Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: VVN-BdA Sachsen

  1. Wählbar sind für uns Parteien, die mit aller Konsequenz im parlamentarischen und außerparlamentarischen Rahmen gegen Neofaschismus und extreme Rechte eintreten. Das GG und der Respekt vor dem antifaschistischen Gehalt der Grundrechte fordert eine klare Haltung gegen faschistische Aufmärsche, Aktivitäten und Propaganda. Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit dürfen nicht als Deckmantel für menschenfeindliche und rassistische Politik herhalten. Wir fragen deshalb: Welche Position hat ihre Partei zu antifaschistischem Engagement?
  • Das Programm der Partei DIE LINKE, beschlossen 2011 in Erfurt, verpflichtet alle Mitglieder zu einem klaren antifaschistischen Standpunkt und zum aktiven Engagement: „Wir treten Neofaschismus, Rechtspopulismus, Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Islamfeindlichkeit, Homophobie und anderen Formen der Menschenfeindlichkeit aktiv entgegen. Wir beteiligen uns aktiv in demokratischen Bündnissen, arbeiten in Bürgerbewegungen und ‑initiativen mit all denen zusammen, die sich gegen extreme Rechte, Rechtspopulismus und Rassismus engagieren. Wir kämpfen gegen Neofaschismus, Rechtspopulismus und Rassismus auf der Straße und in politischen Gremien. Wir fordern das Verbot aller Organisationen der extremen Rechten; dabei sind wir uns bewusst, dass ein Verbot die gesellschaftliche Auseinandersetzung nicht ersetzt. Wir setzen uns ein für eine Stärkung antirassistischer und antifaschistischer Bildungsarbeit, sowohl in der Schule als auch im außerschulischen Bereich. […]
  • Antifaschismus ist eine Grundhaltung der Partei DIE LINKE. Für uns bedeutet das: Zurückdrängen aller extrem rechten, rechtspopulistischen und rassistischen Ideologien, Parteien, und Bewegungen; Bekämpfung aller althergebrachten und neuen Formen des Antisemitismus; die Auseinandersetzung mit Geschichtsrevisionismus und mit allen Ideologien, die von Ungleichwertigkeit der Menschen ausgehen; Pflege des politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erbes der antifaschistischen Bewegung.“
  1. Wählbar sind für uns Parteien, die Sachsens Rolle im NSU-Skandal konsequent aufarbeiten und daraus Konsequenzen ziehen wollen. Wir fragen deshalb: Halten sie die bisherige Aufarbeitung zum NSU in Sachsen für ausreichend? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den bisherigen Ergebnissen?
  • Ohne die Fraktion DIE LINKE hätte es die NSU-Untersuchungsausschüsse nicht gegeben, und ohne unsere Abgeordneten hätte sich auch innerhalb der Ausschüsse kaum etwas bewegt. Jetzt, nach jahrelanger Arbeit, sehen wir vieles klarer – dennoch sind zahlreiche Fragen offen geblieben, weil die Behörden nicht im gewünschten Umfang kooperiert haben und teilweise Akten nicht mehr zu beschaffen sind. Am Ende des jüngsten Untersuchungsausschusses, der gerade abgeschlossen wurde, steht dennoch ein detaillierter und kritischer Abschlussbericht, den die Fraktionen LINKE und Grüne gemeinsam vorgelegt haben. Er ist um ein Vielfaches dicker als das dürre Heftchen, das die Regierungskoalitionen produziert haben, und er ist ein umfangreiches Nachschlagewerk, das Ausgangspunkt für die weitere Aufarbeitung sein kann. Sie ist auch nach dem Ende des jüngsten Untersuchungsausschusses weiter nötig und wichtig. Denn der NSU ist nicht allein ein „historisches“ Thema, das lange hinter uns liegt. Vielmehr haben sich in jüngster Zeit neue rechtsterroristische Gruppen gebildet, mindestens drei davon – ausgerechnet – in Sachsen. Aus dem NSU-Komplex kann gelernt werden, wie gefährlich diese Entwicklungen sind, wie dringend und entschlossen wir entgegenhalten müssen und was passiert, wenn die Zuständigen trotzdem wegschauen. Wir sind leider überhaupt nicht davon überzeugt, dass auf der Seite von Behörden und Ministerien die nötigen Schlüsse gezogen wurden. Auch manche Angaben von Beamten, die der Untersuchungsausschuss angehört hat, wecken Zweifel, dass ein Umdenken eingesetzt hätte.
  • Wichtigstes Ergebnis der Ausschussarbeit ist aus unserer Sicht: Der sächsische „Verfassungsschutz« hat bei der Suche nach Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe rundweg versagt. Erstens hat das Amt viel zu wenig getan, um die 1998 untergetauchten Neonazis zu finden – obwohl die zutreffende Annahme bestand, dass sich die Flüchtigen in Sachsen aufhalten. Dem begegnete man aber mit Desinteresse. Zweitens behielt der Geheimdienst Informationen für sich, die wichtig für die sächsische Polizei gewesen wären – etwa der Hinweis, nach denen das „Trio« einen Überfall plant und eine Waffe beschafft wird. Das nahm man nicht ernst. Drittens waren die Versuche der Behörde, mit der Operation „Terzett« an die Flüchtigen heranzukommen, völlig stümperhaft – und sie endeten vorzeitig, gerade zu der Zeit, als die NSU-Mordserie begann. Andernfalls hätten die Flüchtigen womöglich gefunden und die NSU-Taten so verhindert werden können.
  • Umso wichtiger ist es, das Thema gerade nicht beiseite zu schieben, keinen „Schlussstrich“ zu ziehen. Unser Abschlussbericht enthält daher eine umfangreiche Auflistung von Schlussfolgerungen, von Forderungen und Vorschlägen, was sich ändern kann uns muss. Dafür werden wir als Antifaschistinnen und Antifaschisten einstehen und weiter streiten. Die Broschüre, die unsere Sprecherin für Antifaschistische Politik Kerstin Köditz zum Abschluss der Ausschuss-Arbeit veröffentlicht hat, enthält insgesamt 46 Forderungen. Zu ihnen gehört, dass sich die Staatsregierung zu ihrer Verantwortung bekennt – und die Betroffenen und Hinterbliebenen der NSU-Anschläge endlich entschädigt. Für das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen sehen wir keine Zukunft: Die Behörde muss aufgelöst werden, sie hat mehr geschadet als genutzt und ist reformunfähig (s.u.). Dagegen braucht der Freistaat endlich ein Gesamtkonzept zur Zurückdrängung der extremen Rechten. Zudem muss die Zivilgesellschaft viel stärker als bisher gefördert werden. Wir fordern außerdem unter vielen anderen Punkten:
  1. eine offene Diskussion über einen angemessenen Erinnerungsort für die Opfer
  2. ein ständiges Dokumentationszentrum zum NSU
  3. eine Verlängerung der Löschmoratorien, um Akten zu erhalten
  4. die Konservierung der Beweismittel des Untersuchungsausschusses
  5. die Abgabe beweiserheblicher Unterlagen an das Sächsische Staatsarchiv
  6. die Sicherung der Aktenbestände gegen Zerstörungen
  7. Nachermittlungen zu Waffen und Sprengstoffen sowie zu Auslandsbezügen des NSU
  8. Ein verbessertes Monitoring rechtsextremer Straftaten
  9. Die konsequente Entwaffnung der extremen Rechten.
  • Näheres ist hier nachlesbar
  • Unser Weg zur Aufklärung war steinig, die Arbeit im Ausschuss gestaltete sich oft mühsam. Gerne hätten wir weitere Betroffene der NSU-Taten angehört, unter den gegebenen Kräfteverhältnissen war das leider nicht möglich. Wir können am Ende auch nicht alle Fragen beantworten, haben aber die Möglichkeiten des Untersuchungsausschusses weitgehend ausgeschöpft. Wir stehen nun am vorläufigen Ende einer der aufwändigsten parlamentarischen Untersuchungen, die es bisher in Sachsen gab. Einen Schlussstrich unter das Thema ziehen wir aber nicht. Den weiteren Kampf gegen Rassismus und die extreme Rechte sehen wir vielmehr als eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
  • Näheres bitten wir bei Interesse im umfangreichen Minderheitenvotum nachzulesen, das unsere Fraktion zum Mehrheitsbericht abgegeben hat 
  1. Wählbar sind für uns diejenigen, die sich für Demokratie und erweiterte Partizipationsmöglichkeiten aller hier lebenden Menschen einsetzen. Dazu gehören die Erleichterung von Bürgerentscheiden und anderer Formen direkter Demokratie, aber auch die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements in Vereinen und Initiativen. Wir fragen deshalb: Wie wollen sie in Sachsen zivilgesellschaftliches Engagement in Vereinsstrukturen und Initiativen fördern? Welche Elemente direkter Demokratie wollen sie einführen oder – da wo sie schon bestehen – die Zugangshürden absenken?
  • Das Ziel, die Elemente der Volksgesetzgebung in Sachsen zu beleben und die Hürden abzusenken, nimmt in unserer Partei einen breiten Raum innerhalb und außerhalb parlamentarischer Arbeit ein. Zum einen ist dies im Programm der Partei DIE LINKE und im Wahlprogramm der sächsischen LINKEN nachzulesen. Im Rahmen unserer parlamentarischen Arbeit haben wir in der vergangenen 6. Legislatur des Sächsischen Landtages parlamentarische Initiativen zur Direkten Demokratie eingebracht. Hier ist der gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Gesetzentwurf „Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/1088) hervorzuheben. In diesem fordern wir,
  1. dass den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen die Möglichkeit eingeräumt wird, dass sich der Landtag im Rahmen seiner
    Entscheidungszuständigkeit mittels eines Volksantrages auch mit Gegenständen der politischen Willensbildung befasst;
  2. dass das Quorum zur Einreichung eines Volksantrages auf 35.000 Unterstützungsunterschriften herabgesetzt wird, jedoch nicht mehr als ein Prozent der
    Stimmberechtigten;
  3. dass das Quorum zur Einreichung eines Volksbegehrens deutlich auf 175.000 Unterstützungsunterschriften herabgesetzt wird, jedoch nicht mehr als fünf Prozent der Stimmberechtigten;
  4. dass die Frist für die Behandlung eines veröffentlichten Volksantrages durch den Landtag von sechs auf vier Monate verkürzt wird;
  5. dass es dem Landtag ermöglicht wird, das Inkrafttreten eines von ihm angenommenen Gesetzes einem Volksentscheid zu überantworten sowie
  6. den bisher nur in der Geschäftsordnung des Landtages enthaltenen Grundsatz der öffentlichen Beratung von Volksanträgen im Plenum des Landtages
    sowie in dessen Ausschüssen sowie das Recht auf Anhörung der Vertreter*innen der Antragsteller*innen in den Ausschüssen des Landtages, in die der
    Volksantrag zur Beratung überwiesen ist, in der Verfassung zu verankern.
  • Unser Engagement zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen werden wir auch in der kommenden 7. Legislaturperiode mit großem Nachdruck fortsetzen. Siehe auch die Antwort auf Frage 4.
  1. Demokratische Rechte und Freiheiten beinhalten eine Einschränkung des Überwachungsstaates. Im Besonderen die Verfolgung, Kriminalisierung und politische Denunziation von antifaschistischem Engagement lehnen wir ab. Sie muss beendet werden. Wir fragen deshalb: Wie bewertet ihre Partei das staatliche Agieren gegen antifaschistische Organisationen und Demonstrationen in der Vergangenheit in Sachsen? Sehen Sie Veränderungsbedarf? Welche Position hat ihre Partei zu Erhalt und Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz? 
  1. Wählbar sind für uns Parteien, in denen die Gemeinnützigkeit politischer Vereine, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen und sich für Demokratisierung, Weltoffenheit und Toleranz, aber auch Antifaschismus oder zum Beispiel soziale Grundsicherungen engagieren, nicht in Frage gestellt wird. Der Entzug der Gemeinnützigkeit für Attac und der drohende Entzug für den VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen lassen uns aufhorchen. Wir fragen deshalb: Wie stehen sie zur Gemeinnützigkeit für Vereine und Organisationen wie attac, dem VVN-BdA u.ä.?
  • Wir vertreten den klaren Standpunkt, dass nur eine aktive Zivilgesellschaft Transparenz der Politik einfordern und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Geschehen gewährleisten kann.
  • Wir sind uns einig darin, dass auch die Einflussnahme auf politische Willensbildung und die Gestaltung der öffentlichen Meinung gemeinnützige Zwecke erfüllt. Gerade in der heutigen Zeit sind solche Aktivitäten einer aktiven Zivilgesellschaft und von Vereinen wichtige denn je. Aus diesem Grund sehen wir die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac durch den V. Senat des Bundesfinanzhofes sehr kritisch und setzen uns für eine Gemeinnützigkeit von Vereinen und Organisationen wie Attac oder der VVN-BdA u.a. ein.
  1. Wählbar sind für uns diejenigen, die sich für eine demokratische Gedenkpolitik einsetzen. Dazu gehören die Sicherung der Gedenkorte an die faschistischen Massenverbrechen, die Förderung der Erinnerungsarbeit aus der Perspektive der Verfolgten und die Verhinderung der Vermischung dieses Gedenkens mit historisch nachgelagerten Entwicklungen. Wir fragen deshalb: Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten im Bezug auf die NS-Diktatur unter der aktuellen Geschäftsführung? Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Evaluationsprozesses zur Stiftungsarbeit? Welche Konsequenzen wollen Sie anhand dessen ziehen?
  • Der Stiftungsrat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten hat beschlossen, dass die Stiftungsarbeit durch Sachverständige evaluiert werden soll. Anlass dazu gaben unter anderem Kritik an der Schwerpunktsetzung der Stiftungstätigkeit, in der die Aufarbeitung der NS-Diktatur unterrepräsentiert sei, sowie der Führungsstil von Gedenkstättenchef Siegfried Reiprich. Zwei Beispiele: Der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten“ verweigerte Reiprich die Nutzung von Räumlichkeiten in der Gedenkstätte Bautzen. Die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz stellte im Dezember 2016 ihre Mitarbeit am Ausstellungsprojekt „Spuren des Unrechts“ in Torgau ein. Wir begrüßten den Beschluss sehr. Schließlich hatten wir schon im Februar 2016 eine solche Untersuchung gefordert, und zwar durch eine Kommission, die mit externen Fachleuten aus der historischen Forschung und der Gedenkstättenarbeit in anderen Bundesländern besetzt ist (Drs 6/4433). Angesichts der Herausforderungen für die künftige Gedenkstättenarbeit, vor allem aber wegen der Querelen in der Stiftung ist eine Überprüfung dringend geboten. Arbeit und Funktionsweise der Stiftung wurden seit ihrer Gründung 1994 nicht evaluiert, obwohl das bei vergleichbaren Einrichtungen üblich ist.
  • Schon das Vergabeverfahren entsprach allerdings nicht den Anforderungen an eine Evaluation. Dementsprechend erweist sich auch das Ergebnis der Evaluation als unzureichend. DIE LINKE will die Tätigkeit der Stiftung „Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der politischen Gewaltherrschaft“ auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen. Nur durch eine Änderung der Konstruktion der Stiftung im Sinne der NS-Opferverbände kann die Arbeitsfähigkeit der Stiftung wiederhergestellt werden. Deren Eckpunkte sind:
    - Jedwede Relativierung, Verharmlosung oder gar Nivellierung der Verbrechen des Nationalsozialismus durch die Gleichsetzung mit nach dem Ende des
    „Dritten Reiches“ begangenem Unrecht im Zuge der Stiftungstätigkeit muss ausgeschlossen sein.
    - Eine tatsächlich integrale Gedenkstättenarbeit in Sachsen ist zu ermöglichen und für die Zukunft ein Gedenken und Erinnern zu gewährleisten, das dem
    Verfassungsauftrag aus Artikel 117 der Verfassung des Freistaates Sachsen gerecht wird, die Ursachen individuellen und gesellschaftlichen Versagens
    in der Vergangenheit aufzuhellen und abzubauen sowie die Folgen verletzter Menschenwürde zu mindern und dabei den Unterschieden zwischen dem
    von den Nationalsozialisten begangenen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum einen und den Verstößen gegen
    Menschenrechte und Repressionen in der DDR zum anderen Rechnung zu tragen.
  • Die staatlich dominierte Erinnerungskultur, wie sie an der bisherigen Struktur des Stiftungsrates angelegt ist, muss zugunsten einer größeren Selbstverantwortung der Betroffenenverbände zurückgenommen werden.
  1. Wählbar sind für uns diejenigen, die unser Interesse an der Sicherung und Fortentwicklung der sächsischen Gedenkstätten an den National-sozialismus teilen. Dabei ist die Situation an den verschiedenen Orten sehr unterschiedlich: während es sich in Zeithain um eine etablierte Gedenkstätte handelt – bei der es allerdings Konflikte zwischen der Geschäftsführung der Stiftung auf der einen und der Gedenkstättenleitung und dem Förderverein auf der anderen Seite gibt – geht es beim ehem. KZ Sachsenburg um den Aufbau einer Gedenkstätte. Bei der Burg Hohnstein schlussendlich geht es zunächst um die bauliche Sicherung einer in Zukunft einzurichtenden Gedenkstätte, für die zunächst ein Konzept zu entwickeln ist. Wir fragen deshalb: welche Positionen vertritt Ihre Partei zu den benannten Gedenkstätten? Für welche weiteren Gedenkstätten im Bereich NS-Diktatur sehen Sie besonderen Handlungsbedarf?
  • DIE LINKE fordert die „Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft“ gemäß ihrer Aufgaben nach § 2 Absatz 1 des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes (SächsGedenkStG) auf, darauf hinzuwirken, dass den Orten Colditz, (Burg) Hohnstein und Sachsenburg die erforderliche organisatorische, personelle, finanzielle und konzeptionelle Unterstützung gewährt wird, um auf dem Gelände der einstigen Frühen Konzentrationslager die noch vorhandenen baulichen Anlagen zu erhalten und die materiellen Zeugen zu sichern. Es sollen Gedenkstätten eingerichtet werden, die an das „System der frühen Konzentrationslager in Sachsen von 1933–1937“ und die Leiden sowie den Widerstand und die Solidarität unter den Lagerhäftlingen erinnern.
  • Die sog. „Frühen Konzentrationslager“ sind authentische Orte der Erinnerung an die NS-Verbrechen. Über Sachsen erstreckte sich, wie eine jüngste, äußerst verdienstvolle Publikation feststellt, „ein sehr dichtes Netz von Lagern und Schutzhaftgefängnissen“ in „79 Kommunen mit insgesamt 110 Haftstätten“.[1] „Bis Mitte 1937 waren in den Frühen Konzentrationslagern Sachsens mehr als 30.000 Häftlinge inhaftiert.[2] (S. 252) „Die vier bedeutendsten befanden sich, laut Stiftung Sächsische Gedenkstätten, in Hohnstein, Sachsenburg, Colditz und Zwickau-Osterstein“. Das „System der Frühen Konzentrationslager“ ist wissenschaftlich wenig erforscht und einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt. In der Gedenkpolitik des Freistaates spielen die Frühen Konzentrationslager lediglich eine untergeordnete Rolle, obwohl sie für die Formierungsphase der NS-Herrschaft von großer Bedeutung waren. Der Gedenkstätten-Rundbrief 3/2008 stellt auf S. 28 fest: „Die memoriale Markierung und die museale Erschließung der Orte ehemaliger früher Konzentrationslager in Sachsen ist nach wie vor unbefriedigend“. „Die vielerorts vergessene Geschichte dieser Lager in Erinnerung rufen“ und „zur weiteren Erforschung der Lager, zur lokalen Spurensuche und zur Neugestaltung der Gedenkstatten und Memoriale ermutigen“ war das Ziel einer von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten seinerzeit erarbeiteten Wanderausstellung. Seither ist nichts dergleichen mehr versucht worden. Das Vorhaben dürfte folglich als gescheitert zu betrachten sein. Trotz der enormen erinnerungspolitischen Bedeutung der Frühen Konzentrationslager in Sachsen drohen die baulichen Überreste und materiellen Zeugen an die Verbrechen des NS-Regimes zu verschwinden. Das Wenige, was zu deren Erhalt geschehen ist, ist engagierten Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken.
  • DIE LINKE fordert die Stiftung Sächsische Gedenkstätten daher auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um in Zusammenarbeit mit den örtlichen Akteuren den Verfall der baulichen Substanz Früher Konzentrationslager zu stoppen, die materiellen Zeugen zu sichern und an den einstigen Folterstätten Gedenkorte einzurichten. Damit käme die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ihrem gesetzlichen Auftrag nach, „die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur zu ehren“ und „den Widerstand gegen diese Diktatur zu würdigen“.
  1. Wählbar sind für uns diejenigen, die sich für qualitätsorientierte Weiterentwicklung von Angeboten für Kinder und Jugendliche, für Unterstützung von Vereinen und Verbänden des Sports, der Kultur und für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Kooperationen im Bereich Prävention gegen Rechts, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus einsetzen. Wir fragen deshalb: Wie wollen Sie zukünftig solches Engagement fördern?
  • Parlamentarisch und außerparlamentarisch setzt sich DIE LINKE für eine kontinuierliche Stärkung der von Ihnen dargestellten Vereine und Initiativen ein. Gerade mit unserem Antrag „Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ weiterentwickeln und neujustieren: Die extreme Rechte zurückdrängen!“ (Drs 6/8448) haben wir die Aufgaben, wie wir sie sehen, festgeschrieben. Wir wollen den mit dem Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ geschaffenen Handlungsrahmen sicherstellen und erweitern. Wir gewährleisten neben der Wertschätzung des zivilgesellschaftlichen Engagements eine kontinuierliche materielle Absicherung.
  • Des Weiteren fordern wir eine dringend erforderliche konzeptionelle und inhaltliche Weiterentwicklung und Konzentration in der Ausrichtung des Landesprogramms auf die bestehenden Probleme und Defizite der Demokratieentwicklung im Freistaat Sachsen und auf das fortgesetzte, gewalttätige Wirken der extremen Rechten, ihrer Strukturen und Ideologien. Siehe auch die Antwort auf Frage 4.
  1. Wählbar ist für uns, wer sich dafür einsetzt, dass tatsächliche Gefahren für unsere Demokratie thematisiert werden und nicht Demokratieverteidiger kriminalisiert. Wir fragen deshalb: Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund den Verfassungsschutzbericht des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz für das Jahr 2018?
  • Die Sachsen-CDU hat rechte Umtriebe immer verharmlost. Gleichzeitig galt und gilt ihr eine aktive Zivilgesellschaft als Unruheherd und nicht als Verbündeter, es gibt zahlreiche Beispiele für versuchte und erfolgte Kriminalisierung antifaschistischen Engagements – von der „Demokratieerklärung“ bis hin zu Strafprozessen. Veränderungsbedarf sehen wir hier in einem Mentalitätswechsel – zivilgesellschaftlich Engagierte sind Partner staatlichen Handelns, sofern sie sich im Rahmen des Grundgesetzes für die Demokratie engagieren. Auch im antifaschistischen Kampf gilt, dass Prävention besser und wirksamer ist als Repression, wenngleich beide Säulen ausreichend beachtet werden müssen. In der oben erwähnten Broschüre finden sich auch dazu Forderungen:
  1. Die Staatsregierung muss die Landesförderung bedeutsamer, bewährter und erfolgreich evaluierter zivilgesellschaftlicher Projekte vollständig entfristen. Künftig sollen für die Beratungsstellen für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt (RAA Sachsen/RAA Leipzig) sowie die Mobilen Beratungsteams (Kulturbüro Sachsen) pro Jahr aus einem ständigen Fonds oder einem anderen Instrument, das eine langjährige Finanzierung sichert, jeweils mindestens eine Million Euro ausgereicht werden. Diese Mittelausstattung ermöglicht Planungssicherheit für die Abdeckung einer absehbar langfristig bemessenen Aufgabe, derer sich qualifiziertes Personal annehmen muss, ferner die sukzessive inhaltliche Weiterentwicklung und die flächendeckende Verfügbarkeit der Beratungsangebote. Der ständige Fonds soll darüber hinaus pro Jahr jeweils eine weitere Million Euro für Antidiskriminierungs- und rassismuskritische Projekte – zum Beispiel das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) und das Antidiskriminierungsbüro (ADB) – ausreichen.
  2. Zivilgesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement sind von anhaltender Bedeutung. Die kritische Auseinandersetzung mit nicht- und antidemokratischen Einstellungen und Handlungen, mit Gefährdungen des sozialen Friedens und Fragen gerechter Partizipation aller bleibt nach realistischer Voraussicht eine Daueraufgabe von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Angesichts dieser Bedeutung ist es konsequent, die Demokratieförderung im Freistaat Sachsen durch ein Landesgesetz zu verstetigen. Es soll die Finanzierung einer staatlich unabhängigen Bildungsarbeit dauerhaft absichern helfen und könnte auf dem bisherigen WOS-Programm als Kernbestandteil aufsetzen.
  3. Das erfolgreiche Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ muss, seinen weitreichenden Zielen gemäß, finanziell abgesichert sein und den unterstützen Projekten finanzielle Sicherheit gewähren können. Über die bisherige Gesamtförderung hinaus soll das WOS-Programm regelmäßig dahingehend überprüft werden, ob die bisherige Förderung auskömmlich ist und den Projektbeschäftigten ein angemessenes Entgelt gezahlt werden kann.
  4. Das Demokratie-Zentrum Sachsen zur Koordinierung der Projekte und Maßnahmen der Demokratieförderung ist an einen freien Träger auszulagern, um die Unabhängigkeit zivilgesellschaftlicher Arbeit zu gewährleisten. Die Landeskoordinierungsstelle des Demokratie-Zentrum Sachsen unterstützt die freien Träger bei der Ausübung ihrer Tätigkeit und anerkennt deren Autonomie. Diese Landeskoordinierungsstelle soll langfristig im Bereich der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration angesiedelt sein und bleiben.
  5. Staatliche Zuwendungsgeber sollen keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der konkreten Arbeit und der angewandten Methoden oder auf Entscheidungen innerhalb der freien Träger nehmen. Etwaige Nachweis- und Meldepflichten gegenüber Zuwendungsgebern sind so zu gestalten, dass die fachliche Arbeit und die angewandten Methoden der freien Träger dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die Überprüfung von Demokratieprojekten durch den Verfassungsschutz ist – wenn noch nicht geschehen – sofort zu beenden.
  6. Um die Fachlichkeit des Personals der zivilgesellschaftlichen Träger zu gewährleisten, muss eine leistungsadäquate Bezahlung, angelehnt an die tariflichen Vereinbarungen im öffentlichen Dienst, ermöglicht werden. Dieser Grundsatz ist auch bei der Bemessung künftiger Zuwendungen zu berücksichtigen.
  7. Bei der Entwicklung von Programmen zur Demokratieförderung sind die Erfahrungen der unterschiedlichen Träger und Netzwerke zivilgesellschaftlicher Arbeit in Sachsen regelmäßig einzubeziehen. Die freien Träger und Netzwerke müssen dabei eine ständige Mitsprachemöglichkeit erhalten. In den Beiräten und Gremien zur Durchführung von Maßnahmen und Programmen müssen staatlich unabhängige Träger ebenfalls beteiligt werden und eine Mitsprachemöglichkeit erhalten.
  • Auf das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) ist aus unserer Sicht kein Verlass, wenn es um die Abwehr verfassungsfeindlicher Bewegungen geht. Unsere Erfahrungen mit dieser Behörde stützen keineswegs die These, dieser Geheimdienst schütze die Demokratie vor Gefahren. Im Gegenteil: Das Amt an sich ist hoch problematisch. Im Kampf gegen zentrale Bedrohungen, etwa rechtsterroristische Zellen wie den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), erwies er sich eher als hinderlich denn als hilfreich. Stattdessen agiert das LfV vor allem politisch und übt die Definitionsgewalt über politische Einstellungen aus, die als extremistisch kategorisiert werden. Das wollen wir ändern und die Öffentlichkeitsarbeit über den Verfassungsschutz-Bericht, vor allem aber politische Bildungsarbeit im Sinne der Extremismus-Theorie beenden. Das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und polizeilicher Arbeit ist für uns unumstößlich. Dies bedeutet auch, dass wir sowohl eine „Vergeheimdienstlichung“ der Polizei ablehnen als auch repressive Maßnahmen wie Berufsverbote bei Mitgliedschaft in als extremistisch eingestuften Organisationen. Im Ergebnis unserer Abwägungen bleibt es uns ein zentrales Anliegen, das Landesamt für Verfassungsschutz aufzulösen. Bis zu seiner Auflösung treten für eine tatsächliche und wirksame parlamentarische Kontrolle des LfV zum Schutz der Verfassung und der mit ihr garantierten Grundrechte und Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger ein.
  • Was den aktuellen Verfassungsschutzbericht angeht, so ist die Kernbotschaft in etwa die gleiche wie in den Vorjahren: Die extreme Rechte ist in Sachsen deutlich im Aufwind, speziell die Neonazi-Szene floriert. Sie kann hier auf etliche Immobilien zurückgreifen, die ihr ein „zunehmendes Aktivitätsniveau« ermöglichen. Sie bedient sich harmlos daherkommender Vorfeldvereine oder gründet sie gleich selbst. Alarmierend vor allem: Das Gewaltpotenzial wächst, Teile der Szene bereiten sich durch „Kampfsport« gezielt auf körperliche Auseinandersetzungen vor. Auch im Hinblick auf die Wahlkämpfe in diesem Jahr rechnet die Behörde mit Übergriffen. Das ist äußerst bedenklich – aber überhaupt nicht neu, sondern leider ein langfristiger Trend. Was der sächsische Geheimdienst dazu auf rund 300 Seiten auswalzt, ist analytisch genauso dürre und unnütz wie in den Jahren zuvor. Nach Ursachen fragt das LfV wohlweislich kaum. Zu ihnen gehört nämlich, dass die Staatsregierung trotz der bekannten und gefährlichen Tendenzen bis heute kein Gegenkonzept vorgelegt hat. So ist die Ankündigung des Ministerpräsidenten Kretschmer, man wolle „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“, folgenlos verpufft.
  • Dabei gibt es genug Ansatzpunkte, einzuschreiten – etwa gegen die Neonazi-Partei „Der III. Weg« als einer der „expansivsten rechtsextremistischen Strukturen in Sachsen“. Sorge bereiten sollte auch, dass im vergangenen Jahr mit „Revolution Chemnitz« erneut eine mutmaßlich rechtsterroristische Vereinigung entstanden ist. Doch an ihrer Aufdeckung hatte das LfV Sachsen offenbar keinen Anteil. Richtig liegt das LfV, wenn es u.a. ausgehend von der Eskalation in Chemnitz konstatiert, dass die extreme Rechte erheblichen Einfluss auf „allgemeine gesellschaftliche Diskussionen und politische Prozesse« nehmen kann. Die AfD als einen zentralen Akteur benennt die Behörde nicht.

[1] Brenner/ Heidrich/ Müller/ Wendler (Hg.): NS-Terror und Verfolgung in Sachsen. Von den Frühen Konzentrationslagern bis zu den Todesmärschen. Dresden 2018, S. 251

[2] a.a.O., S. 252