Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V

Institutionen der Antidiskriminierungspolitik

1.1. Einführung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes

Ein wirksamer Diskriminierungsschutz braucht eine stabile rechtliche Grundlage. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das den Schutz vor Diskriminierung vor allem in den Bereichen Arbeit sowie Güter / Dienstleistungen regelt, war ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Gleichzeitig bestehen relevante rechtliche Schutzlücken in zentralen Lebensbereichen, die in den Regelungsbereich der Länder fallen. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Bildung und staatliches Handeln. Ein Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.

  1. Werden Sie in der kommenden Legislaturperiode ein Landesantidiskriminierungsgesetz erarbeiten und verabschieden
  2. Welche inhaltlichen Eckpunkte soll dieses LADG haben?
  3. Wie werden Sie dabei die Ergebnisse verschiedener Evaluationen des AGG und die darin formulierten Verbesserungsbedarfe berücksichtigen (u.a. Fristenregelung, Verbandsklagerecht, offene Merkmalsliste, einheitliches Schutzniveau)?
  • Von Diskriminierung und Marginalisierung betroffene Menschen müssen nicht nur vor Diskriminierung geschützt, sondern bei der Vertretung ihrer Rechte und in ihrer Beteiligung am gesellschaftlichen Leben unterstützt werden. Sachsen braucht ein Antidiskriminierungsgesetz, in dem auch ein Verbandsklagerecht für Interessenvertretungen festgeschrieben wird. Ebenso notwendige Bestandteile eines LADG sind eine Erweiterung der Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung sowie eine Beweislasterleichterung. Zudem ist es gerade für Betroffene von Diskriminierung wichtig, mehr Zeit zu haben, die erlittenen Persönlichkeitsverletzungen zu verarbeiten, mehr Zeit, um sich zu entscheiden, dagegen rechtlich vorzugehen und sich auf die Suche nach einem Rechtsbeistand zu machen. Daher müssen die Fristen verlängert werden, von derzeit zwei auf sechs Monate. Positive Maßnahmen, mit denen Nachteile ausgeglichen werden sollen, müssen zudem stärker verankert werden, z. B. mit Betriebsvereinbarungen und zielführenden Gleichstellungsplänen, die einen diskriminierungsfreien Rahmen schaffen.

1.2. Perspektive der Landesgeschäftsstelle Antidiskriminierung

Sachsen verfügt über eine Geschäftsstelle Antidiskriminierung, die beim Referat Gleichstellung der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration angesiedelt ist. Ihr Mandat umfasst ressortübergreifende Aufgaben der Antidiskriminierungspolitik und die fachliche Begleitung des Strukturaufbaus der Antidiskriminierungsberatungsstellen nach AGG. Darüber hinaus ist sie fachliche Anlaufstelle für die Netzwerkpartner auf Bundes‑, Landes- und kommunaler Ebene.

  1. Wie schätzen Sie das Mandat und die aktuelle Ausstattung der Stelle ein?
  2. Wie werden Sie die Arbeit der Geschäftsstelle Antidiskriminierung fortführen?
  3. Welche Pläne haben Sie zur Verstetigung der institutionellen Anbindung, der Ausstattung und des Mandates der Geschäftsstelle Antidiskriminierung für die kommende Legislatur?
  • Die Ausstattung der Landesgeschäftsstelle reicht unserer Auffassung nach nicht aus. Zur Erfüllung der vielen Aufgaben ist eine personelle Aufstockung unerlässlich. Die Landesgeschäftsstelle sollte ihr Mandat so ausfüllen können, dass sie als Schnittstelle fungieren kann, zwischen Antidiskriminierungsberatungsstrukturen, spezialisierten Verbänden und Beschwerdestellen nach § 13 AGG, den politischen Strukturen und den Verwaltungseinheiten. Das beinhaltet auch, Anliegen, die aus den Beratungsstellen angezeigt werden, in politische Steuerungsinstrumente zu übersetzen. Für diese umfangreichen und anspruchsvollen Aufgaben sind mehr personelle Ressourcen notwendig, weswegen wir für eine Aufstockung plädieren.

1.3. Flächendeckende Beratung und Unterstützung für Betroffene

Ein effektiver Diskriminierungsschutz braucht wohnortnahe, barrierefreie, unabhängige und professionelle Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen, die Diskriminierung erleben und ihr Recht auf Gleichbehandlung einfordern und durchsetzen wollen. In Sachsen wird, finanziert über das sächsische Ministerium für Integration und Gleichstellung, seit 2017 eine flächendeckende Antidiskriminierungsberatungsstruktur durch das Antidiskriminierungsbüro Sachsen aufgebaut, die bis Ende 2020 etabliert sein soll.

  1. Wie werden Sie die Antidiskriminierungsberatung politisch und strukturell fördern und unterstützen?
  2. Wie werden Sie die Antidiskriminierungsberatung ab 2021 fortführen?
  3. Welche Mittel werden Sie hierfür im Landeshaushalt bereitstellen?
  • Wir brauchen eine flächendeckende Beratungsstruktur, lange Wege dürfen kein Hemmnis sein, Beratungsstellen aufzusuchen. Die aktuell bestehenden Anlaufstellen in Leipzig und Chemnitz reichen bei Weitem nicht aus und müssen kontinuierlich erweitert werden. Ziel muss es sein, in jedem Landkreis/jeder kreisfreien Stadt eine eigene Antidiskriminierungsberatungsstelle einzurichten. Dabei sollten die Beratungsangebote alle Diskriminierungsmerkmale – auch Mehrfachdiskriminierung – und Zielgruppen berücksichtigen. Die dafür notwendigen Mittel und Ressourcen sind im Haushalt einzustellen.

1.4. Wissen über Diskriminierung

Für eine zielgerichtete Antidiskriminierungspolitik und Antidiskriminierungsarbeit ist ein fundiertes empirisches Wissen über Diskriminierung unabdingbar. Für Sachsen gibt es aktuell nur wenige Studien und / oder Statistiken. Wichtige Fragen, wie die folgenden, können aktuell nur zum Teil beantwortet werden:

- Wo, in welcher Form und warum erleben Menschen in Sachsen Diskriminierung?
- Welche diskriminierenden Praxen und Strukturen existieren in konkreten Lebensbereichen wie Arbeit, Gesundheit, Bildung, Behörden – bzogen auf welche Merkmale?
- Was wissen von Diskriminierung Betroffene über ihre Rechte und wie nutzen sie diese?
- Wie gut funktioniert der faktische Zugang zu einem rechtlichen Diskriminierungsschutz?
- Wie gehen sächsische Gerichte mit Klagen wegen Diskriminierung um?

  1. Wie wird Ihre Partei vorgehen, um fundierte Informationen als Grundlage der eigenen Politik zu erhalten?
  2. Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie setzen?
  • Wir bemängeln seit Langem, dass die Staatsregierung es versäumt, durch Studien und Statistiken fundierte Daten zusammenzutragen, um zielgerichtete politische Handlungsstrategien zu entwickeln. In dieser Wahlperiode haben wir u.a. beantragt, einen Lebenslagenbericht für LSBTIQ* anzufertigen, Wohnungslosenzahlen zu erfassen, die polizeiliche Kriminalstatistik um die Kategorie „Hassgewalt“/„Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zu ergänzen und eine Studie zur kommunalpolitischen Teilhabe aus der Geschlechterperspektive sowie der Perspektive des sozioökonomischen Status in Auftrag zu geben. Diese Forderungen sind nach wie vor unerfüllt, daher werden wir sie auch in der nächsten Legislaturperiode wieder einbringen.
  • Darüber hinaus sind wir gut vernetzt, in ständigem Kontakt mit Verbänden und Bürger_innen und stehen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung, sodass wir um viele Formen der alltäglichen Diskriminierungen wissen.
  • Auch in der kommenden Wahlperiode werden wir einfordern, dass die Praxis im Umgang mit Diskriminierung thematisiert wird.

1.5. Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Antidiskriminierung

Das Wissen um individuelle Rechte und Handlungs- bzw. Unterstützungsmöglichkeiten ist in der Bevölkerung noch immer gering. Diskriminierung wird oftmals als eine persönliche, moralische Verfehlung verstanden und die Thematisierung von Diskriminierung als Angriff. Auch fehlt in der Öffentlichkeit noch immer ein Verständnis für institutionelle und indirekte Formen von Diskriminierung. Eine gelebte Antidiskriminierungskultur ist eine Frage der Haltung: Offenheit, Perspektivwechsel, Selbstreflexion und Verantwortungsübernahme sind dabei wichtige Stichworte.

  1. In welcher Form und in welchem Umfang werden Sie Öffentlichkeitsarbeit zu den Themen Diskriminierung, Diskriminierungsschutz und Teilhabe umsetzen?
  2. Was sind deren zentrale Eckpunkte?
  • Eine offene Gesellschaft, gleiche Teilhabe und soziale Gerechtigkeit sind ein Wesenskern der LINKEN. Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung und Identität, ihres Einkommens und sozioökonomischen Status, ihrer gesundheitlichen und körperlichen Verfasstheit oder ihres Alters gleichermaßen an der Gesellschaft teilhaben und sich frei entfalten können. Dieser Maxime folgend setzen wir uns fortwährend und aktiv dafür ein, offene, verdeckte und strukturelle Diskriminierung aufzuzeigen und abzubauen.

1.6. Anerkennung von Mehrfachdiskriminierung

Viele Menschen erfahren Diskriminierung anhand der Überschneidung von zwei oder mehr Vielfaltskategorien, wie beispielsweise Herkunft/Geschlecht/Religion. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erfasst dies, nennt jedoch keine Konsequenzen.

Wie werden Sie auf Landesebene den rechtlichen Schutz bei Mehrfachdiskriminierung konkretisieren und ausbauen?

  • Mehrfachdiskriminierung ist in der Tat ein großes Problem, Betroffene leiden vielfach an doppelter Stigmatisierung. Somit ist eine höhere Sensibilisierung für Mehrfachdiskriminierung unbedingt notwendig. Wir brauchen eine flächendeckende Beratungsstruktur, lange Wege dürfen kein Hemmnis sein, Beratungsstellen aufzusuchen. Die aktuell bestehenden Anlaufstellen in Leipzig und Chemnitz reichen bei Weitem nicht aus und müssen kontinuierlich erweitert werden. Ziel muss es sein, in jedem Landkreis/jeder kreisfreien Stadt eine eigene Antidiskriminierungsberatungsstelle einzurichten. Dabei sollten die Beratungsangebote alle Diskriminierungsmerkmale – auch Mehrfachdiskriminierung – und Zielgruppen berücksichtigen. Die dafür notwendigen Mittel und Ressourcen sind im Haushalt einzustellen.

1.7. Berücksichtigung von Mehrfachdiskriminierung

Die sächsische Staatsregierung hat das Modellprojekt „Aufbau, Erprobung und Etablierung einer flächendeckenden Beratungsstruktur nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ ins Leben gerufen. Allerdings berücksichtigen die Angebote des Modellprojektes die mehrfachen Diskriminierungen von Frauen* mit Flucht- und Migrationsgeschichte bisher nicht. Es fehlt ein geschütztes Beratungsangebot, das sowohl auf ethnische wie auch genderspezifische Diskriminierungen eingeht, denen diese Frauen* im öffentlichen und privaten Alltag, auf dem Arbeits- und Bildungsmarkt sowie bei der politischen Teilhabe ausgesetzt sind.

  1. Werden Sie für Frauen* mit Migrations- und Fluchtgeschichte ein geschütztes Beratungsangebot anbieten, das auf die Besonderheit der mehrfachen Diskriminierung eingeht?
  2. Wie werden Sie ein solches Angebot umsetzen?
  • Wir unterstützen den Aufbau einer flächendeckenden Beratungsstruktur voll und ganz. Dabei werden wir den unabhängigen Beratungsstrukturen immer auch die Möglichkeit bieten, sich weiter zu entwickeln und bisher noch fehlende Beratungsangebote zu ergänzen.

1.8. Offenes und förderndes Neutralitätsverständnis

Immer wieder werden unter dem Hinweis auf die „staatliche Neutralität“ Einschränkungen der Rechte religiöser Minderheiten gefordert oder umgesetzt. Neutralität ist aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht als eine distanzierende Haltung zu verstehen, sondern als eine offene, allen Religionen und Weltanschauungen gegenüber gleichermaßen fördernde Haltung des Staates, bei der er sich mit keiner Religion oder Weltanschauung identifiziert oder sie privilegiert.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das verfassungsgemäße Neutralitätsverständnis in der Gesellschaft zu verbreiten und in der Praxis zu erhalten und so der Fehldeutung, Neutralität sei nur bei der Abwesenheit alles Religiösen aus der staatlichen oder öffentlichen Sphäre gewährleistet, entgegenzutreten?

  • Uns liegt viel an der Trennung von Staat und Religionen. Alle Menschen sollen gleich behandelt werden – unabhängig davon, ob sie glauben oder woran sie glauben. Niemand soll anderen religiöse Ansprüche aufzwingen dürfen. Niemand darf Vorteile erhalten oder Nachteile erleiden, weil er religiöse Überzeugungen teilt oder eben nicht teilt. Der Glaube ist eine persönliche Entscheidung. Zunächst ist es unser Anliegen, das Trennungsgebot von Artikel 109 Absatz 2 der Sächsischen Verfassung („Die Kirchen und Religionsgemeinschaften sind vom Staat getrennt“.) tatsächlich zu verwirklichen. Dazu gehört insbesondere auch die Abschaffung des staatlichen Kirchensteuereinzugs. Zur gezielten Förderung des Verständnisses für die verschiedenen Religionen möchten wir die Stärkung von Lehrinhalten zu den verschiedenen Religionen in die Fachlehrpläne für den Ethikunterricht an sächsischen Schulen sowie die dafür notwendige Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen festschreiben. Darüber hinaus möchten wir durch eine entsprechende gesetzliche Regelung den Aufgabenbereich der jetzigen Landeszentrale für politische Bildung auf die Bildungsarbeit zum Neutralitätsgebot des Staates und sein förderndes Verhältnis zu den Religionen erweitern und für die dafür notwendige personelle und sächliche Ausstattung sorgen.

1.9. Religiöse Selbstbestimmung muslimischer Frauen und Mädchen

In jüngster Zeit wird wieder verstärkt über religiös motivierte Bekleidung von muslimischen Frauen und Mädchen diskutiert. Dies hat in der Vergangenheit zu gesetzlichen Kopftuchverboten im öffentlichen Dienst und auch darüber hinaus zur Diskriminierung auf dem privaten Arbeitsmarkt geführt.

  1. Planen Sie ein Gesetz, durch das Frauen mit Kopftuch der Zugang zu Berufen im öffentlichen Dienst verwehrt oder erschwert wird?
  2. Planen Sie ein Gesetz, durch das die Religionsfreiheit von Minderjährigen eingeschränkt werden soll, um zu verhindern, das Mädchen sich selbstbestimmt für oder gegen das Kopftuchtragen entscheiden können?
  • Nein. Initiativen, die sich ausschließlich mit der religiös motivierten Bekleidung von muslimischen Frauen und Mädchen befassen, können unter keinem denkbaren Gesichtspunkt unsere Zustimmung erhalten. Richtig ist, dass wir LINKE in Sachsen nach dem Landtagswahlprogramm 2019 den Religionsunterricht durch einen überkonfessionellen Ethikunterricht ersetzen und den Einfluss der Religionsgemeinschaften an staatlichen Schulen zurückdrängen wollen. Es gibt auch nicht wenige Stimmen in der Partei, die das Berliner Neutralitätsgesetz aufgrund der Säkularität des Staates für richtig halten. Hier herrscht allerdings beileibe kein einheitliches Meinungsbild. Derzeit ist ein Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (8 AZR 62/19) gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. November 2018 (7 Sa 963/18) gegen einzelne Bestimmungen des Berliner Neutralitätsgesetzes anhängig, wobei zu erwarten ist, dass hier der Rechtsweg bis zum Bundesverfassungsgericht ausgeschöpft wird. Solange hier noch keine abschließende höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, sollte sich der Landesgesetzgeber zurücknehmen und mit einem landeseigenen „Sächsischen Neutralitätsgesetz“ nicht befassen. Es ist auch höchst fraglich, ob für Sachsen hierzu überhaupt ein gesteigerter Regelungsbedarf besteht.
  • Unser politischer Ansatz sind nicht Verbote, auch nicht in Fragen religiöser Praxen in Familien, die auch Minderjährige in Haftung nehmen. Wir setzen stattdessen auf Aufklärung, Bildung und Empowerment zu selbstbestimmten Entscheidungen, vor allem von Kindern und Jugendlichen!

1.10. Flächendeckende Beratungs- und Betreuungsstruktur für Geflüchtete in Städten und Gemeinden

Eine Studie des Bundesamts für Migration (BAMF) und Flüchtlinge und des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl in Zusammenarbeit mit dem hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Deutschland aus dem Jahr 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass ein hoher Informations- und Beratungsmangel auf Seiten Asylsuchender besteht und die allgemeinen Informationen des BAMF nicht ausreichen. Eine unabhängige Asylverfahrensberatung trage dazu bei, dass Asylsuchende ihre Rechte besser verstehen und ihren Pflichten besser nachkommen können, der effektive Zugang zu Verfahrensgarantien und Rechtsschutz werde so gewährleistet.

  1. Werden Sie die Ergebnisse der Studie zum Anlass nehmen, eine unabhängige, flächendeckende Asylverfahrensberatung für alle geflüchteten Menschen in Sachsen zu gewährleisten?
  2. Wie stellen Sie sicher, dass damit alle geflüchteten Menschen in Sachsen erreicht werden, unabhängig davon, ob sie unter der Zuständigkeit von Unterbringungsbehörden, der Kommunen oder des Landes stehen und unabhängig davon, ob sie zentral oder dezentral untergebracht sind?
  • Bereits mehr als ein Jahr vor der Veröffentlichung der genannten Studien hatte unsere Fraktion ein eigenständiges „Gesetz über die Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme im Freistaat Sachsen und zur Änderung weiterer Vorschriften“, Drs 6/4865 vom 13. April 2016 vorgelegt, das bislang die bundesweit einzige umfangreiche landesgesetzliche Ausgestaltung der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) darstellt. Bedauerlicherweise hat außer unserer Fraktion keine andere Fraktion im Sächsischen Landtag dieser Initiative zugestimmt. Wir verweisen insbesondere auf die in den §§ 5ff. in diesem Unterabschnitt ausformulierten Individualansprüche auf Information und Beratung (§ 7 SächsFlüAG n.F.) und den garantierten Zugang zu Einrichtungen der Unterbringung für Hilfsorganisationen und Initiativen (§ 6 SächsFlüAG n.F.). Hätte der Landtag die vorgelegte Initiative beschlossen, wären die in den Studien beschriebenen Mängel im Freistaat Sachsen gar nicht erst entstanden.
  • Wir setzen uns politisch schon lange für die Finanzierung von unabhängigen Asylverfahrensberatungs-Angeboten ein. Diese arbeiten in Sachsen noch immer weitestgehend ehrenamtlich. Es müsste mindestens eine entsprechende Beratungsstelle pro Landkreis und Kreisfreier Stadt geben, in den Landkreisen auch mit einer mobilen, dezentralen Struktur. Inzwischen gibt es in den Erstaufnahmeeinrichtungen und auch im BAMF Asylverfahrensberatungen. Dies ist einerseits unterstützenswert, andererseits war vor allem die Etablierung entsprechender Beratungsangebote in den Landes-Aufnahmeeinrichtungen ein (zu) langer und harter Kampf.

1.11. Beratungs- und Hilfsangebote für von Gewichtsdiskriminierung Betroffene

Beratungsstellen für von Diskriminierung Betroffene werden fast immer mit Hilfe von Fördermitteln finanziert, die auf die Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind, die sich aus den in §1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Merkmalen ableiten lassen. Das Merkmal Gewicht wird vom AGG nicht erfasst. Eine Beratung und Unterstützung der von Gewichtsdiskriminierung Betroffenen ist damit nicht Teil des Auftrags der Beratungsstellen und wo diese über ihren Auftrag hinaus tätig sind, geht dies nicht aus ihrer Öffentlichkeitsarbeit hervor. Aktuell gibt es damit keine für die Betroffenen ersichtlichen und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Beratungs- und Hilfsangebote.

  1. Wie werden Sie sicherstellen, dass von Gewichtsdiskriminierung Betroffenen Beratungs- und Hilfsangebote zur Verfügung stehen?
  2. Wie werden Sie dafür sorgen, dass die Betroffenen von diesen Angeboten erfahren?
  3. Werden Sie die Entstehung von entsprechend spezialisierten regionalen Trägern in Sachsen fördern?
  • Wir brauchen eine flächendeckende Beratungsstruktur, lange Wege dürfen kein Hemmnis sein, Beratungsstellen aufzusuchen. Die aktuell bestehenden Anlaufstellen in Leipzig und Chemnitz reichen bei Weitem nicht aus und müssen kontinuierlich erweitert werden. Ziel muss es sein, in jedem Landkreis/jeder kreisfreien Stadt eine eigene Antidiskriminierungsberatungsstelle einzurichten. Dabei sollten die Beratungsangebote alle Diskriminierungsmerkmale – auch Mehrfachdiskriminierung – und Zielgruppen berücksichtigen. Die dafür notwendigen Mittel und Ressourcen sind im Haushalt einzustellen.

1.12. Gewichtsvielfalt als Teil von Diversity verstehen und kommunizieren

Wenn von Diversity gesprochen wird, findet Gewichtsvielfalt in der Regel keine Betrachtung. Insbesondere dicke Menschen profitieren damit nicht von den positiven Effekten des Diversity-Gedankens, wie es beispielsweise die Förderung der Akzeptanz und der Sichtbarkeit verschiedener Körperformen wäre.

  1. Wie werden Sie dafür Sorge tragen, dass überall dort, wo das Land Sachsen auf Diversity setzt und / oder kommuniziert, Gewichtsvielfalt mitgedacht wird?
  2. Werden Sie parteiintern Diversity um die Betrachtung von Gewichtsvielfalt erweitern? Was werden hier die ersten Maßnahmen sein?
  • Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts ist weit verbreitet, wie verschiedene Studien immer wieder eindrücklich belegen. Es ist daher dringend notwendig, dass Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt wird und auch in Diversity-Strategien aufgenommen wird.

1.13. Sensibilisierung der Bevölkerung für Gewichtsdiskriminierung

Gewichtsdiskriminierung und stigmatisierende Vorurteile gegenüber dicken Menschen sind in unserer Gesellschaft stark verbreitet. Laut einer Studie der Philipps-Universität Marburg in Kooperation mit der Universität Leipzig haben 75 Prozent der deutschen Bevölkerung selbst Vorurteile dieser Art oder würden diesen zumindest nicht widersprechen. Gleichzeitig gibt es nur ein geringes gesellschaftliches Bewusstsein für Gewichtsdiskriminierung.

  1. Werden Sie einen Aktionsplan zur Sensibilisierung der Bevölkerung für Gewichtsdiskriminierung auf Landesebene auf den Weg bringen?
  2. Was werden die Eckpunkte dieses Aktionsplans sein?
  • Die Festlegung eines Normgewichtes und eines Normaussehens hat viel mit wirtschaftlichen Interessen zu tun. Damit gewinnt man gerade Frauen dafür, sich allen Mühen zu unterziehen, dieser Norm zu entsprechen und medizinische Produkte, Kleidung, etc. zu erwerben, um der Norm nahe zu kommen.
  • Allgemein verbreitete Vorurteile können am ehesten mit Informationen aufgeweicht werden. Wichtig ist zu vermitteln, dass Dicksein nicht mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit zusammenhängt. Insgesamt muss dieses Thema aus seiner tabuisierten Position herausgeholt werden. Über Gründe, Ursachen, Erkrankungen, Leistungen, Lebensfreude sollte umfassend informiert und diskutiert werden. Dies ist bereits in den Schulen erforderlich, wo es nicht nur darum gehen soll, Adipositas zu bekämpfen, sondern ein gutes Selbstgefühl zu seinem Körper zu entwickeln.

Wir setzen uns dafür ein, im Gesellschaftlichen Bewusstsein den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, unabhängig von äußeren Merkmalen und der äußeren Erscheinung.

1.14. Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“

Die Ergebnisse des Sachsen-Monitors, die steigende Anzahl rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt sowie festverankerte rechte Strukturen in Sachsen zeigen, dass nach wie vor das Potential an rassistischen und antidemokratischen Einstellungen in Sachsen sehr hoch ist. Mit dem Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ (WOS) fördert der Freistaat Sachsen das zivilgesellschaftliche Engagement im Sinne einer demokratischen Entwicklung des Landes seit dem Jahr 2005. Damit konnten eine Reihe von Initiativen und Projekten initiiert und durchgeführt werden, die das gesellschaftliche Engagement von Bürger*innen unterstützt oder überhaupt erst ermöglicht haben.

  1. Wie stehen Sie zur Fortführung des Landesprogramms WOS?
  2. Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie bei der Fortschreibung des Landesprogramms setzen?
  3. Welche Mittel werden Sie hierfür im Landeshaushalt bereitstellen?
  4. Wie stehen Sie zur Fortführung des Sachsen-Monitors?
  • Wir setzen uns parlamentarisch und außerparlamentarisch vorbehaltlos für eine Fortführung des Landesprogramms „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ ein. Mit unserem Antrag „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz weiterentwickeln und neujustieren: Die extreme Rechte zurückdrängen!“ (Drs 6/8448) haben wir die Aufgabenfortentwicklung, wie wir sie sehen, festgeschrieben. Wir wollen den mit dem Landesprogramm geschaffenen Handlungsrahmen sicherstellen und in der Zukunft deutlich erweitern und gewährleisten neben der Wertschätzung des zivilgesellschaftlichen Engagements eine kontinuierliche materielle Absicherung. In den Haushaltsberatungen zum Landeshaushalt 2019/2020 haben wir eine Verdopplung der Mittel für das Landesprogramm gefordert. Wir fordern zudem eine unbedingte Fortführung des Sachsen-Monitors!

1.15. Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen

International haben sich Aktionspläne gegen Homo*-, Trans*- und Inter*feindlichkeit als Instrument zur Förderung der Akzeptanz dieser Personengruppen bewehrt. In Sachsen wurde am 21.09.2017 der Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen veröffentlicht. Trans* und intergeschlechtliche Personen sind hier jedoch bei den Angeboten und Maßnahmen bisher nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt.

Unterstützen Sie die Erweiterung des sächsischen Aktionsplans um die Thematik der geschlechtlichen Vielfalt, insbesondere von trans* und intergeschlechtlichen Menschen in all ihren Variationen, und seine Weiterführung?

  • Bei der Erarbeitung des Aktionsplanes haben wir immer wieder die Forderung eingebracht, Trans*- und intergeschlechtliche Personen zu berücksichtigen. Leider hat das im nun vorgelegten Aktionsplan keinen Niederschlag gefunden. In der Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen müssen die Themen Trans*- und Intergeschlechtlichkeit unbedingt aufgegriffen werden. Bei der Fortschreibung sind die LSBTIQ*-Netzwerke und ‑Strukturen von Anfang an einzubeziehen.
  • Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Maßnahmen des Landesaktionsplans auch ausfinanziert sind – des bestehenden ebenso wie eines fortgeschriebenen Aktionsplans. Wir setzen uns dafür ein, dass eine Koordinierungsstelle geschaffen wird, die die Umsetzung der Maßnahmen des Landesaktionsplans vorantreibt. Darüber hinaus beobachten wir fortwährend die Umsetzung der Maßnahmen.

1.16. Zwangsoffenbarungsverbot für trans* und inter* Menschen

Das heutige Transsexuellengesetz enthält in § 5 zwar ein Offenbarungsverbot, aber in der Praxis geht dies oft nicht weit genug bzw. hat eine große Rechtsunsicherheit produziert. Die amtliche Namensänderung ist kostspielig und langwierig, da sie zwei Begutachtungen erfordert. Trans* Personen werden daher immer wieder mit ihrem alten Namen und einem falschen Pronomen konfrontiert: Manchmal wird ihnen der Gebrauch ihres selbst gewählten Vornamens verwehrt, manchmal technisch unmöglich gemacht, wenn beispielsweise Online-Systeme nicht die notwendige Flexibilität aufweisen. Dies führt dazu, dass trans* Menschen doch gezwungen sind, ihren Trans*-Hintergrund zu offenbaren.

  1. Wie werden Sie den Schutz der Privatsphäre von trans* Personen auf Landesebene gewährleisten?
  2. Werden sie intergeschlechtliche Menschen mit vergleichbaren Maßnahmen ebenfalls vor ungewollter Offenbarung schützen?
  • Das sogenannte Transsexuellengesetz gehört in unseren Augen abgeschafft. Wir stellen uns gegen die Vorgabe, Gutachten vorlegen zu müssen, um die eigene Geschlechtsidentität zu „beweisen“.
  • Auf Landesebene fordern wir, dass sämtliche Ansprachen, Formulare, Anträge etc. diskriminierungsfrei gestaltet sind. Das schließt selbstverständlich ein, dass Verwaltungsdokumente alle Geschlechter berücksichtigen.

1.17. Akzeptanz von LSBTI* in Sachsen stärken – Hassgewalt entgegentreten

Die Landesregierung muss es allen Menschen ermöglichen, zu jeder Zeit, an jedem Ort ohne Angst vor Anfeindung verschieden sein zu können; sei es in der Schule, im Pflegeheim oder am Arbeitsplatz – das gilt auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI*). Der „Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen“ muss weiterentwickelt und ausfinanziert werden. Die Landesregierung muss homophober/transfeindlicher Gewalt entschlossen entgegentreten.

  1. Werden Sie dafür sorgen, dass der Landesaktionsplan im Dialog mit LSBTI*-Vereinen weiterentwickelt, ausfinanziert und evaluiert wird?
  2. Berlin ist derzeit das einzige Bundesland, das jährlich Zahlen zu homophober und transfeindlicher Hasskriminalität veröffentlicht. Werden Sie dafür sorgen, dass diese Zahlen auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik für Sachsen extra ausgewiesen werden?
  • Wir fordern seit Jahren, dass in der polizeilichen Kriminalstatistik Straftaten im Zusammenhang mit Hasskriminalität eindeutig erfasst werden. Polizeikräfte ebenso wie die Beschäftigten der Justiz müssen in dieser Hinsicht sensibilisiert und geschult werden, um entsprechende Zusammenhänge zu erkennen, die Betroffenen angemessen zu unterstützen und Hürden abzubauen, Straftaten auch tatsächlich anzuzeigen. Darüber hinaus unterstützen wir die Forderung, innerhalb der Polizei eine Ansprechperson für LSBTIQ* zu benennen.

1.18. Vorgehen gegen rechte Gewalt

Der Verband der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) meldete für das Jahr 2018 einen Anstieg rechter Gewaltstraftaten in Ostdeutschland um etwa acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr und zählte in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin 1.212 Angriffe mit 1.789 Betroffenen. Unter den Betroffenen waren mehr als 250 Kinder und Jugendliche. Zwei Drittel der Angriffe waren rassistisch motiviert. In Sachsen zählten die Opferberatungsstellen „Support für Betroffene rechter Gewalt“ der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA Sachsen) 317 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe. Damit stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 38 Prozent. Auch gab es ein Tötungsdelikt in Aue. Noch immer liegen die Zahlen der erfassten rechten Straftaten von Landes- und Bundeskriminalamt unter den Zahlen der Opferberatungsstellen.

  1. Welche Konzepte verfolgen Sie, um Ideologien der Ungleichwertigkeit und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken, die häufig Grundlage rechtsmotivierter Gewalttaten sind?
  2. Welche Konzepte verfolgen Sie, um effektiv gegen rechte Strukturen in Sachsen vorzugehen und damit organisierter rechtsmotivierter Gewalt vorzubeugen?
  • Dem Grundsatz nach haben wir dem „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus – Positionen und Maßnahmen zum Umgang mit Ideologien der Ungleichwertigkeit und den darauf bezogenen Diskriminierungen“  (BT-Drs 18/12907), Unterrichtung durch die Bundesregierung zugestimmt. Wir vertreten darüber hinaus den Standpunkt, auch unter dem Eindruck steigender nationalistischer, rechtsextremer und fremden- und menschenfeindlicher Tendenzen in unserer Gesellschaft, dass dies bei weitem nicht mehr ausreicht. Da es sich hier um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt, muss allen Akteuren staatlicher und zivilgesellschaftlicher Art jedwede Unterstützung, personell als auch materiell zur Verfügung gestellt werden, sei es im Rahmen der politischen Bildung, der Verfolgung und Ahndung von Straftaten, der Achtung von Menschenrechten, im Kampf gegen Rassismus und Hass im Internet und nicht zuletzt in der Forschung.
  • Aufgrund der beschränkten Zeichenanzahl und der Vielzahl unserer Aktivitäten im parlamentarischen und außerparlamentarischen Raum, die diesen Rahmen sprengen würden, verweisen wir beispielhaft auf unsere Große Anfrage vom 21.09.2016 „Die Entwicklung der extremen Rechten in den Landkreisen und kreisfreien Städten des Freistaates Sachsen und Maßnahmen zur Zurückdrängung des Problems!“ (Drs 6/6532) und unserem dazu eingereichten Entschließungsantrag (siehe dazu Drs 6/8350).

1.19. Beratung für Betroffene von rechter Gewalt

Seit 2001 existieren in Sachsen spezialisierte unabhängige Beratungsstrukturen/Strukturprojekte, welche nach formulierten Qualitätsstandards sowie mit festangestellten Berater*innen im Feld unterwegs sind. Dazu zählt die Opferberatung „Support für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt“ (RAA Sachsen), die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (Kulturbüro Sachsen) und die Beratung gegen Rechtsextremismus an Schulen (Courage – Werkstatt für demokratische Bildungsarbeit / Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) Sachsen).

  1. Welchen Stellenwert haben diese spezialisierten Beratungsstrukturen für Sie in Sachsen?
  2. Wie werden Sie diese Beratungsstrukturen zukünftig unterstützen und fördern?
  • Abgesehen von der Tatsache, dass wir diese Beratungsstrukturen materiell unterstützen und uns über unsere Mitglieder in diesen engagieren, sehen wir die dringende Notwendigkeit diese weiter zu stärken und auszubauen. Dies meinen wir in finanziell, materiell und personell, da wir den Stellenwert dieser Beratungsstrukturen als überaus hoch einschätzen.

1.20.Thematisierung von anti-muslimischem Rassismus

In den letzten Jahren sind negative Haltungen und auch gewaltvolle Handlungen gegen muslimisch markierte Menschen und islamisch geprägte Orte wie Moscheen angestiegen. Daraus ergibt sich eine gefühlte und reale zunehmende Bedrohung ihrer Sicherheit.

  1. Wie bewerten Sie den erstarkenden anti-muslimischen Rassismus?
  2. Welche politische, juristische und soziale Unterstützung werden Sie Betroffenen anbieten, um sich in Deutschland sicher zu fühlen?
  3. Unterstützen Sie den Vorschlag, eine*n Beauftragte*n gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit auf Landesebene zu berufen?
  • Rassismus lehnen wir ab und bekämpfen ihn. Menschenverachtende Äußerungen und die Herabwürdigung von Muslimen sind nicht nur im Landtag zu hören. Dabei bleibt es nicht nur bei Worten. Laut dem Sachsenmonitor 2018 fühlt sich nahezu jeder zweite Sachse durch Muslime manchmal „wie ein Fremder im eigenen Land«, 41 Prozent würden Muslimen gern die Zuwanderung untersagen. Wir beobachten in der Mehrheitsgesellschaft mangelndes Wissen und verzerrte, undifferenzierte Bilder über den Islam. Wir setzen auf einen verstärkten Dialog mit islamischen Gemeinden und Organisationen. Dies muss vor allem auf kommunaler Ebene geschehen. Wünschenswert sind Projekte wie lokale Interkulturelle Zentren, die auch als Anlaufpunkte und Begegnungsorte für Muslime/Muslima und Interessierte fungieren können. Wünschenswert sind auch umfassende Bildungsangebote über den Islam in seiner Differenziertheit.
  • Für von Diskriminierung und Gewalt Betroffene sollen die Beratungs- und Anlaufstellen wie das Antidiskriminierungsbüro und die Opferberatungsstellen der RAA Sachsen gestärkt und ggf. auf die Zielgruppe spezialisiert werden. Unser umfangreiches Integrationsgesetz (Drs 6/13768) sieht die Einrichtung von kommunalen Integrationsbeauftragten und einem Sächsischen Migrationsbeauftragten auf Landesebene vor. Die Bekämpfung der Islamfeindlichkeit ist von den Aufgabenbereichen des Migrationsbeauftragten umfasst.
  • Bezüglich der Einführung eine*r Beauftragte*n gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit auf Landesebene zeigen wir uns offen und werden darüber in der kommenden Legislatur mit Akteuren der Zivilgesellschaft ins Gespräch kommen.

1.21. Stärkung demokratischer Werte

Das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ ist nur ein Baustein zur Stärkung demokratischer Werte in Sachsen. Notwendig wäre die Entwicklung eines gesamtgesellschaftlichen Handlungskonzeptes.

  1. Werden Sie sich für die Entwicklung eines gesamtgesellschaftlichen Handlungskonzeptes zur Stärkung demokratischer Werte in Sachsen einsetzen?
  2. Welche Eckpunkte sind Ihnen dabei besonders wichtig?
  3. Welche Akteur*innen werden Sie an der Konzeptionierung beteiligen?
  • Ja und unbedingt! Aufgrund der angegebenen Zeichenzahl können wir nur einige Schwerpunkte nennen, wie das Sichtbarmachen und Bekämpgen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Alltagsrassisimus und –diskriminierung; ferner das Aufzeigen der Gründe von Radikalisierungstendenzen und deren aktive Bekämpfung; sowie den Kampf gegen Homosexuellen- und Transfeindlichkeit. Wir stehen für eine breite soziale und politische Beteiligung und sehen viel Potential vor allem in lokalen Partnerschaften zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen sowie zivilgesellschaftlichen Initiativen.

1.22. Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen

Die Angriffe auf und Anfeindungen gegen Initiativen und Vereine, die sich für eine demokratische und menschenrechtsorientierte Gesellschaft einsetzten, nehmen zu. Sie reichen von verbalen Attacken über Diffamierungen und Anfeindungen in den sozialen Medien bis hin zu Übergriffen (Sachbeschädigungen) auf die Vereinsräumlichkeiten.

  1. Was werden Sie tun, um diesen Angriffen entgegenzuwirken?
  2. Wie werden Sie die Vereine und Initiativen bei ihrer Arbeit unterstützen und stärken?
  • Wir stehen für eine konsequente strafrechtliche Verfolgung jeglicher Angriffe und Anfeindungen gegen Initiativen und Vereine, die sich für eine demokratische und menschenrechtsorientierte Gesellschaft einsetzen und stellen uns öffentlich an deren Seite. Wir bieten diesen Vereinen und Initiativen Podien und unterstützen sie in ihrem gesellschaftlichen Einsatz. Darüber hinaus engagieren sich Mitglieder unserer Partei in solchen Vereinen und Initiativen. Wir unterstützen diese inhaltlich und finanziell und durch die Einbringung entsprechender parlamentarischer Initiativen.

1.23. Umsetzung der Istanbul-Konvention

Die Bundesregierung hat am 8. März 2017 – dem internationalen Frauenkampftag – angekündigt, mit der Ratifizierung der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zu beginnen. Die Konvention schreibt den Vertragsparteien die Erstellung allumfassender Maßnahmen zum Schutz, zur Verhütung, Verfolgung und Beendigung aller Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt vor. Die Konvention richtet sich sowohl gegen Gewalt, die im Privaten erfahren wird, als auch gegen geschlechtsspezifische Gewalt im öffentlichen Raum.

Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Sachsen beitragen?

  • Bereits in dieser Legislaturperiode haben wir einen Antrag eingebracht und die zügige und konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention eingefordert (Istanbul-Konvention: Anspruch auf Schutz bei häuslicher Gewalt konsequent umsetzen – Sächsisches Maßnahmenprogramm endlich auf den Weg bringen! Drs 6/14763).
  • Wir werden die Umsetzung der Istanbul-Konvention sehr genau beobachten, immer wieder die Themen häusliche Gewalt und/oder sexualisierte Gewalt auf die Tagesordnung bringen und in den Haushaltsdebatten eine entsprechende auskömmliche Finanzierung beantragen. So wie wir uns bereits in dieser Wahlperiode sehr intensiv dem Gewaltschutz gewidmet haben, werden wir auch künftig an dem Thema dran bleiben.

Öffentliche Verwaltung

2.1. Verwaltung als Schnittstelle zu den Bürger*innen

Die Entscheidungen und das Verhalten von Verwaltungen haben einen großen Einfluss auf das Leben von Menschen. In Studien und in der Antidiskriminierungsberatung wird regelmäßig von Diskriminierungserfahrungen im Kontakt mit staatlichen Stellen berichtet. Gleichzeitig fällt es Betroffenen gerade in diesem Lebensbereich schwer, ihre Rechte einzufordern.

  1. Welches Konzept verfolgt Ihre Partei, um einen diskriminierungssensiblen Umgang der Verwaltung in ihren Abläufen und Strukturen sowie im direkten Kontakt mit den Bürger*innen sicherzustellen?
  2. Wo sehen Sie Regelungsbedarfe und welche konkreten Maßnahmen planen Sie in der kommenden Legislatur?
  3. Werden Sie ein Qualitäts- und Beschwerdemanagement für Verwaltungen und Behörden mit direktem Kund*innenkontakt einführen, um gegen Diskriminierungen vorzugehen und dabei folgende Eckpunkte berücksichtigen:
          a. Die Besetzung der Stellen mit qualifizierten Ansprechpersonen,
          b. die Einführung eines transparenten Verfahrens
          c. und eine wirksame Bewerbung der Beschwerdemöglichkeiten?
  • Zunächst einmal fordern wir ein, dass der öffentliche Dienst eine Vorbildfunktion übernimmt. Dazu zählt die flächendeckende Einrichtung von Beschwerdestelle nach § 13 AGG ebenso wie das durchgehende Anwenden anonymisierter Bewerbungsverfahren.
  • Darüber hinaus müssen die Beschäftigten – insbesondere diejenigen mit Personalverantwortung – regelmäßig an Schulungen teilnehmen können, die die Schaffung einer diskriminierungsfreien Atmosphäre beinhalten. Ziel muss es sein, dass sowohl die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes als auch die Kund_innen in der Verwaltung eine offene, wertschätzende und diskriminierungsfreie Umgebung vorfinden.
  • Kund_innen der Verwaltung müssen Anlaufstellen haben, an die sie sich wenden können, wenn sie bei ihrem Behördenkontakt diskriminiert wurden. Solche Vorfälle müssen dann konsequent aufgearbeitet und unterbunden werden.

2.1. Landesverwaltung als Arbeitsgeberin

Die Sächsische Verwaltung ist eine große Arbeitgeberin. Als solche ist sie für einen effektiven Diskriminierungsschutz ihrer Mitarbeiter*innen und für Chancengleichheit von Bewerber*innen verantwortlich. Um mit gutem Beispiel für andere Arbeitgeber*innen voran zu gehen, ist es wichtig, dass in der Landesverwaltung ein effizienter Diskriminierungsschutz umgesetzt wird.

  1. Wie beurteilen Sie die aktuelle Qualität des Diskriminierungsschutzes für Mitarbeiter*innen der sächsischen Verwaltung und Landesbetriebe?
  2. Welche Schritte planen Sie, um die Schutzgebote und weiterführenden Handlungsmöglichkeiten wie Positive Maßnahmen, die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) angelegt sind, umzusetzen?
  3. Werden Sie die Arbeit der AGG-Beschwerdestellen in den Landesverwaltungen evaluieren?
  • Der Diskriminierungsschutz ist nach unserer Auffassung unzulänglich. Es gibt weder flächendeckend Beschwerdestellen nach §13 AGG, noch ist die Frage der Barrierefreiheit umfangreich gelöst.
  • Die Beschäftigtenzahlen in der Verwaltung zeigen, dass es erhebliche Defizite bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen gibt. Ein wirksames Gleichstellungsgesetz wurde jedoch trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht auf den Weg gebracht.
  • Um gegen bestehende offene, verdeckte und strukturelle Diskriminierung vorzugehen, brauchen wir in Sachsen ein viel stärkeres Bewusstsein für Diskriminierung. Notwendig sind dafür u.a. Schulungen für die Beschäftigten, die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren, ein wirksames Gleichstellungsgesetz, die Erweiterung der multikulturellen Kompetenzen und der Ausbau barrierefreier Zugänge.

1.3. Landesverwaltung als Diversity-Vorbild

Die sächsische Landesverwaltung hat den Auftrag, die Vielfältigkeit der sächsischen Bevölkerung in ihrer eigenen Personalstruktur widerzuspiegeln. Damit steht sie in der Verantwortung, hierauf proaktiv hinzuwirken.

  1. Was sind die Eckpunkte Ihres ministerienübergreifenden Diversity Mainstreaming Konzeptes?
  2. Werden Sie in der Landesverwaltung und den Landesbetrieben anonymisierte Bewerbungsverfahren einführen?
  • Der Diskriminierungsschutz ist nach unserer Auffassung unzulänglich. Es gibt weder flächendeckend Beschwerdestellen nach §13 AGG, noch ist die Frage der Barrierefreiheit umfangreich gelöst.
  • Die Beschäftigtenzahlen in der Verwaltung zeigen, dass es erhebliche Defizite bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen gibt. Ein wirksames Gleichstellungsgesetz wurde jedoch trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht auf den Weg gebracht.
  • Um gegen bestehende offene, verdeckte und strukturelle Diskriminierung vorzugehen, brauchen wir in Sachsen ein viel stärkeres Bewusstsein für Diskriminierung. Notwendig sind dafür u.a. Schulungen für die Beschäftigten, die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren, ein wirksames Gleichstellungsgesetz, die Erweiterung der multikulturellen Kompetenzen und der Ausbau barrierefreier Zugänge.

2.4. Verwaltung als Auftraggeberin und Vertragspartnerin

Das Land Sachsen ist ein bedeutsamer Auftrag- und Fördermittelgeber, beispielsweise in den Bereichen Infrastruktur, Wohnungsbau, Forschung, Soziale Hilfen und Kultur. Durch die Gestaltung von Ausschreibungen, Förderrichtlinien, vertraglichen Rahmenbedingungen etc. kann das Land Anreize zur Umsetzung und Sicherstellung eines wirksamen Diskriminierungsschutzes auf Seiten der Auftragnehmer*innen und Fördermittelempfänger*innen setzen.

Wie werden Sie Aspekte des Diskriminierungsschutzes im Sächsischen Vergabegesetz sowie in Förderrichtlinien und Ausschreibungen verankern?

  • Das werden wir definitiv. Vor wenigen Monaten haben wir einen Gesetzentwurf für ein modernes Vergabegesetz eingebracht, der klare Forderungen in Sachen Antidiskriminierung, Inklusion und Barrierefreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und Familienfreundlichkeit stellt (Drs 6/13914). Diese Forderungen werden wir auch weiterhin immer wieder einbringen.
  • Bauliche Barrierefreiheit muss bei allen Neubauprojekten von Anfang an selbstverständlich sein, um später aufwendige Umbauten zu vermeiden. Bei allen bestehenden Einrichtungen setzen wir uns dafür ein, dass in den nächsten Jahren barrierefreie Zugänge geschaffen werden.
  • In Ausschreibungen muss klar sein, dass Aufträge bzw. Förderungen an Barrierefreiheit geknüpft sind.

2.5. Barrierefreiheit zur notwendigen Voraussetzung für die Auftragsvergabe und Förderung machen

Der Freistaat Sachsen ist ein bedeutsamer Auftrag- und Fördermittelgeber, beispielsweise in den Bereichen Infrastruktur, Wohnungsbau, Forschung, Sozialwesen und Kultur. Er hat damit die Möglichkeit, eine umfassende Barrierefreiheit als Kriterium in den eigenen Ausschreibungen, Förderrichtlinien und vertraglichen Rahmenbedingungen festzulegen.

Werden Sie die Förderrichtlinien und vertraglichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass die allumfassende Barrierefreiheit zu einer notwendigen Voraussetzung für die Beauftragung und die Förderung durch den Freistaat wird?

  • Ja. Vor wenigen Monaten haben wir einen Gesetzentwurf für ein modernes Vergabegesetz eingebracht, der klare Forderungen in Sachen Antidiskriminierung, Inklusion und Barrierefreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und Familienfreundlichkeit stellt (Drs 6/13914). Diese Forderungen werden wir auch weiterhin immer wieder einbringen.
  • Bauliche Barrierefreiheit muss bei allen Neubauprojekten von Anfang an selbstverständlich sein, um später aufwendige Umbauten zu vermeiden. Bei allen bestehenden Einrichtungen setzen wir uns dafür ein, dass in den nächsten Jahren barrierefreie Zugänge geschaffen werden.
  • In Ausschreibungen muss klar sein, dass Aufträge bzw. Förderungen an Barrierefreiheit geknüpft sind.

2.6. Weiterbildung des öffentlichen Dienstes bezüglich nicht-binärer Menschen

Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Geschlechtseintrag für nicht-binäre Personen sind die Bedürfnisse von intersexuellen Menschen stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Trotzdem existieren innerhalb der Gesellschaft, aber auch im öffentlichen Dienst, noch große Unsicherheiten und nur wenig Wissen.

Werden Sie gemeinsam mit Vertreter*innen der Community Fortbildungen und Informationsmaterialen für den öffentlichen Dienst zum Umgang mit Menschen, die sich weder männlich noch weiblich verorten, entwickeln und anbieten?

  • Eine entsprechende Qualifizierung und Sensibilisierung der Beschäftigten sehen wir als dringend notwendig an. Dabei geht es um sämtliche Bereiche des öffentlichen Dienstes, Schulen und Polizei, Justiz und Behörden. Das schließt ein, dass sämtliche Verwaltungsschreiben, Formulare, Anträge etc. geschlechtergerecht ausgestellt werden, das heißt auch, wo nicht notwendig, sollen Angaben zum Geschlecht auch nicht erhoben werden, ansonsten gilt es, die Möglichkeit eines „divers“-Geschlechtseintrag durchgängig einzufügen.
  • Wir setzen uns für eine Fortschreibung und Weiterentwicklung des Landesaktionsplans ein, dabei müssen die Bereiche Inter*- und Trans*-Geschlechtlichkeit deutlich mehr Beachtung finden.

2.7. Gendergerechte und inkludierende Sprache in Verwaltungsdokumenten

Die Sprache in Verwaltungsdokumenten verwendet anstelle von inkludierender Sprache, die alle Geschlechter gleichermaßen berücksichtigt, immer noch das generische Maskulinum.

Werden Sie in Verwaltungsdokumenten alle Geschlechter gleichermaßen berücksichtigen und wenn ja, wie?

  • Ja. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass noch immer Dokumente und Schreiben im generischen Maskulinum verfasst sind, mit dem Verweis, es seien ja alle gemeint. Sprache ist ein wichtiger Indikator für Macht, Herrschaftsverhältnisse und Diskriminierung. Daher ist es für uns selbstverständlich, dass eine geschlechtersensible und geschlechtergerechte Sprache in allen Dokumenten und Schreiben zur Anwendung kommt.

2.8. Teilhabe von LSBTIQ*-Personen im öffentlichen Dienst

Eine wirkliche Akzeptanz von LSBTIQ* im täglichen Arbeitsleben ist auch in Sachsen noch längst nicht überall vorhanden. In einer deutschlandweiten Befragung zum Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebensweisen am Arbeitsplatz berichteten die Befragten von Diskriminierungen, die sie selbst oder bei anderen erlebt haben. Diese Diskriminierungen umfassen ein breites Spektrum, das von Tuscheln und Gerüchten (54,6 %) über Mobbing (21,6 %), Karriereblockaden (18,8 %) bis hin zu sozialer Ausgrenzung (21,9 %) und physischer Gewalt (8,3 %) reicht (LAP Stand 06/2017). Das Land Sachsen hat als Arbeitgeber selbst eine Vorbildfunktion und sollte sich dafür einsetzen, dass die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in die Personalentwicklung und Personalentscheidungen optimal integriert wird.

  1. Wie werden Sie einen diskriminierungsfreien Zugang für lsbtiq* Personen zum öffentlichen Dienst sicherstellen?
  2. Durch welche Maßnahmen werden Sie die Vielfalt am Arbeitsplatz ermöglichen?
  • Der Diskriminierungsschutz ist nach unserer Auffassung unzulänglich. Es gibt weder flächendeckend Beschwerdestellen nach §13 AGG, noch ist die Frage der Barrierefreiheit umfangreich gelöst.
  • Die Beschäftigtenzahlen in der Verwaltung zeigen, dass es erhebliche Defizite bei der Besetzung von Führungspositionen mit Frauen gibt. Ein wirksames Gleichstellungsgesetz wurde jedoch trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht auf den Weg gebracht.
  • Um gegen bestehende offene, verdeckte und strukturelle Diskriminierung vorzugehen, brauchen wir in Sachsen ein viel stärkeres Bewusstsein für Diskriminierung. Notwendig sind dafür u.a. Schulungen für die Beschäftigten, die Einführung anonymisierter Bewerbungsverfahren, ein wirksames Gleichstellungsgesetz, die Erweiterung der multikulturellen Kompetenzen und der Ausbau barrierefreier Zugänge.

2.9. Sensibilisierung der Jugendämter für die Situation von Migrant*innen

Gerade in den Grenzregionen zu Polen kommt es vergleichsweise häufig zu einer Fremdunterbringung von Kindern durch die Jugendämter. Ursächlich hierfür sind immer wieder auch das mangelnde Verständnis für die Situation von migrantischen Eltern und Stereotypen.

  1. Wie werden Sie die Mitarbeiter*innen der Jugendämter für die Lebenssituation von migrantischen Eltern sensibilisieren?
  2. Wie werden Sie migrantische Familien in ihrer teilweise schwierigen sozialen Situation unterstützen?
  • Die Vermittlung und der Erwerb von interkultureller Kompetenz sind nicht nur zugunsten der Jugendämter in Sachsen erforderlich. Der Bedarf ist in allen Teilen der Landes- und kommunalen Verwaltungen groß. Barrierefreiheit heißt auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund unkompliziert mit Behörden kommunizieren und interagieren können. Neben verpflichtenden Fortbildungen zur Erlangung interkultureller Kompetenz wollen wir sicherstellen, dass alle Verwaltungseinheiten und Formulare mehrsprachig sind bzw. Übersetzungen unkompliziert organisiert werden können. Die interkulturelle Öffnung der Verwaltungen aller Ebenen ist kurz- und mittelfristig unabdingbar. Zur Unterstützung von migrantischen Familien verweisen wir auf unser umfangreiches Integrationsgesetz (Drs 6/13768). Darin ist der § 10 spezifisch auf die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausgerichtet. Mit den zudem vorgesehenen Kommunalen Integrationszenten (§12) sollen unter anderem die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gefördert und verbessert werden.

2.10. Gesichertes Niederlassungsrecht für EU-Bürger*innen

Pol*innen erfahren immer wieder Diskriminierungen seitens deutscher Behörden. Ihnen wird beispielsweise die Wohnanmeldung in Sachsen verweigert, obwohl się als EU-Bürger*innen das Recht haben, sich nach Erfüllung der grundlegenden Anforderungen in einem beliebigen EU-Land aufzuhalten. Dadurch wird ihnen der betreffende Zeitraum nicht für die erforderliche fünfjährige Aufenthaltsdauer in Deutschland angerechnet, die für den Erwerb der vollen Rechte auf Ansprüche nach SGB II und SGB XII erforderlich ist. Infolgedessen arbeiten sie häufig ohne amtliche Registrierung oder als entsandte Arbeitnehmer*innen und haben somit eine schlechtere soziale Absicherung und Arbeitssituation.

Werden Sie diese Fälle einer Verweigerung der Registrierung untersuchen? Wie werden Sie sicherstellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen?

  • Wenn es tatsächlich eine solche Verweigerung der Aufnahme von Meldedaten in den Meldebehörden in Sachsen geben sollte, ist das schlicht rechtswidrig. Die Einzelheiten sind in Ziffer 5.1. VwV FreizügG/EU geregelt. Bis zur 2023 geplanten Errichtung der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) sind weiterhin die Fach‑, Dienst- und Rechtsaufsichtsbehörden in Sachsen gehalten, in diesen Fällen geeignete Maßnahmen im Einzelfall zu ergreifen. Offenkundig finden Kontrollen der Verwaltungspraxis bei der meldebehördlichen Anmeldung nicht statt. Soweit die rechtswidrige Verweigerung der Wohnanmeldung auf Unkenntnis der bundesrechtlichen Vorgaben beruht, werden wir hier die Mitarbeiter*innen entsprechend schulen. Unser bereits oben zitiertes Integrationsgesetz eröffnet dem*r Sächsischen Migrationsbeauftragten ein Interventions- und Beanstandungsrecht in diesen Fällen. Darüber hinaus ist er*sie berechtigt, mit ausdrücklicher Einwilligung der betroffenen Personen den Landtag und die Öffentlichkeit in geeigneter Form über die festgestellten Verstöße im Einzelfall und anonymisiert zu unterrichten, um auch auf dieser Weise auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen.

Bildung

3.1. Novellierung des Schulgesetzes

Bei der Novellierung des Schulgesetzes im Jahr 2016 sind die rechtlichen Schutzlücken nicht geschlossen und somit die Chance und die Pflicht vergeben worden, einen effektiven Diskriminierungsschutz zu etablieren. Die Aufnahme eines Diskriminierungsverbotes schafft Rechtssicherheit, stärkt Betroffene und schärft das Bewusstsein der Akteur*innen im Bildungsbereich.

Werden Sie das sächsische Schulgesetz dahingehend überarbeiten und einen effektiven Diskriminierungsschutz verankern, wie ihn die europäischen Richtlinien vorgeben und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ihn auf Bundesebene umsetzt?

  • DIE LINKE in Sachsen befürwortet „einen effektiven Diskriminierungsschutz“ im Schulgesetz und wird eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes im Parlament einbringen.

3.2. Sensibilisierung von Lehrer*innen für Vielfalt und gegen Diskriminierung

Lehrer*innen kommt bei Diskriminierungen in der Schule eine entscheidende Rolle zu. Einerseits können sie selbst für Diskriminierungen verantwortlich sein, andererseits ist es ihre Aufgabe, Schüler*innen für Diskriminierung zu sensibilisieren, sowie bei konkreten Diskriminierungen zwischen Schüler*innen verbindlich und zugleich konstruktiv einzuschreiten.

  1. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass Lehrer*innen im Rahmen ihrer Hochschulausbildung Vielfaltskompetenz und Diskriminierungssensibilität vermittelt wird?
  2. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Vielfaltskompetenz und Diskriminierungssensibilität von Lehrer*innen kontinuierlich im Rahmen von zertifizierten Fortbildungen gestärkt werden und Anreizstrukturen für eine Teilnahme ausbauen?
  3. Werden Sie sich dafür einsetzen, die Diversität auf Seiten der Lehrer*innen explizit zu fördern und zu erhöhen, um die Vielfalt innerhalb der Bevölkerung abzubilden?
  • In einem Gesetz zur Lehramtsausbildung, dass DIE LINKE in der kommenden Wahlperiode ins Parlament einbringen will, werden die „Vielfaltskompetenz und Diskriminierungssensibilität“ als ein Schwerpunkt aufgenommen.
  • Auf entsprechende Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer, die auch schon angeboten werden, wird DIE LINKE ihr Augenmerk richten.
  • Sachsen leidet an einem eklatanten Lehrermangel. Schon aus dem Grund sind qualifizierte Lehrkräfte egal welcher Herkunft oder welchen Geschlechts willkommen.

3.3. Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen bei Diskriminierung an Schulen und Hochschulen

Schulen und Hochschulen sind für Schüler*innen und Studierende in vielerlei Hinsicht vergleichbar mit einem Arbeitsplatz. Hier verbringen sie viel Zeit in sozialen Bezügen, die sie sich nur begrenzt aussuchen können. Anders als im Arbeitsbereich ist im Bildungsbereich die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Umfeldes weit weniger klar geregelt: Schulen verfügen in der Regel über keine expliziten Anlaufstellen und klar geregelten Verfahren – Betroffenen ist nicht bekannt, an wen sie sich wenden können und was die nächsten Schritte sind. Lehrer*innen sind in der Bewältigung oftmals auf sich gestellt. Im Bereich der Hochschulen werden Anlauf- und Beratungsstrukturen teilweise gerade erst aufgebaut.

  1. Wie werden Sie Schulen und Hochschulen dazu verpflichten, Konzepte für Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen bei Diskriminierung zu entwickeln, und sie bei der Umsetzung unterstützen?
  2. Wie stellen Sie sicher, dass Schüler*innen und Eltern, Studierende und Mitarbeiter*innen von Bildungseinrichtungen wissen, an wen sie sich im Falle einer Diskriminierungserfahrung wenden können?
  3. Planen Sie die Einrichtung einer/eines Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen wie die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, die damit vorbildlich ein Qualitäts- und Beschwerdemanagement umsetzt?
  • Die Hochschulen im Freistaat genießen Autonomie. Auch den Schulen wird eine immer größere Eigenständigkeit eingeräumt. Insofern kann die Politik zwar die gesetzlichen Voraussetzungen für Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen schaffen, deren Umsetzung obliegt jedoch den (Hoch)Schulen selbst. DIE LINKE wird sich für eine Überprüfung und ggf. Verbesserung von Beschwerdestrukturen durch das Parlament einsetzen.
  • Sowohl in den Hochschulen als auch in den Schulen sind bereits Strukturen und Personal (Vertrauenslehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen u.a.m.) vorhanden, an die sich Schüler*innen und Eltern, Studierende und Mitarbeiter*innen wenden können. Für eine Optimierung bzw. verbesserte Wirksamkeit von Beschwerdestrukturen wird sich DIE LINKE im Parlament einsetzen.

3.4. Diskriminierungsfreie und Vielfalt repräsentierende Lehr- und Lernmittel

Aktuell beinhaltet das Sächsische Schulgesetz kein Zulassungsverfahren für Lehr- und Lernmittel. Lediglich für die Fächer Evangelische Religion, Katholische Religion und Ethik wird per Verordnung ein Zulassungsverfahren festgelegt, wobei in den Kriterien diskriminierende Inhalte nicht explizit als Ablehnungskriterium genannt werden. Auch die in § 60 des Schulgesetzes genannten Vorgaben bleiben zu vage, um Lernmittel mit diskriminierenden Inhalten umfänglich auszuschließen.

Werden Sie ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot für Lehr- und Lernmittel im Schulgesetz festschreiben?

  • In der entsprechenden Verordnung heißt es: Lehrkräfte der jeweiligen Schulart begutachten die von den Verlagen eingereichten Schulbücher. Sie prüfen zum Beispiel auf Übereinstimmung mit den Zielen und Inhalten des entsprechenden Lehrplans, auf Altersgemäßheit und auf sachliche Richtigkeit. DIE LINKE strebt keine Änderung der Zulassungsverordnung an, sie vertraut den zuständigen Lehrkräften, dass sie bei der Auswahl der Schulbücher das Augenmerk u.a. auf die Diskriminierungsfreiheit. Sie sind schließlich die Fachleute. Aus auftretenden Fehlern kann man lernen.

3.5. Inklusion und Bildungsgerechtigkeit

Vielfalt im Klassenzimmer ist Ziel und Realität zugleich. Kinder mit unterschiedlichen sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Zugehörigkeiten und Zuschreibungen kommen hier während einer prägenden Lebensphase zusammen. Wie Kinder diese Phase erleben, welche Möglichkeiten sie erhalten oder ihnen versagt bleiben, stellt die Weichen für ihr weiteres Leben.

  1. Wie stellen Sie Bildungsgerechtigkeit sicher angesichts unterschiedlicher Ausgangsbedingungen und Fähigkeiten von Schüler*innen, insbesondere beim Zugang zu (Regel-)Schulen und Schulübergängen, speziell beim Übergang auf das Gymnasium?
  2. Wie verhindern Sie, dass Kinder beispielsweise aufgrund ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft, einer Behinderung oder wegen fehlender Deutschkenntnisse pauschal als defizitär betrachtet und behandelt werden?
  • DIE LINKE setzt sich für die Einführung der Gemeinschaftsschule ein. In Verbindung mit einer entsprechenden Lehr- und Lernkultur bietet das längere gemeinsame Lernen eine sinnvolle pädagogische Lösung. Erfahrungen im Umgang mit sozialer und kultureller Verschiedenheit gehören zum schulischen Lernen genauso wie der Unterricht in den Naturwissenschaften. Wir brauchen im Freistaat Sachsen eine Pädagogik der Vielfalt in Gemeinsamkeit. Wer den schulischen Auftrag auf Leistungserbringung verengt und nicht auch soziales Lernen einbezieht, der muss sich nicht wundern, wenn Rohheit und Gewalt zunehmen.

3.6. Zugang von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu frühkindlicher Erziehung und zu Regelschulen

Die Schulpflicht für Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen ist gemäß eines Erlasses des Sächsischen Staatsministerium für Kultus für die Zeit ihres dortigen Aufenthalts ausgesetzt. Weiterhin planen Innen- und Kultusministerium ein Lernangebot zu etablieren, mit denen Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter einen ähnlichen Zugang zum Bildungssystem erhalten sollen, wie es die EU-Aufnahmerichtlinie vorsieht. Dabei prüfen sie auch, wie ein Regelschulzugang für Kinder und Jugendliche ermöglicht werden kann, sofern die Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung die Dauer von sechs Monaten überschreitet.

  1. Stellt das Lernangebot des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus Ihrer Meinung nach den ähnlichen Zugang zum Bildungssystem gemäß EU-Aufnahmerichtlinie sicher?
  2. Nach welcher Zeit sollten Ihrer Meinung nach geflüchtete Kinder und Jugendliche spätestens die Regelstrukturen der frühkindlichen Erziehung und des Schulsystems besuchen? Wie werden Sie das sicherstellen?
  3. Was sollte Ihrer Meinung nach die längste Aufenthaltsdauer für Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen sein? Wie werden Sie das sicherstellen?
  • Bildung ist ein hohes Gut und ein Menschenrecht. Es kann nicht angehen, dass Kinder und Jugendliche aufgrund ihres aufenthaltsrechtlichen Status von Bildung ausgeschlossen werden. Dass sich die Zahl der Betroffenen in den sächsischen Erstaufnahmen eher erhöht und dass es die Staatsregierung weiter unterlässt, Abhilfe zu schaffen, ist inakzeptabel. Statt in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine Art „Schule light“ zu schaffen, gehören die Betroffenen so schnell wie möglich in die Regelschule und in die Kita.

3.7. Diskriminierung von Schüler*innen mit Migrationsgeschichte im Bildungsbereich entgegenwirken

Im sächsischen Bildungsbereich existiert nach wie vor kein wirksamer rechtlicher Diskriminierungsschutz. Viele Schüler*innen und Beratungsstellen berichten jedoch von Diskriminierungserfahrungen an Bildungseinrichtungen. Insbesondere Schüler*innen mit Migrationsgeschichte erfahren strukturell Nachteile im sächsischen Bildungswesen, folglich sind sie in den Gymnasien und Hochschulen unterrepräsentiert.

  1. Werden Sie Maßnahmen zum Schutz gegen Diskriminierung im sächsischen Schulgesetz verankern?
  2. Wie werden Sie gegen Diskriminierung an sächsischen Bildungseinrichtungen vorgehen und Schüler*innen mit Migrationsgeschichte einen gleichberechtigten Zugang zu Gymnasien und Hochschulen ermöglichen?
  • DIE LINKE in Sachsen befürwortet „einen effektiven Diskriminierungsschutz“ im Schulgesetz und wird eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes im Parlament einbringen.
  • Die Hochschulen im Freistaat genießen Autonomie. Auch den Schulen wird eine immer größere Eigenständigkeit eingeräumt. Insofern kann die Politik zwar die gesetzlichen Voraussetzungen für Beschwerdestrukturen und Anlaufstellen schaffen, deren Umsetzung obliegt jedoch den (Hoch)Schulen selbst. DIE LINKE wird sich für eine Überprüfung und ggf. Verbesserung von Beschwerdestrukturen durch das Parlament einsetzen.
  • Sowohl in den Hochschulen als auch in den Schulen sind bereits Strukturen und Personal (Vertrauenslehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen u.a.m.) vorhanden, an die sich Schüler*innen und Eltern, Studierende und Mitarbeiter*innen wenden können. Für eine Optimierung bzw. verbesserte Wirksamkeit von Beschwerdestrukturen wird sich DIE LINKE im Parlament einsetzen.

3.8. Kritische politische Bildung in Sachsen

Eine gefestigte und lebendige demokratische Gesellschaft bedarf der aktiven Mitwirkung informierter Bürger*innen. Für das Verständnis der Funktionsweise unserer Gesellschaft und demokratischen Agierens leistet kritische politische Bildung einen wesentlichen Beitrag. In Sachsen existiert ein breitgefächertes Angebot außerschulischer, nichtstaatlicher Bildungsträger, die auf diesem Gebiet seit vielen Jahren wertvolle Arbeit leisten.

  1. Welchen Stellenwert hat außerschulische kritische politische Bildung für Sie?
  2. Welche Bedeutung messen Sie der Arbeit von nichtstaatlichen Trägern in diesem Themenfeld bei?
  3. Wie werden Sie die außerschulische kritische politische Bildung zukünftig fördern?
  • DIE LINKE hat mit verschiedenen parlamentarischen Initiativen auf eine Verbesserung der politischen Bildung gedrungen. Erforderlich sind die folgenden Maßnahmen: den Unterricht im Fach Gemeinschaftskunde inhaltlich und methodisch-didaktisch auf den neuesten Stand politikwissenschaftlicher und soziologischer Erkenntnisse zu bringen, insbesondere im Hinblick auf den „universalistischen Kern von Demokratie und Menschenrechten“ (Jürgen Habermas) sowie die Pluralisierung religiöser und kultureller Lebensweisen in der Gesellschaft; die Modernisierung des Unterrichtsfachs durch die Umbenennung von „Gemeinschaftskunde“ in „Politische Bildung“ zu dokumentieren, die „Politische Bildung“ ab Klasse 5 durchgehend zu erteilen und in der Stundentafel als ein Zwei-Stundenfach auszuweisen sowie für das Fach „Politische Bildung“ einen Rahmenlehrplan und entsprechende Unterrichtsbausteine zu erstellen.
  • Benötigt werden Regelungen für eine differenzierte sozialräumliche Betrachtung und Förderung von Erwachsenenbildung – z.B. von dicht und weniger dicht besiedelten sowie strukturschwachen Regionen, wie sie im Landesentwicklungsplan 2013 ausgewiesen sind und als Räume mit besonderem Handlungsbedarf definiert werden. Stärkung der Zivilgesellschaft, Aufbau von Dialog- und Begegnungsmöglichkeiten, generationsübergreifende Bildungsangebote, aufsuchende und mobilitätsunterstützende Angebote. Der Ausbau einer bürgerschaftlichen Bildungsarbeit zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Ressourcen und Kompetenzen (ehrenamtliches Engagement; Gemeinwohlorientierung). Hier geht es nicht nur um Seminar- und Vortragsangebote, sondern vor allem um neue Dialog-Formate für Begegnungsmöglichkeiten, Austausch und Teilhabe: Bereitstellen von bürgerschaftlichen Ermöglichungsräumen.

3.9. Interkulturelle Öffnung im Bildungsbereich

Trotz akutem Personalmangels im Bildungsbereich gibt es äußerst wenig interkulturelles Personal. Pädagog*innen mit Migrations- und Fluchthintergrund finden aufgrund komplizierter und langwieriger Anerkennungsverfahren ausländischer Bildungsabschlüsse kaum Zugang zu Tätigkeiten an Schulen und KiTas. Hinzukommt, dass auch Menschen mit deutschen Bildungsabschlüssen und nichtdeutscher Herkunft bei Bewerbungsverfahren diskriminiert werden.

  1. Welche Maßnahmen werden Sie einleiten, um einen produktiven, vielfaltsorientierten und bedarfsgerechten Umgang mit der Verschiedenartigkeit an Bildungseinrichtungen zu erreichen?
  2. Wie werden Sie den Arbeitseinstieg von Lehrer*innen mit Migrations- und Fluchtgeschichte erleichtern?
  3. Werden Sie für Pädagog*innen spezifische kultursensible Fortbildungen anbieten?
  • Wir setzen uns für eine Erleichterung der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen ein sowie für deren weitere Qualifizierung, etwa im Rahmen der laufenden Bildungsprogramme für „Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger“ deutscher Herkunft. Das gilt sowohl für ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen wie auch für Menschen mit fachlichem Studienabschluss, die als Lehrkräfte in Frage kommen. Die Diversifizierung auch des Lehrpersonals ist uns ein wichtiges Anliegen, zu dessen Verwirklichung auch Fortbildungen beitragen sollen. Ein alltäglicher Umgang von Menschen verschiedener Herkunft auch in den Schulen befördert den Abbau von Vorurteilen.

3.10. Anerkennung sprachlicher Vielfalt in der Schule

Kinder, die nicht in Deutschland geboren sind, sprechen oft noch nicht in ausreichendem Maße Deutsch. Sie verwenden daher bisweilen ihre Herkunftssprache, um zu kommunizieren. In vielen Schulen in Sachsen werden sie aufgrund ihrer Herkunft und Sprachkenntnisse diskriminiert. Es gibt Fälle, in denen die Verwendung der Muttersprache verboten ist.

  1. Werden Sie sicherstellen, dass Kinder mit Migrationshintergrund die Sprache ihres Herkunftslandes erhalten bleibt?
  2. Planen Sie, neue Lösungen für den Unterricht von Herkunftssprachen für migrantische Kinder zu entwickeln und dabei migrantische Lehrer*innen und Expert*innen in die Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubeziehen?
  • DIE LINKE verlangt keine Assimilation von Migrantinnen und Migranten, also die Preisgabe ihrer Herkunftskultur, sondern deren politische Akkulturation. Das heißt deren politische Integration. „Das Medium, das die Staatsbürger verbindet, ist nicht Ethos, Tradition, Geschichte, Schicksal oder ähnliches, sondern allein die Politik. Dabei ist ‚Differenz’ und ‚Zersplitterung’ das eigentliche ‚Vehikel der Demokratie’.“ (Hauke Brunkhorst)

3.11. Religiöse Trägerschaft für Schulen und Kitas

Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten ethnisch und religiös vielfältiger geworden. Dies wird sich zukünftig nicht nur im Straßenbild (Bekleidung, Sakralbauten) zeigen, sondern auch im Übernehmen gesellschaftlicher Verantwortung wie der Trägerschaft von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen.

Werden alle Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften das gleiche Recht und die gleiche Förderung z.B. beim Betrieb eigener Bildungseinrichtungen erhalten, wie staatliche Institutionen oder bereits etablierte (religiöse) Gruppen?

  • Das Recht zur Errichtung und zum Betrieb privater Schulen ist durch Art. 7 Abs. 4 GG und entsprechende Vorschriften in den Landesverfassungen garantiert.

3.12. Gleichwertigkeit aller Körper als Vermittlungsziel der frühkindlichen Erziehung

Der dicke Körper wird in unserer Gesellschaft als defizitär betrachtet und kommuniziert. Dies führt bereits im Kindesalter zu einem geringen Selbstwertgefühl bei dicken Kindern und einer Ablehnung derselben durch ihre Spielkamerad*innen. Mit Einsetzen des sexuellen Interesses reagieren sie aufgrund dieses verinnerlichten Minderwertigkeitsgefühls häufig misstrauisch und ablehnend auf die positive Ansprache ihres dicken Körpers und zeigen Anzeichen von Körperhass.

  1. Wie werden Sie sicherstellen, dass in der Kita körperliche Vielfalt respektiert und positiv thematisiert wird?
  2. Werden Sie den Gedanken der Gleichwertigkeit aller Körper als Lernziel in den Lehrplänen verankern?
  • Da die Würde des Menschen laut Grundgesetz unantastbar ist, bedarf es keiner gesonderten Regelung zur Gleichwertigkeit von dicken und dünnen Menschen. Das ist weniger eine Frage an die Politik als an den gesellschaftlichen Umgang miteinander. Solange bestimmte Vorstellungen vom menschlichen Körper in der Gesellschaft verbreitet und akzeptiert werden, z.B. in der Werbung und in der Mode, muss Bildung auf die kritische Reflexion dieser Umstände hinarbeiten.

3.13. Geschlechtssensible Bildungsarbeit in Schulen

Die geschlechterspezifische Sozialisation von Mädchen und Jungen wird in der Schule immer wieder reproduziert. So haben Mädchen im Sportunterricht Sportarten zu lernen, die gemeinhin als weiblich belegt gelten. Sie erhalten keine Möglichkeit, in der Schule mit Sportarten in Kontakt zu kommen, die gemeinhin als männlich gelten, wie Boxen oder Ringen.

  1. Werden Sie beim Sportunterricht in Sachsen sicherstellen, dass Mädchen und junge Frauen Zugang zu Sportarten haben, die gemeinhin als ‚männlich’ gelten?
  2. Werden Sie es Jungen ermöglichen, sich in Sportarten auszuprobieren, die häufig als ‚weiblich‘ gelten?
  • Dass sich Mädchen und Jungen in Sportarten versuchen, die als männlich bzw. weiblich gelten, ist nicht verboten, also bereits möglich. DIE LINKE wird mit dem Landessportbund über geeignete Initiativen beraten, um Jungen und Mädchen entsprechende Angebote zu unterbreiten.

3.14. Selbstbestimmte Geschlechtsansprache und Namensverwendung in Schulen und Hochschulen

Namens- und Geschlechtseintragsänderungen sind äußerst langwierige Prozesse. Währenddessen werden trans* und nicht-binäre Menschen an Hochschulen und Schulen häufig noch mit dem falschen Geschlecht und einem nicht selbstgewählten Namen angesprochen. Das wirkt sich negativ auf die Lebensqualität, den Studienalltag und damit die Leistungsfähigkeit der Personen aus.

Werden Sie Hochschulen und Schulen ermutigen und auffordern – soweit möglich – unabhängig vom Abschluss der formellen Namens- und/oder Geschlechtseintragsänderung trans* und nicht-binäre Menschen bereits mit ihrem selbstgewählten Namen und in ihrem Geschlecht anzusprechen sowie Zeugnisse und Schüler*innen- bzw. Studierendenausweise darauf auszustellen?

  • DIE LINKE befürwortet eine selbstbestimmte Geschlechteransprache und Namensverwendung und wird sich deshalb auch dafür einsetzen.

3.15. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als Ausbildungsthema für Lehrer*innen

Lehrende sind oftmals damit konfrontiert, dass ihnen zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt das notwendige Wissen fehlt, da das Thema kein fester Bestandteil ihrer Ausbildung ist.

  1. Wie werden Sie sicherstellen, dass Lehrende in ihrer Ausbildung bereits Wissen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt erwerben?
  2. Werden Sie sich für ein Fortbildungsangebot zum Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt für Lehrende einsetzen?
  • DIE LINKE setzt sich dafür ein, die Sexualerziehung in den sächsischen Schulen inhaltlich und methodisch-didaktisch auf den neuesten Stand sexualwissenschaftlicher und soziologischer Erkenntnisse zu bringen, insbesondere im Hinblick auf Information und Aufklärung über die Vielförmigkeit sexuellen Lebens, LSBTI ⃰ und die Pluralisierung der Lebensstile mit dem Ziel, die binäre Kategorisierung von Menschen in Frauen und Männer in Frage zu stellen, um einer Ausgrenzung und Diskriminierung anderer Geschlechterkonstruktionen entgegenzuwirken; für die modernisierte Sexualerziehung ein Rahmenlehrplan zu erstellen und das dafür erforderliche Lehr- und Lernmaterial den Schulen zur Verfügung zu stellen, die Aus- und Fortbildung der Lehrerschaft, insbesondere von Vertrauenslehrern, im pädagogischen Umgang mit sexueller Vielfalt und Diversität zu intensivieren und die Förderung von Projekten zur Familien- und Sexualerziehung unter Einbeziehung außerschulischer Partner (Gesundheitsämter und freie Träger der Familien- und Sexualerziehung sowie freie Träger der Jugendhilfe) verbindlich in einer Förderrichtlinie „Sexualerziehung“ zu regeln.

3.16. Unterstützung für LSBTIQ*-Personen im Bildungsbereich

Schulen haben eine Unterstützung bei der Lebensbewältigung der Schüler*innen zu gewährleisten. Ein Ziel ist hierbei die Verhinderung von Benachteiligung anhand der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität sowie die Entwicklung von Akzeptanz füreinander.

Mit welchen Maßnahmen werden Sie Aufklärungsprojekte an Schulen und anderen Einrichtungen sowie Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche sachsenweit unterstützen und ausbauen?

  • Zu diesem Zweck wird DIE LINKE entsprechende Initiativen und Organisationen konsultieren, um wirksame Maßnahmen auszuloten.

3.17. Unisex-Toiletten ausweisen

In vielen Schulen, Hochschulen und Landesbehörden gibt es bislang ausschließlich nach Geschlechtern getrennte Toiletten für Männer und Frauen sowie Behindertentoiletten. Menschen, die sich weder als männlich noch weiblich verorten, werden gezwungen, hierbei doch eine Zuordnung vorzunehmen. Auch Personen, die sich in einem anderen Geschlecht verorten, als ihnen von ihren Mitmenschen zugeschrieben wird, erleben immer wieder Irritationen und Anfeindungen, wenn sie die für sie passende Toilette aufsuchen.

  1. Werden Sie sich dafür einsetzen, einige Toiletten in Hochschulen und Schulen so zu beschildern, dass diese von allen Geschlechtern benutzt werden könnten?
  2. Werden Sie in den Ihnen unterstehenden Landesbehörden einzelne Toiletten als Unisex-Toiletten ausweisen?
  • Ja.

3.18. Förderung von Forschung zum Thema Gewichtsdiskriminierung

Im Rahmen einer Studie, die in den USA, Kanada und Island durchgeführt wurde, gaben über die Hälfte der Schüler*innen an, dass die Diskriminierung anhand des Körpergewichts die häufigste Form der Diskriminierung an ihrer Schule ist. Für Sachsen fehlen vergleichbare Zahlen. Gewichtsdiskriminierung ist daher ein Problem, das häufig nicht wahrgenommen und damit auch nicht adressiert wird.

  1. Wie werden Sie Forschung zum Thema Gewichtsdiskriminierung fördern?
  2. Wie werden Sie Gewichtsdiskriminierung an Sachsens Schulen entgegenwirken?
  • Gerade die Schule muss ein Ort sein, an dem sich Kinder und Jugendliche frei entfalten können, an dem sie ohne Angst vor Ablehnung und Ausgrenzung so sein können, wie sie sind, an dem sie von dem pädagogischen Personal und den Lehrkräften in ihrer Entwicklung begleitet, unterstützt und gestärkt werden. Dabei ist neben dem Erlernen von Fachinhalten für uns vor allem auch das Erlernen eines respektvollen Umgangs miteinander, dem Entwickeln einer demokratischen Haltung und dem Einstehen, gegen Ungerechtigkeiten von zentraler Bedeutung. Jegliche Form von Diskriminierung muss aus den Schulen verbannt werden.

Polizei und Justiz

4.1. Diskriminierungssensibilität in der Justiz und Rechtsprechung

Der rechtliche Diskriminierungsschutz bedarf der praktischen Umsetzung in der Rechtsprechung durch die Gerichte. In Fachdebatten wird immer wieder kritisiert, dass Richter*innen als Gruppe „soziodemografisch nicht über die Erfahrungsbreite der Bevölkerung verfügen“ (Susanne Baer, Bundesverfassungsrichterin) und dass eine grundlegende Sensibilität für die Themen Diskriminierung und Vielfalt kein fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung sind.

Welche Schritte werden Sie ergreifen, um die Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt in der Richter*innenschaft zu vergrößern?

Wie werden Sie die Auseinandersetzung mit den Themen Vielfalt, Diskriminierung und rechtlicher Diskriminierungsschutz als Bestandteil der Richter*innenaus- und ‑weiterbildung verankern?

  • Unsere Landtagsfraktion hat in der vergangenen 6. Legislatur des Sächsischen Landtages ein Parité-Gesetz eingebracht. Dies sehen wir als dringend notwendig auch in der Richter*innenschaft  an. Die Vielfalt der Gesellschaft bildet sich in juristischen Berufen derzeit nicht ab. Die Diskrepanz zwischen der Vielfalt der Gesellschaft und derjenigen in juristischen Institutionen muss aufgelöst werden. Auch die Richterschaft selbst anerkennt inzwischen die Bedeutung von Diversity-Kompetenz und den damit verbundenen dringenden Fortbildungsbedarf. So forderten der Deutsche Richterbund und die Neue Richtervereinigung gemeinsam mit dem Bundesverband der Übersetzer und Dolmetscher, dem Deutschen Anwaltsverein und dem Deutschen Jurist*innenbund, in der Bad Boller Erklärung zur interkulturellen Kompetenz in der deutschen Justiz, Diversity-Management in die Personalentwicklungsgrundsätze der Justiz aufzunehmen und interkulturelle Kompetenz verpflichtend in die juristische Aus- und Fortbildung einzubinden. Wir unterstützen diese Bemühungen, sehen sie aber nicht als ausreichend an. Wir fordern einen vorbehaltslosen, transparenten und offenen Zugang im Wahlverfahren zum Richteramt, für alle Kandidat*innen, die über die fachlichen Voraussetzungen verfügen.

4.2. Sensibilität der Landespolizei für Diskriminierung

Polizeibeamt*innen sind nicht frei davon, diskriminierende Zuschreibungen zu reproduzieren und sich in ihrem Handeln und Urteilen davon beeinflussen zu lassen. Aufgrund ihrer wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben und ihrer besonderen Stellung ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Diskriminierung und der eigenen Rolle für Polizist*innen besonders wichtig, insbesondere, weil sie häufig als Ansprechpartner*innen bei Diskriminierung wahrgenommen und um Unterstützung gebeten werden.

  1. Durch welche Maßnahmen werden Sie die Diversität in der Personalstruktur der Landespolizei vergrößern?
  2. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass Polizeibeamt*innen in der Ausbildung Diskriminierungssensibilität als Kernkompetenz vermittelt und die Sensibilität kontinuierlich im Rahmen von Fortbildungen erweitert wird?
  3. Werden Sie eine unabhängige Polizeivertrauensstelle einrichten, die auch intern für Polizeibeamt*innen offensteht?
  • In der Debatte über „Racial Profiling“ und in der allgemeinen Berichterstattung wurden und werden immer wieder diskriminierende Strukturen und Fälle deutlich, denen mit folgenden Maßnahmen begegnet werden muss:
    – Interkulturelle und soziale Kompetenz müssen im Aus- und Weiterbildungskonzept der Polizei fest verankert werden.
    – Anlasslose Personenkontrollen dürfen nicht allein aufgrund äußerer Erscheinungsmerkmale durchgeführt werden.
    – Es bedarf einer ständigen Bereitschaft, Fehler im Dienst und in Dienststrukturen zu benennen und ihnen zu begegnen („Fehlerkultur“).
    – Es bedarf einer unabhängigen Beschwerdestelle für mögliches Fehlverhalten der Polizei und unabhängige Verfahren.
    – Es bedarf eines Whistle-Blower Schutzes für Polizeikräfte, damit Missstände ohne Nachteile der Person gemeldet werden können.
    – Es müssen Menschen unterschiedlicher Herkunft für alle Ebenen des Polizeidienstes gewonnen werden.

4.3. Aufbereitung von #metoo in Sachsen

Die Vorwürfe vieler Frauen gegen den Produzenten Harvey Weinstein haben über die Grenzen Hollywoods hinaus die #metoo-Debatte ausgelöst. Hierbei ging es um Sexismus und um Gewalt von Männern gegen Frauen. In den sozialen Netzwerken wurden zahlreiche Fälle mit einem Bezug zu Sachsen öffentlich gemacht.

Werden Sie die #metoo-Debatte in Sachsen aufbereiten und wenn ja, wie?

  • Die #metoo-Debatte hat der breiten Öffentlichkeit eindrücklich vor Augen geführt, wie weit verbreitet Sexismus, sexistische und sexualisierte Gewalt auch in der Bundesrepublik sind. Durch Studien, Befragungen, Erfahrungsberichte von Beratungsstellen ist das zwar seit Langem bekannt, doch fanden diese Erkenntnisse kaum ein großes Gehör in der Öffentlichkeit.
  • Die Ursachen sind vielfältig. Entsprechend müssen auch in der Bekämpfung von Sexismus und sexualisierter Gewalt vielfältige Instrumente angewandt werden. Dabei geht es um den Abbau tradierter Rollenklischees, die Frauen als das „schwache“ und Männer als das „starke“ Geschlecht darstellen; die Ablehnung der Objektivierung von Frauen(-körpern) in sexistischer Werbung oder anderen Darstellungen; Widerstand gegen das Abtun von Sexismus, indem sexistische Äußerungen als „Herrenwitz“ oder gar Kompliment dargestellt werden; und insgesamt die Ablehnung patriarchaler Denkweisen und Verhaltensmuster.
  • Wir stehen für ein emanzipatorisches Geschlechterbild und werden auf allen Ebenen dafür kämpfen.

4.4. Sicherheit von Frauen erhöhen

Frauen werden immer häufiger Opfer von häuslicher Gewalt. Zudem zeigen Statistiken, dass Frauen sich meistens erheblich unsicherer im öffentlichen Raum fühlen als Männer.

Wie werden Sie – speziell für Frauen – die Sicherheit erhöhen?

  • Die Zahl der Betroffenen häuslicher Gewalt hat sich nicht unbedingt erhöht, vielmehr gibt es eine höhere Bereitschaft, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen. Die Zahl der Betroffenen ist dennoch auf einem erschreckend hohen Niveau.
  • Wir brauchen stabile und verlässliche Strukturen, um Betroffenen häuslicher Gewalt die notwendige Unterstützung zu geben. Dazu bedarf es des Ausbaus der Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, es muss in jedem Landkreis mindestens eine Schutzeinrichtung geben. Der Personalschlüssel an hauptamtlich Beschäftigten in den Schutz- und Beratungseinrichtungen muss deutlich verbessert werden und es bedarf einer langfristigen und verlässlichen Finanzierung. Die Plätze müssen zudem barrierefrei ausgebaut werden und jeweils eigene Angebote für (mit)betroffene Kinder bereithalten. Darüber hinaus brauchen wir Beratungs- und Anlaufstellen, die Betroffene von Gewalt aufsuchen können, sowie die Möglichkeit der vertraulichen Spurensicherung für Betroffene von Vergewaltigungen. Wichtig ist vor allem auch ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit, eine Sensibilisierung der tangierten Berufsgruppen, darunter z.B. Justiz, Polizei, Schulen, Jugendämter und Familienberatungsstellen.
  • Frauen müssen sich sicher sein können, dass die Menschen um sie herum einschreiten, wenn sie im öffentlichen Raum bedrängt und belästigt werden.

4.5. Schutz vor Gewalt für alle Frauen*

Der Europarat hat 2011 mit dem „Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Istanbul-Konvention) ein verbindliches völkerrechtliches Regelwerk geschaffen. Deutschland hat die Konvention allerdings nur unter Vorbehalt gegenüber Artikel 59 ratifiziert, der die Aufenthaltsregelungen betrifft – und somit ausschließlich migrierte Frauen*. Insbesondere durch die geltenden Gesetze zur Ehebestandszeit, Wohnsitzregelung und Residenzpflicht sind die Handlungsoptionen von Frauen* mit ungesicherten Aufenthaltstitel bei Gewalt deutlich beschränkt.

  1. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Vorbehalte gegen Artikel 59 der Konvention zurückgenommen werden?
  2. Mit welchen Maßnahmen werden Sie gewaltbetroffenen Frauen* in Sachsen unabhängig von Aufenthaltsstatus und Wohnsitzreglung Schutz bieten?
  • Ja, diese Einschränkung lehnen wir ab.
  • Bei der Hilfe für Betroffene sexualisierter Gewalt muss der Schutz der Betroffenen im Vordergrund stehen, Fragen des Aufenthaltsstatus sind zweitrangig. Daher stehen wir dafür ein, dass sämtliche Strukturen allen Betroffenen Frauen offen stehen.

4.6. Schutz vor Gewalt für trans*- und inter*Personen

Nach aktueller Studienlage haben Trans*- und Inter*personen ein deutlich erhöhtes Risiko, Opfer von Gewalt und sexualisierten Übergriffen zu werden, dennoch mangelt es an barrierefreien Beratungsstellen, Schutzeinrichtungen und mobiler Beratung.

Werden Sie die nötigen finanziellen Mittel bereitstellen, um ausreichend Beratungs- und Zufluchtsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Trans*- und Inter*personen zu garantieren?

  • Ja.

4.7. Sicherheit von Migrant*innen und EU-Bürger*innen erhöhen

Rechtspopulistische Tendenzen treffen Migrant*innen aus der EU wie von außerhalb. Die größten Sorgen sind rassistische Gewalt und soziale Spaltungen. Auch EU-Bürger*innen sind Ziel von Verbrechen.

Wie werden Sie die Sicherheit von allen Migrant*innen inklusive der EU-Bürger*innen in Sachsen erhöhen?

  • Angesichts der Vielzahl beschämender Ereignisse in Sachsen, die einen deutlich fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Charakter tragen und trugen, hatten wir die Aufnahme eines sog. Antirassismus-Artikels in die Sächsische Verfassung ausformuliert, dass alles staatliche Handeln dem inneren und äußeren Frieden dienen und Bedingungen schaffen muss, unter denen gesellschaftliche Konflikte gewaltfrei, friedlich und tolerant gelöst werden können (Drs 6/8130). Da dies als Handlungsaufforderung zu verstehen ist, wäre eine Ablehnung der Projektfinanzierung im Rahmen des Förderprogramms „Weltoffenes Sachsen“ oder „Integrative Maßnahmen“ aufgrund fehlender Haushaltsmittel undenkbar gewesen. Wir stehen für einen konsequenten Kampf gegen menschenverachtende Ideologien, für ein weltoffenes und humanitäres Sachsen.
  • Auch die verantwortliche Politik ist in der Pflicht, hier mit positivem Beispiel voranzugehen. Dies ist in den vergangenen Jahren unter der amtierenden Regierung nicht immer oder gar selten der Fall. Wir positionieren uns klar und deutlich gegen Rassismus und setzen uns für die gleichberechtigte soziale und politische Teilhabe von Migrant*innen ein.
  • Insbesondere die Polizei muss als Exekutivorgan und Träger des staatlichen Gewaltmonopols sensibel für Diskriminierung und Hasskriminalität sein. Interkulturelle Öffnung, zu der auch die Erhöhung des Anteils von Migrant*innen im Polizeidienst gehört, ist insbesondere für diese Institution dringend erforderlich. Wir setzen uns zudem für eine unabhängige Beschwerdestelle ein, um Polizeihandeln kontrollierbar zu machen. Dies wäre auch ein wirksames Instrument gegen rassistische Polizeikontrollen (racial profiling).

4.8. Minderheitenschutz

Die Anzahl der verbalen und körperlichen Übergriffe auf Minderheiten haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Dabei werden zudem innerhalb der Minderheit bevorzugt Personen zum Opfer, die angreifbarer erscheinen, wie Schwangere oder Kinder.

Welche spezifischen Maßnahmen zum Schutz vor Straftaten aufgrund gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit werden Sie umsetzen?

  • Jeder Mensch ist – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und Lebensentwurf – effektiv vor Gewalt zu schützen. Dies muss als Pflichtaufgabe anerkannt und rechtlich verbindlich verankert werden. Sicherer, schneller und bedarfsgerechter Schutz und qualifizierte Hilfe, zum Beispiel in Frauenhäusern und anderen Schutzräumen sowie Beratungsstellen, müssen den Betroffenen zugänglich sein – unabhängig von körperlichen Beeinträchtigungen, ihrem Aufenthaltsstatus oder ihrer Lebenssituation. Staatliche Behörden wie Polizei, Gerichte und Ämter sowie die Notaufnahmen von Krankenhäusern müssen für das Thema Straftaten aufgrund gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit noch stärker und intensiver durch kontinuierliche Fortbildungen sensibilisiert werden.

4.9. Erkennen und Erfassen von rechter Gewalt

Die Erfassung rechter Straftaten setzt voraus, dass diese als solche erkannt und als rechte, politisch motivierte Kriminalität eingeordnet werden.

  1. Werden Sie Schulungen für Polizeibeamte durchführen, um sie stärker als bisher für politisch motivierte Kriminalität, Rassismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit zu sensibilisieren?
  2. Werden Sie dafür sorgen, dass innerhalb der Justiz für politisch motivierte Kriminalität, Rassismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit zusätzlich sensibilisiert wird?
  3. Welche Konzepte verfolgen Sie, um einer rechten, rassistischen, antisemitischen Radikalisierung entgegenzuwirken sowie der Herausbildung rechtsterroristischer Strukturen oder dem Agieren rechtsterroristischer „Einzeltäter*innen“ vorzubeugen?
  • Wir drängen seit langem darauf, dass in der Ausbildung für sächsische Polizistinnen und Polizisten als auch im Vermitteln der Lehrinhalte bei Juristinnen und Juristen eine deutlich stärkere Sensibilisierung für die Themen politisch motivierte Kriminalität, Rassismus und Ideologien der Ungleichwertigkeit erfolgt. Dazu sind wir parlamentarisch wie außerparlamentarisch aktiv geworden und werden es in der kommenden Legislatur umso konsequenter verfolgen. Unter Beachtung der vorgegebenen Zeichenanzahl können wir nur einige ausgewählte Konzeptansätze übermitteln, die wir wie folgt definieren:
  1. Prävention als Schwerpunktaufgabe in der Gesellschaft, in Schulen, in staatlichen Institutionen etc.
    konsequente Strafverfolgung
  2. Erfassung aller Straftaten entsprechend ihres Charakters
  3. deutlich ausgebauter Opferschutz
  4. Auseinandersetzung mit dem Thema in pädagogischen Kontexten
  5. Stärkung der Zivilgesellschaft und nichtstaatlicher Organisationen
  6. Sensibilisierung der Gesellschaft für rechte, rassistische und antisemitische  Denkmuster.

Kultur

5.1. Förderung eines diskriminierungssensiblen und vielfaltbewussten Kulturbetriebs

Kulturelle Einrichtungen haben die Möglichkeit, auf künstlerische und informative Weise gesellschaftliche Missstände und Diskriminierungen zu thematisieren. Gleichzeitig werden auch innerhalb des Kulturbetriebs diskriminierende Praxen reproduziert. Dazu gehört etwa, dass Menschen aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen in Filmen, auf Bühnen oder in Museen personell wie thematisch unterrepräsentiert sind und /oder Zugangsmöglichkeiten fehlen.

  1. Werden Sie Fördermittel für Kulturbeiträge bereitstellen, die sich kritisch mit Vorurteilen auseinandersetzen, für Diskriminierung sensibilisieren oder gesellschaftliche Vielfalt in nicht stereotyper Weise darstellen?
  2. Wie werden Sie dafür sorgen, dass Kulturinstitutionen marginalisierte Bevölkerungsgruppen in ihrer Personalstruktur angemessen abbilden, ihre Perspektiven in den Angeboten und Inhalten repräsentieren und gruppenspezifische Zugangsbarrieren abbauen?
  • Grundsätzlich geht DIE LINKE davon aus, dass die Künste überkommene Glaubens- und Wertüberzeugungen reflexiv hinterfragen, kritische Distanz zu ererbten Rollen und Normen einnehmen und die zugeschriebenen Identitäten von Individuen und Gruppen in Frage stellen. Inwiefern eine gesonderte Förderung anzustreben ist, um spezifische Projekte zu unterstützen, muss im Einzelnen erörtert werden.
  • DIE LINKE wird mit den Vertreterinnen und Vertretern Kultur und Kunst die Repräsentanz von marginalisierten Bevölkerungsgruppen in den jeweiligen Einrichtungen diskutieren und Absprachen treffen, wie dem Missstand abzuhelfen ist.

5.2. Barrierefreiheit in Kultureinrichtungen

Kultureinrichtungen sollten für alle offen sein. Rollstuhlplätze sind mittlerweile an vielen Theatern und Bühnen vorhanden, für dicke Menschen geeignete Sitzmöglichkeiten fehlen hingegen. Oft sind beispielswiese die Sitzflächen zu schmal oder Armlehnen begrenzen die Stühle seitlich, so dass eine Vergrößerung der Abstände zwischen den Stühlen keinen Zugewinn an Komfort mit sich bringt.

Wie werden Sie Barrierefreiheit für alle in den Kultureinrichtungen sicherstellen?

  • Es ist grundsätzlich ein Problem, Sitzplätze in Einheitsmaßen zu verwenden. So haben große Menschen im Theater oft das Problem, dass sie den hinteren Reihen die Sicht versperren, kleine Menschen können oftmals kaum oder gar nicht die Füße im Sitzen auf den Boden stellen. Für dicke Menschen fehlt es an breiten Sitzflächen.
  • Um aber Teilhabe für alle zu ermöglichen, brauchen wir neue Ansätze, um auf verschiedene Bedarfe eingehen zu können. Dafür wäre es sinnvoll, Gebäude und Ausstattung partizipativ zu entwickeln. So können verschiedene Menschen beteiligt werden, die eine Einschätzung geben, ob und wie die vorhandene Ausstattung angepasst werden sollte.

Arbeit

6.1. Diskriminierungssensibilität gegenüber dem Kopftuch in der Arbeitsvermittlung stärken

Immer wieder berichten kopftuchtragende Frauen, dass einzelne Mitarbeiter*innen der Bundesagentur für Arbeit ihnen raten, ihr Kopftuch in der Bewerbungsphase auszuziehen und es erst nach einem unterschriebenen Arbeitsvertrag wieder zu tragen. Dies wird teilweise damit gerechtfertigt, dass sich so ihre Arbeitsmarktchancen erhöhen würden und Arbeitgeber*innen mitunter gezielt nach Bewerberinnen ohne Kopftuch fragen.

  1. Werden Sie Maßnahmen ergreifen, welche die Mitarbeiter*innen der Bundesagentur für Arbeit über die Rechtslage informieren und sie darauf verpflichten,
  2. ihren Kundinnen keinen Verzicht auf grundgesetzlich gewährte Rechte nahe zu legen und sie darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um Diskriminierung handelt?
  3. Arbeitgeber*innen auf die Rechtswidrigkeit ihres Anliegens hinzuweisen und ihnen gegenüber die Rechtslage deutlich und nachdrücklich zu vertreten?
  • Absolut. Es kann nicht sein, dass eine Umkehr geschieht, indem die Betroffenen der Diskriminierung gemaßregelt werden, nicht aber die Verursacher_innen.
  • Wir treten jeglicher Form von Diskriminierung entschieden entgegen. Personen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung oder ihrer Religionszugehörigkeit auszuschließen verstößt gegen geltendes Recht und ist damit nicht zu tolerieren.
  • Entsprechende Schulungen und die notwendige Sensibilisierung von Beschäftigten in den Arbeitsagenturen und Jobcentern unterstützen wir.

6.2. Frauen in Männer-dominierten Berufen

In Berufen im Handwerk, im IT-Bereich oder Ingenieurswesen ist der Anteil von Frauen immer noch sehr niedrig und oft sind Frauen auf Konferenzen kaum sichtbar. Dies führt dazu, dass Frauen kaum ermutigt werden, sich diese Berufe zuzutrauen und einen solchen Beruf zu wählen. 

  1. Wie werden Sie Frauen in nicht-akademischen, in der Hauptsache durch Männer dominierten Berufen, wie im traditionellen Handwerk dabei unterstützen diese Berufswahl zu treffen?
  2. Wie werden Sie Frauen in MINT-Fächern dabei unterstützen, Professuren bekleiden zu können?
  • Wir setzen uns generell dafür ein, dass Vorurteile und klischeebehaftete Zuschreibungen gegenüber Männern oder Frauen, die ihnen den Zugang zu bestimmten Berufen erschweren, abgebaut werden. Menschen sollen die Berufe ergreifen können, die sie möchten. Dazu braucht es klare Vorgaben und Förderungen. Der öffentliche Dienst als größter Arbeitgeber im Freistaat Sachsen muss hier mit einer Vorbildfunktion vorangehen. Deshalb ist es für uns völlig unverständlich, dass die CDU die Erarbeitung eines modernen Gleichstellungsgesetzes torpediert hat – obwohl ein solches im Koalitionsvertrag vereinbart war. Die SPD hat hier klein bei gegeben. In der kommenden Wahlperiode werden wir ein Gleichstellungsgesetz einbringen, welches u.a. die gezielte und wirkungsvolle Förderung von Frauen in männerdominierten Berufen vorsieht, die Auflagen erteilt, Frauenförderpläne zu erstellen und insgesamt eine familienfreundliche Personalpolitik zu betreiben – für Mütter und Väter.
  • Da auch die Politik nach wie vor ein männerdominierter Bereich ist, haben wir uns als Partei selbst verbindliche Vorgaben für eine geschlechterparitätische Besetzung von Gremien und Wahllisten gegeben. Für die Wahl zum Sächsischen Landtag haben wir vor wenigen Wochen ein Parité-Gesetz eingebracht, das darauf abzielt, den Landtag zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern zu besetzen. Um von der noch deutlicheren Männerdominanz  in den Kommunalparlamenten zu einer gerechten politischen Teilhabe von Frauen und Männern in der Kommune zu kommen, haben wir ebenfalls einen Antrag eingebracht.

6.3. Frauen in Führungspositionen

Weil Frauen durch die Erziehung von Kindern oft in die Teilzeitfalle geraten, steigen sie seltener in Führungspositionen auf. Andere Gründe hierfür sind beispielsweise die Nicht-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dass Frauen wegen eines tradierten Rollenbildes oft nicht zugetraut wird, sich durchsetzen zu können und dass Frauen ihren Führungsanspruch aus Angst vor Anfeindungen oft nicht adäquat äußern können.

Wie werden Sie Frauen dabei unterstützen, in Führungspositionen zu gelangen?

  • Ja, unbedingt. Dabei geht es um mehrere Aspekte: zum einen geht es darum, Frauen selbstverständlich Wege in Führungspositionen zu öffnen und bestehende strukturelle Benachteiligungen abzubauen. Zum anderen geht es um eine gleichberechtigte Verteilung der Familien- und Hausarbeit zwischen den Geschlechtern. Noch immer sind es in der großen Mehrheit Frauen, die die Hauptverantwortung der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen tragen und die Arbeiten im Haushalt erledigen. Daraus resultierend treten Frauen deutlich häufiger beruflich kürzer, mit den entsprechenden Folgen für das weitere Berufsleben.
  • Wir wollen, dass Männer mehr Verantwortung in Familie und Haushalt übernehmen und gleichzeitig, dass Firmen und Unternehmen grundsätzlich familienfreundliche Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen schaffen.

6.4. Prävention sexualisierter Übergriffe in der Arbeitswelt

In allen Branchen sind Frauen (auch Trans*frauen) häufig Opfer von sexualisierten Übergriffen, die zum Teil subtil, zum Teil aggressiv und offen sind. Nicht immer erhalten die Frauen hier Unterstützung durch ihre Arbeitgeber*innen.

Was werden Sie gegen sexualisierte Belästigungen in der Arbeitswelt tun?

  • Sexualisierte Übergriffe sind kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat – diese Tatsache muss leider noch immer fortwährend betont werden, um sie in allen Köpfen zu verankern. Befragungen zufolge erleiden Frauen am Arbeitsplatz sehr häufig sexualisierte Übergriffe, was zeigt, dass eine stärkere Sensibilisierung – insbesondere von Führungskräften mit Personalverantwortung – dringend notwendig ist.
  • Daneben muss das Thema sexualisierte Gewalt häufiger Eingang in Fortbildungs- und Schulungsveranstaltungen finden. Die Einrichtung von Beschwerdestellen in Betrieb, Unternehmen oder der Behörde ist ebenfalls voranzubringen.

6.5. Trans* und inter* Personen auf dem Arbeitsmarkt stärken

Trans- und intergeschlechtliche Personen leiden nicht nur unter diskriminierenden Verhaltensweisen der Kolleginnen und Kollegen, sie stehen auch häufig unter dem Zwang, im früheren Geschlecht zu arbeiten, um den Arbeitsplatz zu behalten. Transgeschlechtliche Personen sind überdurchschnittlich häufig von Arbeitsverlust, Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Sehr oft arbeiten sie unter ihren Qualifikationen.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um der Ausgrenzung von trans* und inter* Personen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken?

  • Befragungen zeigen in der Tat, dass Trans*- und Inter*-Personen, die sich outen oder einer Geschlechtsangleichung unterziehen, besonders häufig von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen sind. Sehr oft versuchen Trans*- und Inter*-Personen ihre Identität zu verheimlichen, aus Angst vor Ausgrenzung oder gar dem Jobverlust.
  • Das ist für die Betroffenen eine massive Belastung. Wir lehnen jegliche Form der Diskriminierung strikt ab und kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, äußerer Erscheinung, gesundheitlicher Verfasstheit und Alter respektvoll miteinander umgehen, Diskriminierungen entschieden entgegen stehen und keinen Platz lassen, für Anfeindungen oder Ausgrenzungen.
  • Diskriminierungen müssen konsequent geahndet werden.

6.6. Verbesserung der Chancen von dicken Menschen auf dem Arbeitsmarkt

Dicke Menschen haben bei gleicher Qualifikation und Leistungsfähigkeit erheblich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Körperform ist mit einer Reihe von Vorurteilen verknüpft, die einer Wahrnehmung als Leistungsträger entgegenstehen. Bisher fehlt es an Aktionsplänen, die diese Vorurteile gezielt abbauen, stattdessen werden in einigen Bundesländern Maßnahmen für die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt angeboten, die eine begleitete Gewichtsreduktion als verpflichtendes Modul vorsehen.

  1. Wie werden Sie auf Landesebene dem Angebot und der Finanzierung von Maßnahmen entgegenwirken, die eine Körpernormierung beinhalten?
  2. Mit welchen Maßnahmen werden Sie die Vorurteile gegenüber dicken Menschen auf Arbeitgeberseite abbauen?
  • Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts ist weit verbreitet, wie verschiedene Studien immer wieder eindrücklich belegen. Es ist daher dringend notwendig, dass Diskriminierung aufgrund des Körpergewichts stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und auch in Diversity-Strategien aufgenommen wird. Allgemein verbreitete Vorurteile können am ehesten mit Informationen aufgeweicht werden. Wichtig ist zu vermitteln, dass Dicksein nicht mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit zusammenhängt. Insgesamt muss dieses Thema aus seiner tabuisierten Position herausgeholt werden. Über Gründe, Ursachen, Erkrankungen, Leistungen, Lebensfreude sollte umfassend informiert und diskutiert werden. Dies ist bereits in den Schulen erforderlich, wo es nicht nur darum gehen soll, Adipositas zu bekämpfen, sondern ein gutes Selbstgefühl für den eigenen Körper zu entwickeln.
  • Wir lehnen jegliche Form der Diskriminierung strikt ab und kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, äußerer Erscheinung, gesundheitlicher Verfasstheit und Alter respektvoll miteinander umgehen, Diskriminierungen entschieden entgegen stehen und keinen Platz lassen, für Anfeindungen oder Ausgrenzungen.
  • Diskriminierungen müssen konsequent geahndet werden.

6.7. Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen

Die UN Behindertenkonvention fordert in Artikel 27 einen „offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt“, der das Recht auf die freie Wahl des Arbeitsumfeldes einschließt. Tatsächlich ist der Arbeitsmarkt jedoch stark segregiert. Die Sozial- und Altersversicherung ist gegenwärtig an die Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gebunden. Im Falle gesetzlich geschaffener Alternativen wie dem Persönlichen Budget zahlen Kostenträger keine Sozialversicherungsbeiträge. Das hindert Menschen an der freien Wahl des Arbeitsumfeldes und bindet sie an die WfbM. Wie werden Sie sicherstellen, dass

  1. Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen an allgemein zugänglichen Arbeitsplätzen geschaffen werden?
  2. Menschen mit Behinderungen keine Minderung ihrer Sozial- und Altersversicherung erfahren?
  3. Zeitpläne für die Abschaffung der Behindertenwerkstätten konzipiert und Anreize für die Beschäftigung bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern im allgemeinen Arbeitsmarkt geschaffen werden?
  • DIE LINKE Sachsen setzt sich dafür ein, Menschen mit Behinderungen auch durch Arbeit ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu wollen wir Landesausbildungs- und ‑beschäftigungsprogramme gemeinsam mit der Agentur für Arbeit, den Jobcentern, den kommunalen Integrationsämtern und der Rentenversicherung zu einem integrierten Sonderprogramm weiterentwickeln. Betriebe sollen bei der Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze und der Beantragung von Förderung zur Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen besser unterstützt werden. Gleichzeitig setzen wir uns für eine Gesetzesreform zur Vereinfachung der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt und für eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe nach SGB IX ein. Der Mindestlohn muss in WfbM auch für Werkstattbeschäftigte gelten.
  • Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag ist zu diesem Thema in der 6. Wahlperiode parlamentarisch mehrfach aktiv geworden. Es gab u. a. einen Antrag in Drs 6/1690 „Abbau der Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohter Menschen im Freistaat Sachsen“ und eine Große Anfrage in Drs 6/7006 „Arbeit von Menschen mit Behinderungen“. Der Gesetzentwurf in Drs 6/13144 „Gesetz zur Gleichstellung, Inklusion und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Inklusionsgesetz ‑SächsInklusG)“ enthält in den §§ 21 und 22 dementsprechende Festlegungen, wie einen Sächsischen Landesförderplan für Arbeit und Beschäftigung.
  • Unstrittig sind WfbM in ihrer jetzigen Ausgestaltung exkludierende Sondereinrichtungen. Eine Reduzierung von WfbM muss aber unbedingt mit der Schaffung passender Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Werkstätten einhergehen, sodass Zeitpläne zu deren Abbau derzeit nicht bestehen.

6.8. Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete

Die Teilhabe am Arbeits- und Erwerbsleben ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Integration der in Sachsen lebenden Flüchtlinge. Es gibt viele Herausforderungen etwa in Hinblick auf den Spracherwerb, wobei gerade lange Wartezeiten zwischen den Kursen und das Fehlen weitergehender Sprachkursangebote im ländlichen Raum ein Problem darstellen. Auch die Anerkennung von Berufsqualifikationen und informeller Bildung stellt vielfach eine Hürde dar, ebenso wie das Fehlen von zielführenden Weiterbildungen. Diesen Herausforderungen stehen Potentiale gegenüber, die allerdings bisher ungenutzt bleiben.

Wie werden Sie die Potentiale und Qualifikationen, die Geflüchtete mitbringen, nutzbarer machen?

  • Wir setzen uns für bedarfsgerechte Sprachkursangebote ein. Die Kursangebote müssen gut erreichbar sein, zudem bedarf es einer Kinderbetreuung. Mit unserem Gesetz zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme (Drs 6/4865) haben wir den Individualanspruch auf sprachliche Erstorientierung festgeschrieben. Zudem haben wir mit unserem Antrag „Stärkung sächsischer Handwerksbetriebe und Perspektive für Geflüchtete durch Berufsausbildung“ (Drs 6/2987) Vorschläge gemacht – u.a. ein das später eingeführte Sprachkursprogramm, einen Qualifikationscheck in Verantwortung der Agentur für Arbeit und die Installation von Ausbildungsplatzbörsen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die Produktionsschulen in die berufliche Integration jugendlicher Geflüchteter einzubinden und eine Informationskampagne aufzulegen. Gegen die Schließung der Berufsschulen für über 18-jährige Geflüchtete ohne Berufsabschluss haben wir uns ausgesprochen und für ein Ersatzangebot geworben, das es in Form des Teil 5 der Richtlinie „Integrative Maßnahmen“ endlich gibt.
  • Unser „Gesetz über die Weiterbildung und das lebenslange Lernen“ (Drs 6/9883) sichert flächendeckend die Weiterbildung durch Volkshochschulen und andere Bildungsträger sowie fünf bezahlte Bildungstagen für Beschäftigte ab.
  • Im Rahmen der Einführung des Sächsischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes hatten wir zugunsten von Antragstellern eine Gebührenobergrenze und eine Härtefallklausel wegen der Kosten beantragt (Drs 5/13315).
  • Nicht zuletzt haben wir uns entsprechend u.a. der Forderung der IHK Sachsen für den Abbau von Hürden bei der Vergabe der so genannten Ausbildungsduldung stark gemacht (Drs 6/15207).

6.9. Unterstützung von Migrant*innen in Branchen, in denen es häufig zu Ausbeutung kommt

Migrant*innen sind besonders anfällig für Ausbeutung. Von den verschiedenen Berufsgruppen sind Pflegekräfte in Deutschland am stärksten von Ausbeutung betroffen. Schätzungen zufolge arbeiten jedes Jahr fast eine halbe Million polnischer Pfleger*innen in Deutschland. Ihr Status kann dabei sehr unterschiedlich sein: Einige von ihnen haben deutsche Arbeitsverträge, andere werden entsandt, andere arbeiten unangemeldet, viele sind scheinselbstständig. Frauen sind branchenübergreifend besonders häufig in atypischen, oft prekären Beschäftigungsformen wie Minijobs, befristeten Beschäftigungen oder Soloselbstständigkeit tätig. Beispiele dafür finden sich insbesondere in der Fleischproduktion, im Baugewerbe und im Hotelgewerbe.

  1. Wie werden Sie auf Landesebene zur Bekämpfung der Ausbeutung durch private Arbeitsvermittlungsagenturen (aus dem Gastland und dem Herkunftsland) beitragen?
  2. Wie werden Sie sowohl die Unternehmen als auch die Migrant*innen über die Rechte von Mitarbeitenden in Branchen informieren, in denen es besonders häufig zu Benachteiligungen kommt?
  3. Wie werden Sie auf Landesebene die Ausbeutung von Migrant*innen durch prekäre Beschäftigungen wie Minijobs, befristete Beschäftigungen oder Soloselbstständigkeit bekämpfen?
  • Wir hatten bereits 2016 die seitens der Staatsregierung in ihrem Koalitionsvertrag für 2017 angekündigte Modernisierung des Sächsischen Vergaberechts thematisiert (Drs 6/5448). Nachdem bis Mitte 2018 die Regierungskoalition trotz der „zentralen Bedeutung“ eines modernen Vergabegesetzes nichts vorgelegt hatte, haben wir ein eigenständiges und umfangreiches „Gesetz zur Weiterentwicklung des Vergaberechts im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/13914) vorgelegt. In dessen Abschnitt 4 ist ein umfangreiches Kontroll- und Sanktionsregime verankert. Insbesondere soll eine Vergabekontrollstelle eingerichtet werden. Wir erlauben uns, auf die umfangreichen Vorschläge zu verweisen. Hätte der Landtag den vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen, hätte der Freistaat Sachsen einen konkreten Beitrag zur Bekämpfung der Ausbeutung von Migrant*innen und allen Beschäftigten durch prekäre Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, befristete Beschäftigungen oder Soloselbständigkeit geleistet.

6.10. Ausbeutung der EU-Freizügigkeit verhindern

Der privilegierte Status des*r EU-Bürgers*in garantiert nicht automatisch eine Gleichbehandlung. Ein Beispiel dafür ist die Situation der polnischen Bürger*innen in Großbritannien, die seit 2004 von der europäischen Freizügigkeit profitieren. Viele von ihnen sind integriert und in Führungspositionen tätig, andere sind von der Gesellschaft ausgeschlossen oder haben soziale Probleme. Um ein ähnliches Szenario in Deutschland zu vermeiden, sind politische Maßnahmen gegen die Ausbeutung der EU-Freizügigkeit notwendig.

  1. Wie werden Sie auf Landesebene dafür Sorge tragen, dass Unternehmen die EU-Freizügigkeit nicht missbräuchlich nutzen, um Arbeitnehmer*innen beispielsweise durch Scheinselbstständigkeit auszubeuten?
  2. Wie werden Sie die Arbeitnehmer*innen auf Landesebene über Ihre Rechte informieren?
  3. Wie werden Sie auf Landesebene dazu beitragen, entsandte Arbeitnehmer*innen und Unionsbürger*innen, die in Sachsen angestellt sind, vor Arbeitsrechtsverletzungen, Lohnbetrug und Dumpinglöhnen zu schützen?
  • DIE LINKE in Sachsen setzt sich dafür ein, dass EU-Bürger*innen besser geschützt werden: Die zuständigen Landesbehörden müssen dazu aufgefordert und mit parlamentarischen Initiativen kontrolliert werden, grenzüberschreitenden Sozialbetrug durch Unternehmen konsequenter aufzuklären und zu sanktionieren sowie die Einhaltung der Tarifverträge entsprechend der Entsenderichtlinie zu gewährleisten. Wir fordern von der Staatsregierung, zwischen Sachsen auf der einen und Polen und Tschechien auf der anderen Seite koordinierte Kontrollen auf Baustellen, in Pflegeheimen oder in Fabriken, um Formen von Missbrauch und Sozialdumping zu beenden und z. B. Ausbeutung durch Scheinselbständigkeit zu verhindern. Dazu gehören auch die umfassende Aufklärung entsandter Arbeitnehmer*innen und Unionsbürger*innen, die in Sachsen angestellt sind, und die Bereitstellung von Informationen zu Beschwerdemöglichkeiten bzw. die Inanspruchnahme des Rechtsweges.
  • DIE LINKE drängt darauf, dass alle Menschen gleich gut behandelt werden, egal woher sie kommen. Dazu muss die regionale Politik in Sachsen mit der EU-Politik über die vorhandenen Einflussmöglichkeiten verbunden werden, z. B. für die Schaffung eines gemeinsamen Fonds für mobile EU-Bürger*innen, um zu verhindern, dass Menschen auf der Straße leben müssen.
  • Freizügigkeit muss für alle EU-Bürger*innen freiwillig und sozial sein. Niemand darf aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen werden, seine Heimat zu verlassen. Freizügigkeit ist ein individuelles Recht. Wer in ein anderes EU-Land geht, muss sozial abgesichert sein und vor Ausbeutung geschützt werden.

6.11. Eingliederung von EU-Bürger*innen in den Arbeitsmarkt

Oft sehen sich EU-Bürger*innen mit einer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert. Trotz guter Qualifizierung haben sie vielfach Probleme aufgrund ihrer Herkunft. Auch in Jobcentern ist das Diskriminierungsrisiko hoch, wie die Studie „Diskriminierungsrisiken in der öffentlichen Arbeitsvermittlung“ (2017) zeigt. EU-Bürger*innen haben beispielsweise oft Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen. Sie werden hierüber allerdings nur selten von den Mitarbeiter*innen der Arbeitsämter / Jobcenter angemessen informiert und ihre Anträge öfter abgelehnt als bei Deutschen.

  1. Wie werden Sie Bürger*innen aus mittel- und osteuropäischen Ländern dabei unterstützen, ihr eigenes Potenzial auszuschöpfen?
  2. Welche Schritte werden Sie unternehmen, um die Information von EU-Bürger*innen über ihre Rechte zu garantieren?
  • Die Einrichtung der Beratungsstelle für ausländische Beschäftigte in Sachsen (BABS) ist wesentlich mit auf Initiative der Fraktion DIE LINKE zustande gekommen und wird von dieser weiter nach Kräften unterstützt, um ihre Arbeit auch in der Zukunft zu gewährleisten. BABS dient der Durchsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit unter fairen Bedingungen und der Förderung der Gleichbehandlung von Beschäftigten aus EU-Mitgliedsländern in Sachsen. Es werden alle Arbeitnehmer*innen und ihre Familienangehörigen aus EU-Mitgliedsstaaten unterstützt, die in Sachsen arbeiten oder vorhaben, eine Arbeit aufzunehmen. Dabei werden sowohl Arbeitnehmer*innen beraten, die in Sachsen arbeiten, als auch solche, die nach Sachsen entsandt wurden. Es werden auch Erstberatungen in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen in Deutsch, Tschechisch, Polnisch, Slowakisch, Ungarisch, Rumänisch und Englisch durchgeführt. Da die Förderung von BABS zeitlich begrenzt ist, wird sich DIE LINKE dafür einsetzen, die Fortführung der Beratung zu entfristen und so deren Arbeit langfristig abzusichern.

Gesundheit

7.1. Geschlechtliche Vielfalt in der Aus- und Weiterbildung von medizinischen Fachkräften

Im Umgang in der gesundheitlichen Versorgung von Trans*- und Inter*personen ist zu beklagen, dass auf die spezifischen Bedürfnisse und Bedarfe nicht adäquat eingegangen wird. In den Curricula zur Aus- und Fortbildung von medizinischen Fachkräften sind Lehrinhalte zum Thema Trans*- und Intergeschlechtlichkeit oder geschlechtliche Vielfalt und chronische Erkrankungen nicht enthalten.

Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um hier auf eine Bewusstseinsbildung hinzuwirken?

  • Studien und Befragungen zeigen, dass medizinisches Personal sehr häufig die Anliegen von Trans*- und Inter*-Personen nicht fachlich fundiert und adäquat behandelt. Beispielsweise werden nach wie vor und trotz gegenteiliger Aussagen Bundes- und Landesärztekammern noch immer geschlechtsvereindeutigende Operationen an Säuglingen vorgenommen, ohne medizinische Indikation.
  • Wir haben in dieser Wahlperiode einen Antrag eingebracht, um genau diesen eklatanten Missstand zu thematisieren und eine Veränderung der medizinischen Praxis zu bewirken. Darüber hinaus haben wir auch in der Haushaltsdebatte für ein Inter*-Kompetenzzentrum gekämpft, indem interdisziplinäre Fachkompetenz gebündelt wird, um Inter*-Personen und ihre Angehörigen umfassend und adäquat beraten und behandeln zu können. Dafür setzen wir uns weiterhin ein.
  • Darüber hinaus muss in der medizinischen Ausbildung eine fundierte fachliche Kenntnis zu Trans*- und Intergeschlechtlichkeit vermittelt werden.

7.2. Verbot genitalverändernder und/oder ‑zuweisender Operationen an Kindern

Noch immer werden in Deutschland und auch in Sachsen gentalverändernde und/oder ‑zuweisende Operationen an Kindern durchgeführt.

Werden Sie sich für ein Verbot von geschlechtsverändernden Operationen an Kindern einsetzen, die ohne medizinische Notwendigkeit und ohne deren ausdrücklichen Wunsch, ihre Zustimmung und vorherige ausführliche Information über deren Folgen durchgeführt werden sollen?

  • Absolut. Geschlechtsvereindeutigende Operationen ohne medizinische Indikation müssen untersagt werden. Studien und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen unmissverständlich, dass geschlechtsvereindeutigende Operationen ohne medizinische Notwendigkeit für die Betroffenen zu massiven gesundheitlichen und psychischen Belastungen führen – oftmals ein Leben lang.
  • Die Bundesärztekammer gibt hier klare Vorgaben, dennoch finden in Sachsen noch immer solche Operationen statt. Es ist dringend notwendig, das medizinische Personal inklusive der Hebammen und Geburtshelfer in diesem Bereich zu schulen, um diese massiven Eingriffe endlich zu unterbinden.
  • Bereits in dieser Wahlperiode haben wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt und eine parlamentarische Initiative dazu auf den Weg gebracht. Wir werden auch künftig an dem Thema dranbleiben und nicht nachlassen.

7.3. Verbesserung der medizinischen Versorgung von LSBTIQ*-Personen

Ein Ziel des Landesaktionsplans zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen des Landes Sachsen ist es, die medizinische Versorgung von LSBTIQ*-Personen in Sachsen zu verbessern und der Diskriminierung dieser Menschen im Gesundheitswesen entgegenzuwirken.

  1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um diese Ziele zu erreichen?
  2. Welche Möglichkeiten werden Sie nutzen, um insbesondere die Belange von Trans*- und Inter*personen im Gesundheitswesen zu berücksichtigen?
  • Studien und Befragungen zeigen, dass medizinisches Personal sehr häufig die Anliegen von Trans*- und Inter*-Personen nicht fachlich fundiert und adäquat behandelt. Beispielsweise werden nach wie vor und trotz gegenteiliger Aussagen Bundes- und Landesärztekammern noch immer geschlechtsvereindeutigende Operationen an Säuglingen vorgenommen, ohne medizinische Indikation.
  • Wir haben in dieser Wahlperiode einen Antrag eingebracht, um genau diesen eklatanten Missstand zu thematisieren und eine Veränderung der medizinischen Praxis zu bewirken. Darüber hinaus haben wir auch in der Haushaltsdebatte für ein Inter*-Kompetenzzentrum gekämpft, indem interdisziplinäre Fachkompetenz gebündelt wird, um Inter*-Personen und ihre Angehörigen umfassend und adäquat beraten und behandeln zu können. Dafür setzen wir uns weiterhin ein.
  • Darüber hinaus muss in der medizinischen Ausbildung eine fundierte fachliche Kenntnis zu Trans*- und Intergeschlechtlichkeit vermittelt werden.

7.4. Barrierefreiheit im Gesundheitssystem

Die gesundheitliche Regelversorgung von eingeschränkten trans*- und intergeschlechtlichen Menschen sowie behinderten Frauen ist durch fehlende barrierefreie Praxen oft nicht gewährleistet. Besonders problematisch ist der Mangel an gynäkologischen Praxen, die über geeignete Behandlungsstühle und eine rollstuhlgerechte Toilette verfügen.

Werden Sie für niedergelassene Ärzt*innen Anreize schaffen, um in Zukunft ein flächendeckendes Netz an barrierefreien Praxen zu gewährleisten?

  • Die medizinische Versorgung ist ein grundlegender Bereich sozialer Daseinsvorsorge. Die fehlende Barrierefreiheit im Bereich der ambulanten medizinischen Versorgung ist demzufolge eine schwerwiegende strukturelle Benachteiligung insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Deshalb halten wir es zum einen für erforderlich, die Pflicht zur Barrierefreiheit in der medizinischen Versorgung gesetzlich festzuschreiben, z. B. in einem Inklusionsgesetz. Zum anderen sehen wir den Freistaat Sachsen in der Pflicht zur Finanzierung von Maßnahmen der Barrierefreiheit, vor allem auch in Arztpraxen. So hat die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag innerhalb der Haushaltdebatten der vergangenen Jahre immer wieder die Auflage eines Aktionsprogrammes Barrierefreiheit gefordert.
  • Wir sehen es als staatliche Verantwortung an, steuernd sowie durch die Bereitstellung finanzieller Mittel einzugreifen, damit Arztpraxen sowie andere Einrichtungen der medizinischen Versorgung schrittweise und zügig so umgestaltet werden, dass sie barrierefrei zugänglich und nutzbar sind. Anreize sind in diesem Falle nach unserer Erfahrung, z. B. mit dem Investitionsprogramm „Lieblingsplätze für alle“, zwar nicht abzulehnen, aber sie sind auch nicht ausreichend, um angesichts des Ärztemangels vor allem im ländlichen Raum Sachsens und des Kostendrucks im Gesundheitswesen in absehbarer Zeit zu einem flächendeckenden Netz barrierefreier Arztpraxen zu kommen.

Soziales

8.1. Eine suptile Formen der Diskriminierung von Frauen bekämpfen

Eine subtile Spielart von Diskriminierung ist beispielsweise ein positiver Sexismus, der Frauen in einem ‚mütterlich-warmherzigen‘ Rollenbild beschreibt und sie so in eine Rolle drängt, die nicht jeder Frau entspricht.

Wie werden Sie zur Verbreitung und Weiterentwicklung moderner Rollenbilder beitragen?

  • Tradierte Rollenklischees „typischer“ Eigenschaften von Frauen und Männern lehnen wir ab. Wir stehen für ein Menschenbild, in dem jeder Mensch unabhängig vom Geschlecht Stärken entwickeln und ausprägen kann. Pauschale Zuschreibungen aufgrund bestimmter Merkmale behindern den klaren Blick und haben im Wesentlichen die Funktion, bestehende (Geschlechter-)Verhältnisse zu verfestigen und Veränderungen zu verhindern.
  • Voraussetzung für eine gleichberechtigte Gesellschaft ist es, alltägliche sexistische Diskriminierungen, Erwartungshaltungen, Zuschreibungen, genormte Bilder und Vorbilder zurück zu drängen. Wir werden in Bildung, Werbung, Berufsalltag und im öffentlichen Raum mit traditionellen Rollenbildern konfrontiert, die unser gesellschaftliches Zusammensein maßgeblich beeinflussen. Die einschränkende Dominanz dieser Rollenbilder muss aufgebrochen werden, durch die Vermittlung moderner Rollenbilder in Bildung und Erziehung und der Abschaffung sexistischer Werbung.
  • Um bestehende Rollenbilder aufzubrechen, brauchen wir positive Beispiele von Personen in für ihr Geschlecht „nicht-typischen“ Berufen, Positionen, Handlungen, wir brauchen vielfältige Darstellungen, die entsprechende Offenheit ohne Vorfestlegungen zeigen.

8.3. Situation alleinerziehender Mütter verbessern

Alleinerziehende Mütter sind in Deutschland besonders häufig von Armut betroffen. Dies liegt daran, dass es ihnen oft schwerfällt eine Arbeit zu finden, sie nicht die steuerlichen Vorteile voll ausschöpfen können, die Familien beanspruchen können und wenn sie Arbeit haben, dann oft in der Teilzeitfalle stecken.

  1. Wie werden Sie die Situation speziell für alleinerziehende Frauen verbessern?
  2. Ein großes Problem für alleinerziehende Frauen ist es, bezahlbaren Wohnraum für die Familie zu finden. Wie werden Sie diese Situation verbessern?
  • Die alleinige Verantwortung für Kinder zu tragen bedeutet eine große Herausforderung und auch Belastung. Nicht nur sind Alleinerziehende zeitlich sehr stark gefordert, da die Betreuung der Kinder nicht aufgeteilt werden kann – auch alle Entscheidungen müssen allein getroffen werden. Diese große Leistung wird jedoch nicht mit Respekt und Anerkennung honoriert, sondern mit einem hohen Armutsrisiko sowie einer strukturellen Benachteiligung im Steuer- und Familienrecht. Seit Jahren weisen wir als LINKE darauf hin, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen – darunter Alleinerziehende –aufgrund struktureller Benachteiligung ein massives Armutsrisiko tragen.
  • Die Novellierung des Unterhaltsgesetzes hat keine Verbesserung in Sachen Armutsbekämpfung bewirkt, werden doch die verschiedenen Sozialleistungen gegeneinander aufgerechnet. Wir brauchen eine Reform des Steuer- und Familienrechts, die bestehende Benachteiligung Alleinerziehender ist für uns inakzeptabel. Familienleistungen müssen die Situation Alleinerziehender berücksichtigen.
  • Auf Landesebene setzen wir uns dafür ein, dass Familienangebote und ‑leistungen speziell auf den Bedarf von Alleinerziehenden ausgerichtet werden.

8.4. Stärkung von Frauen mit Migrationshintergrund

Frauen, die aus Ländern wie Syrien, dem Irak oder Äthiopien geflohen sind, hatten oft nicht die Chance, eine umfassende Schulbildung zu erwerben. Dies zwingt sie auch in Deutschland in eine Abhängigkeit von ihrer*ihrem Partner*in oder macht es schwierig für sie, sich als alleinstehende Frau in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren.

Was werden Sie speziell für die Förderung von geflohenen Frauen tun?

  • Der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten soll Frauen, die Kinder haben, die Teilnahme an Fortbildungen ermöglichen, insbesondere zum Spracherwerb. Mit flexiblen Qualifikationsanalysen – etwa durch Arbeitsproben – müssen auch informell erworbene Qualifikationen gewürdigt werden. Frauen, die bereits über eine berufliche Qualifikation verfügen, benötigen Unterstützung durch Fachsprachenkurse und fachspezifische Fortbildungsangebote.

8.5. Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) garantiert die allseitige und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung (und chronischer Erkrankung) am Leben in der Gesellschaft. Dies betrifft sowohl den Freistaat Sachsen mit seinen Ministerien und Behörden als auch die Kommunen und kommunalen Einrichtungen.

  1. Wie werden Sie die praktische Umsetzung der UN-BRK in Sachsen vorantreiben?

  2. Wie werden Sie die Betroffenen, insbesondere deren Vereinigungen, in die Erarbeitung Ihrer Lösungskonzepte einbeziehen? Werden Sie die Vereinigungen der Betroffenen bei der Standpunktbildung und Mitwirkung an der Umsetzung der erarbeiteten Lösungsansätze angemessen unterstützen?

  • Ein Schwerpunkt werden die Bereiche Bildung und Ausbildung sein. Damit die Beschulung aller Kinder mit Behinderungen in allen Schulen möglich ist, müssen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um sowohl die pädagogisch notwendige personelle als auch die sächliche Ausstattung den Anforderungen einer inklusiven Schule anzupassen. Hierfür werden wir einen verbindlichen Zeitplan entwickeln. Auch für die Berufsausbildung werden wir ein inklusives Ausbildungssystem etablieren. Dafür sind an den Berufsschulen die räumlichen und personellen Bedingungen zu schaffen. Das arbeitsmarktpolitische Instrument der assistierten Ausbildung werden wir in Sachsen stärker bewerben und umsetzen.
  • Barrierefreiheit ist uns ein wichtiges Anliegen. Besonders im ÖPNV, bei Verkehrsdienstleistungen, beim Wohnen, im Wohnumfeld sowie beim Zugang zu Verwaltung werden wir deren Herstellung unterstützen.
  • Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen wird auf Landesebene umgesetzt, indem der Austausch bei der Erarbeitung parlamentarischer Initiativen erfolgt. Außerdem wird im Rahmen von Haushaltsdebatten auf die Einstellung ausreichender finanzieller Mittel geachtet. Dies betrifft auch die Förderung der Arbeit der Verbände und der Projekte von Menschen mit Behinderungen.

Außerdem ist zu unterstützen, dass die Novellierung des Grundlagengesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft realisiert wird, damit dessen Geltungsbereich auch die Kommunen umfasst und Verbindlichkeiten für die Einrichtung kommunaler Beiräte sowie die Bestellung Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen in den Kommunen geschaffen werden.

8.6. Barrierefreiheit bei Wahlen

Neben der Aufhebung der Wahlrechtsausschlüsse ist umfassende Barrierefreiheit für alle ein zentrales Element der praktischen Durchsetzung des Wahlrechts. Dies betrifft sowohl den Zugang zu den Wahlräumen, die Verwendung von Hilfsmitteln als auch die Unterstützung durch Hilfspersonen bei der Stimmabgabe.

Mit welchen Maßnahmen werden Sie die Barrierefreiheit der nächsten Landtagswahl und der Kommunalwahlen einschließlich der Wahlräume uneingeschränkt gewährleisten?

  • Regelungen zur Barrierefreiheit bei Wahlen einschließlich der Wahlräume gehören in alle maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen, wie Landeswahlgesetz und Kommunalwahlgesetz. Das unterstützen wir entweder durch eigene parlamentarische Initiativen oder ggf. durch die Unterstützung der Initiativen anderer Fraktionen.
  • Es ist unbedingt zu empfehlen, die Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen einzubeziehen, um barrierefreie Wahlräume auszuwählen Wahlunterlagen zu gestalten und die barrierefreie Kommunikation zu gewährleisten.

8.7. Chancengleichheit für Kinder von Migrant*innen

Viele tausend Kinder wandern mit ihren Eltern innerhalb Europas. Die Ergebnisse des Programms 2001 für Internationale Schülerbewertung (eng. Programme for International Student Assessment, PISA) haben gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich wenig zum Entwicklungspotenzial der migrantischen Kinder beiträgt. Aus der aktuellen Studie von 2016 geht hervor, dass sich die Situation verbessert hat. Dennoch bedarf das System noch erheblicher Reformen, da Kinder mit Migrationshintergrund in Deutschland noch immer häufiger eine Klasse wiederholen als Kinder ohne Migrationshintergrund.

  1. Wie werden Sie für diese Kinder eine bessere Zukunft gewährleisten?

  2. Wie werden Sie gleiche Bildungschancen für Kinder von Migrant*innen sicherstellen?

  • Die jeweiligen bildungspolitischen Umstände und die konkrete Lebensrealität entscheiden über eine gute oder schlechte Bildung. Wir verweisen auch hier auf unser Integrationsgesetz, das die interkulturelle Öffnung und die besondere Förderung der Teilhabe von Migrant*innen in allen Bildungseinrichtungen umfasst. In den Kommunalen Integrationszentren sollen vor allem kommunale Bildungslandschaften und darin vor allem Bildungsübergänge gefördert werden. Das Modell der DaZ-Klassen unterstützen wir, gestärkt werden sollte der herkunftssprachliche Unterricht. Interkulturelle Kompetenz und Sprachbildung/Sprachförderung sollten verpflichtende Bestandteile jeder pädagogischen Ausbildung und jedes pädagogischen Studiums sein.
  • Grundsätzlich setzen wir uns für eine Reform des sächsischen Bildungswesens ein. In der Gemeinschaftsschule könnten auch Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund besser gefördert werden.
  • Der Freistaat verwehrt Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen den Zugang zu Bildung. Damit verstößt er gegen EU-Recht. Nach Artikel 14 der EU-Aufnahmerichtlinie muss Kindern und Jugendlichen mindestens drei Monate nach Asylantragstellung Bildungszugang gewährt werden. Deshalb leitete die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Die Linksfraktion fordert (Drs 6/17341, Drs 6/10831, Drs 6/12937), den Bildungsanspruch für Kinder von Migrant*innen ernst zu nehmen und ihr Recht auf Bildung umzusetzen und nicht erst Beschlüsse auf EU-Ebene abzuwarten. Kita- und Schulbesuch sollen nach 30 Tagen, spätestens aber nach drei Monaten gewährleistet sein. Kinder von Geflüchteten sollen Zugang zu Regel-Kita und ‑Schulen haben. „Lager-Schule“ lehnen wir ab, denn Unterbringungseinrichtungen sind kein Lernumfeld und verhindern Teilhabe.

8.8. Vorurteile gegenüber osteuropäischen Nachbarn abbauen

Sachsen grenzt an Polen und die Tschechische Republik. Diese räumliche Nähe hat in den Europäischen Regionen Neisse, Elbe / Labe, dem Erzgebirge und Egrensis zu vielen gemeinsamen Projekten geführt. Trotzdem sind vor allem Sachsen und die polnischen Grenzregionen nicht ausreichend miteinander vertraut. In den Jahren 2003–2010 erlebten Pol*innen dort viele Anfeindungen – auch durch politische Akteure. So wurde beispielsweise wenige Tage vor dem Beitritt Polens zum Schengen-Abkommen im Jahr 2007 die Plakatkampagne »Polnische Invasion soll aufhören« gestartet, parallel dazu wurden die Kontrollen der polnischen Bürger*innen auf deutscher Seite verschärft. Flugblätter mit der Aufforderung zum „Schließen von Fenstern und Türen« wurden mit dem Hinweis verteilt, dass ab dem 21.12.2007 mit einer Invasion von Dieben aus Polen zu rechnen sei. Auch 12 Jahre nach diesen Ereignissen ist die Haltung der deutschen Gesellschaft und Behörden gegenüber polnischen Migrant*innen von Vorurteilen geprägt.

  1. Wie werden Sie das Potenzial der Nähe der Region Sachsen zu Polen und der Tschechischen Republik nutzen?

  2. Wie werden Sie dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und die Beziehungen zwischen den Menschen in der Grenzregion zu verbessern?

  3. Wie werden Sie EU-Bürger*innen in Sachsen vor gruppenbezogenen menschenfeindlichen Attacken und Kampagnen schützen?

  • Die Linksfraktion unterstützt viele Formen grenzüberschreitender Zusammenarbeit. So wurde Ende 2016 eine Transboundary Parliamentary Networking Conference in Zittau durchgeführt. Es waren parteipolitische Akteur*innen aus den Grenzregionen Niederschlesien, Nordböhmen sowie Sachsen geladen, um sich zu grenzüberschreitenden Problemfeldern auszutauschen. Somit war dies die erste Vernetzungskonferenz, bei der sich die Parteien Razem, Zieloni, Zmena, KSCM und DIE LINKE zu den grenzrelevanten Schwerpunktthemen Umwelt- und Verkehrspolitik sowie Sicherheits- und Gleichstellungspolitik verständigten. Die im Rahmen grenzüberschreitender Begegnungen entstehenden Netzwerke gilt es auszubauen.
  • Die Linksfraktion wendet sich gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung aller Migrant*innen, z. B. mit Anträgen wie „Rassismus ist eine Schande! Angriffe gegen Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten und Muslime unterbinden, rechter Hetze entgegentreten, Gewalt nicht länger verharmlosen“ (Drs 6/2676). Diskriminierende und rassistische Akte gegen Menschen aus Polen und Tschechien, die sich in Sachsen besuchsweise aufhalten oder hier leben, erscheinen weniger als gruppenbezogene menschenfeindliche Attacken und Kampagnen, gegen die, wenn sie auftreten, DIE LINKE konsequent Stellung nimmt und einschreitet, sondern sind häufig eher subtiler Natur und äußern sich z.B. im respektlosen oder abwertenden Umgang im Alltag, sei es beim Einkaufen, beim Arzt oder in der Straßenbahn. DIE LINKE wendet sich gegen die hinter diesen Verhaltensweisen liegenden nationalistischen und rassistischen Einstellungen. Auch fordert DIE LINKE Maßnehmen gegen „racial profiling“ durch die Polizei, z. B. indem Ausbildungsinhalte interkultureller Kompetenz bei der Polizei (Drs 6/9002) verstetigt und verbessert werden.

8.9. Integrationsangebote für EU-Bürger*innen

Die EU-Freizügigkeit gilt im europäischen Binnenmarkt. Neben der Entsenderichtlinie und der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit können mobile Arbeitnehmer*innen in der EU von einer Vielzahl von Bildungsprojekten profitieren, wie beispielsweise Erasmus+ und dem Europäischen Freiwilligendienst. Für jene, die sich dauerhaft in Deutschland ansiedeln möchten, fehlen allerdings die hierfür erforderlichen Angebote. EU-Bürger*innen erhalten keine Förderung für Sprachkurse und die Teilnahme an Integrationskursen ist nur auf Sonderantrag möglich und meist kostenpflichtig.

  1. Wie werden Sie den Zusammenhalt der EU-Bürger*innen in den Aufnahmeländern stärken, d.h. Bürger*innen des Aufnahmelandes und EU-Migrant*innen einander näherbringen?

  2. Werden Sie EU-Bürger*innen den kostenfreien Besuch von Sprachkursen und Orientierungskursen ermöglichen?

  • Der Zusammenhalt zwischen EU-Migrant*innen und den Bürger*innen wird wesentlich durch soziale Integration in Arbeit, Schule, politischer Beteiligung und anderen gesellschaftlichen Bereichen erreicht. DIE LINKE hat zu Fragen der Integration unablässig Initiativen auf den Weg gebracht. Hervorzuheben ist der Antrag „Sächsische Initiative zur Stärkung der Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) in und durch die Regionen“ (Drs 6/17432), mit dem gemeinsame soziale Standards für alle Europäer*innen auch in Sachsen durchgesetzt werden sollen. Die „soziale Säule“ muss auch den besonderen Erfordernissen der Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt gerecht werden. Dazu gehört die Absicherung der Rahmenbedingungen, sodass die EU-Bürger*innen in Sachsen ihr Recht auf Weiterbildung und Teilnahme an Maßnahmen beruflicher Qualifizierung wahrnehmen können.
  • Im Zuge der Unterstützung von Geflüchteten hat die LINKE ein größeres Angebot an kostenfreien Sprach- und Orientierungskursen gefordert, die auch EU-Migrant*innen einschließen. DIE LINKE will Mehrsprachigkeit anerkennen und fördern – bei Migrantinnen und Migranten einerseits, bei Ämtern und Behörden andererseits – sowie ergänzende Angebote zum Spracherwerb (Deutsch als Fremdsprache) in allen Schulen einrichten. Dabei dürfen nicht Nützlichkeitserwägungen im Vordergrund stehen. Daher brauchen wir ein Integrationskonzept, das durch Mitwirkung der Betroffenen entwickelt wird. Auch auf kommunaler Ebene brauchen wir entsprechende Konzepte und Einrichtungen, die eine wirkliche Integration ermöglichen und fördern (siehe SächsMigrTeilhG, Drs 6/13768). Dabei ist es nicht mit einem ausreichenden Angebot an Sprachkursen getan, sondern es bedarf einiger Rahmenbedingungen wie de Ausbaus von Kinderbetreuungsangeboten.

Wohnen und Infrastruktur

9.1. Dezentralisierte Unterbringung geflüchteter Menschen

Das novellierte Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes sieht vor, dass Menschen im Asylverfahren mit einer unterstellten »schlechten Bleibeperspektive« bis zu 24 Monate zur Wohnsitznahme in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verpflichtet werden können. Integrationspolitische Ziele werden dabei konterkariert: Denn ein hoher Anteil derer, für welche die verlängerte Wohnsitznahme gelten wird, wird auf lange Sicht dennoch in Sachsen beziehungsweise Deutschland leben. Für die Zeit des Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung wird die wirtschaftliche, soziale und sprachliche Integration sowie die gesellschaftliche Partizipation erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Durch die äußerst beengte Wohnsituation und zusätzliche psychisch negativ wirksame Faktoren wie die ständige Überwachung durch Sicherheitspersonal besteht die Gefahr, dass sich bei der Ankunft bestehende Krankheiten chronifizieren, woraus sich teilweise auch neue Krankheitsbilder ergeben.

  1. Werden Sie die Novellierung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes aus dem Dezember 2018 revidieren?

  2. Mit welchen Maßnahmen werden Sie geflüchtete Menschen bereits im Asylverfahren in den Landkreisen und kreisfreien Städten dezentral unterbringen?

  3. Sehen Sie die Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung und Integration geflüchteter Menschen durch das Land als ausreichend an? Wenn nein, wie werden Sie die Kommunen hierbei stärker unterstützen?

  4. Welche Maßnahmen werden Sie umsetzen, um alle besonders Schutzbedürftigen, wie nach EU- Aufnahmerichtlinie definiert, bei ihrer Ankunft zu identifizieren? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Unterbringungsbehörden besonders Schutzbedürftigen entsprechend ihrer Bedarfe Wohnungen zur Verfügung stellen?

  • Wir werden dem Flüchtlingsaufnahmegesetz weiter die im LINKEN „Gesetz über die Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme“ (Drucksache 6/4865) enthaltenen Forderungen entgegenhalten – etwa Mindeststandards für eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung. Auch nach der Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes 2018 werden der Garantien der EU-Aufnahmerichtlinie ignoriert. Die Novelle zielt auf drei Ebenen: die gemeindescharfe Wohnsitzauflage, die Neuregelung der Asylpauschale und die Verlängerung der Wohnsitzverpflichtung in den Erstaufnahmeeinrichtungen für bestimmte Geflüchtete. Z. B. bedeutet insbesondere der dritte Punkt erhebliche Einschnitte für die Betroffenen. Sachsen macht von der Ermächtigung in § 47 Abs. 1 b Asylgesetz Gebrauch und sperrt auch Menschen mit einer „niedrigen Bleibeperspektive“ für bis zu 24 Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen.
  • DIE LINKE fordert ein kommunal realisierbares und durchfinanziertes Unterbringungskonzept, das eine vorrangige Unterbringung in Wohnungen bei dezentraler Verteilung vorsieht. Dazu gehört ein kommunales „Umzugsmanagement“. In Gemeinschaftsunterkünften ist die Verweildauer auf drei Monate zu garantieren, bei Familien mit Kindern und besonders schutzbedürftigen Menschen auf sechs Wochen.
  • Die bisherige Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung und Integration geflüchteter Menschen durch den Freistaat reicht nicht aus. Die Landespauschale muss bedarfsgerecht gestaltet werden. Neben einer angemessenen Unterkunft müssen wir eine grundlegende medizinische Versorgung der Asylsuchenden sicherstellen. DIE LINKE fordert zudem die Festschreibung von Standards für Clearingverfahren entsprechend Artikel 22 der EU-Aufnahmerichtlinie für die EAE.

9.2. Diskriminierung von Geflüchteten und Migrant*innen auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken

Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist eine Realität und stellt ein z.T. massives Problem für wohnungssuchende Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte dar. Sie haben mit deutlichen Nachteilen am Mietwohnungsmarkt zu kämpfen: Sie leben in durchschnittlich kleineren Wohnungen, bezahlen höhere Preise pro Quadratmeter und leben vermehrt in schlechteren Wohngegenden. Diskriminierungen erfolgen dabei anhand tatsächlicher oder zugeschriebener Merkmale wie Hautfarbe, Herkunft, Religion und Sprache. Menschen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus sind zudem durch die im Integrationsgesetz verankerte Wohnsitzregelung zusätzlich in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt. Die Benachteiligungen haben zur Folge, dass Angebote der Kinderbetreuung, der Sprachförderung und Bildung sowie der Teilhabe an kulturellen oder politischen Aktivitäten eingeschränkt wahrgenommen werden können.

  1. Welches Konzept verfolgen Sie, um einen diskriminierungssensiblen Umgang der staatlichen Betriebe und Baugesellschaften in ihren Abläufen und Strukturen sowie in der Interaktion mit den Bürger*innen sicherzustellen?

  2. Wie werden Sie Diskriminierungen von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund auf dem sächsischen Wohnungsmarkt entgegenwirken?

Was werden Sie unternehmen, damit Familien mit Flucht- und Migrationsgeschichte nicht in Randbezirke gedrängt werden?

  • Der Bestand an Sozialwohnungen ist in Sachsen stark gesunken. Auch der Stand der offiziell registrierten anspruchsberechtigten Haushalte, die nicht mit einer Sozialwohnung versorgt werden können, ist so hoch wie nie. Wir fordern daher – auch für die Unterbringung geflüchteter Menschen und anderer bedürftiger Personen – in unseren Anträgen den Bau von ausreichend Sozialwohnungen vor allem in den sächsischen Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz und in Mittelzentren. Zugleich fordern wir wirksame Maßnahmen gegen Zweckentfremdung, damit etwa leer stehende Büroräume in Wohnungen umgewandelt werden können, sowie eine deutlich verbesserte und funktionierende Mietpreisbremse.
    Damit Geflüchtete überhaupt die Möglichkeit haben, sich auch im städtischen Raum niederzulassen, wollen wir die diskriminierenden Wohnsitzauflagen abschaffen. Den Diskriminierungsschutz wollen wir durch einen Ausbau der Beratungsstellen gegen Diskriminierung erweitern. Nach dem Beispiel Berlins können wir uns vorstellen, eine intervenierende Fach- und Koordinierungsstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt einzurichten.

9.3. Sozialräumliche Ausgrenzung von Menschen mit geringem Einkommen verhindern

Durch die Aufwertung von Wohnungen in den Städten und die dadurch bedingte Verdrängung in die Stadtrandgebiete entstehen soziale Ausschlüsse, von denen Menschen mit geringem Einkommen besonders betroffen sind.

  1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um sozialräumlicher Ausgrenzung in Sachsen zu begegnen?
  2. Wie werden Sie der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken?
  • Hier verweisen wir auf die Beantwortung der Fragen im Komplex „Diskriminierung von Geflüchteten und Migrant*innen auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken“.
  • Insbesondere gilt es zu ergänzen, dass wir uns neben einer funktionierenden und erweiterten Mietpreisbremse und einer effizienten Kappungsgrenze auch für ein „Einfrieren der Mieten“ in den Oberzentren Leipzig und Dresden einsetzen. Dazu haben wir auf kommunaler als auch auf Länderebene parlamentarische Initiativen auf den Weg gebracht.

9.4. Selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Assistenzbedarf

In der Pflege gilt der Grundsatz ambulant vor stationär. Damit verfügen die Betroffenen auch über ein Wunsch- und Wahlrecht ihrer Wohnform (z.B. Wohngruppe, Heim oder eigene Wohnung). Gleichzeitig steht ihnen die Wahl der Hilfeform frei (z.B. Leistungen eines Pflegedienstes, Nachbarschaftshilfe oder persönliches Budget als Unterstützung). Menschen mit Assistenzbedarf werden seitens der Leistungsträger allerdings immer wieder unter Druck gesetzt, die jeweils kostengünstigste Form zu wählen. Der Wechsel aus einem Heim in ein selbstbestimmtes Leben mit eigener Wohnung und persönlicher Assistenz ist daher die Ausnahme, während der Wechsel ins Heim begünstigt und teilweise sogar erzwungen wird.

Wie werden Sie sicherstellen, dass sich Menschen mit Assistenzbedarf frei für die Wohnform und die Hilfeform entscheiden können?

  • Menschen haben das Recht, selbstbestimmt zu wohnen, auch wenn sie hilfe- und unterstützungsbedürftig werden. Für diesen Grundsatz steht DIE LINKE ganz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Diesem Anspruch entspricht das Sächsische Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz noch nicht, es muss dementsprechend novelliert werden. Das Gesetz sollte einen abgestuften Anforderungs- und Kriterienkatalog zur Anerkennung der unterschiedlichen Wohnformen enthalten. In dieses Gesetz gehört die Sicherung des Wunsch- und Wahlrechts in Bezug auf die gewünschte Wohnform. Dafür werden wir uns einsetzen.
  • Wir setzen uns auch für ein Sächsisches Inklusionsgesetz ein, das analog zur UN-Behindertenrechtskonvention Grundsätze für alle Lebensbereiche, auch den des Wohnens, bestimmt. Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag hatte auch in dieser Wahlperiode in Drs 6/13144 einen dementsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Dies wird voraussichtlich auch in der folgenden Wahlperiode erforderlich sein.
  • Im Rahmen des Leistungsrechtes sehen wir es als selbstverständlich an, dass auch hier im Sinne der UN-BRK ein Wunsch- und Wahlrecht bezüglich der Hilfeform gesichert werden muss. Es ist den bestehenden Mehrheiten im Sächsischen Landtag geschuldet, dass es hierbei Defizite gibt. Wir sehen diese u. a. darin, dass die Durchsetzung von Maßnahmen zur Umsetzung der UN-BRK unter Finanzierungsvorbehalt gestellt wird, obwohl sie Menschenrecht sind, und dass die Fachaufsicht über die Umsetzung des Leistungsrechtes nicht beim Sozialministerium angesiedelt wurde. Dagegen werden wir uns auch weiterhin aktiv wenden.

9.5. Barrierefreiheit im Öffentlichen Personennahverkehr

Barrierefreiheit stellt ein wichtiges Inklusionsinstrument für die Teilhabe in der Gesellschaft dar. Gerade im Öffentlichen Personennahverkehr sind hier erhebliche Mängel festzustellen. So sind beispielsweise im Umfeld der Haltestellen die Bordsteine nicht immer abgesenkt, was den Zugang erschwert, und die Informationen über defekte Fahrstühle nicht aktuell oder unvollständig. Auch essentielle Hinweise zur Orientierung stehen bisher nicht flächendeckend in Brailleschrift zur Verfügung.

Wie werden Sie die Barrierefreiheit in Sachsen verbessern?

  • Im Gegensatz zur sächsischen Regierung halten wir am Ziel der Barrierefreiheit bis zum 1. Januar 2022 fest. Dazu sollen die Landesmittel aufgestockt werden, u. a. durch eine 50–50-Verteilung der vom Bund bereitgestellten Mittel Mittel für Straßenbau und Schiene (bisher fließt davon fast alles in den Straßenbau). Wir streben eine umfassende ÖPNV-Reform an, um in jeder sächsischen Kommune mindestens einen 2‑Stunden, in größeren Kommunen einen 1h- bis ½‑Stunden-Takt zu garantieren. Denn ein gutes ÖPNV-Angebot ist der beste Garant für einfache Mobilität. Zu unseren Reformvorschlägen gehört auch: Alle Menschen, die sich aufgrund von Mobilitätseinschränkungen bei der Nutzung von Bus und Bahn unsicher fühlen, sollen einen niedrigschwelligen, kostenfrei und flexibel nutzbaren Begleitservice in Anspruch nehmen können, der als Teil des in Artikel 20 der UN-Behindertenrechtskonvention formulierten Sicherstellungsauftrags einer persönlichen Mobilität in größtmöglicher Unabhängigkeit dient (nicht Fahrdienst nach SGB II oder SGB XII). Außerdem soll es stets aktuelle, korrekte und verständliche (i. S. der Barrierefreiheit) Angebotsinformationen (inkl. Erreichbarkeit barrierefreier Linien und Zugänge) über den Regelbetrieb und Änderungen geben, an Haltestellen, in Fahrzeugen und im Internet. Im Störungsfall soll umgehend informiert werden. Wenn es eine planmäßige Abweichung ist (z. B. Baustelle), muss in ausreichendem Abstand vorher und während der gesamten Dauer der Abweichung informiert werden, inkl. Alternativen. Diese Bedingungen müssen in Verträgen festgeschrieben und Nichteinhaltung geahndet werden. Fahrgäste müssen dann entschädigt werden (z.B. Geld zurück, wenn mehr als 15 min. Verspätung).

9.6. Gewährleistung der Mobilität hochgewichtiger Menschen im Nahbereich

Breite Gänge und geeignete Sitzmöglichkeiten sind ein entscheidender Faktor dafür, dass hochgewichtige Menschen den öffentlichen Personennahverkehr uneingeschränkt nutzen können. Armlehnen, die nicht hochgeklappt werden können, Ritzen oder Giebel, wie sie sich beispielsweise zwischen Kunststoffschalensitzen ergeben, können ein schmerzhaftes Hindernis darstellen.

  1. Wie werden Sie die Mobilität hochgewichtiger Menschen im Nahbereich sicherstellen?
  2. Wie werden Sie dafür Sorge tragen, dass beim Begriff der Barrierefreiheit die Bedürfnisse hochgewichtiger Körper mitgedacht werden?
  • Im Kern geht es um einen ÖPNV, der den Bedürfnissen der Fahrgäste gerecht wird. In der Regel werden aber die Fahrgäste in Planungen gar nicht einbezogen. Wir wollen durch mehr Beteiligung und Mitspracherechte von Betroffenen fördern. Daher haben wir ein umfangreiches ÖPNV-Beteiligungsgesetz vorgelegt, der u.a. die Bildung von Fahrgastbeiräten in den sächsischen Kommunen vorschreibt und finanziell unterstützt, sowie einen Landesnahverkehrsbeirat ins Leben ruft.

Migration und Flucht

10.1. Keine Einordnung der Maghreb-Staaten und Georgiens als sichere Herkunftsländer

Im Februar 2019 sollten vier weitere Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ eingeordnet werden: Georgien, Tunesien, Marokko und Algerien. Die Entscheidung hierzu wurde jedoch im Bundesrat verschoben. Als „sichere Herkunftsstaaten“ können Länder eingeordnet werden, in denen sicher erscheint, dass es dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Asylanträge aus diesen Ländern werden als offensichtlich unbegründet abgelehnt und Klage- sowie Ausreisefristen werden verkürzt. Menschen, die politische Verfolgung oder Diskriminierung in „sicheren Herkunftsländern“ als Asylgrund geltend machen wollen, müssen dafür Beweise vorlegen.

  1. Sind Sie der Meinung, dass Georgien, Tunesien, Marokko und Algerien als „sichere Herkunftsländer“ einzustufen sind?
  2. Sehen Sie einen Bedarf weitere Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ einzuordnen?
  3. Wie stehen Sie grundsätzlich zu dem Konzept der »sicheren Herkunftsländer«, das zur Rechtfertigung eines beschleunigten Asylverfahrens, verkürzter Klage- und Ausreisefristen sowie zur Verweigerung des Arbeitsmarktzugangs benutzt wird?
  • Zu 1. und 2.
    Nein.
  • Zu 3.
    Das Konzept der „sicheren Herkunftsländer“ ist ein Abwehrkonzept, das die Einzelfallprüfung von Schutzgesuchen weitgehend obsolet machen und pauschal-ablehnende ausländerrechtliche Entscheidungsvorgänge ermöglichen soll. Die rechtliche Einstufung bestimmter Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ ruft die begründete Besorgnis hervor, dass eine unvoreingenommene Prüfung von Einzelschicksalen geflüchteter Menschen erheblich eingeschränkt und das Recht von Geflüchteten auf humanitären Schutz und die uneingeschränkte Gewährung des Grundrechts auf Asyl weiter ausgehöhlt werden. DIE LINKE stellt sich konsequent und seit der Einführung des Konstrukts 1992/93 gegen den Versuch, Einwanderung durch die pauschale Qualifikation von Ländern als „sichere Herkunftsländer“ zu begrenzen, und gegen eine dadurch hervorgerufene Erhöhung der Anforderungen an den Nachweis von Asylgründen durch Betroffene.

10.2. Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen

Seit Oktober 2017 beteiligt sich Sachsen an Abschiebungen nach Afghanistan; seit Sommer 2018 werden über die Kategorien »Gefährder*innen«, Straffällige, »Identitätstäuscher*innen« hinaus auch weitere Menschen abgeschoben. Bis einschließlich der Sammelabschiebung nach Afghanistan vom 19. März wurden laut Zahlen des Sächsischen Flüchtlingsrats 13 Menschen aus Sachsen in das Kriegsgebiet abgeschoben, neun von ihnen fielen in keine der drei genannten Kategorien. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat am 30. August 2018 neue Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (Eligibility Guidelines) veröffentlicht. Eine wesentliche inhaltliche Neuerung weist der Abschnitt auf, in dem es um die mögliche Verfügbarkeit einer „internen Flucht- oder Neuansiedlungsalternative“ geht (internal flight or relocation alternative, IFA/IRA). Kabul mit seinem Zielflughafen für Abschiebungen aus Deutschland wird laut UNHCR explizit nicht als inländische Fluchtalternative geführt.

  1. Finden Sie, dass ein Mensch in Kriegsgebiete wie Afghanistan zurückgeschickt werden darf, in denen sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist?
  2. Werden Sie sich weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligen und wenn ja, welche Gruppen sollen davon betroffen sein?
  • Nein, DIE LINKE hält die Abschiebepolitik nach Afghanistan für ein düsteres politisches Kalkül. Seit dem deutsch-afghanischen Rückkehrabkommen von Oktober 2016 zur Ermöglichung einer aggressiven Abschiebekampagne gehören Abschiebungen nach Afghanistan zu den umstrittensten Themen der deutschen Asylpolitik, in der die reelle Sicherheitslage Afghanistans kaum eine Rolle spielt. Sachsen weigert sich, die Möglichkeit eines formalen Abschiebestopps nach § 60a AufenthG oder aber der Nicht-Meldung von Abzuschiebenden in Anspruch zu nehmen. Im Landtag wurden Anträge auf Abschiebestopp (§ 60a AufenthG) nach Afghanistan behandelt, welche von der Linksfraktion eingebracht und unterstützt wurden (Drs 6/547 und Drs 6/8768).
  • DIE LINKE in Sachsen hat bisher nicht nur Abschiebungen nach Afghanistan, sondern jegliche Abschiebungen konsequent abgelehnt und wird das auch künftig tun. Menschen, die hierher kommen, tun dies aus Gründen. Diese wollen wir nicht bewerten, sondern jedem und jeder die Möglichkeit geben, hier gleichberechtigt und selbstbestimmt zu leben.

10.3. Aussetzung aller Dublin-Abschiebungen

Im Rahmen von Dublin-Überstellungen kommt es regelmäßig zu Familientrennungen. Weiterhin werden auch besonders schutzbedürftige Personen (Familien, Menschen mit Behinderung) in EU- Staaten mit zweifelhaften Asylverfahren überstellt (z.B. Familien mit Kleinkindern nach Italien). Für die Organisation dieser Abschiebungen sind die Länder zuständig. Ob sie erfolgen, hängt davon ab, ob die Ausländerbehörden vor Ort tätig werden oder die Überstellungsfrist verstreichen lassen.

Wie stehen Sie zu Abschiebungen im Rahmen der Dublin-III-VO?

Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Zentrale Ausländerbehörde bei der Zuständigkeit eines anderen Unterzeichnerstaats für das Asylverfahren die Überstellungsfrist verstreichen lässt? Wie wollen Sie dies bei Unterzeichnerstaaten sicherstellen, deren Unterbringungsbedingungen immer wieder als ungenügend kritisiert werden, wie Griechenland, Italien, Spanien und Bulgarien?

Wie werden Sie sicherstellen, dass besonders schutzbedürftige Personen im Rahmen von und nach Dublin-Überstellungen einen angemessenen Schutzraum sowie Versorgung erhalten?

  • DIE LINKE fordert eine grundlegende Änderung der Dublin-Verordnung. Die Übereinkunft bürdet die Hauptverantwortung für die Aufnahme von Geflüchteten einseitig den überforderten EU-Mitgliedstaaten mit relevanten EU-Außengrenzen auf und ignoriert die berechtigten Wünsche der Schutzsuchenden. Die Alternative zum gescheiterten Dublin-System ist die freie Wahl des Zufluchtsorts für Flüchtlinge. So könnten Familienbande und vorhandene Sprachkenntnisse positiv genutzt werden, statt die Menschen gegen ihren Willen von einem Land ins andere zu schicken. Das Dublin-III-Abkommen ist ein schweres Hindernis auf dem Weg zu einem humanen Umgang mit Flucht und Migration in der EU. Vor allem Deutschland behindert eine Lösung für die Verteilung von Geflüchteten und einen fairen finanziellen Ausgleich.
  • Das Verstreichenlassen der Überstellungsfrist ist durchaus Praxis in anderen Bundesländern. DIE LINKE fordert die Staatsregierung auf, dieser Praxis zu folgen. Eine wachsende Zahl von Verwaltungsgerichten stoppt die im Rahmen der Dublin-III-Verordnung vorgesehenen Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Italien, Griechenland und Ungarn mit der Begründung, dass die dortige Organisation der Aufnahme und Unterbringung von Asylsuchenden systemische Mängel aufweist. Diese Spruchpraxis muss auch Gerichten in Sachsen vermittelt werden.
  • Für den Umgang mit besonders schutzbedürftigen Personen im Rahmen von und nach Dublin-Überstellungen, die einen angemessenen Schutzraum sowie Versorgung erhalten müssen, fordert DIE LINKE besondere Clearingstellen, die sicherstellen, dass alle notwendige Vorsorge für den Schutz der betreffenden Menschen erfolgt.

10.4. Abschiebebeobachtung an sächsischen Flughäfen einrichten

Laut Art. 8. Abs. 6 der EU-Rückführungsrichtlinie sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ein wirksames System für die Überwachung von Rückführungen zu schaffen. In Deutschland sind die Bundesländer für den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen verantwortlich, dementsprechend sind sie dazu verpflichtet, die EU-Rückführungsrichtlinie umzusetzen. Die sächsischen Flughäfen verfügen über keine Abschiebebeobachtung. Abschiebungsbeobachtungsstellen gibt es an den Flughäfen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt a.M.

Werden Sie Art. 8. Abs. 6 der EU-Rückführungsrichtlinie umsetzen und Abschiebebeobachtungsstellen an den Flughäfen in Dresden und Leipzig einrichten?

  • DIE LINKE Sachsen setzt sich für eine Abschiebebeobachtung an den Flughäfen in Dresden und Leipzig ein. Die EU-Rückführungsrichtlinie (Art. 8, Abs. 6) ist in dieser Frage verpflichtend und verlangt „ein wirksames System für die Überwachung von Rückführungen“ einzurichten. Der aus dem Richtliniencharakter folgende Gestaltungsspielraum fordert geradezu dazu heraus, die Sächsische Staatsregierung zur Transparenz zu zwingen und zu kontrollieren, wie sie den ein solches „wirksames System“ gestaltet. Der Linksfraktion war und ist hier u.a. wichtig, die ärztliche Begleitung bei Abschiebungen und Abschiebebeobachtung (Drs 6/11176, Drs 6/11478, Drs 6/16342) einzufordern. Abschiebebeobachtung muss aus unserer Sicht von einer unabhängigen Stelle erfolgen, aber staatlich finanziert werden.

10.5. Anerkennung von geflüchteten trans* Menschen

Viele trans* Menschen erfahren in ihren Heimatländern Verfolgung oder Bedrohung.

  1. Werden Sie die staatliche und nicht-staatliche Verfolgung von Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Wahrnehmung und/oder ihres geschlechtlichen Ausdrucks als Asylgrund anerkennen?
  2. Werden Sie geflüchtete trans* Menschen als besonders schutzbedürftig anerkennen?
  3. Welche Maßnahmen werden Sie garantieren, um sie vor Diskriminierung zu schützen?
  • Zu 1. und 2.
    Ja.
  • Zu 3.
    DIE LINKE. fordert für geflüchtete trans* Menschen ein Bleiberecht. Sie fliehen häufig wegen gesellschaftlicher und/oder staatlicher Diskriminierung und sind oft Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis. Nach geltender EU-Rechtsprechung darf von LSBTI* Personen nicht verlangt werden, ihre sexuelle Orientierung zu verstecken. Nach Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist sexuellen Minderheiten Asyl zu gewähren, wenn sie in ihren Herkunftsländern deswegen bedroht werden.
  • In unserem Gesetz zur Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme haben wir „Personen, die wegen ihrer geschlechtlichen Orientierung und sexuellen Identität Verfolgung ausgesetzt waren“ ergänzend zu den Normierungen der EU-Aufnahmerichtlinie als besonders schutzbedürftige Personen definiert. Im Gesetz haben wir zudem einen verbindlichen Gewaltschutz festgeschrieben (§11).

10.6. Diskriminierungsschutz für LSBTIQ*-Geflüchtete

Innerhalb der Gruppe der Geflüchteten gibt es auch viele LSBTIQ*-Personen. Sie erfahren auch in vermeintlich „sicheren Herkunftsländern“ Diskriminierung, haben vielfach noch Schwierigkeiten ihre Bedürfnisse zu formulieren und benötigen auch in Deutschland einen besonderen Schutz vor Diskriminierung. Dies betrifft alle Lebensbereiche, insbesondere die Unterbringung sowie medizinische Versorgung.

Wie wird Ihre Partei eine menschenrechtskonforme, diskriminierungs- und gewaltfreie Unterbringung sowie eine adäquate medizinische Versorgung von Geflüchteten des LSBTIQ*-Spektrums gewährleisten?

  • DIE LINKE setzt sich für die Einrichtung von Schutzmechanismen für LSBTIQ-Geflüchtete in den Unterbringungseinrichtungen des Freistaates und im Asylverfahren ein (Drs 6/13193; Drs 6/16304) und dafür, dass in verantwortungsvoller Einzelprüfung gerade auch bei Vorliegen sog. „sicherer Herkunftsländer“ die konkreten Umstände ermittelt und entsprechend der deutschen und europäischen Rechtslage bewertet werden.

10.7. Klimawandel als Fluchtursache

Der Klimawandel wird in Zukunft vermehrt Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Auch Sachsen wird Ziel von Klimaflüchtlingen sein. Ein effektiver Klimaschutz kann dazu beitragen, in der Heimat bleiben zu können.

Was werden Sie auf Landesebene zum Klimaschutz beitragen?

  • Im Bereich des Klimaschutzes begrüßen wir einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und möchten den Ausbau erneuerbarer Energieträger in Sachsen zur Strom- und Wärmeerzeugung massiv fördern. Hierfür setzen wir auf Sonne, Wind, Biomasse, Wasser und Erdwärme, um den Energieträger Kohle abzulösen. Ziel ist es, dass der sächsische Bruttostromverbrauch vollständig aus diesen Energieträgern gedeckt werden kann. Dabei setzen wir auch auf Speichertechnologien ebenso wie Netzausbau‑, Energieeffizienz- und Einsparinitiativen. Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Klimaschutzstrategie betrifft den Verkehrssektor, in dem wir Rad- und Fußverkehr sowie den öffentlichen Verkehr massiv ausbauen möchten, um den Anteil des klimaschädlichen Autoverkehrs zu reduzieren. Außerdem muss auch die Agrarpolitik künftig stärker eigenständige Beiträge zum Klimaschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zur Pflege von Kulturlandschaften und fairen globalen Handelsbeziehungen leisten.

Politische Partizipation

11.1. Innerparteiliche Teilhabe

Personengruppen, die von Diskriminierung betroffen sind, sind in politischen Entscheidungsprozessen oftmals unterrepräsentiert. Ausschlussmechanismen werden dabei teilweise bereits beim Zugang zu Informationen und zu Veranstaltungen wirksam. Sie zeigen sich aber vor allem bei der Partizipation in Parteien sowie in der Vergabe von Mandaten und hauptamtlichen Positionen innerhalb der Parteien.

  1. Wie stellen Sie in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit, Ihren Entscheidungsfindungsprozessen und Abläufen sowie in Ihrer Personalstruktur Zugang und Teilhabe für alle Menschen sicher?
  2. Welche Personengruppen rücken Sie dabei ins Zentrum Ihrer Bemühungen?
  3. Wo nehmen Sie noch Lücken in der Partizipation wahr?
  • Da gerade die Politik ein noch immer deutlich männerdominierter Bereich ist, ist es unser Anspruch, eigene Gremien und Wahllisten geschlechterparitätisch zu besetzen. Geschlechtergerechte Sprache und Bilder sind für unsere Veröffentlichungen selbstverständlich. Interkulturalität und Inklusion sind ebenso fest verankert. Um Ausgrenzung aufgrund von finanziellen Ressourcen zu vermeiden, gibt es bei uns stets Kostenerlasse bzw. ‑zuschüsse. Finanzielle Vorleistungen sind bei Nominierungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen.
  • Sämtliche Büro- und Veranstaltungsräume werden nach der Maßgabe der barrierefreien Zugänglichkeit ausgesucht. Bei Veranstaltungen und Parteitagen bieten wir auf Anfrage Gebärdendolmetscher_innen ebenso wie Kinderbetreuung an. Auf Parteitagen werden Nachteilsausgleichsräume zur Verfügung gestellt.
  • Unser Ziel ist es, allen Menschen (partei-)politische Teilhabe zu ermöglichen und eventuell notwendige Unterstützungen oder Hilfestellungen zu leisten. Für weitere Anregungen sind wir immer offen.

11.2. Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen in die politische Entscheidungsfindung

Wenn ein politischer Prozess diskriminierungssensibel sein soll, ist es unabdingbar, die Perspektiven marginalisierter Bevölkerungsgruppen wahrzunehmen und aktiv einzubeziehen.

Wie stellen Sie die systematische Einbindung marginalisierter Bevölkerungsgruppen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen sicher, um mögliche Diskriminierungsrisiken frühzeitig zu erkennen und zu berücksichtigen?

  • Wir sind sehr gut vernetzt mit vielen verschiedenen Akteur_innen der Zivilgesellschaft, mit Verbänden, Vereinen und Initiativen. Für Gesetzesvorhaben oder anderen parlamentarischen Initiativen beziehen wir sehr häufig Expert_innen in die Ausarbeitung ein.
  • Darüber hinaus stehen wir grundsätzlich immer als Ansprechpartner für Hinweise, Anmerkungen oder Fragen zur Verfügung.

11.3. Stärkung der Migrant*innenbeiräte

Derzeit existieren in den drei kreisfreien Städten sowie in Zittau kommunale Migrant*innenbeiräte, die unter unterschiedlichen Namen geführt werden. Die Rechte der Migrant*innenbeiräte variieren. Alle vier Beiräte besitzen das Rederecht im Stadtrat, lediglich der Leipziger Beirat hat das Antragsrecht, nur der Dresdner Beirat wird durch Migrant*innen selbst gewählt, alle anderen Beiräten werden lediglich durch den Stadtrat benannt.

  1. Werden Sie die Einrichtung von Migrant*innenbeiräten auf kommunaler und Landesebene unterstützen? Welchen rechtlichen Rahmen sehen Sie für diese vor?
  2. Sollen geflüchtete Menschen aktiv und passiv an der Wahl der Migrant*innenbeiräte teilnehmen können? Wenn ja, mit welchem aufenthaltsrechtlichen Status?
  3. Welche Rechte werden Sie den Mitgliedern des Beirats sowie dem Beirat als Gremium auf Landesebene garantieren? Welches Recht sollten sie auf kommunaler Ebene haben?
  4. Mit welchen weiteren Maßnahmen werden Sie die Partizipation von Migrant*innen und Geflüchteten auf kommunaler und Landesebene stärken?
  • Die Linksfraktion ein „Gesetz zur Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten sowie zur Regelung der Grundsätze und Ziele der Integration“ in den Landtag eingebracht, der die hier angesprochenen Fragen umfänglich behandelt. Darin wird die Unterstützung der Einrichtung von Migrant*innenbeiräten auf kommunaler und Landesebene systematisch geregelt. Geflüchtete sollen, unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, aktiv und passiv an der Wahl der Migrant*innenbeiräte teilnehmen können.
  • Es sollen auf verschiedenen Ebenen Beiräte gebildet werden, die mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet sind. Ein Sächsischer Landesrat für Integrations- und Migrationsfragen soll aus 17 stimmberechtigten Mitgliedern bestehen, insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund sowie Männer und Frauen gleichberechtigt. Kommunale Räte hätten das Recht, einen Vertreter in die Sitzungen des Kreistages, des Stadtrates oder des Gemeinderates zu entsenden, dem in Angelegenheiten, welche die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund sowie das gedeihliche und friedvolle Zusammenleben berühren, ein Rede‑, Anhörungs- und Antragsrecht zusteht. Kommunale Beauftragte für die Belange der Teilhabe und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund werden von den Landkreisen und Gemeinden mit eigener Verwaltung verpflichtend bestellt. Sie sollen auf die Wahrung der Belange der in der jeweiligen Gemeinde, der Stadt oder im jeweiligen Landkreis lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, die Förderung eines von Anerkennung und gegenseitigem Respekt aller Menschen sowie von Offenheit und Toleranz für andere Kulturen getragenen gedeihlichen und friedvollen Zusammenlebens sowie die weitere Festigung bereits bestehender Teilhabe- und Integrationsstrukturen hinwirken.