Zu sehen ist eine wehende Fahne von DIE LINKE vor dem Uniriesen in Leipzig
DIE LINKE. Sachsen / Tilman L.

Zum Wahlausgang bei der Bundestagswahl 2021

Der Parteivorstand des Bundesverbandes kam kurz nach der Bundestagswahl zusammen um sich über das Ergebnis der Bundestagswahl auszutauschen. Am 3. Oktober fasst er diesen Beschluss:

Der Parteivorstand der Partei DIE LINKE erklärt zum Wahlausgang bei der Bundestagswahl 2021:

1. Diese Wahl war für DIE LINKE eine dramatische Niederlage. Wir sind uns bewusst, dass wir diese zuallererst selbst zu verantworten haben. Einige Faktoren lagen außerhalb unseres Einflusses, aber wir müssen uns grundlegende Fragen stellen. Fragen nach unseren Fehlern, Fragen nach unserer gesellschaftlichen Funktion und unserem Profil, Fragen nach unserer Idee einer freien, demokratischen, sozialistischen Gesellschaft.

2. Wir bedanken uns bei den vielen Tausenden Aktiven im Wahlkampf. Unser Dank gilt auch Gesie Lötzsch, Gregor Gysi und Sören Pellmann, die mit ihren Direktmandaten dafür gesorgt haben, dass wir trotz des desaströsen Ergebnisses wieder in den Bundestag einziehen konnten. Wir werden in den nächsten Monaten die Ursachen der Niederlage gemeinsam mit unserer Parteibasis aufarbeiten, um aus den Fehlern, aber auch von guten Beispielen, zu lernen. Wir freuen uns über die 2.800 Neueintritte während des Wahlkampfes und danach.

3. Eine tieferliegende Ursache liegt in Strukturproblemen unserer Partei im Osten wie im Westen. Wir haben in den vergangenen Jahren massiv an Verankerung verloren und zu wenige neue Mitglieder gewinnen können. Diese Wahl hat gezeigt: Wir haben – bis auf wenige Ausnahmen – flächendeckend verloren. Daher müssen der Parteiaufbau und die kommunalpolitische Verankerung in der nächsten Zeit eine hohe Priorität haben. Wir müssen der Einbindung von Neumitgliedern besondere Beachtung schenken.

4. Auch wenn die Ursachen dieses Wahlergebnisses vielfältig sind, ist die Niederlage bei der Bundestagswahl auch Ergebnis öffentlich geführter innerparteilicher Konflikte der letzten Jahre. Damit einher ging eine – trotz klarer Programmatik, Parteivorstands- und Parteitagsbeschlüssen – widersprüchliche Kommunikation in Schlüsselfragen unserer Zeit. Das muss sich ändern. Ein Neuanfang muss daher darauf abzielen, hier eine bessere Abstimmung zwischen Partei und Fraktion sowie innerhalb der Bundestagsfraktion sicherzustellen. Der neuen Bundestagsfraktion und dem Fraktionsvorstand kommt eine hohe Verantwortung zu, auf Basis des Wahlprogramms geschlossen zu agieren.

5. Die neue Regierung trägt eine große Verantwortung für die Zukunft der Menschen in diesem Land, in Europa und der Welt. Unser Maßstab für eine andere, vorwärtsweisende Politik ist klar: bezahlbare Mieten, Schutz vor Altersarmut, gerechte Verteilung des Reichtums, entschlossene Schritte gegen den Pflegenotstand, für Abrüstung und eine friedliche Außenpolitik, einen sozial gerechten wie konsequenten Klimaschutz, Antifaschismus und Antirassismus sowie Geschlechtergerechtigkeit. Ob die Ampel oder Jamaika – wir werden in der Opposition dafür Druck machen, dass die Kosten der Corona-Krise, der Klimakatastrophe sowie des Umbaus der Industrie nicht auf die Beschäftigten und die Mehrheit der Bevölkerung abgewälzt werden. Wir werden das nicht allein tun, sondern in und gemeinsam mit sozialen und Klima-Bewegungen und mit den Gewerkschaften. Auch im Sinne der Millionen Menschen, die von der neuen Regierung zurückgelassen werden. Wir werden eine konsequente Oppositionspolitik machen und linke Alternativen aufzeigen.

6. Wir werden unverzüglich folgende Schritte einleiten:

  • Eine zeitnahe Sitzung von Parteivorstand und Bundestagsfraktion, in der Konsequenzen aus dem Ergebnis für die gemeinsame Arbeit und die Arbeit der Fraktion diskutiert werden und gemeinsames Handeln abgeleitet wird. Daraus muss eine dauerhafte und engere Verzahnung von Parteivorstand und Fraktion erwachsen.
  • Wir suchen das Gespräch innerhalb der Partei und mit Bündnispartner*innen, als auch mit Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, NGOs und Gewerkschaften. Wir wollen auch bei den Wähler*innen nachhören. Wir möchten nicht nur fragen, „Warum habt ihr uns gewählt?“, sondern auch „Warum habt ihr uns nicht (mehr) gewählt“. Dafür wollen wir unsere Haustürgespräche fortsetzen. Innerparteilich suchen wir das Gespräch z.B. durch Regionalkonferenzen, Telefonaktionen mit unseren Mitgliedern sowie den Besuch von Kreisverbänden durch Mitglieder des Parteivorstands.
  • Angesichts einer neuen Bundesregierung, des Umbruchs im Parteiensystem und der Erosion der Volksparteien wird der Parteivorstand einen Vorschlag für eine strategische Orientierung der LINKEN vorlegen.
  • In Abstimmung mit den Landesverbänden die Entwicklung eines Konzeptes zur Stärkung der Partei vor Ort und zur Einbindung der vielen Neumitglieder, die gerade auch nach der Bundestagswahl in die Partei eingetreten sind.
  • Der Parteivorstand leitet einen Verständigungsprozess zur inhaltlichen Weiterentwicklung ein: Das betrifft u.a. einen neuen Aufbruch im Osten, den sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Infrastruktur, die friedliche Außenpolitik und einen solidarischen Internationalismus.
  • Der Einsatz für Klimagerechtigkeit ist eines unserer zentralen Politikfelder. Wir gehen nicht davon aus, dass die Maßnahmen der kommenden Bundesregierung geeignet sein werden, der Klimakatastrophe angemessen zu begegnen. Deshalb werden wir umgehend eine Projektgruppe „Sozial-ökologischer Umbau und Klimagerechtigkeit“ einsetzen, welches aus Mitgliedern des Parteivorstands und der Bundestagsfraktion besteht. Wir werden schon im Rahmen der Koalitionsverhandlungen frühzeitig Druck machen und unsere Kompetenz im Bereich Klima weiter ausbauen (z.B. Plan zur Einhaltung der Pariser Klimaziele).