Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Kinder- und Jugendring Sachsen e.V.

  1. Wofür stehen Sie in der Jugendpolitik? Was unterscheidet Sie von den anderen Parteien?
  • Wir stehen für eine Jugendpolitik, die nicht auf Bevormundung und Gängelung, sondern auf Ermöglichung und Selbstbestimmung setzt. Wir werden das Wahlalter senken und die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten vorantreiben. Als soziale Kraft in Sachsen meinen wir, dass niemand wegen des Elternhauses oder einem geringen Einkommen ausgeschlossen werden darf. Die Nutzung von Sportstätten soll für Kinder und Jugendliche entgeltfrei sein. Auch ein kostenfreies Bildungsticket für SchülerInnen und Azubis werden wir einführen.

2. Wir fürchten, die extrem vereinfachten Bedingungen für die Abhörung von Telefon und Handy oder verdachtsunabhängige Personen- und Ausweiskontrollen werden Jugendlichen besonders treffen. Wir halten uns eben viel im Freien auf und sind oft in Gruppen unterwegs. Wie können Sie sicherstellen, dass wir nicht in unseren Grundrechten eingeschränkt werden?

  • Die beste Möglichkeit sicherzustellen, dass niemand in seinen oder ihren Grundrechten eingeschränkt wird ist: keine Grundrechte-einschränkenden Gesetze zu erlassen. Im Gegenteil: Der aktive Schutz der Grundrechte muss ausgebaut werden. Statt eines Staates, der mit immer neuen Methoden seine Bürgerinnen und Bürger überwacht, wollen wir, dass die Menschen den Staat kontrollieren können. Das heißt z. B. konkret: Kennzeichnungspflicht für PolizeibeamtInnen, Informationsfreiheitsrechte und mehr Transparenz über Lobbyismus.

3. Es gibt für Jugendliche zu wenige Räume oder Treffpunkte, die sie unkompliziert nutzen können, um sich frei zu entfalten. Wir müssen darum auf öffentliche Plätze wie z.B. Parkplätze, Spielplätze oder Einkaufzentren ausweichen. Wie und wo ermöglichen Sie uns mehr Freiräume?

  • Wir setzen uns in den Gemeinden dafür ein, dass keine Jugendclubs geschlossen werden – und dass dort, wo es keine gibt, welche aufgemacht werden. Wir werden flächendeckend Orte der Begegnung erhalten und wieder ausbauen (Jugendtreffs, soziokulturellen Zentren, Kultur- und Vereinshäuser). Klar ist: Dafür muss das Land Sachsen ausreichend Geld zur Verfügung stellen.

4. Viele Jugendliche kiffen in ihrer Freizeit hin und wieder. Wie stehen Sie zur Legalisierung von Cannabis?

  • Wir sind sehr dafür – schon lange. Erstens zeigen weltweit Beispiele, dass es funktioniert. Zweites ist die bisherige gesetzliche Regelung (Alkohol erlaubt, Cannabis verboten) schlichtweg unlogisch. Drittens soll die CDU mal ihre Base chillen.

5. Drogen- und Gewaltpräventionsangebote durch PolizeibeamtInnen in Schulen erreichen offenbar nicht alle Jugendlichen. Welche alternativen zeit- und altersgemäßen Angebote und Maßnahmen im Bereich Prävention können Sie schaffen?

  • Das beste Mittel gegen einen missbräuchlichen Umgang mit Drogen ist Aufklärung und gesunder Menschenverstand. Tollkirschen und Fliegenpilze sind nicht verboten – und werden trotzdem fast nie konsumiert. Um gute Präventionsarbeit machen zu können, muss diese von Menschen übernommen werden, die Bescheid wissen, ehrlich und glaubhaft sind. Suchtexperten aber auch SozialarbeiterInnen sind da oft besser geeignet als Polizeibeamte.

6. Viele SchülerInnen wünschen sich mehr praxisbezogenes Wissen, das sie auf das selbstständige Leben vorbereitet. In den Bereichen Mietsachen, Steuererklärung, Versicherungen vermittelt Schule nicht genug Wissen.
Wie schätzen Sie die SchülerInnenorientierung sächsischer Lehrpläne ein? Wie sollen SchülerInnen oder SchulabsolventInnen in die Lehrplangestaltung miteinbezogen werden?

  • Politische Bildung ist in Sachsen im Bundesländervergleich unterdurchschnittlich vertreten. Wir werden den Anteil politischer Bildung erhöhen. Themen wie Klimaschutz sollen auch ganz praktisch Einzug in die Schule halten durch Ernährungsbildung, Schulküchen und ‑gärten. Wir streben zudem eine Erweiterung des praktischen Unterrichts in den Schulen an, um das Interesse am Handwerk zu wecken. Demokratie muss in der Schule alltäglich gelebt werden. Wo immer möglich, müssen SchülerInnen in die Planung von Unterrichtsvorhaben einbezogen werden.

7. Uns ist es wichtig, dass jeder junge Mensch mit seinen Anliegen, Fragen und auch Problemen ernst genommen wird. Dafür braucht es aus unserer Sicht unterschiedliche AnsprechpartnerInnen. Was planen Sie, um allen Jugendlichen ein Unterstützungs- und Hilfesystem entsprechend dem individuellen Bedarf zugänglich zu machen?

  • Diese Frage ist sehr allgemein gestellt, denn die Probleme, die Leute haben, sind sehr verschieden – und zwar unabhängig vom Alter. Viele individuelle Probleme sind also nicht „jugendspezifisch“, sondern können auch bei Erwachsenen auftreten. Hauptproblem ist hier, dass junge Menschen aber oft nicht ernstgenommen werden – das muss sich ändern. Das besondere Risiko für Kinder und Jugendliche, Gewalt und Kriminalität ausgesetzt zu sein, muss durch Mittel der Armutsbekämpfung gezielt verringert werden. Die Jugendhilfe stärken wir in den Kommunen.

8. Für die Freizeit aber auch für Schule und Arbeitswelt ist ein guter Zugang zum Internet heutzutage unerlässlich. In vielen Orten im ländlichen Raum aber auch in zahlreichen Schulen ist das nicht gegeben. Was tun Sie, damit wir überall und reibungslos online sein können?

  • Der Netzausbau wird bisher den privaten Anbietern überlassen – die aber nur aktiv werden, wenn Gewinne winken. Würden wir das bei Krankenhäusern, Fahrradwegen und Straßen wollen? Nein. Sinnvolle digitale Infrastruktur ist jedoch ebenso wichtig, wie sinnvolle analoge Infrastruktur. Deswegen wird es Zeit, den Netzaufbau auch in staatliche Hand zu nehmen und diesen als Grundversorgung für alle auch ohne Profitabsicht voranzutreiben.

9. Handys werden nahezu immer und überall von allen benutzt. In Schulen ist es häufig grundsätzlich verboten. Uns ist es wichtig, einen verantwortungsvollen Umgang mit den Geräten zu lernen. Wie stehen Sie dazu, die Benutzung von Handys an Schulen grundsätzlich und einheitlich geregelt, zu erlauben?

  • Wir sind für demokratische Schulen, an der auch Schülerinnen und Schüler aktiv mitbestimmen und mitentscheiden können. Damit das funktioniert, müssen aber auch Entscheidungen „übrig“ bleiben, die vor Ort getroffen werden können. Über solche Regeln und wann man wie und wo (und ggf. an einer Schule generell) die Benutzung von Handys erlaubt, sollte eine solche Entscheidung sein, die demokratisch von allen Beteiligten an den Schulen getroffen wird.

10. Wir als Junge Menschen sind häufig mehr als alle anderen auf den ÖPNV angewiesen. Je weiter man aus den Städten rausfährt, desto schlechter wird die ÖPNV-Anbindung. Hinzu kommen die hohen Kosten. Wie wollen sie unsere Mobilität gerade im ländlichen Raum erleichtern?

  • Ein einheitliches Tarifgebiet (Verkehrsverbund) in Sachsen. 
  • Für alle Schülerinnen und Schüler sowie Azubis ein kostenfreies Bildungsticket. 
  • Klare und einheitliche Qualitätsstandards für Bus und Bahn, die WLAN, Barrierefreiheit, Komfort und gute Löhne für die Beschäftigten garantieren. 
  • Das Land Sachsen muss den Kommunen ausreichend Mittel für den ÖPNV bereitstellen. 
  • Für jede Kommune mit weniger als 500 EinwohnerInnen muss es eine ÖPNV Anbindung im Zwei-Stunden-Takt, bei 5000 EinwohnerInnen einen Ein-Stunden-Takt und bei mehr als 10.000 EinwohnerInnen den Halbstunden-Takt geben.

11. Wir wollen ein weltoffenes Sachsen. Was tun Sie für internationale Jugendbegegnungen und dafür, dass sie allen Jugendlichen zugänglich sind unabhängig bspw. von Inklusionsbedarf oder finanziellen Möglichkeiten?

  • Das wollen wir auch 🙂
    Grundsätzlich ist unser Anspruch: Niemand darf in diesem reichen Land wegen Armut oder einer Behinderung ausgeschlossen sein. Dafür werden wir die gesetzlichen Regelungen schaffen. Wir treiben den Ausbau der Kooperation im Bildungsbereich voran, entwickeln gemeinsam Projekte, intensivieren den Schüler*innenaustausch und Stipendienprogramme (schulische, berufliche, Hochschulbildung). In interkulturellen Projekten sollen Kinder und Jugendliche lernen, dass Menschen aus allen Ländern und Kulturen wichtige Beiträge zur Entwicklung der Menschheit geleistet haben.

12. SchülerInnen nehmen an den „FridaysForFuture“- Demonstrationen teil, nicht, weil sie die Schule schwänzen möchten, sondern, weil ihnen das Klima und die Erde am Herzen liegen! Schließlich streikt die Bahngewerkschaft auch nicht an einem Sonntag. Wie können Sie die engagierten Jugendlichen darin stärken, sich an wichtigen Diskussionen um Zukunftsfragen wie dem Klimawandel zu beteiligen?

  • #FridaysForFuture zeigt, dass nicht unbedingt jemanden braucht, der „Jugendliche“ darin stärkt, etwas zu tun – das kriegen junge Leute oft auch allein hin. Zumal es in diesem Falle nicht darum geht, wer sich engagiert (junge wie alte Menschen können sich ja sowohl für gute als auch schlechte Sachen engagieren), sondern wofür. In diesem Falle: Für einen Erhalt unseres Planeten und einer lebenswerten Umwelt – ein Ziel, das wir teilen. Allerdings sollten junge Leute mehr demokratischen Einfluss (z. B. das Wahlrecht) erhalten – dann müssen sie auch von den Rechten und Konservativen ernster genommen werden.

13. Was macht Ihre Partei, um eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern und so die Umwelt zu schonen? Wir denken dabei an Massentierhaltung und Pestizide, aber auch an die Unterstützung von Bio-Bauern.

  • Wir wollen Sachsen zu einem Land mit nachhaltiger, sozial-ökologischer Wirtschaftsweise entwickeln, bspw. dadurch: 1. Mega-Ställe werden wir nicht mehr genehmigen, Tierverstümmelungen und Qualzuchten beenden sowie den Antibiotikaansatz weiter reduzieren 2. Der Ökolandbau wird durch uns besonders gefördert. 3. Wir sind gegen Milch- und Fleischpreise auf Ramschniveau. Deshalb werden wir die Marktdominanz der Lebensmittelriesen beenden und die Verhandlungsmacht der BäuerInnen sowie regionale, genossenschaftlich organisierte Erzeugergemeinschaften stärken.

14. Als junge Menschen, leben wir gerne in Sachsen und können uns gut vorstellen, hier zu arbeiten. Die im Vergleich zu anderen Bundesländern niedrigeren Löhne und der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern sind aber sehr unattraktiv. Das führt zu Abwanderung. Wie werden Sie dem entgegenwirken?

  • Wir kämpfen seit jeher für gleiche Löhne in Ost und West und bei Männern und Frauen. Wer die gleiche Arbeit macht, soll auch gleich bezahlt werden. Punkt. Allerdings muss man so ehrlich sein und sagen, dass man dies in einem Bundesland nur begrenzt beeinflussen kann. Doch einige Ansatzpunkte gibt es auch bei uns in Sachsen: Wenn öffentliche Aufträge (z. B. der Bau einer Straße) vergeben werden, legt das Land die Kriterien fest – bisher soll es oft nur besonders billig sein. Wir meinen: Soziale Faktoren und faire Löhne müssen auch eine Bedingung für die Entscheidung bei solchen Vergaben sein.

15. Wir haben eine Meinung und wollen eine Stimme. Werden Sie das Wahlalter absenken?

  • Selbstverständlich. Das wollen wir bei Kommunalwahlen, Landtagswahlen, Bundestagswahlen und Europawahlen. Es konnte auch bisher niemand schlüssig erklären, warum Menschen zwar z. B. mit 16 Jahren „zu jung“ zum wählen sein können, aber gleichzeitig niemand z. B. mit 98 Jahren „zu alt“. Wir meinen: So wie niemand auf die Idee kommt, älteren Menschen ab einem gewissen Alter das Wahlrecht wegzunehmen, sollte auch niemand pauschal sagen, Jugendliche seien „zu jung“ zum Wählen.