnung gegenüber Inhaftierten festzuhalten. Die Fürsorgepflicht der Anstalten gegenüber den Inhaftierten gebietet es, marktgerechte Preise zu berechnen – im Übrigen auch unabhängig davon, ob Tarifnachverhandlungen mit Vertragspartnern nicht erfolgreich verlaufen.
Aufgabe des Strafvollzugs ist es überdies, Inhaftierte auf die Zeit nach der Gefangenschaft und ein geregeltes Leben in Freiheit vorzubereiten. Die pauschale Untersagung einer Internetnutzung für Gefangene widerspricht diesem Anspruch. Ein Urteil des sächsischen Verfassungsgerichtshofs – zumindest in Bezug auf die Sicherungsverwahrung – unterstreicht dies. Das Internet ist aus dem alltäglichen Leben nicht ohne Weiteres wegzudenken. Eine pauschale Versagung der Internetnutzung widerspricht insofern dem Resozialisierungsgedanken und kollidiert mit dem Grundrecht auf Informationsfreiheit. Sicherheitsfragen – die häufig zur Begründung einer vollständigen Versagung dienen – können nicht dauerhaft dem Resozialisierungsbedürfnis vorrangig entgegenstehen – vielmehr müssten dann Alternativen gefunden werden.
DIE LINKE. Sachsen wird sich auch hier weiter für eine Verbesserung der Situation einsetzen und dies – da hier explizit Regierungshandeln gefragt ist – parlamentarisch einbringen und begleiten.

Gesundheitsfürsorge
10. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für eine notwendige und angemessene medizinische Hilfe und Behandlung entsprechend Art. 3 der EMRK für betäubungsmittelabhängige Gefangene einsetzen? Wenn ja, wie?
11. Wird sich ihre Partei in der kommenden Legislatur für eine Implementierung von Spritzentauschprogrammen im Strafvollzug einsetzen? Wenn ja, wie?

Zusammenfassende Antwort:
Ja. Wir möchten den Grundsatz in Art. 3 EMRK, den auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits ausdrücklich betonte, dass im Strafvollzug eine umfassende, angemessene und mit einer in Freiheit durchgeführten medizinischen Behandlung vergleichbare Gesundheitsfürsorge stattfindet, stärken. Dazu gehört bspw., dass laufende Substitutionsbehandlungen im Strafvollzug unbedingt fortgeführt werden können und keine radikalen Therapiebrüche erfolgen, weil plötzlich eine strikte Abstinenztherapie erfolgen soll. Substitutionsbehandlungen innerhalb des Strafvollzuges können maßgeblich zu einer Senkung riskanter, z.B. intravenöser, Konsumformen – auch außerhalb des Strafvollzugs – beitragen. Entsprechende WHO-Richtlinien gibt es seit mindestens 1993 und eine Stärkung der Position erfolgte durch die Dublin Declaration on HIV/AIDS in Prisons in Europe an Central Asia. Zentraler Bestandteil dieses Ansatzes ist es insbesondere den Zugang zu sauberen Instrumenten für den intravenösen Konsum zu ermöglichen. Der Erfolg dieses Vorgehens ist in unzähligen Spritzentauschprogrammen bereits belegt. Diesen Ansatz werden wir weiter parlamentarisch und außerparlamentarisch verfolgen.