Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Interessenvertretung Jungen, Männer und Väter

A. Familienpolitik:
Die Familienpolitik in der Bundesrepublik stellt sich seit Jahren nicht den Anforderungen der heutigen Gesellschaft: Familie wird von ihr vielfach reduziert auf intakte Familien. Nachtrennungsfamilien werden von ihr fragmentiert verstanden – mit dem nahezu ausschließlichen Blick auf den Haushalt, bei dem das Kind gemeldet ist [„Alleinerziehende“]. Die zweiten Elternteile, die die Kinder zu 20 %, 30 %, 40 % oder zu 50 % betreuen, werden von der Politik nicht gewürdigt. Beides sind defizitäre Ansätze.
Alarmierend sind dabei folgende Phänomene:
– 40 % der getrennt erziehenden Mütter sind gezwungen, von Leistungen nach Hartz IV zu leben.
– 40 % der Kinder in Nachtrennungsfamilien erleiden vollständigen Kontaktabbruch zu einem Elternteil – in der Regel zu ihrem Vater.
– 40 % der getrennt erziehenden Väter sind finanziell nicht in der Lage, den Barunterhalt für ihre Kinder zu leisten (Schätzung; belastbare Daten liegen nicht vor).
Für die ersten beiden Phänomene ist das überholte deutsche Familienrecht verantwortlich mit dem zwangsweisen Vorschreiben einer bestimmten Betreuungsform, dem Residenzmodell: „Eine® betreut – einer bezahlt“.
Für den dritten Punkt ist eine verfehlte Steuer‑, Ordnungs- und Sozialpolitik verantwortlich.
Viele westliche Länder gehen an diese Problemlagen anders heran.
Was ist Ihre Partei bereit zu ändern?

1) Prekäre Lage in Nachtrennungsfamilien / Vorhaltung zweier Haushalte:

Wird Ihre Partei sich einsetzen für Verbesserungen der finanziellen Lage vieler Nachtrennungsfamilien, wie in anderen westlichen Ländern üblich, für:

a) steuerliche Entlastungen für beide Haushalte (gutverdienende getrennte Eltern)?
b) für Verbesserungen bei den Sozialleistungen in beiden Haushalten (gering verdienende getrennte Eltern)?
c) eine paritätische Aufteilung aller staatlichen Leistungen auf beide Haushalte gemäß dem Betreuungsschlüssel – für Kindergeld, Beamtenzulagen, Sozialleistungen etc.?

Antwort:

  • Wir prangern seit Jahren an, dass das alleinige Großziehen von Kindern, nach der Arbeitslosigkeit, das zweitgrößte Armutsrisiko in Deutschland darstellt. Ein Großteil der Alleinerziehenden ist auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen und/oder muss das eigene Einkommen mit ergänzenden Sozialleistungen aufstocken. Das Steuerrecht wurde in den letzten Jahren systematisch zuungunsten von Alleinerziehenden verändert, was wir als LINKE stets scharf kritisiert haben. Diese steuerrechtliche Benachteiligung von Alleinerziehenden betrifft Väter und Mütter gleichermaßen, auch wenn statistisch gesehen insbesondere alleinerziehende Frauen deutlich häufiger von Armut betroffen sind.
  • Das aktuelle Familiensteuerrecht trifft schon lange nicht mehr die gelebte Realität von Familien in Deutschland. Hier halten wir grundlegende Reformen für erforderlich. Dabei ist unsere Grundhaltung, dass das Aufziehen, die Betreuung und das Begleiten von Kindern beim Aufwachsen nicht nur einen individuellen Wert für die jeweiligen Eltern darstellt, sondern auch einen erheblichen gesellschaftlichen Wert. Dieser gesellschaftliche Wert ist daher in Form von Begünstigungen zu würdigen, beispielsweise durch steuerliche Entlastungen, eine deutliche Erhöhung und Vereinfachung von familienbezogenen Sozialleistungen und allgemeine Förderungen und Unterstützungen. Dabei ist auf die tatsächliche Situation der Familien einzugehen. So gibt es zahlreiche Modelle, wie Eltern nach einer Trennung die Betreuung ihrer Kinder untereinander aufteilen, ob es eine hälftige Aufteilung ist, eine absolute oder eine Aufteilung, die irgendwo dazwischen liegt. Darauf müssen die steuerlichen Regelungen, die Sozialleistungen sowie die Aufteilung staatlicher Leistungen abgestimmt sein. Dabei steht für uns das Kind im Mittelpunkt. Es darf nicht sein, dass Kinder unter Armut leiden, nur weil sich ihre Eltern getrennt haben.
  • Nach Auffassung der LINKEN ist es eine Bankrotterklärung der Bundesregierung, dass in Deutschland jedes fünfte Kind von Armut betroffen ist, oftmals in Ein-Eltern-Haushalten. Denn ganz egal wie das Verhältnis der Eltern ist, kein Kind sollte in einem reichen Land von Armut betroffen sein. Daher setzen wir uns für eine Kindergrundsicherung ein, die Kinder vor Armut schützt, unabhängig davon, welches Verhältnis ihre Eltern zueinander pflegen.

2) 40 % Kontaktabbrüche in Nachtrennungsfamilien:
a) Wird Ihre Partei sich einsetzen für eine korrekte Erhebung der Daten bezüglich der von den Kindern zu erleidenden Kontaktabbrüche?
b) Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen, um die Anzahl der Kontaktabbrüche drastisch zu senken?

Antwort:

  • Nach Auffassung der LINKEN ist es für Kinder sehr wichtig, Kontakt zu beiden Eltern zu haben, zahlreiche Studien belegen dies. Vorausgesetzt, dass der Kontakt zu einem Elternteil dem Kind nicht schadet, beispielsweise aufgrund von Gewalt oder Missbrauch. Bei Kontaktabbrüchen gilt es daher die genauen Hintergründe zu klären.
  • Für sich trennende Eltern braucht es nach Auffassung der LINKEN vielfältige und niedrigschwellige Begleitungs- und Beratungsangebote, um den Prozess der Trennung für die Eltern, aber vor allem für die Kinder so gut wie möglich zu gestalten – mit dem Ziel, dass insbesondere die Kinder die Trennung der Eltern gut verarbeiten und einen guten Umgang miteinander für die Zeit nach der Trennung finden können.

3) Getrennt erziehende Väter und Kindesunterhalt / (fehlende) Leistungsfähigkeit / Unterhaltsvorschussgesetz:
a) Wird Ihre Partei sich einsetzen für eine korrekte Erhebung der Daten bezüglich der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit von getrennt erziehenden Vätern?
-> Datenerhebung bezüglich „zahlungsunwillig“ vs. „zahlungsunfähig“.

b) Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen, um die Zahlungsfähigkeit getrennt erziehender Väter zu erhöhen?

Antwort:

  • Wir haben die Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes im Jahr 2017 in einigen Punkten scharf kritisiert. Denn die Reform wird keine einzige Ein-Eltern-Familie aus der Armut holen. Durch die neuen Regelungen gibt es sogar Fälle, in denen Ein-Eltern-Familien aufgrund gegenseitiger Anrechnung verschiedener Sozialleistungen schlechter gestellt sind als vorher.
  • Bei der Debatte um das Sächsische Ausführungsgesetz des Unterhaltsvorschussgesetzes haben wir genau diese Unterscheidung der Rückgriffe eingebracht, nämlich, dass die erschreckend niedrige Zahl von Rückgriffen analysiert werden muss in Bezug auf die Frage, wie viele zahlungspflichtige Elternteile nicht zahlen wollen, und wie viele aufgrund zu geringer Einkommen nicht zahlen können.
  • Um die Zahlungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Elternteile zu erhöhen, muss sich deren Einkommenssituation verbessern, was wiederum eine aktive Arbeitsmarktpolitik zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet, beispielsweise durch eine Erhöhung des Mindestlohns.

4) Erneuerung Familienrecht / Ablösung des Zwanges „Residenzmodell“ für Nachtrennungsfamilien:
a) Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen zur Ablösung der gesetzlichen Regelfalls „Residenzmodell“: „Eine® betreut – einer bezahlt“? (§ 1606 BGB).
b) Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen zur Regelung einer proportionalen Aufteilung des Barunterhalts zum Betreuungsunterhalt auf beide Haushalte für Kinder in Nachtrennungsfamilien?

Antwort:

  • Wie bereits in Frage 1 ausgeführt, müssen das Steuerrecht, die Sozialleistungen sowie die familienbezogenen Leistungen an die tatsächliche Situation der Familien angepasst werden. Die Annahme, dass ein Elternteil betreut und der andere bezahlt, trifft auf die Mehrheit der Familien nicht zu. Das Ziel muss darin bestehen, die Ein-Eltern-Familien vor einer prekären finanziellen Situation zu bewahren und damit Kinder vor Armut zu schützen.

5) Verpflichtende Mediation VOR Beginn des Familienverfahrens:
a) Wird sich Ihre Partei für eine verpflichtend vorgeschriebene Mediation einsetzen – vor Beginn des Familiengerichtsverfahrens?
b) Welche Maßnahmen wird Ihre Partei ergreifen zum Schutz der Trennungseltern vor den „gerichtsnahen Professionen“: Gutachter, Beistände, Stellungnahmen Jugendämter, KIB usf.?

  • Nach Auffassung der LINKEN muss der Umgang mit sich trennenden Eltern grundlegend verändert und entstigmatisiert werden. Dabei muss das Wohl der Kinder stets im Mittelpunkt stehen. Alles, was Eltern dabei hilft, den Trennungsprozess respektvoll zu bewerkstelligen, und damit den Kindern ermöglicht, einen guten Umgang mit beiden Eltern auch nach der Trennung pflegen zu können, ist zu begrüßen. Ein verpflichtendes Mediationsverfahren kann dabei ein Aspekt sein.

 

B. Zeitgemäße Neuregelung des Abstammungsrechts:

Das deutsche Abstammungsrecht ist ein Anachronismus, ein Relikt aus vergangenen Jahrhunderten:
– Mutterschaft ist über die biologische Abstammung definiert (§ 1591 BGB).
– Vaterschaft ist über den Ehestand und den Vermutungsgedanken definiert.

Eine rechtliche Fiktion: Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist“ (§ 1592 BGB).
Vor dem Hintergrund heutiger medizinisch-technischer und diagnostischer Möglichkeiten ist es an der Zeit, auch Vaterschaft über die biologische Abstammung zu definieren. Gleichbehandlung für Mütter und Väter, Frauen und Männer.

6) Definition von Vaterschaft über die biologische Abstammung:
a) Wird sich Ihre Partei für eine Neuregelung des Abstammungsrechts einsetzen, in dem Vaterschaft über die biologische Abstammung definiert ist – analog zur Mutterschaft?
b) Wird sich Ihre Partei in Abgrenzung zum Vorstoß aus dem SPD-geführten Bundesjustizministerium dafür einsetzen, dass Mutterschaft und Vaterschaft nicht weiter marginalisiert / beliebig gemacht werden durch die Einführung von „Mitmutterschaft“ und „2. Elternteil“, eventuell sogar durch „Mehrelternschaft“?

Antwort:

  • Nach Auffassung der LINKEN ist Familie da, wo sie stattfindet. Dabei gilt es stets die Position des Kindes in den Mittelpunkt zu rücken. Förderung und Unterstützung sollen die Eltern erhalten, die für ihr Kind Verantwortung und Sorge übernehmen, auch wenn sie nicht die leiblichen Eltern sind.

1. Anmerkung:

Die paritätische Definition von Mutterschaft und Vaterschaft über die biologische Abstammung stellt keine Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren dar, sondern resultiert aus den Bedürfnissen des Kindes. Ein Kind entsteht durch die Weitergabe von weiblichen und männlichen Genen. Daraus ergeben sich Elternschaft und Kindschaft (Siehe auch: UN-Kinderrechtskonvention).

Ein wie auch immer organisiertes Zusammenleben mit Kindern wird allgemein üblich als patchwork-Familie bezeichnet – mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten. Das gilt für heterosexuelle wie für gleichgeschlechtliche Paare.

Die Forderung nach zeitgemäßer Definition von Vaterschaft analog zur Mutterschaft wird dadurch nicht berührt.

2. Anmerkung:

Viele von den von Ihnen erfragten Themen können auf der Landesebene nicht gelöst werden, wie das Steuerrecht, trotzdem haben wir uns bemüht Ihnen zu antworten.