Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Verband der Lebensmittelchemiker/-innen im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen e.V.

1. Wie will Ihre Partei die Qualität der amtlichen Lebensmittelüberwachung im Allgemeinen und speziell auch im Bereich der Lebensmitteluntersuchung trotz vorgesehener Personal- und Finanzkürzungen auf dem bisherigen hohen Niveau halten und damit einen effektiven Schutz des Verbrauchers vor Gesundheitsgefahren und Täuschung gewährleisten?

Die Lebensmittelsicherheit und damit die Lebensmittelüberwachung ist für die LINKE ein zentraler Aspekt des Verbraucherschutzes in Sachsen. Daher haben wir uns mehrfach gegen den Stellenabbau in der LUA ausgesprochen. Qualitativ hochwertige Lebensmittelüberwachung braucht ausreichend und gut qualifiziertes Personal, betrachtet man die Altersstruktur in der LUA sowie die zunehmende Schwierigkeit, Fachkräfte finden und binden zu können, ist der Stellenabbau das völlig falsche Signal.
In einem immer komplexer werdenden Bereich wie der Lebensmittelkontrolle ist nicht mit einem geringeren, sondern im Gegenteil mit einem größeren Bedarf an Fachkräften zu rechnen. Daher ist es dringend geboten, den von der Staatsregierung avisierten Stellenabbau unverzüglich zu stoppen.

Wir setzen uns zudem dafür ein, dass die Gelder für Fortbildungen und Qualitätsmanagement in der Lebensmittelüberwachung und ‑kontrolle erhöht werden, um eine fortwährende Qualifizierung des Personals sicherzustellen. Einen entsprechenden Änderungsantrag haben wir in der Haushaltsdebatte eingebracht. Diese Forderung halten wir nach wie vor aufrecht.

Weiterhin ist es notwendig, die materielle Ausstattung auf aktuelle Analysetechniken und Analysemöglichkeiten anzupassen und auszudehnen.
Für die Kontrollbehörden ist flächendeckend die Möglichkeit der mobilen Datenerfassung sicherzustellen, entsprechende Ausstattung mit der notwendigen Technik sowie die Bereitstellung von Dienstfahrzeugen.

2. Die amtliche Lebensmittelüberwachung handelt in staatlichem Auftrag. Sowohl in den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte als auch der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) Sachsen werden altersbedingt Stellen frei und müssen adäquat mit entsprechend qualifiziertem Personal (Lebensmittelkontrolleure, staatliche geprüfte Lebensmittelchemiker. Tierärzte) ersetzt werden.
In welcher Weise will Ihre Partei dazu beitragen, dass junge und gut ausgebildete Menschen in Sachsen bleiben bzw. nach Sachsen zurückkehren und dem öffentlichen Dienst zur Verfügung stehen?

Für die langfristige Sicherstellung von Fachkräften in der Lebensmittelkontrolle setzen wir uns dafür ein, dass sich die Rahmenbedingungen für die Fort- und Weiterbildung verbessern. Dazu sind Ausbildungsvergütungen für die 24 Monate währende Fortbildung zu erhöhen. Wir haben uns zudem dafür eingesetzt und dies auch mit einem Antrag an den Sächsischen Landtag bekräftigt, dass zumindest Teile des theoretischen Lehrgangs in Sachsen stattfinden können, was nun glücklicherweise auch erfolgt.
Weiterhin ist die Anzahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen.
Um gut ausgebildete Menschen nach Sachsen (zurück) zu holen müssen nach unserer Auffassung grundsätzlich die Rahmenbedingungen attraktiv sein. Dazu zählt eine gute und technisch auf dem aktuellen Stand befindliche Ausstattung in den Lebensmittelüberwachungsämtern, aber ebenso ein gutes Angebot an Schulen, Kitas, Jugendclubs, ÖPNV-Angeboten etc. damit Fachkräfte für ihre ganze Familie eine zufriedenstellende Umgebung vorfinden. Dazu zählt aber auch, dass das gesellschaftliche Klima und der Umgang miteinander positiv und respektvoll sein müssen. Die Gesamtsituation ist für den Entschluss, den Wohn- und Arbeitsort nach Sachsen zu verlegen, entscheidend.
Denn die Rahmenbedingungen im Beruf müssen selbstverständlich attraktiv sein, aber ebenso wichtig sind die Rahmenbedingungen für das Familien- und Privatleben.

3. Staatlich geprüfte Lebensmittelchemiker sind derzeit vorrangig in der amtlichen Lebensmitteluntersuchung an der LUA Sachsen, der Landesdirektion und nur vereinzelt in den unteren Überwachungsbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte vertreten. 
Das Spektrum der amtlichen Lebensmittelüberwachung ist sehr breit gefächert und es werden zunehmend mehr rechtliche Vorgaben zu chemischen Sachverhalten (z. B. Acrylamid) er1assen, so dass lebensmittelchemischer Sachverstand auch in den unteren Überwachungsbehörden immer stärker gefragt ist. 
In welcher Form würde sich Ihre Partei für einen flächendeckenden lebensmittelchemischen Sachverstand auf allen Verwaltungsebenen einsetzen?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Plänen der Landesregierung zur Einrichtung eines ständigen interdisziplinären Kontrollteams im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zur Optimierung der Kontrolle von Lebensmittelunternehmen? Wie schätzen Sie den Personalbedarf hierfür ein?

Der Lebensmittelmarkt ist in den letzten Jahren deutlich komplexer geworden, darauf müssen die Kontrollbehörden selbstverständlich reagieren. Die dafür notwendigen Fachkenntnisse müssen vorhanden sein. Daher sind wir offen für Veränderungen in der Personalzusammensetzung in den Kontrollbehörden, die auf die aktuellen Erfordernisse reagieren.

Den Plänen der Staatsregierung, ein interdisziplinäres Kontrollteam einzurichten, stehen wir zunächst sehr positiv gegenüber. Auch wir haben mit einem Antrag an den Landtag sowie mit Anträgen in der Haushaltsdebatte die Einrichtung einer „Task Force“ vorgeschlagen. Diese sollte insbesondere in besonders komplexen und krisenhaften Fällen zum Einsatz kommen ebenso wie bei der Überprüfung besonderer Betriebstypen, besonders komplexer Produkte und Betriebe.
Den Personalbedarf haben wir auf insgesamt 10 VZÄ eingeschätzt, die sich aus den folgenden Professionen zusammensetzen: Lebensmittelchemie, Lebensmittelkontrolle, Lebensmitteltechnologie, Futtermittelkontrolle, Informatik, Wirtschaftsinformatik, Tiermedizin, Recht, insbesondere Lebensmittelrecht und Futtermittelrecht.

Nun bleibt abzuwarten, ob die von der Staatsregierung eingerichtete interdisziplinäre Sondereinheit sich ausschließlich auf die afrikanische Schweinepest bzw. Tierseuchenbekämpfung fokussiert, oder perspektivisch auch andere Bereiche umfassen wird.

4. Wo setzen Sie grundsätzlich die Schwerpunkte ihrer politischen Arbeit im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes?

Gute Qualität der Lebensmittelüberwachung ist hierbei ein zentraler und wichtiger Punkt für DIE LINKE. Darüber hinaus stehen wir für Transparenz, dazu zählt, dass endlich die seit langem geforderte Lebensmittelampel verwirklicht wird. Das geht aber natürlich nur bundesweit (oder besser noch EU-weit) einheitlich. Irreführende Produkte, wie beispielsweise Cornflakes, die nach ihrem Zuckeranteil eher im Süßigkeitenregal zu verorten wären, müssen auf Anhieb für Verbraucher*innen erkennbar sein.
Auch die Informationen über die Lebensmittelkontrolle in Form einer Hygieneampel für Lebensmittelbetriebe wollen wir Verbraucher*innen endlich zugänglich machen. Auch hier gilt es, die seit Jahren bestehende Forderung bundesweit endlich umzusetzen.

Die Lebensmittel, die im Geschäft landen, müssen in jeder Hinsicht einwandfrei sein. Das betrifft selbstverständlich die Einhaltung von Grenzwerten bei Rückständen, Verunreinigungen o.ä., aber ebenso wichtig für uns ist es, dass die Bedingungen der Produktion für die Beschäftigten und auch für die Nutztiere akzeptabel sind. Menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse in Schlachtbetrieben sind für uns nicht hinnehmbar. Auch nicht das Quälen von Tieren und die ausschließlich auf Ertrag ausgerichtete Produktion, die tierische Bedürfnisse ignorieren . Produkte, wie beispielsweise Fleisch mit Antibiotikarückständen dürfen nach unserer Auffassung nicht im Supermarktregal landen.

Für uns geht regional vor global – mindestens bei allen Produkten, die ebenso gut in Sachsen oder angrenzenden Regionen hergestellt werden können. Der Import von Äpfeln aus Neu-Seeland ist für uns ebenso absurd wie der Export sächsischer Milch nach Brasilien. Nicht alles, was technisch und logistisch machbar ist, muss ausgereizt werden. Hier gilt für uns die Maßgabe der Vernunft. Wir setzen uns daher dafür ein, dass die Arbeits- und Produktionsbedingungen für Mensch und Tier gut sind, denn nur dann können auch gute Lebensmittel hergestellt werden.

Die Förderung und ausreichende finanzielle Ausstattung der Verbraucherschutzorganisationen ist für uns ebenfalls ein zentraler Bestandteil des gesundheitlichen Verbraucherschutzes.

Und schließlich wollen wir durch verstärkte Umwelt- und Ernährungsbildung in Schulen und durch Verbraucheraufklärung das verheerende Modell eines egoistischen westlichen Lebensstils mit seiner gigantischen Lebensmittelverschwendung und einem zu hohen Fleischkonsum korrigieren.