Fragen und Antworten zum „Wahlalter Null“

Was wurde im Wahlprogramm beschlossen?

Mit 54 zu 53 Stimmen hat der Landesparteitag am 22. Juni 2019 folgende Passage in das Landtagswahlprogramm zur sächsischen Landtagswahl am 1. September 2019 aufgenommen:

„Deswegen setzen wir uns für die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts aller Personen ohne Altersbegrenzung ein.“

Wie könnte eine Umsetzung in die Praxis aussehen?

Die Umsetzung in die Praxis könnte bspw. bis zu einem gewissen Alter durch die Selbsteintragung ins Wählerverzeichnis umgesetzt werden. Das Wahlrecht konkret ausüben kann dann, wer im Verzeichnis steht.

Bedeutet das die Einführung eines „Familienwahlrechts“?

Nein. Das sog. „Familienwahlrecht“ sieht vor, dass Eltern für ihre Kinder wählen können oder, anders formuliert, Eltern von Kindern mehr Stimmen erhalten. Das wurde explizit weder beantragt noch beschlossen. Das Wahlrecht ist ein höchstpersönliches Recht und kann nicht von anderen ausgeübt werden – weder von Eltern für ihre Kinder noch von ArbeitgeberInnen für ihre ArbeitnehmerInnen.

Woher leitet sich die Forderung nach einem „Wahlalter Null“ ab?

In einer Demokratie sind alle Menschen von den getroffenen Entscheidungen betroffen. Das Wahlrecht ist aus linker Sicht daher ein Grundrecht und steht allen Menschen ohne „Qualifikationsprüfung“ zu. Daher haben sich linke Bewegungen und Parteien schon immer für die Ausweitung des Wahlrechts ausgesprochen: Kampf gegen das Drei-Klassen-Wahlrecht, Kampf für das Frauenwahlrecht, Kampf gegen den Ausschluss von Menschen mit Behinderungen usw.

Unabhängig vom Gemüts- oder Gesundheitszustand, von Bildungsgrad oder kognitiven Fähigkeiten steht das Wahlrecht allen zu. Es gibt folgerichtig auch keine Altersbeschränkung nach oben. Ein sehr hohes Lebensalter mit den oft damit verbundenen gesundheitlichen Entwicklungen führt – völlig richtig – auch nicht zum Ausschluss vom Wahlrecht. Das Wahlrecht ist also nicht abhängig von Beurteilungs- und Verstandesreife der Wahlberechtigten. Die Verstandesreife spielt bei der Gewährung von Grundrechten keine Rolle.

Unterstützen andere das Wahlalter Null?

Ja, z. B. die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen: Im Jahr 2014 reichten 15 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht zur Abschaffung des Mindestwahlalters ein, um damit Demokratie und Generationengerechtigkeit zu stärken. Fun-Fact: Im Vorstand und der Pressekonferenz saßen damals sogar Jens Spahn und Renate Schmidt (Bundesfamilienministerin a.D.).

Wie sollen denn Babys und Säuglinge wählen? Das ist doch alles Quatsch!

Wie sollen Menschen im Koma wählen? Wie sollen Menschen auf der Intensivstation wählen? Fakt ist: Es gibt Lebenssituationen, in denen Menschen nicht wählen können. Das heißt aber nicht, dass sie grundsätzlich vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Gleiches würde auch auf sehr, sehr junge Menschen zutreffen: Man entscheidet selbst, ab wann man wählen möchte. Da im Alter von 3 Monaten vermutlich a) niemand auf diese Idee kommt und b) vermutlich keinen Gang zur Wahlurne zurücklegen kann, wählt eben nicht. Dazu ist jedoch kein formaler Ausschluss vom Wahlrecht notwendig. Wer nicht wählt, wählt eben nicht – so wie dies bereits jetzt der Fall ist.