Wahlprüfstein Landtagswahl 2019: Handelsverband Sachsen

  1. Der Handel trägt maßgeblich zur Attraktivität sächsischer Innenstädte und zu einem Funktionieren des ländlichen Raums bei. 
    a) Welche Initiativen planen Sie für eine konsequente Stärkung der Innenstädte und Stadtteile mit hoher Aufenthaltsqualität?
  • Die Innenstädte stehen in Konkurrenz zu großen Einkaufszentren, die oft auf der grünen Wiese liegen, als auch zum Online-Handel. Diesen Wettbewerb werden sie nicht bestehen können, wenn sie lediglich versuchen, den Vorteilen dieser Vertriebswege nachzueilen. Stattdessen gilt es das zu stärken, was eine lebendige Innenstadt ausmacht. Einkaufen in der Innenstadt wird eine Zukunft haben, wenn es mehr als ein reiner Beschaffungsvorgang ist – Einkaufen in der Innenstadt muss Teil eines urbanen Erlebnisses sein. Dazu gehören Cafés, verkehrsberuhigte Straßen, gepflegte Parkanlagen und Spielplätze, Sitzgelegenheiten, öffentliche Kultur oder Straßenmusik genauso wie der Wochenmarkt mit lokalen Produkten. Wir möchten das Einkaufen und das Besuchen der Innenstädte erleichtern, ohne die Bevölkerung durch mehr Abgase, Staus oder Flächenkonkurrenz zu belasten. Folglich setzen wir uns für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs ein. Autoverkehr muss auf das unverzichtbare Maß reduziert werden. Dazu schlagen wir ein Parkraummanagement vor, das den Pendler- und Einkaufsverkehr möglichst am Stadtrand konzentriert und eine kostengünstige ÖPNV-Anbindung in die Innenstädte bietet. Wir wollen emissionsarme Logistikkonzepte für die Belieferung von Betrieben und Geschäften entwickeln sowie autofreie und autoreduzierte Quartiere schaffen.

b) Welche Initiativen planen Sie für eine konsequente Stärkung des ländlichen Raums und eine hohe Lebensqualität in allen sächsischen Regionen?

  • Aktuell nutzt die Landespolitik ihre Möglichkeiten nicht aus. Das gilt für kleine (z. B. Dorfläden vs. Einkaufszentren auf der grünen Wiese) wie große Vorhaben, etwa Verbesserungen im Pflege- und Gesundheitsbereich. Im ländlichen Raum soll einerseits das „Abwandern“ akzeptiert sein („man kann die Leute nicht festbinden“), anderseits das Bleiben, Zuwandern und Wiederkehren begrüßt und gefördert werden. Wir setzen uns u.a. für Förderprogramme und Maßnahmen ein, die auf den Verbleib bzw. Zuzug junger qualifizierter Menschen abzielen. Für hohe Lebensqualität ist soziale, technische und kulturelle Infrastruktur nötig. Es geht um den Erhalt von Schulen, Sporthallen, Bibliotheken, Kulturstätten, Einkaufsmöglichkeiten, eine schnelle Internetanbindung und vieles mehr. Öffentliche Investitionen sind das effektivste Mittel, um Unternehmen vor Ort zu unterstützen. Deshalb streiten wir für eine höhere kommunale Investitionspauschale und für Regionalbudgets, die mehr Handlungsspielraum vor Ort schaffen und regionale Wirtschaftskreisläufe stärken.
  • Zu alledem kann ein gut ausgebauter, kostengünstiger ÖPNV beitragen, der die räumliche Trennung von Familien und Freundeskreisen abmildert. Wir fordern ein landesweites angebotsorientiertes Bus-netz, das gleiche Bedienungsstandards vorsieht (PlusBusse, Landbusse, Stadtbusse etc.). In jeder Gemeinde mit mehr als 800 Einwohnerinnen und Einwohnern (EW) muss ein 2‑Stundentakt, in Gemeinden mit mehr als 5.000 EW ein 1‑Stundentakt und in allen Gemeinden mit mehr als 10.000 EW ein Halbstundentakt im Busverkehr angeboten werden, der die umliegenden Gemeindeteile und die nächstgelegene Schienenpersonennahverkehr-Station anfährt. Nötig sind flächendeckende sichere und attraktive Radverkehrsverbindungen. Für ein gutes Leben auf dem Land muss auch im medizinischen Bereich mehr getan werden. Wir fordern eine sektorenübergreifende, überregionale Rahmenbedarfsplanung mit dem Ziel, eine wohnortnahe Versorgungsstruktur sicherzustellen.

2. Wie ist Ihre Haltung zu vier verkaufsoffenen Sonntagen in Sachsen ohne Anlassbezogenheit und zu einer entsprechenden Überarbeitung des sächsischen Ladenöffnungsgesetzes?

  • Die Herausforderungen im Einzelhandel, u.a. Druck durch Online-Handel, lassen sich nicht durch die Maßnahme „verkaufsoffener Sonntag“ lösen. Wir wenden uns im Interesse der Beschäftigten dagegen, die Obergrenze von vier Sonntagsöffnungen im Jahr anzuheben oder gar aufzugeben. Sonntagsarbeit sollte nur bei solchen Berufsgruppen gestattet sein, deren Einsatz tatsächlich ständig notwendig ist.

3. Wie werden Sie sicherstellen können, dass die Kunden für ihre Einkäufe – auch perspektivisch – das von ihnen bevorzugte Verkehrsmittel nutzen können?

  • Jede/r sollte das selbst bevorzugte Verkehrsmittel nutzen können, soweit es keine vermeidbaren negativen Auswirkungen auf Mitmenschen bzw. für kommende Generationen verursacht. Mithin sollten die Autokonzerne für den Betrug an den Käuferinnen und Käufern sowie die höhere Luftverschmutzung haften. Unser Ziel sind attraktive Innenstädte in autofreien oder ‑armen Räumen, in denen Kundinnen und Kunden ihre Einkäufe möglichst in verkehrsberuhigten Zonen erledigen können.

4. Welche Bedeutung messen Sie dem Sicherheitsgedanken in unseren Innenstädten bei?
Welche Initiativen planen Sie?

  • Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz von Prävention und Kriminalitätsvorbeugung über mehr Polizeipräsenz bis hin zu professioneller Abwehr organisierter Kriminalität (u.a. international agierender Banden). Hinzu kommen städtebauliche Maßnahmen wie die Ausleuchtung von Wegen und Plätzen sowie bessere Übersichtlichkeit von Grünflächen und Parkanlagen. Das „einfache“ Auf-stellen von Kameras im öffentlichen Raum oder pauschale Alkoholverbote gehen an den Problemursachen vorbei.

5. Die Themen Arbeitskräfte- sowie Nachwuchsgewinnung stellen branchenübergreifende Herausforderungen dar, mit denen auch der Handel als zweitgrößter Arbeitgeber in Sachsen konfrontiert ist. Mit welchen Maßnahmen werden Sie in dieser zukunftsweisenden Frage unterstützen?

  • Entscheidend für die Attraktivität des Handels als Arbeitgeber sind die Ausbildungs- und Lohnbedingungen. Wir fordern eine höhere Tarifbindung und einen höheren Mindestlohn. Um die Motivation zu steigern, einen Beruf im Handwerk und im Handel zu erlernen, befürworten wir ein flächendeckendes Ausbildungsmindestgehalt, das an branchenübliche Tarife gebunden wird. Kleinen Unternehmen wird bei Bedarf für eine Übergangszeit mit öffentlicher Förderung geholfen. Ein Förderprogramm „Fachkräftesicherung“ sollte Kommunen und KMU dabei unterstützen, Arbeits‑, Lebens- und Lernbedingungen zu schaffen, die Arbeitskräfte locken. Ferner ist eine bessere Berufsberatung in den Schulen nötig. Das Netz der Berufsschulbildung sollte erhalten werden. Ein kostengünstiges Bildungsticket soll die Fahrtkosten zur Berufsschule und zum Ausbildungsbetrieb bezahlbar machen.

6. Steuergerechtigkeit beschäftigt den inhabergeprägten kleinen und mittelständischen Handel in Sachsen ganz besonders. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass große Online-Anbieter in Fragen der Umsatzsteuererhebung und Abführung sowie Einkommenssteuerzahlung so besteuert werden wie jeder andere Händler auch?

  • Amazon & Co. müssen endlich steuerlich in die Pflicht genommen werden. Im Bund ist die Regierungskoalition den Umsatzsteuerbetrug im Onlinehandel angegangen. Gleichzeitig wird ein wichtiges Steuerschlupfloch wieder geöffnet: die Möglichkeit für Unternehmen, eigene Gewinne mit den Verlusten extra eingekaufter Schrott-Unternehmen zu verrechnen und so die eigene Steuerpflicht zu relativieren. Wir fordern eine öffentliche Nachweispflicht für Kennziffern wie Gewinne, bezahlte Steuern, Umsätze und Beschäftigte für jedes Land wie im Banken- und Rohstoffsektor. Eine konsequente Besteuerung ist auf EU-Ebene durchzusetzen, u.a. durch die Einführung einer digitalen Betriebsstätte als steuerlicher Anknüpfungspunkt. Auf Finanzflüsse in Steueroasen müssen Quellen- bzw. Strafsteuern erhoben und der Abzug von Betriebsausgaben bei Käufen von Unternehmen mit Sitz in Niedrigsteuerländern muss verboten werden.