Fortschritt und Zusammenhalt

Unser Programm für das solidarische Sachsen

Unser Landtagswahl zum Download finden Sie im PDF-Format hier:

Langwahlprogramm zur Landtagswahl 2019PDF-Datei (1,03 MB)

Die Volltextversion unseres Landtagswahlprogramms können Sie auf dieser Seite lesen.

Inhalt

Präambel

1. Sachsen steht vor der Wahl
2. Unsere Vision für Sachsen
3. Unsere ersten Schritte für ein solidarisches Sachsen
 3.1. Gesellschaftlichen Zusammenhalt mit einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit neu entwickeln
  3.1.1. Armut im Freistaat Sachsen bekämpfen
  3.1.2. Für ein Leben in Würde – gesetzliche Sozialversicherungen stärken
  3.1.3. Projekte für Miteinander und Toleranz stärken
  3.1.4. Freiwilliges, bürgerschaftliches Engagement stärken
  3.1.5. Akzeptanz für Vielfalt entwickeln
  3.1.6. Für Religionsfreiheit und Laizismus
 3.2. Gleichwertige Lebensverhältnisse im Freistaat
  3.2.1. Medizinische Versorgung
  3.2.2. Pflege im Alter
  3.2.3. Schönes Leben – eine funktionierende Infrastruktur überall
 3.3. Bildung, Kultur, Sport und Medien
  3.3.1. Grundsätze linker Bildungspolitik
  3.3.2. Ziele linker Bildungspolitik
  3.3.3. Frühkindliche Bildung und Kindertagesstätten – Gute Bildung von Anfang an!
  3.3.4. Schulbildung
  3.3.5. Berufliche Bildung
  3.3.6. Hochschulpolitik
  3.3.7. Erwachsenenbildung
  3.3.8. Kultur
  3.3.9. Sport
  3.3.10. Medien
 3.4. Demokratie, mitbestimmte Politik, Netzpolitik und Verwaltung
  3.4.1. Demokratisierung der Demokratie
  3.4.2. Politik und Verwaltung
  3.4.3. Kommunalpolitik mit Links
  3.4.4. Eine linke Netzpolitik mit Zukunft
  3.4.5. Sicherheit, Freiheit und der Schutz der Rechte der in Sachsen lebenden Menschen
  3.4.6. Menschenleben schützen, Feuerwehr und Rettungswesen stärken
  3.4.7. Antifaschistische Politik stärken
  3.4.8. Reform der Drogenpolitik: Vernunft statt lebensgefährliche Ideologie
 3.5. Wirtschaft und Arbeit
  3.5.1. Unsere Ziele für Wirtschaft und Arbeit in Sachsen
  3.5.2. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen
  3.5.3. Kleine und Mittelständische Unternehmen unterstützen
  3.5.4. Land- und Forstwirtschaft
  3.5.5. Tourismus
  3.5.6. Förderpolitik in Sachsen neu gestalten
  3.5.7. Forschung und Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Sachsen
  3.5.8. Daseinsvorsorge: Öffentlich vor Privat
  3.5.9. (Solo-)Selbstständigen und Künstler*innen ein soziales Netz spannen
 3.6. Sozial-ökologische Erneuerung für uns und unsere Enkelkinder
  3.6.1 Klimaschutz und Energiewende
  3.6.2. Umwelt- und Naturschutz
  3.6.3. Tierschutz
 3.7. Sachsen in Europa
  3.7.1. Sachsen in einem friedlichen Europa – Wir stehen für Zusammenhalt und Solidarität
  3.7.2. Wir sind für ein Europa der Regionen
  3.7.3. Länder- und grenzübergreifende Kooperation statt Konkurrenz
  3.7.4. Migration
  3.7.5. Wir sind für ein Sachsen in einem Europa des Friedens
4. Links wirkt: Im Bund, in den Ländern und vor Ort
5. Unser Versprechen für ein solidarisches Sachsen

Anmerkungen zur geschlechtergerechten Schreibweise

Uns ist es wichtig, Menschen mit einzubeziehen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Daher benutzen wir das Sternchen in oder hinter Worten, wenn z. B. statt Frauen FLTIQ-Personen (Frauen, Lesben, Trans, Inter und Queer) angesprochen werden sollen.

Präambel

Liebe Wählerinnen und Wähler,

Wir haben den Mut, mit unseren Ideen dieses Land zu gestalten. Wir haben die Kraft, uns dieser Herausforderung zu stellen. Und wir haben die Leidenschaft, dafür zu kämpfen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gesichert, kein Mensch und keine Region abgehängt und in Zukunft wieder die Idee vom Gemeinwohl über den Marktradikalismus der vergangenen Jahrzehnte gestellt wird. Und wir wollen dies mit Ihnen gemeinsam tun. Es ist an der Zeit: Wir wollen nach 30 Jahren dem Trübsinn ein Ende setzen. Wir wollen Fortschritt aktiv gestalten und dabei den gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesem Land neu begründen. Damit das solidarische Sachsen entsteht. Wir sind dazu bereit.

Ob dieses Programm ein Regierungsprogramm sein wird, entscheiden Sie bei der Landtagswahl mit Ihrer Stimme. Wir wollen Ihnen deshalb einen Vorschlag unterbreiten: Wir werden nicht meckern oder schreiben, was wir von anderen erwarten. Wir wollen auf den kommenden Seiten für Sie beschreiben, was Sie von uns erwarten können, wenn wir dieses Land gestalten. Vielleicht wirken unsere Ideen auf den ersten Blick visionär. Sie fragen sich vielleicht, ob all das Realität werden kann. Doch eines haben wir in der Vergangenheit gelernt: Das, was wir formuliert haben, ist nicht weltfremd. Sehr oft wurde das, wofür wir uns einsetzten, am Ende Realität. Viele Ideen sind in anderen Bundesländern oder Staaten längst umgesetzt und erprobt. Jede Idee hat ihre Zeit. Und mit Ihrer Stimme zur Landtagswahl entscheiden Sie, ob diese Zeit gekommen ist. 30 Jahre nach der friedlichen Revolution, die in Sachsen ihren Anfang nahm, ist es an der Zeit, die Versäumnisse der Nachwendezeit zu beheben und die Hoffnungen, welche die Menschen mit der Wiedervereinigung verbunden haben, zu erfüllen.

Wir wollen mit Ihnen gemeinsam dieses Land voranbringen und gestalten. Wir wollen dort, wo der Bund versagt, Sachsen zum Musterland des gesellschaftlichen Fortschritts machen.

Wir sind davon überzeugt: Diese Wahl wird durch Haltung entschieden. Nach 30 Jahren ist es an der Zeit, das Ruder herumzureißen. Wie wird dieses Land als Zukunftsregion gesichert? Wir glauben, dass es unser Ansatz, der solidarische Ansatz, ist, der dieses Land sicher in die Zukunft führt: Gelingende Inklusion im Schulsystem ist für uns ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn. Bildungscluster und Forschungszentren werden Menschen anziehen. Armut und soziale Ungleichheit verstehen wir als Hemmnis für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Wir werden nicht zulassen, dass ganze Regionen samt deren Bewohner*innen brach gelegt werden, sondern wollen deren Potential entwickeln. Wir wollen, dass jede und jeder hier in Toleranz und Mitmenschlichkeit so leben kann und darf, wie er oder sie es möchte. Dafür ist es notwendig, die gesellschaftliche, infrastrukturelle und technische Entwicklung nicht einzelnen Großkonzernen oder weit entfernten Akteuren zu überlassen. Dafür ist es notwendig, dass wir neue Verbindungen knüpfen, wo diese weggefallen sind. Dafür ist es notwendig, dass es in unserer Demokratie wirklich etwas zu entscheiden gibt. Alle unserer gemeinsamen Ziele können wir nur in einem friedlichen Sachsen und einem friedlichen Europa umsetzen und erreichen. Deshalb sprechen wir uns nachdrücklich für eine politische Lösung der Konflikte in Osteuropa und gegen jegliche militärische Eskalationsbestrebungen dort aus.

Wir laden Sie deshalb ein, mit uns gemeinsam unsere Ideen für das solidarische Sachsen zu entdecken.

Ihre Partei DIE LINKE. Sachsen

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1. Sachsen steht vor der Wahl

Die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl, als die CDU nur noch auf Platz 2 gelandet ist, haben nur scheinbar zu einem Austausch der Regierungsmannschaft der seit Jahrzehnten dauerregierenden Union geführt. Dieser angebliche Aufbruch, der keiner ist, wird nun von der Union untermalt von einer möglichst groß inszenierten Rolle rückwärts von den krassesten Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte: Jahrelang selbst erschaffene Baustellen – ob bei Polizei, Infrastruktur, Lehrkräfteausstattung – sollen eiligst durch den Griff in die Kasse aufgelöst werden. Langfristige Lösungen bleiben aber auf der Strecke, eine wirklich andere Politik ist nicht erkennbar.

Das Erstarken der Rechtspopulisten und extremen Rechten seit der letzten Landtagswahl macht die politischen Verhältnisse im Freistaat fragil, während sich der öffentliche Diskurs weiter entlang der Agenda der Rechtspopulisten dreht. Folgen von Flucht und Migration werden als Schreckgespenst diskutiert, während die Ängste und Unsicherheiten der Menschen im Land nur im Privaten verhandelt werden und es nicht auf die öffentliche Tagesordnung schaffen: Sachsen bleibt Niedriglohnland, prekäre Beschäftigung ist an der Tagesordnung, kaum Tarifbindung, hohes Armutsrisiko und drohende Altersarmut. Viele Kinder wachsen in Armut auf und treten mangels Alternativen Armutsbiographien an. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs bewegt sich weg von der Debatte um soziale Schieflagen und hin zu anderen Gruppen. Ein gesamtgesellschaftlicher Rückfall ist zu erkennen: Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Antifeminismus und viele andere Formen der Menschenfeindlichkeit besetzen immer öfter die Diskursräume.

Die wirklichen Probleme in diesem Land, die Ideen und Lösungen für diese Fragen, geraten dabei jedoch ins Hintertreffen. Wir wollen uns deshalb davon befreien. Wir stellen unsere Vision für ein solidarisches und sozial-ökologisches Sachsen in den Mittelpunkt: Menschen leben bewusst und gern in den unterschiedlichen Teilen Sachsens. So entscheidet sich auch ein großer Anteil der Sächsinnen und Sachsen für ein Leben jenseits der Großstadt und will dieses Leben nicht tauschen. Egal, was die Beweggründe sind, ob die sauberere Luft, die Nähe zur Natur, der leichter zu bekommende Kitaplatz im Mittelzentrum, die Nähe zur Familie: Jeder Mensch soll sein Leben dort gestalten können, wo er möchte, ohne vor unnötige Herausforderungen oder Einschränkungen gestellt zu werden. Im Freistaat wurde in den letzten Jahren zu sehr Infrastruktur in genau diesen Regionen außerhalb der Großstadt abgebaut. Das ist ungerecht: Seien es die weiteren Wege zu Behörden, schlechte Mobilitätsmöglichkeiten, oft auch fehlende Einkaufsmöglichkeiten oder einfach nur Treffpunkte, wo Menschen sich austauschen können. Es sind Schulen geschlossen worden und auch die gesundheitliche Versorgung läuft in diesen weniger dicht besiedelten Gebieten, vorsichtig ausgedrückt, nicht ideal. Diese bestehenden Nachteile in den Regionen in Angriff zu nehmen, sie als Chance für die schönen Lebensräume zu begreifen, hat Politik verschlafen. Breitbandausbau ist dabei nicht alles.

Gleichzeitig wachsen die sächsischen Großstädte und werden ebenso vor Herausforderungen gestellt: Neue Menschen in den Ballungszentren heißt auch neue Ansprüche an Infrastruktur, an staatliche Präsenz und Ausstattung. Zu wenig hat sich die sächsische Landespolitik darauf eingestellt. Statt den Wandel, ob diesseits oder jenseits der Großstadt, zu gestalten, beschränkte man sich auf das Verwalten.

Das Auseinanderklaffen zwischen bestehenden Abstiegsängsten, realer Armut und realitätsfernem öffentlichen Diskurs ergibt Unzufriedenheiten, in der vermeintlich einfache Antworten auf fruchtbaren Boden fallen. Statt Solidarität und Hoffnung werden Neid und Missgunst von politischen Akteur*innen geschürt, weit über das Spektrum der extrem Rechten hinaus.

Wir wollen deshalb soziale Sicherheit verteidigen, Daseinsvorsorge und gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung ausbauen, aber auch im Sinne einer nachhaltigen Gesellschaft Neues entwickeln und ausprobieren. Die große Frage der Menschen im Land lautet: Wer führt dieses Land sicher in die Zukunft? Welche Politik erweist sich als geeignet, die Anpassungsfähigkeit dieses Landes und seiner Regionen an externe Dynamiken herzustellen, sodass sich Sachsen in einer rasant ändernden Welt behaupten kann? Wir wollen überzeugen, dass es unsere Politik ist.

Die dauerherrschende CDU ist maßgeblich für die politischen Fehlentwicklungen im Freistaat verantwortlich. „Sächsische Verhältnisse“ oder „Sächsische Demokratie“ als Zerrbilder dessen, was eigentlich hinter dem Begriff einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft stecken sollte, wurden nicht umsonst unter ihren Ministerpräsidenten geprägt. Eine demokratische Kultur hat sich in Sachsen unter Herrschaft der CDU nicht entwickelt. Nicht der Meinungsstreit und das Werben um das bessere Argument hat im Sächsischen Landtag Vorrang, sondern die rechnerischen Mehrheiten: Recht hat, wer die Mehrheit hat. Falsch liegt, wer auf der Oppositionsbank sitzt. Krämertum im schlechtesten Sinne des Wortes prägte das politische Handeln im Freistaat. So wurde Politik mit der Weitsicht einer Eintagsfliege gestaltet und die Zukunftschancen der Menschen in diesem Land verschachert. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben, denn Sachsen harrt weiter auf den demokratischen Aufbruch.

Das Bild des unbeweglichen, konservativen, neuerlich nach rechts und ganz rechts abdriftenden Sachsens jedoch täuscht. Auf der anderen Seite dieser Erzählung steht nämlich eine Zivilgesellschaft, die sich auch hier etabliert hat. Nicht erst 2015 haben sich zahlreiche Menschen in einer schwierigen Situation engagiert, sich eingebracht. Sie taten es still, in gesellschaftlicher Verantwortung, haben da geholfen, wo Staat versagt hat. Sie haben nicht nur 2015 Menschen geholfen, die zu uns kamen. Sie haben auch schon vorher Freiräume organisiert, Schulen gegründet, wo der Staat sich zurückgezogen hat. Sie haben Solidarität gelebt, das Soziale stark gemacht und sich auch für einen konsequenten Umwelt- und Klimaschutz engagiert. Sie sind das Gegenbild zu den Rechtspopulist*innen und der extremen Rechten. Und sie sollen in uns eine Stimme und Lobby finden, die ihre Interessen stark macht.

Wir stehen für einen konsequenten Kampf gegen menschenverachtende Ideologien, für ein weltoffenes und humanitäres Sachsen. Zur Zurückdrängung der extremen Rechten braucht es umfassende Handlungskonzepte, um Rassismus in allen Schattierungen, Demokratiefeindlichkeit und Geschichtsrevisionismus zu bekämpfen. Wir wollen das Miteinander der Kulturen fördern, was Toleranz, interkulturelle Öffnung und Aufeinander zugehen erfordert. Geflüchtete und Eingewanderte sind, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, menschenwürdig unterzubringen und durch qualifizierte Sozialarbeit zu betreuen. Integration ist eine Schlüsselaufgabe.

(These 1 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Wir begreifen die kommenden Landtagswahlen deshalb explizit als Chance. Wir stehen 2019 vor der Grundsatzentscheidung, die ein jeder und eine jede für sich beantworten muss: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? In einer demokratischen Gesellschaft, die auf Miteinander statt Gegeneinander setzt oder in einer autoritär-geschlossenen, in der der eine des anderen Wolf ist? Wir stehen dabei klar auf der Seite von Demokratie, Solidarität und Freiheit.

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2. Unsere Vision für Sachsen

Als sozialistische Partei steht DIE LINKE für Alternativen, für eine bessere Zukunft. Wir, demokratische Sozialist*innen, demokratische Linke mit unterschiedlichen politischen Biografien, weltanschaulichen und religiösen Einflüssen, Frauen* und Männer*, Alte und Junge, Alteingesessene und Eingewanderte, Menschen mit und ohne Behinderungen, haben uns in dieser Partei zusammengeschlossen. Wir halten an dem Menschheitstraum fest, dass eine bessere Welt möglich ist.

Wir verfolgen ein konkretes Ziel: Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Mensch in Armut aufwachsen muss, in der alle Menschen selbstbestimmt in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können. Um dies zu erreichen, brauchen wir ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem: den demokratischen Sozialismus.

Wir wollen die großartigen Ideen, die Visionen und schöpferischen Kräfte der Menschen für überzeugende politische Vorhaben nutzen, um Hunger und Armut zu überwinden und die Folgen des Klimawandels und der Umweltkatastrophen in den Griff zu bekommen.

Wir haben uns zusammengeschlossen zu einer politischen Kraft, die für Freiheit und Gleichheit steht, konsequent für Frieden kämpft, demokratisch und sozial ist, ökologisch und feministisch, offen und plural, streitbar und tolerant –gemeinsam mit Bürger*innen in Sachsen, in Deutschland, in Europa und weltweit. Wir wollen eine Gesellschaft des demokratischen Sozialismus aufbauen, in der die wechselseitige Anerkennung der Freiheit und Gleichheit jeder und jedes Einzelnen zur Bedingung der solidarischen Entwicklung aller wird. Wir kämpfen für einen Richtungswechsel der Politik, der den Weg zu einer grundlegenden Umgestaltung der Gesellschaft öffnet, die den Kapitalismus überwindet.

Die derzeitigen Verhältnisse sind jedoch andere: Unsere Gesellschaft driftet auseinander. Die Idee der großen Gemeinschaft verliert an Strahlkraft, die Menschen grenzen sich in immer kleinere Gruppen ab. Wir müssen diesen Rückzug ins Private, diese Vereinzelung durchbrechen. Wir wollen, dass wir Gesellschaft und Leben wieder gemeinsam gestalten.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt muss deshalb politischer und gesellschaftlicher Wille sein. Wir wollen, dass die Idee der Stärkung des Miteinanders in allen Lebensbereichen der rote Faden von gesellschaftlicher Entwicklung wird. Solidarität ist eben kein staatlicher Gnadenakt, sondern ein humanistischer Grundwert und ein Recht für alle Mitglieder einer Gesellschaft.

Das alleinige Verlassen auf die Selbstregulierung des Marktes und die stete Wiederholung, dass das gar nicht anders geht, lehnen wir ab. Der Kapitalismus kann den Ansatz von Gleichheit, Freiheit und Solidarität aller Menschen nicht hervorbringen. Ebenso wenig wie eine intakte Umwelt, die in solch einem Gesellschaftssystem nicht erhalten werden kann. Neoliberalismus klammert immer Mensch und Natur aus, weil an jeder Stelle eine ökonomische Renditeerwartung vorausgesetzt wird. Diese ökonomische Macht in allen Lebensbereichen, deren Folge Freiheitsdefizite der und des Einzelnen sind, muss Politik brechen, was für uns ein dringend nötiger Paradigmenwechsel ist.

Wir wollen keine alles regulierende Planwirtschaft, aber wir wollen, dass Politik und staatliche Institutionen einen Plan haben, wie die für eine gesunde Gesellschaft notwendige Daseinsvorsorge und Infrastruktur sichergestellt wird.

Wir setzen für unsere gesellschaftliche Vision am sozialen Zusammenhalt an, da die ökonomische Unsicherheit die Ursache allen Übels ist. Unser Grundansatz ist dabei, dass Risiken, die das Leben bietet, nicht von der oder dem Einzelnen, sondern von einer Gesellschaft insgesamt getragen werden müssen. Wir wollen dafür dort, wo es irgendwie möglich ist, politisch gestalten und dafür sorgen, dass Not nicht entsteht. Deswegen wollen wir solidarische Sicherungssysteme, in denen nicht die Reichsten ausgenommen sind, und Fonds für Lebensrisiken, mit denen der oder die Einzelne überfordert ist.

Wir wollen ein Auskommen für alle Menschen, die hier leben, von dem man auch tatsächlich leben kann. Dabei sind die Menschen einer Gemeinschaft keine Bittsteller*innen, sondern sie haben einen Anspruch darauf. Das beinhaltet auch Unterstützung, wenn man scheitert, und die Ermöglichung eines Neustarts.

Wir glauben, entscheidend ist, dass Politik die Blickrichtung ändert: Sozialer Zusammenhalt und eine intakte Umwelt sind der Schlüssel. Es macht einen Unterschied, ob politische Probleme unter Effizienzgesichtspunkten versucht werden zu lösen oder ob man versucht, politische Fragen unter dem Blickwinkel des sozialen Zusammenhalts zu betrachten. Vieles von dem, was in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten unter Effizienzgesichtspunkten entschieden worden ist – bspw. Privatisierung des Öffentlichen und Verwaltungsreformen – haben sich mit Blick auf den sozialen Zusammenhalt als kontraproduktiv oder als falsch erwiesen. Deswegen geht es nicht nur um Korrekturen an einzelnen Punkten, sondern es geht darum, dass dieses Land eine grundsätzlich andere Richtung geht.

Wir wollen keine Gleichmacherei, aber wir wollen, dass es in allen Regionen Sachsens lebenswerte Rahmenbedingungen gibt, die jedem und jeder Einzelnen gleiche Möglichkeiten für die eigene Entwicklung einräumen. Unsere Überzeugung ist, dass gleichwertige Lebensbedingungen den Zusammenhalt vor Ort fördern. Deshalb halten wir, gerade in Zeiten des demografischen Wandels, am Grundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Landesteilen fest und widersetzen uns jeglichen Versuchen einer Neuinterpretation von Standards im Sinne einer Absenkung wohlfahrtsstaatlicher Niveaus.

Unsere Vision von einem Sachsen, in dem Menschen solidarisch und selbstbestimmt zusammenleben können, in dem sie ihr Leben, ihr Umfeld, ihre Gesellschaft selbst und frei von Zwängen gestalten können, ein gutes Leben in guter Infrastruktur, mit guter Bildung, einer gesunden Umwelt und guten Ein- und Auskommen führen, ist nicht von heute auf morgen zu verwirklichen. Doch jeder Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Deshalb wollen wir Ihnen im Folgenden skizzieren, was wir in den kommenden fünf bis zehn Jahren tun werden, um diese gesellschaftliche Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Wir wollen, dass das solidarische Sachsen entsteht.

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3. Unsere ersten Schritte für ein solidarisches Sachsen

3.1. Gesellschaftlichen Zusammenhalt mit einem Mehr an sozialer Gerechtigkeit neu entwickeln

Wir setzen uns ein für gleiche Rechte, gleichen Lohn und Mitbestimmung für alle Menschen! Familie ist zu oft noch allein Frauensache. Die Folgen sind Doppelbelastung, schlechter bezahlte (Teilzeit-)Jobs, zu wenig Rente und Altersarmut. Wir wollen den beruflichen Wiedereinstieg nach der Schwangerschaft erleichtern, kostenfreie Kitas, Recht auf Rückkehr in Teilzeit- oder Vollbeschäftigung und familienfreundlichere Arbeitsbedingungen. Insbesondere im Kampf gegen Armut sind Alleinerziehende zu stärken und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Sachsen zu verbessern.

(These 5 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auch in Sachsen immer weiter auseinander. So standen im Jahr 2016 175 Einkommensmillionär*innen rund 384.000 Sozialleistungsempfänger*innen gegenüber. 71.000 Menschen waren im Jahr 2017 – trotz Arbeit – auf Sozialleistungen angewiesen, davon über 37.000 sogar sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Bezug von Sozialleistungen schützt heute nicht vor Armut. Im Gegenteil: Durch Sanktionierung und Stigmatisierung werden Hilfsbedürftige zu Menschen zweiter und dritter Klasse degradiert. Sie verlieren sozialen Anschluss, da ihnen die Teilhabe erschwert bis unmöglich gemacht wird. In einem Klima sozialer Unsicherheit lassen sich Ängste einfacher schüren und Menschen leichter gegeneinander ausspielen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit gehen Hand in Hand. Solidarität untereinander setzt einen fürsorgenden Sozialstaat voraus, der finanzielle Sorgen und Existenzängste abbaut, anstatt sie zu schüren.

Ob arm oder reich: Wir wollen, dass das in allen Lebensbereichen keine Rolle mehr spielt, da Rahmenbedingungen für alle Menschen gleichermaßen geschaffen wurden. Wir wollen, dass Menschen von ihrer Rente, ihrem Einkommen leben können. Wir stellen den Zugang zur Kita, zu Bildung, Kultur, Gesundheit und Mobilität für alle sicher. Soziale Sicherungssysteme, wie wir sie gestalten, schützen vor Armut und bestrafen nicht. Wir wollen, dass sich Menschen wieder mehr umeinander kümmern können – in Familien, Vereinen, der Nachbarschaft oder im Freundeskreis. Solidarität und Menschlichkeit werden wir wieder zur Grundlage des alltäglichen Zusammenlebens machen. Zusammenhalt ist politischer Wille und zieht sich als roter Faden durch all unsere Vorschläge.

Wir wollen in Sachsen einen Sozialstaatsdialog führen, zu dem wir Wohlfahrtsverbände, Sozialpartner*innen, Verbände von Menschen mit Beeinträchtigungen, Einrichtungen, Organisationen und Verbände Betroffener sowie Betroffene selbst einladen. Aus diesem Dialog sollen sozialpolitische Maßnahmen entwickelt werden, um die Situation der Menschen in Sachsen zu verbessern.

3.1.1. Armut im Freistaat Sachsen bekämpfen

In Sachsen waren im Jahr 2017 rund 330.000 Menschen auf Hartz IV angewiesen. Mindestens 150.000 Kinder leben in Haushalten, welche Sozialleistungen beziehen, und gelten somit als arm. Durch Sanktionen und Kleinrechnerei ist der Bezug von Hartz-IV-Leistungen unmittelbar mit Armut verbunden. Insbesondere in Haushalten – meist weiblicher – Alleinerziehender besteht ein erhöhtes Armutsrisiko.

3.1.1.1 Für eine existenzsichernde, sanktionsfreie Mindestsicherung

In einem funktionierenden Sozialstaat muss eine Grundsicherung zum Leben reichen. Mit dem derzeitigen Hartz-IV-Satz ist das nicht gewährleistet. Wir wollen eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1.050 Euro, für die wir auf Bundesebene kämpfen.

Eine existenzsichernde Grundsicherung darf außerdem nicht sanktioniert werden, um nicht die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen zu gefährden. Sinnvoller wäre es, bedarfsgerechte Vermittlungs- und Weiterbildungsmaßnahmen in den Jobcentern zu schaffen. Erwerbslose müssen die Chance auf Beschäftigungsverhältnisse mit guten Verdienstmöglichkeiten haben und somit die Aussicht, aus dem Sozialleistungsbezug herauszukommen.

Auch wenn die Hartz-IV-Gesetzgebung Bundesangelegenheit ist, werden wir uns von Landesebene aus dafür einsetzen, dass Menschen nicht weiter in teils menschenunwürdigen Verhältnissen um ihre wirtschaftliche Existenz bangen müssen. Lebensleistung muss anerkannt werden und der Bezug von Arbeitslosengeld I ausgedehnt werden. Wir werden uns für die Abschaffung des diskriminierenden Asylbewerberleistungsgesetzes und die Einbeziehung Geflüchteter in die regulären Sozialsysteme einsetzen.

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3.1.1.2 Lebenslagenreport

Um Armut gezielt bekämpfen zu können, muss man Ursachen und Auswirkungen kennen. Deshalb werden wir einen regional differenzierten Lebenslagenreport erarbeiten, der sich mit diesen Themen beschäftigt.

Die sächsische Staatsregierung rechnet die Armutsquoten klein – wohlwissend, dass die sächsischen Einkommen unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Was unter solchen Voraussetzungen bei der Sozialberichterstattung an Erkenntnis gewonnen werden kann, wird daher nicht annähernd die Problematik im ganzen Ausmaß darstellen.

Ein Lebenslagenreport könnte auch veranschaulichen, dass vor allem Frauen* überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Zum einen, weil sie schlechter bezahlt werden, zum anderen, weil sie es meistens sind, die ihre Karriere für Kinder und Familie zurückstellen. Nur mit einer ehrlichen Datenbasis können gezielte Maßnahmen entwickelt werden, die Armut entgegenwirken.

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3.1.1.3 Wohnungsnotfallberichterstattung

Bis 2008 wurden in Sachsen Zahlen zu Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen erfasst. Da die Zahlen nicht die nötige Validität aufwiesen, hat man die Berichterstattung eingestellt, anstatt die Qualität der Zahlen zu verbessern. Die Zahl an Wohnungslosen steigt. Probleme werden jedoch nicht kleiner, wenn man sie ignoriert. Deshalb werden wir die Wohnungsnotfallberichterstattung in Sachsen wieder einführen.

Der Kampf gegen Wohnungslosigkeit darf nicht allein den Kommunen und ehrenamtlichen Helfer*innen überlassen werden. Es bedarf einer auskömmlichen Finanzierung von Kommunen und Hilfsinstitutionen, damit die Hilfe bei den Betroffenen ankommt und das Engagement der Helfer*innen auch entsprechend honoriert werden kann.

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3.1.1.4 Kindergrundsicherung

In Sachsen gelten mindestens 150.000 Kinder als arm, weil ihre Eltern auf Sozialleistungen angewiesen sind. Diese Kinder können nichts für die Armut ihrer Eltern, bekommen aber dennoch die vollen Auswirkungen zu spüren. Besonders von Armut betroffen sind Kinder von Alleinerziehenden: Ihr Armutsrisiko ist mit 40 Prozent deutlich höher. Nicht einmal die Hälfte aller Alleinerziehenden in der Bundesrepublik, in der Regel Frauen*, erhält Unterhalt vom Ex-Partner. Kinder und Jugendliche tragen keinerlei Verantwortung für ihre Situation, ihre Lebensumstände werden von den Eltern und der Gesellschaft bestimmt. Sie sollen die Einkommen der Zukunft erwirtschaften. Ethisch und volkswirtschaftlich wird die Armut von Kindern und Jugendlichen zum größten Problem unseres Landes.

Deswegen werden wir mit Sozialverbänden, Gewerkschaften, Interessenverbänden und anderen Parteien ein Netzwerk gegen Kinderarmut gründen, das Situationen analysiert und konkrete Handlungsvorschläge für Sachsen unterbreitet.

Wir kämpfen deshalb auf Bundesebene für eine eigenständige Kindergrundsicherung, welche sich am Existenzminimum orientieren muss. Diese darf auch nicht gekürzt oder zur Berechnung von Sozialleistungen der Eltern herangezogen werden. Sie muss jedem Kind in Deutschland in voller Höhe zustehen. Nur so kann man Kinder effektiv vor Armut und ihren Auswirkungen schützen. Kinder haben das Recht auf ein sorgenfreies und unbeschwertes Aufwachsen.

Auf Landesebene wollen wir eine auf Sozialleistung nicht anrechenbare Übergangsvariante in Form eines Landeskindergeldes finden, m so schnell wie möglich allen Kindern die gleichen Startbedingungen zu ermöglichen, ebenso wie die Förderung der Erziehung und der frühkindlichen Bildung für alle.

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3.1.1.5 Sozialberatungsstellen

Wir wollen unabhängige, niederschwellige, leicht erreichbare und wohnortnahe Sozialberatungsstellen flächendeckend schaffen. Dort können sich alle Menschen über Sozialleistungen informieren, ohne dass personenbezogene Daten erfasst werden. Diese Angebote sind vor Ort und online verfügbar. In den Beratungsangeboten werden Ansprüche geprüft und transparent dargestellt.

Die Beratungsstellen werden finanziell ausgestattet, damit die Beratung von geschultem Personal durchgeführt werden kann. Zur Sicherung der Beratungsqualität wird ein Katalog von Mindeststandards entwickelt, die durch die Beratungsstellen einzuhalten sind. Wir werden Migrationsberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste strukturell stärken. In diesen Beratungsstellen erhalten Migrant*innen mit Aufenthaltstitel Orientierung und Unterstützung.

Die Sozialarbeit für Geflüchtete wollen wir stärken. Den Betreuungsschlüssel werden wir landesweit auf 1:50 senken. Darüber hinaus werden wir eine Fachstelle Flüchtlingssozialarbeit einrichten, die für Qualifizierung und Evaluierung der Flüchtlingssozialarbeit verantwortlich ist. Wissen über die eigenen Rechte ist auch im alltäglichen Leben unverzichtbar, deshalb setzen wir uns für den Ausbau des Verbraucherschutzes in Sachsen ein. Dazu sehen wir die Vermittlung von Verbraucherrechten sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen für uns als eine wichtige Aufgabe an.

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3.1.2. Für ein Leben in Würde – gesetzliche Sozialversicherungen stärken

Wir kämpfen konsequent gegen Altersarmut! Altersarmut trifft bereits heute viele Menschen im Freistaat. Viele heute noch arbeitende Menschen sind von Armut im Alter bedroht. Deshalb wollen wir uns über den Bundesrat für eine Mindestrente für alle in Höhe von mindestens 1.200 Euro einsetzen. Darüber hinaus wollen wir ehrenamtliches Engagement honorieren. Für je fünf Jahre ehrenamtlicher Arbeit wollen wir einen Rentenpunkt für die Rentenberechnung anrechnen lassen.

(These 3 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Die Rentenzahlbeträge bei den Neuzugängen nehmen kontinuierlich ab. Gründe dafür sind niedrige Löhne, lückenhafte Erwerbsbiografien, Krankheiten. Die Durchschnittsrente liegt bei rund 800 Euro. Eine solche Rente schützt nicht vor Armut. Private Altersvorsorge nützt nur denen, die es sich leisten können.

Unsere Vision ist eine Rentenversicherung, in die alle Erwerbseinkommen eingehen – auch die von Selbstständigen, Beamt*innen und Politiker*innen. Nur so kann das Rentenniveau nachhaltig erhöht werden, ohne die Beitragszahler*innen weiter zu belasten. Dafür setzen wir uns auf Bundesebene ein. Zusätzlich brauchen wir eine garantierte, armutsfeste Grundrente in Höhe von mindestens 1.200 Euro.

Wir machen uns für die Menschen in Sachsen stark. Die Ostrenten müssen vor 2025 an die des Westens angeglichen werden. Dass 30 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch Unterschiede bestehen, ist nicht hinnehmbar.

Auch die Menschen, die 1990 in Rente gegangen sind, müssen eine Chance haben, Gerechtigkeit zu erfahren. Das im Rentenüberleitungsgesetz und Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz verursachte Rentenunrecht wollen wir beseitigen. Dabei geht es um den Respekt für die von Ostdeutschen – über zum Teil einschneidende gesellschaftliche und persönliche Umbrüche hinweg – erbrachten Lebensleistungen.

Neben der Rentenversicherung muss auch die gesetzliche Krankenversicherung gestärkt werden. Unser Ziel ist die Abschaffung von Beitragsbemessungsgrenzen und die Beitragspflicht auf alle, also auch Selbständige, Beamt*innen und Abgeordnete, auszuweiten. Allein durch diese Maßnahmen ließen sich die Beitragssätze um bis zu drei Prozent senken, ohne dass Leistungen für die Versicherten gekürzt werden müssen. Da die Gesetzgebungskompetenz dafür beim Bund liegt, werden wir dies durch Bundesratsinitiative auf den Weg bringen.

Bis es soweit ist, werden wir in Sachsen die gesetzlichen Krankenversicherungen stärken, indem wir Beamt*innen Beihilfen in Höhe des sonst üblichen Arbeitgeberanteils gewähren, wenn sie sich für die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden.

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3.1.3. Projekte für Miteinander und Toleranz stärken

Oft hören wir, dass man den mangelnden Zusammenhalt der Gesellschaft bedauert. Allerdings entsteht Zusammenhalt nicht von allein, sondern muss auch politisch gewollt sein. Oft richten sich Wut und Hass gegen andere, gegen Personen oder Gruppen, die vermeintlich Schuld sind an der eigenen Situation. Über Jahrzehnte hinweg wurde nicht gegen bestimmte Stereotypen gewirkt. Damit ist eine Situation entstanden, in der oft Jung gegen Alt ausgespielt wird oder Menschen, die hier geboren wurden, gegen Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind. Im Alltag stehen sich oft unterschiedliche Auffassungen gegenüber und es gibt kaum einen vernünftigen Umgang damit.

Deshalb fördern wir Projekte für Miteinander und Toleranz in den Kommunen. Sie dienen der Begegnung, der Diskussion. Sie sollen Brennpunkte aufsuchen, bei der Konfliktbewältigung unterstützen und zur Problemlösung beitragen.

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3.1.4. Freiwilliges, bürgerschaftliches Engagement stärken

Viele Sächs*innen engagieren sich freiwillig in ihrer Nachbarschaft, in Pflegeeinrichtungen, Vereinen, Bürgerinitiativen, Selbsthilfegruppen, im Kulturbereich, in Seniorenvertretungen und bei der Unterstützung geflüchteter Menschen. Dieses unverzichtbare Engagement ist wichtig für ein gutes Miteinander und gibt Anstöße für die Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens.

Doch das Ehrenamt ist nicht dazu da, staatliches Handeln zu ersetzen. Umgekehrt ist es richtig: Hauptamtlichkeit ist das Rückgrat für ehrenamtliches Engagement. Und das wollen wir durch ein Bündel von Maßnahmen fördern. Dazu zählen Weiterbildungsangebote und professionelle Begleitung und Aufwandsentschädigungen wie z. B. Fahrkarten. Wir werden flächendeckend Freiwilligenzentren dauerhaft finanzieren. Diese dienen dem Austausch, der Unterstützung und der Beratung Ehrenamtlicher. Zudem werden wir einen Vorschlag für eine landesweite Ehrenamtsrente erarbeiten. So wollen wir für je fünf Jahre ehrenamtlicher Arbeit einen Rentenpunkt für die Rentenberechnung anrechnen lassen.

Zur Förderung ehrenamtlichen Engagements werden wir uns für die Einrichtung von Stadtteilfonds und ähnlicher unbürokratischer Fördermöglichkeiten einsetzen, bspw. für Dorfgemeinschaften.

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3.1.5. Akzeptanz für Vielfalt entwickeln

Wir wollen die Akzeptanz für Vielfalt stärken und ausbauen. Unsere Gesellschaft bietet Platz für die unterschiedlichsten Lebensentwürfe und Liebesweisen. Wie Menschen ihr Leben gestalten, ob in der klassischen oder gleichgeschlechtlichen Paar- und Elternbeziehung oder in Patchworkfamilien, ist die individuelle Entscheidung der Einzelnen. Wir sind überzeugt: Auch das ist ein Aspekt sozialer Gleichheit. Wir wollen landesrechtlichen Entscheidungsspielraum ausnutzen, um Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen wollen, von institutionellen und bürokratischen Hürden zu befreien.

Gerade in einer Gesellschaft, in der zwei von drei Kindern außerhalb der klassischen Ehekonstellation geboren werden, gilt es, jede Form des familiären Zusammenlebens zu erleichtern. Landesrechtliche Maßnahmen werden wir deshalb auch vor dem Hintergrund der Kinder- und Familienfreundlichkeit bewerten und ausgestalten. 

Wir wollen einen Wettbewerb Familien- und kinderfreundliche Gemeinde in Sachsen etablieren. Die Förderung von familien- und kinderfreundlichen Lebensbedingungen ist eines der wichtigsten Zukunftsfelder für unser Land. Bewertungskriterien sollen unter anderem eine familien- und kinderorientierte Zielsetzung der Gemeindeentwicklung, eine soziale, kulturelle und barrierearme Infrastruktur sowie die Gestaltung des Wohnumfelds und die Förderung der Mobilität von Familien sein.

Die Bedeutung des Geschlechts als gesellschaftlich hierarchisierende Kategorie wollen wir zurückdrängen. Im Bereich öffentlicher Unternehmen und der Verwaltung werden wir anonymisierte Bewerbungsverfahren bei der Personalauswahl einführen und Maßnahmen ergreifen, um den Anteil von Frauen* in Führungspositionen zu erhöhen.

In unserer Gesellschaft führen stereotype Rollenbilder und bestehende Geschlechterverhältnisse weiterhin zu konkreten und erheblichen Unterschieden, sei dies bei der Berufswahl, dem Zugang zu gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten oder finanziellen Ressourcen. Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen oder deren Geschlecht nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt, werden marginalisiert, erfahren Diskriminierung und Gewalt. Wir wollen die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter und aller Lebens- und Liebesweisen.

Unser Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben frei von Gewalt für alle in Sachsen lebenden Menschen. Dazu gehört das Recht auf sexuelle und körperliche Selbstbestimmung, der Kampf gegen Gewalt an Frauen* und LGBTTIQA*, sowie Akzeptanz und Vielfalt. Die individuelle Berufswahl, Lebensplanung genauso wie Familienplanung oder Beziehungsform muss unabhängig vom zugeschriebenen Geschlecht oder von Geschlechtsidentität gestaltet werden können. Dazu wollen wir den bestehenden Landesaktionsplan zur Vielfalt von Lebensweisen unter echter Beteiligung der Zivilgesellschaft fortschreiben.

Die durch nichts zu rechtfertigende Lohnlücke zwischen Frauen* und Männern muss geschlossen werden. Insbesondere im Kampf gegen Armut wollen wir Alleinerziehende stärken und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Sachsen verbessern. Wir werden eine umfassende geschlechtersensible Bildungsarbeit auf allen Ebenen etablieren. Beratungs- und Unterstützungsangebote für von Diskriminierung betroffene Menschen und LGBTTIQA* werden wir ausbauen und fördern. Sexismus, Homo‑, Trans*- und Interfeindlichkeit sowie sexualisierte Gewalt müssen geächtet werden. Der laut dem jährlichen Sachsen-Monitor zunehmenden Homofeindlichkeit treten wir entgegen. Wir werden uns dafür einsetzen, den Artikel 3 des Grundgesetzes um das Diskriminierungsmerkmal „sexuelle Orientierung“ zu erweitern und ein Verbot von Konversionstherapien, der sogenannten Homoheilung, zu erwirken. Opfer von Gewalt müssen besser geschützt werden. Wir wollen flächendeckend Frauen*schutzeinrichtungen in Sachsen sowie eine bessere Versorgungsstruktur für Opfer von sexualisierter Gewalt wie etwa Möglichkeiten der vertraulichen Spurensicherung sowie Traumaambulanzen im ganzen Land etablieren.

Werbung im öffentlichen Raum begleitet uns auf Schritt und Tritt. Genauso wie Fernsehen oder das Internet tragen die dadurch präsentierten Bilder von „typischen“ Frauen und Männern zur Bildung stereotyper Rollenbilder bei. So schreiben sie Sexismus und Geschlechterungerechtigkeit fort. Deshalb werden wir ein Verbot sexistischer und diskriminierender Werbung im öffentlichen Raum durchsetzen.

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3.1.6. Für Religionsfreiheit und Laizismus

In Sachsen leben Menschen vieler verschiedener Glaubensrichtungen – und besonders viele konfessionslose Menschen. Tausende Menschen engagieren sich sozial, karitativ und ehrenamtlich. Einige leiten solch gutes Tun aus ihrer politischen Überzeugung ab, andere aus ihrem Humanismus und andere aus ihrem Glauben.

Für uns gilt: Die Gedanken sind frei und die Religionsfreiheit ein hohes Gut. Ein hohes Gut ist für uns ebenfalls die Gleichberechtigung. Das heißt einerseits, dass niemand aufgrund ihres oder seines Glaubens diskriminiert werden darf, aber andererseits auch, dass niemand Privilegien haben sollte.

Wir werden daher die Gewährleistung der Religionsfreiheit und Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften bei gleichzeitiger Trennung von Staat und Kirche sicherstellen. Wir stehen zum mittlerweile 100-jährigen Verfassungsauftrag, die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen.

Privilegien, die nur einigen Religionsgemeinschaften zukommen, wollen wir abschaffen. Alles andere wäre unfair gegenüber anderen Religionsgemeinschaften und Konfessionslosen. Wir werden außerdem die staatliche Unterstützung für religiöse Projekte und Träger*innen einstellen, wenn diese bestimmte sonst geltende Standards, wie beispielsweise aus Arbeitsrecht oder Antidiskriminierungsrecht, nicht erfüllen.

Was für das selig werden gilt, sollte auch für das Tanzen gelten: Jede und jeder soll nach ihrer oder seiner Façon glücklich sein können – an jedem Tag. Deshalb werden wir Tanzverbote an Feiertagen abschaffen.

Zur Religionsfreiheit gehört auch, jede Religionsgemeinschaft zu jeder Zeit auch wieder verlassen zu können. Die Verwaltungsgebühr des Kirchenaustritts ist daher von den Kirchen zu tragen und nicht von den Austretenden.

Engagiert wenden wir uns zudem gegen religiösen Fundamentalismus und einen gesellschaftlichen Rückfall – egal, ob er sich gegen Frauen* oder sexuelle Orientierungen richtet und egal, ob er von Islamist*innen aus Leipzig oder Evangelikalen aus dem Erzgebirge kommt.

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3.2. Gleichwertige Lebensverhältnisse im Freistaat

Wir setzen uns für eine nachhaltige Verbesserung der Betreuung von Pflegebedürftigen und eine flächendeckende Ärzteversorgung auf allen Ebenen ein: Wir bekämpfen den Pflegenotstand unter anderem durch die Schaffung kommunaler Pflegeeinrichtungen. Wir setzen uns zusätzlich für die Verbesserung der Personalausstattung in den Krankenhäusern, Senior*innen- und Pflegeheimen ein. Um insbesondere die Haus- und Fachärzteversorgung im ländlichen Raum zu sichern, wollen wir zusätzliche Anreize schaffen.

(These 2 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Unser Ziel ist: Alle Menschen in Sachsen können am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, unabhängig vom Wohnort, Geldbeutel oder einer Fahrerlaubnis. Niemand wird erwarten, dass in Stadt und Land die gleiche Infrastruktur vorhanden ist, aber die Unterschiede sollen denkbar klein sein. Für die einzelnen Regionen wollen wir passgenaue Lösungen für Probleme entwickeln, zum Beispiel bei der Breitbandversorgung, beim Erhalt von Schulstandorten, bei der medizinischen Versorgung oder im Bereich der Pflege. Dafür werden wir insbesondere die kommunale Zusammenarbeit stärken und spürbar ausbauen. Individuelle Lösungen zur Schaffung von Orten des Treffens und des gemeinschaftlichen Lebens werden wir stärken, z. B. Dorfläden dort schaffen, wo es keine Einkaufsmöglichkeiten oder Treffpunkte mehr gibt. Der Besuch von Theater oder Kino und die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten soll nicht mehr wohnort- und einkommensabhängig ausgestaltet sein, sondern sowohl der Zugang als auch die Erreichbarkeit ist für alle Menschen, die gern teilhaben wollen, abzusichern – egal ob jung oder alt, arm oder reich.

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3.2.1. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist durch ökonomischen Druck und Fachkräftemangel zunehmend gefährdet. Besonders im ländlichen Raum, aber auch in den Städten werden Ärzt*innen und medizinisches Fachpersonal knapp. Die bisherigen Maßnahmen der Staatsregierung und der Selbstverwaltung haben nicht die gewünschten Effekte erzielt und konnten nicht dazu beitragen, die wohnortnahe medizinische Versorgung flächendeckend zu gewährleisten.

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3.2.1.1 Krankenhäuser zukunftsfest finanzieren und nicht dem freien Markt überlassen

Ziel der Akteur*innen des Gesundheitswesens ist in erster Linie die bestmögliche medizinische Versorgung der Menschen. Weiteren Privatisierungen im Gesundheitswesen ist Einhalt zu gebieten. Wir werden Kommunen unterstützen, die private Krankenhäuser rekommunalisieren wollen. Einzahlungen in die gesetzlichen Krankenkassen durch die Versicherten dürfen nicht in Form von Gewinnen in den Taschen von privaten Investoren landen.

Der Investitionsstau in den sächsischen Krankenhäusern beträgt mindestens 350 Millionen Euro. Diesen werden wir überwinden, ohne dass Neuinvestitionen in die technische Infrastruktur vernachlässigt werden. Sachsen hat eine gute Krankenhauslandschaft. Um diese zu erhalten, muss die Finanzierung sichergestellt und verbessert werden. Die Investitionsquoten müssen erhöht werden.

Investitionen der kommunalen und Universitätskrankenhäuser müssen durch den Freistaat vollständig refinanziert werden. Über die Verwendung von Gewinnen aller Krankenhäuser im Freistaat muss Rechenschaft abgelegt werden. Gewinne sind in die Substanz und Verbesserung der Versorgung oder die Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Pfleger zu reinvestieren. Kommunale Krankenhäuser und Krankenhäuser in Trägerschaft gemeinnütziger Organisationen müssen so finanziert werden, dass sie für die Patient*innen eine Grundversorgung in hoher Qualität erfüllen können.

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3.2.1.2 Sicherstellung der flächendeckenden medizinischen Versorgung

Wer mehr Ärzt*innen will, muss mehr Ärzt*innen ausbilden. Da die Kapazitäten an den medizinischen Fakultäten in Leipzig und Dresden voll ausgeschöpft sind, muss die Studienplatzzahl erhöht werden. Unsere Vision ist ein Medizinstudium in Chemnitz. Die Nähe zum größten Klinikum Sachsens sowie die ausgezeichnete Qualität der Technischen Universität in Chemnitz sind gute Voraussetzungen für das Gelingen einer solchen Maßnahme. Um den Ärztemangel nachhaltig zu beheben, ist es unerlässlich, mehr Medizinstudierende auszubilden – egal ob in den Fakultäten in Leipzig und Dresden oder in einer medizinischen Fakultät in Chemnitz. Die Studienplätze sind entsprechend zu finanzieren.

Im ländlichen Raum ist die medizinische Versorgung stark gefährdet. Da es mindestens 10 Jahre dauert, bis die Medizinstudierenden als Ärzt*innen praktizieren können, brauchen wir schon heute praktikable Lösungen. Nicht jede junge Ärztin oder jede junge Arzt möchte eine eigene Praxis führen. Um die wohnortnahe medizinische Versorgung zu gewährleisten, sind Portalpraxen an den Notaufnahmen, in denen angestellte Mediziner*innen die ambulante Versorgung der Patient*innen sicherstellen können, ein geeignetes und effizientes Mittel.

In den ländlichen Regionen sollen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) in Trägerschaft der kommunalen Krankenhäuser entstehen. In diesen MVZ können Fachärzt*innen verschiedenster Richtungen eingestellt werden, um somit die gute und wohnortnahe medizinische Versorgung sicherzustellen.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst muss personell und finanziell besser ausgestattet werden. Zusätzlich brauchen wir in Sachsen einen Landesgesundheitsdienst, welcher Bedarfe hinsichtlich der medizinischen Versorgung erfasst und eine Koordinationsfunktion übernimmt. Zusammen mit den Vertreter*innen der Selbstverwaltung kann ein Landesgesundheitsdienst die medizinische Versorgung im Freistaat verbessern und das Sozialministerium in seiner Arbeit unterstützen.

Wir wollen die Versorgung mit flächendeckenden und wohnortsnahen Geburtskliniken und ‑zentren sicherstellen.

Die Benachteiligung von Geflüchteten bei der Gesundheitsversorgung wollen wir beenden. Mit der Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes erreichen wir eine Gleichstellung von Geflüchteten bei der Gesundheitsversorgung. In einem ersten Schritt wollen wir durch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte einen barrierefreien Zugang zur Gesundheitsversorgung erreichen.

Auch Menschen ohne Krankenversicherung haben ein Recht auf Gesundheitsversorgung. Wir wollen deshalb ein Modellprojekt für eine Vergabestelle für einen anonymen Krankenschein etablieren, mit dem die Gesundheitsversorgung bisher ausgeschlossener Menschen – Sans-Papiers, EU-Bürger*innen und deutsche Staatsbürger*innen ohne Krankenversicherung – gewährleistet wird.

Viele Menschen, die in Sachsen Schutz suchen, sind traumatisiert oder psychisch erkrankt. Bisher mangelt es an ausreichenden Strukturen für die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung für Migrant*innen. Wir wollen die drei Psychosozialen Zentren in Sachsen stärken, auf den ländlichen Raum ausdehnen und eine verlässliche Sprachmittlung gewährleisten.

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3.2.1.3 Ärzte- und Pflegeberuf stärken, Mitbestimmung entwickeln, Finanzierung neu denken

Ausländischen Ärzt*innen muss der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Bürokratische Hürden müssen abgebaut und die Anerkennungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden, ohne dabei die Sicherheit einer medizinischen Versorgung zu gefährden. Im Vordergrund der medizinischen Tätigkeit liegt die fachliche und soziale Eignung. Um den Spracherwerb zu erleichtern, muss es den Betroffenen ermöglicht werden, bezahlte Praktika in kommunalen Krankenhäusern zu absolvieren und spezielle Deutschkurse zu besuchen.

Um junge Ärzt*innen zur Niederlassung im ländlichen Raum zu gewinnen, müssen Förderinstrumente für Ärzt*innen unbürokratisch bereitgestellt werden. Da immer weniger Menschen und somit Patient*innen im ländlichen Raum leben, müssen Fallpauschalen erhöht werden, damit sich die Niederlassung lohnt. Fahrtstrecken müssen bei den Fallpauschalen entsprechend berücksichtigt werden. Um medizinisches, auch nichtärztliches, Fachpersonal nach Sachsen zurückholen zu können, sind die sächsischen Kommunen bei all ihren Aktivitäten diesbezüglich finanziell und bei Bedarf auch personell vom Freistaat zu unterstützen.

Fallpauschalen für Krankenhäuser dürfen nicht wie bisher dazu führen, dass Krankenhäuser mit niedrigeren Fallzahlen oder niedrigen Fallwerten Abteilungen schließen und Versorgungsangebote streichen müssen. Unser Ziel ist die Sicherung umfassender wohnortnaher medizinischer Versorgung. Daher muss das bestehende System überarbeitet werden, um zu einer gerechteren und vor allem auskömmlicheren Pauschalfinanzierung zu kommen und gewinnorientierte Auslegungen wie bewusste sequentielle Behandlungen als jeweiligen Einzelfall aufzudecken und zu verhindern.

Für Patient*innen in den Krankenhäusern werden wir bessere Möglichkeiten für ihre Interessenvertretung schaffen. Die Patientenfürsprecher*innen in den Krankenhäusern sollen nicht weiter nur als Streitschlichtende angesehen, sondern bei allen organisatorischen, baulichen und strukturellen Maßnahmen von Anfang an einbezogen werden, um die Sicht der Patienten*innen und ihre Erfahrungen einzubringen.

Die Qualität der Pflege in den Krankenhäusern ist anspruchsvoll und erfordert ausreichendes sowie gut ausgebildetes Personal. Wir unterstützen die Forderung nach einer wissenschaftlich begründeten und den Pflegebedarf berücksichtigenden Personalbemessung, welche verbindlich gesetzlich festgelegt wird. Die seit dem 1. Januar 2019 bundesweit geltenden Untergrenzen sind ein Anfang, müssen aber durch Expertise und Evaluation auf den Prüfstand gestellt werden.

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3.2.2. Pflege im Alter

Das Durchschnittsalter der sächsischen Bevölkerung liegt drei Jahre über dem Bundesdurchschnitt. Die Zahl der Pflegebedürftigen nimmt zu, während die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter abnimmt. Eine höhere Lebenserwartung ist erfreulich, geht aber häufig mit Mehrfacherkrankungen einher. Alle Menschen, die pflegebedürftig werden, haben ein Recht auf eine menschenwürdige Pflege nach dem Stand der Wissenschaft, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ob man es sich finanziell leisten kann oder nicht. Die generalisierte Ausbildung wird voraussichtlich zur Verschärfung der personellen Situation in der Altenpflege beitragen. Auch der Anteil älterer Menschen mit Migrationshintergrund wächst. Darauf müssen sich Pflegekräfte und ‑einrichtungen einstellen, indem sie sich mit kultursensibler Pflege und Mehrsprachigkeit auseinandersetzen und dies in ihre Konzepte aufnehmen. Weiterhin soll jedem Menschen ein würdiger Abschied von dieser Welt und ein würdiges Gedenken an ihn ermöglicht werden. Auf dem Weg des Sterbens sollte er auch nicht alleine sein. Die ehrenamtliche sowie professionelle Sterbebegleitung hat dabei unsere volle Unterstützung. Wenn die eigenen Vermögensverhältnisse für die Bestattung nicht ausreichen, darf das nicht gezwungenermaßen zu anonymer Bestattung oder persönlich nicht gewünschten Arten der eigenen Bestattung führen. Zu Recht erhoffen sich zahlreiche Menschen in dieser schwierigen Zeit der Abschiednahme finanzielle Hilfe durch eine Sozialbehörde. Hierbei stoßen sie auf vielfältige Schwierigkeiten. Wir werden uns daher für weniger Bürokratie und mehr Hilfestellung einsetzen.

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3.2.2.1 Umsetzung der Ergebnisse aus der Enquete-Kommission

Durch Druck unserer Landtagsfraktion wurde in der vergangenen Legislaturperiode die Situation der Pflege in Sachsen durch eine Enquete-Kommission analysiert. Der Bericht der Enquete-Kommission ist eine fundierte Analyse der Schief- und Problemlagen im Bereich der Pflege und liefert auch detaillierte Lösungsansätze. Diese gilt es schnellstmöglich umzusetzen, um zu den nötigen Verbesserungen zu kommen, von denen Pflegebedürftige und Pflegende, egal ob ehrenamtlich oder professionell, profitieren. Das Engagement aller im Bereich der Pflege tätigen Menschen muss endlich im angemessenen Maße wertgeschätzt werden.

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3.2.2.2 Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen

In Deutschland lag das Medianeinkommen im Bereich der Pflege bei 2.621 Euro brutto im Monat. Obwohl dieses Einkommen angesichts der psychischen und physischen Belastung und der verantwortungsvollen Arbeit zu niedrig ist, können sächsische Pflegekräfte selbst davon nur träumen. Hier beträgt das Medianentgelt 2.050 Euro und somit über 20 Prozent weniger. Ein Mediangehalt in Höhe von 2.050 Euro bedeutet, dass rund die Hälfte der Pflegekräfte nicht einmal 2.000 Euro brutto im Monat verdient. Wir wollen daher die Einkommen von Pflegekräften auf mindestens 3.000 Euro anheben und die Tarife entsprechend anpassen sowie die Löhne zwischen West und Ost angleichen. Wir unterstützen Bestrebungen der Gewerkschaft ver.di, einen flächendeckenden und allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für alle Pflegekräfte abzuschließen. Durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen in der Pflege könnten Tarifverträge auch auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgedehnt werden. Dadurch käme man zu einer fairen Bezahlung für alle Pflegekräfte.

In Sachsen sollen durch unabhängige Pflegeexpert*innen Personaluntergrenzen für Pflegefachpersonal festgelegt werden. Diese sind dann verbindlich durch die Pflegeheime einzuhalten.

Die Digitalisierung soll im Bereich der Pflege, bspw. durch Einsatz von vernetzten Tablets, unterstützen, um den bürokratischen Aufwand für die Pflegekräfte auf ein notwendiges Maß zu minimieren. Die Pflegekräfte sollen über mehr Zeit für die zu Pflegenden verfügen, anstatt für die Dokumentation und Organisierung der ärztlichen Betreuung.

Die Pflegebedürftigen sollen in allen Heimen und in Wohnortnähe persönliche Ansprechpartner*innen und Alltagsbetreuer*innen vorfinden. Durch sie soll die gesellschaftliche und soziale Teilhabe erleichtert werden. Pflegebedürftigkeit führt nicht dazu, dass man von Besuchen von Kultureinrichtungen, Sportveranstaltungen oder anderen Freizeitaktivitäten ausgeschlossen wird. Wir wollen, dass in den Pflegeheimen die Lebensqualität jeder zu pflegender Person erhalten, gefördert und somit individuell zum Wohlbefinden beigetragen wird. Dies wollen wir durch vielfältig angebotene Aktivitäten sowie durch ausreichend vorhandenes und gut bezahltes Fachpersonal wie Ergotherapeut*innen und zusätzliche Betreuungskräfte umsetzen. Selbstbestimmt und in Würde altern muss die soziale Betreuung berücksichtigen.

Die Mitwirkung der Bewohner*innenvertretungen in Pflegeheimen in Heimbeiräten bzw. durch Heimfürsprecher*innen wollen wir ausbauen. Diese sind grundsätzlich vor Beginn von die Bewohner*innen betreffenden Maßnahmen und nicht nur vor Pflegesatzvereinbarungen als Partner*innen mit Vorschlagsrecht verbindlich einzubeziehen. In jedem Heim soll ein Angehörigen- und Betreuerbeirat die Mitwirkung der Bewohner*innen und Pflegekräfte sicherstellen.

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3.2.2.3 Selbst pflegen oder pflegen lassen – Möglichkeiten einer selbstbestimmten Entscheidung schaffen

Die meisten Pflegebedürftigen – nach aktueller Statistik 75 Prozent – werden von Angehörigen, Freund*innen oder ehrenamtlich Engagierten betreut. Doch die Bereitschaft zur Übernahme von Pflegeverantwortung nimmt ab. Zum einen, weil die Generationen heute weiter als früher voneinander entfernt leben, zum anderen, weil Beruf und Pflege von Angehörigen kaum vereinbar sind. Bis heute nehmen vor allem Frauen* in Familien die Pflegearbeit wahr und verzichten deshalb auf eine eigene berufliche Perspektive oder haben eine unverhältnismäßige Doppelbelastung aufzufangen. Wir wollen deshalb die Anerkennung der Pflege durch Angehörige erhöhen und würdigen.

Je länger die Pflegebedürftigkeit dauert, desto größer ist das Risiko, dass pflegende Angehörige ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen. Unternehmen müssen diesbezüglich sensibilisiert werden. Nach Ende der Pflegebedürftigkeit innerhalb von fünf Jahren muss es den pflegenden Angehörigen möglich sein, in ihren Beruf zurückzukehren. Wir werden uns auf Bundesebene für einen Rechtsanspruch auf Berufsrückkehr nach dem Vorbild des Mutterschutzes einsetzen. Pflegende Angehörige müssen Entgeltersatzleistungen erhalten, die vor wirtschaftlichen Einbußen schützen sowie sozialversicherungspflichtig sind. Pflegezeiten müssen rentenrechtlich den Erziehungszeiten gleichgestellt werden.

Pflegende Angehörige haben ein Recht auf kostenlose Seminare, die sie in die Lage versetzen, ihre Familienmitglieder fachlich richtig und qualitativ hochwertig pflegen zu können.

Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sind wohnortnahe und leicht zugängliche umfassende Informationsmöglichkeiten über örtliche Angebote der Unterstützung, Betreuung und Pflege vorzuhalten.

Menschen haben das Recht, selbstbestimmt zu wohnen, auch wenn sie hilfe- und unterstützungsbedürftig werden. Aus diesem Grund brauchen wir in Sachsen einen abgestuften rechtlichen Anforderungs- und Kriterienkatalog zur Anerkennung der unterschiedlichen Wohnformen. Förderverfahren müssen vereinfacht und Ansprechpartner*innen für Leistungsberechtigte bestellt werden. In Sachsen werden Quartiersentwicklungskonzepte in den Kommunen gebraucht, welche durch die Staatskanzlei flächendeckend initiiert und steuernd begleitet werden. So können generationengerechte Sozialräume entstehen, damit das Leitbild der „sorgenden Gemeinschaft“ umgesetzt werden kann.

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3.2.2.4 Landesweite Pflegebedarfsplanung und Fachkräftesicherung in Sachsen

Eine Pflegebedarfsplanung muss regelmäßig Daten erheben und kontinuierlich erfassen. Diese Daten müssen alle wesentlichen Bereiche, wie die Darstellung der Pflegebedarfe, Spezialfälle wie beispielsweise junge Pflegebedürftige oder seltene Erkrankungen, Deckungslücken, die Fachkräftesituation einschließlich der Sicherung des Nachwuchses, gesundheitlich-präventive und pflegerische Versorgungsangebote sowie besondere regionale Bedingungen, umfassen. Auf Grundlage dieser Daten müssen dann kommunale Pflegekonzepte zur regional bedarfsgerechten Gestaltung der gesundheitlichen und pflegerischen Infrastruktur erarbeitet und regelmäßig evaluiert werden. Den Fokus der Förderung und Unterstützung von Pflegeinrichtungen durch das Land werden wir vor allem auf die kommunalen Einrichtungen legen. Diese werden mit Investitions-und Fördermitteln so ausgestattet, dass sie in ihrer Verantwortung Pflegeplätze zur Verfügung stellen können.

Wir wollen die Pflegeberufe aufwerten. Die Akademisierung in der Pflege eröffnet neue Zielgruppen für eine Pflegeausbildung. Mit diesem zusätzlichen Angebot wird die Versorgungsqualität der Pflegebedürftigen im stationären Bereich weiter verbessert.

Zu diesem Zweck sind primärqualifizierende Pflegestudiengänge zusätzlich zu den Ausbildungskapazitäten zu schaffen sowie darauf aufbauende Masterstudiengänge.

Wir wollen zum Zwecke der Fachkräftesicherung die Aufweichung geschlechternormierter Berufsbilder der Pflegearbeit erreichen.

Um dem Fachkräftemangel im Pflegebereich entgegenzuwirken, wollen wir Anreize schaffen, dass Migrant*innen in diesem Bereich tätig werden, bspw. durch Werbung in migrantischen Communities und Ausbildung mit erweitertem Sprachunterricht. Außerdem werden wir zusätzlich Ausbildungskooperationen mit ausländischen Pflegekräften schließen. Nach ihrer Ausbildung und Tätigkeit in sächsischen Pflegeeinrichtungen ist den Pflegekräften entweder ein legaler Aufenthalt in Sachsen zu ermöglichen oder, im Fall der Rückkehr in ihr Herkunftsland, dafür zu sorgen, dass sie die Tätigkeit weiter ausüben können, ohne finanzielle Einbußen für die Dauer von einem Jahr zu erleiden. In dem Herkunftsland sind gemeinsam mit den dortigen Verantwortlichen Strukturen aufzubauen und Know-how auszutauschen.

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3.2.2.5 Pflegevollversicherung

Auf Bundesebene muss sich dafür eingesetzt werden, dass die derzeitige Pflegeversicherung zu einer solidarischen Pflegevollversicherung umgebaut wird. Alle Leistungen, die im Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit erbracht werden, müssen von dieser übernommen werden. In die Pflegevollversicherung sollen Beamte, Selbstständige und auch Abgeordnete ohne Beitragsbemessungsgrenzen einzahlen. Fehlbeträge sind aus Steuermitteln zu refinanzieren.

Bis es soweit ist, sind die Eigenanteile für die Pflegebedürftigen und deren Angehörige auf eine Höhe zu begrenzen, damit Betroffene nicht unter das aktuelle Existenzminimum rutschen oder zum Sozialfall werden. Auch ist die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung so zu ändern, dass Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen wieder paritätisch einzahlen und nicht weiter Arbeitnehmer*innen überdurchschnittlich belastet werden.

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3.2.3. Schönes Leben – eine funktionierende Infrastruktur überall

3.2.3.1 Mobilität sozial und umweltverträglich ausbauen

Die Mobilitätswende ist bereits jetzt eine der zentralen Herausforderungen im Land. Der Autoverkehr liegt im Fokus bisheriger Verkehrspolitik, was zu einer erheblichen Steigerung des Verkehrsaufkommens geführt hat. Wer es sich finanziell nicht leisten kann, muss zum Teil auf Mobilität verzichten, weil oft die passenden Alternativen fehlen. Dabei sind immer mehr Arbeitnehmer*innen gezwungen, weite Wege zwischen Wohnort und Arbeitsplatz auf sich zu nehmen. Um die Belastung des Klimas sowie der Umwelt und Menschen mit Lärm, Dreck und Abgasen zu verringern, wollen wir eine nachhaltige Verkehrsreduzierung vorantreiben. Wir wollen die »Region der kurzen Wege« zum Leitbild für Planung und Entwicklung machen und die Chancen der Digitalisierung zur Wegevermeidung nutzen. Wir werden deshalb bis 2021 ein Konzept zur Verkehrsvermeidung erarbeiten.

Wir werden ermöglichen, dass unvermeidbare Wege sachsenweit möglichst nachhaltig per Fahrrad, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden können. Egal, ob in der Stadt oder auf dem Dorf: Jeder Mensch in Sachsen soll die Möglichkeit haben, auf die Nutzung des PKWs zu verzichten. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr werden wir in ein neu strukturiertes Landesamt für nachhaltige Mobilität überführen, um den Schwerpunkt der Verkehrspolitik auf ökologisch-nachhaltige Verkehrsträger zu lenken. Das Amt wird die Straßeninfrastruktur erhalten, den ÖPNV zentral organisieren sowie den deutlichen Ausbau von Radverkehrsanlagen und sicheren Gehwegen und Fußgängerzonen ermöglichen. Bis der ÖPNV auch im ländlichen Raum bedarfsgerecht ausgebaut ist, schaffen wir als Sofortmaßnahme für junge Menschen die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens für den Erwerb des Führerscheins.

Wir werden das Tarifwirrwarr im ÖPNV beenden und für die Kund*innen des ÖPNV einen einheitlichen sachsenweiten Tarifverbund mit dezentraler Verkehrsplanung schaffen. Landesweite Sozialtickets für einkommensarme Menschen, ein landesweites günstiges Azubi- und Ausbildungsticket sowie eine unentgeltliche Schüler*innenbeförderung sind dabei inbegriffen. Langfristig soll dieser Tarifverbund einheitlich in ganz Mitteldeutschland gelten und fahrscheinfrei organisiert werden. Das bedeutet, dass der öffentliche Verkehr durch eine sozial gestaltete Abgabe aller Bürger*innen und Tourist*innen finanziert wird und im Gegenzug kein Ticketkauf vor dem Besteigen von Bus oder Bahn mehr nötig ist. Bei Verspätungen oder Ausfällen sollen die Kund*innen einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung erhalten. Dabei sind unabhängige Beschwerde- und Schlichtungsstellen einzurichten und kommunale Fahrgastbeiräte zu unterstützen sowie ein Landesfahrgastbeirat zu schaffen, um mehr Mitbestimmung in der öffentlichen Verkehrsplanung zu ermöglichen.

Wir werden klare und einheitliche Qualitätsstandards für den Bus- und Bahnverkehr in Sachsen schaffen. Das Landesamt für nachhaltige Mobilität gibt dabei Mindestqualitätsanforderungen für die Vergabe von Verkehrsdienstleistungen vor, die WLAN, Barrierefreiheit, Komfort und gute Löhne für die Beschäftigten garantieren. Die Organisation des ÖPNV werden wir für die Kommunen zur Pflichtaufgabe machen. Der Freistaat wird hierbei im angemessenem Umfang eigene Mittel bereitstellen. Dabei müssen Qualitätsstandards eingehalten werden, die für jede Kommune mit mehr als 500 Einwohner*innen eine ÖPNV Anbindung im Zweistundentakt, bei 5000 Einwohner*innen einen Einstundentakt und bei mehr als 10.000 Einwohner*innen im Halbstundentakt als Mindestvoraussetzung festschreibt.

Wir wollen mehr Güter- und Personenverkehr von der Straße auf die Schiene bringen. Dazu wollen wir den Ausbau des Schienennetzes und dessen Modernisierung und Elektrifizierung vorantreiben, unter anderem durch die Wiederinbetriebnahme abbestellter Zugverbindungen. Wir wollen die schnelle Elektrifizierung der Bahnstrecken Dresden-Bautzen-Görlitz-Polen, Leipzig-Chemnitz, Leipzig-Grimma sowie eine S‑Bahn-Verbindung von Dresden nach Hoyerswerda und die Wiedererrichtung der Strecke Hoyerswerda-Bautzen, notfalls mit Eigenmitteln des Freistaats Sachsen. Zudem muss Chemnitz schnell an den bundesweiten Fernverkehr angebunden werden.

Seit 2014 werden sächsische Verkehrswege immer öfter zum Transport schweren militärischen Geräts der NATO an die Westgrenzen Russlands genutzt. Diese Transporte dienen der Verschärfung der militärischen Lage in Osteuropa. Wir lehnen diese Transporte ab und werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um dieser Unterstützung des Krieges einen Riegel vorzuschieben. Wir fordern Kompensation der durch diese Transporte entstandenen Schäden für Land und Kommunen und lehnen etwaige Ausbaumaßnahmen von Verkehrswegen für militärische Zwecke, wie sie von NATO und EU ab 2021 geplant werden, ab. Um den alltäglichen Fußverkehr sicher für alle zu gestalten, werden wir Fußgänger*innen wieder in das zentrale Blickfeld von Mobilität rücken. Das gilt einerseits für den Wegeausbau insgesamt, sodass möglichst jede innerörtliche Straße von Fußwegen begleitet wird, aber auch für die Beschaffenheit der Wege. Diese werden wir breiter anlegen und klar trennen von den Wegen anderer Verkehrsteilnehmer*innen. Zum Schutz von Fußgänger*innen werden wir die Ausweitung von Geschwindigkeitsbegrenzungen innerhalb von Ortschaften prüfen.

Wir wollen den Radverkehr in den Städten stärken und ein flächendeckendes Radwegenetz im ländlichen Raum errichten. Den Radwege- und Fahrradspurenanteil wollen wir bis 2024 auf 50 Prozent und perspektivisch auf 100 Prozent aller Bundes- und Staatsstraßen erhöhen. Wir werden überregionale Radschnellwege sowie Radstationen und überdachte Radabstellanlagen an allen Bahnhöfen und Haltepunkten schaffen, dazu gründen wir eine Landesgesellschaft Radwegebau. Zudem wollen wir Maßnahmen zur Radverkehrssicherheit treffen, die unter anderem die Bereiche Diebstahlschutz, höhere Radwegequalität und Verkehrssicherheit umfassen.

In den Kommunen wollen wir Car- und Bikesharing-Projekte fördern. Die Nutzung von Car- und Bikesharing öffentlicher Verwaltungen werden wir fördern. Wir werden Konzepte entwickeln, wie die Nutzung von Car- und Bikesharing im ländlichen Raum vorangetrieben und der Lieferverkehr mit Hilfe von Lastenfahrrädern ökologisch gestaltet werden kann.

Wir fördern alternative Antriebstechnologien, wie zum Beispiel Brennstoffzellen und Elektromotoren. Dabei werden wir u. a. die Akkuproduktion im Landkreis Bautzen forcieren und ein Förderprogramm initiieren, um in staatlichen Verwaltungen und nachgeordneten Behörden oder kommunalen Betrieben die Anschaffung von alternativ betriebenen Fahrzeugen und den Ausbau eines Lade- und Tanknetzes zu fördern.

Die Entwicklung und der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zum Logistikdrehkreuz geht für Anwohner*innen mit einer erheblichen Steigerung des Fluglärms einher. Wir werden deshalb ein konsequentes Nachtflugverbot durchsetzen und Anwohner*innen bei weitergehenden Lärmschutzmaßnahmen verstärkt unterstützen. Die Nutzung sächsischer Flughäfen als militärisches Drehkreuz, bspw. für Truppen‑, Material- und Verpflegungstransporte für NATO-Streitkräfte in Einsatzgebiete, oder als Abschiebeflughäfen lehnen wir ab.

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3.2.3.2 Nähe zur Verwaltung

Wir wollen, dass sich die Verwaltung an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und für jede*n erreichbar ist. Dafür wollen wir mehrere Wege einschlagen, um allen Menschen einen bequemen, einfachen und barrierefreien Zugang zur Verwaltung zu ermöglichen.

So werden wir eine umfassende Onlineverwaltung im Freistaat aufbauen. Für die Menschen im Land entsteht ein „One-Stop-Shop“ für alle Belange, die sie mit der Verwaltung klären müssen, unabhängig vom Amt und von der Verwaltungsebene. Dazu ist es notwendig, Verwaltungsprozesse in Land, Landkreisen und Kommunen zu vereinheitlichen, vereinfachen und entbürokratisieren. Der Zugang zur Onlineverwaltung soll dabei barrierefrei und ohne zusätzliche technische Ausstattung vom heimischen Rechner aus gewährleistet sein. Die notwendigen technischen und gesetzlichen Voraussetzungen werden wir hierfür schaffen. Halbgare semi-digitale Lösungen, bei denen das Ausdrucken und postalische Verschicken an Behörden notwendig ist, wollen wir vermeiden.

Auf der Grundlage dieser vereinfachten Verwaltungsbürokratie können neue Konzepte einer Verwaltung vor Ort entstehen. Wir wollen behördenübergreifende Verwaltungssprechstunden in den Kommunen und Ortsteilen ermöglichen. An öffentlichen Orten, im Nachbarschaftstreff oder auch in der Kneipe soll zu festgelegten Sprechstunden ein*e Verwaltungsmitarbeiter*in antreffbar sein und Anliegen der Menschen entgegennehmen und vor Ort bearbeiten können.

Barrierefreiheit heißt auch, dass Menschen mit Migrationshintergrund unkompliziert mit Behörden kommunizieren und interagieren können. Dafür wollen wir sicherstellen, dass alle Verwaltungseinheiten und Formulare mehrsprachig sind bzw. Übersetzungen unkompliziert organisiert werden können. Die interkulturelle Öffnung der Verwaltungen aller Ebenen ist kurz- und mittelfristig unabdingbar.

Modellprojekte einer aufsuchenden Verwaltung, bspw. mobile Verwaltungen, wollen wir verstärken und in ihnen mehr Kompetenzen bündeln. Ziel ist es, insbesondere mobilitätseingeschränkten Menschen zu ermöglichen, in ihren eigenen vier Wänden in Kontakt mit Verwaltung zu kommen und ihre Anliegen zu klären.

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3.2.3.3 Breitbandausbau

Im internationalen wie nationalen Vergleich ist Sachsen trotz aller Bemühungen der vergangenen Jahre weiterhin Entwicklungsland in Sachen Breitbandausbau. Davon ist wieder einmal vor allem der ländliche Raum betroffen: Liegt die Breitbandversorgung in Leipzig mit über 94 Prozent über dem Bundesschnitt, bleibt Mittelsachsen mit rund 47 Prozent weit zurück. Der Ausbau der Netze im Wettbewerb hat dazu geführt, dass weite Landstriche bis heute nicht an modernes und schnelles Internet angeschlossen worden sind, weil deren Erschließung sich vorgeblich für private Wettbewerber*innen nicht rechnet. Der Glaube an die Regelungskraft des Marktes zerschellt an der Realität. Es kann jedoch nicht im Interesse der öffentlichen Hand sein, dort in Größenordnungen einzuspringen und die Gewinne von privatwirtschaftlichen Unternehmen zu subventionieren.

Breitbandinternet ist für uns moderner Bestandteil der Daseinsvorsorge. Der Ausbau im Wettbewerb soll deshalb zugunsten einer den gesellschaftlichen Interessen verpflichteten, öffentlichen Unternehmung verringert werden. Die kommunalen Unternehmen sollen dabei vorrangige Partner*innen beim Breitbandausbau werden.

Das Breitbandkompetenzzentrum Sachsen wollen wir von einer Beratungsstelle zu einer Landesgesellschaft für digitale Infrastruktur als Servicestelle für die Kommunen in Sachen Breitbandausbau und Schaffung digitaler Infrastruktur weiterentwickeln, welche für die Kommunen die Beantragung von Fördermitteln, insbesondere im Hinblick auf notwendige Machbarkeits- und Marktstudien, sowie Koordinations- und Infrastrukturaufgaben übernimmt.

Darüber hinaus wollen wir eine WLAN-Offensive für Sachsen. Unser Ziel ist es, möglichst flächendeckend an öffentlichen Orten – Stadt- und Dorfkerne, Verwaltungszentren, touristische Brennpunkte etc. – ein kostenloses öffentliches WLAN anzubieten. Die bisher dafür zur Verfügung stehenden Fördermittel reichen dazu nicht aus. Deshalb werden wir die Förderung der WLAN-Hotspots im Freistaat Sachsen deutlich ausbauen und sie neben Kommunen auch privaten Interessengemeinschaften – bspw. Freifunk-Communities – öffnen. Für die Generierung, Übertragung und Verarbeitung von Daten im öffentlichen Raum oder im öffentlichen Auftrag werden wir Qualitätsmaßstäbe schaffen und durchsetzen, die neben Datenschutz auch sichere Verarbeitung – ausschließlich zum vorgesehenen Zweck – sichern und Zweckentfremdung, z. B. für Werbung, ausschließen. Vorhaben in diesem Rahmen sind unter demokratischer Kontrolle zu halten. Für die Bürger*innen muss Transparenz bei allen Vorhaben bestehen und für ihre Anliegen müssen feste Ansprechpartner*innen geschaffen werden. Die Vergabe von Aufträgen muss regionale Besonderheiten beachten. Eine notwendige Bildungsoffensive für den guten Umgang mit Entwicklungen und den Betrieb in den Verwaltungen und durch die gewählten Volksvertreter*innen ist zu planen und zu beginnen.

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3.2.3.4 Orte der Begegnung

Orte der Begegnung sind in Sachsen in der Vergangenheit viel zu oft verloren gegangen – ob der Bäcker um die Ecke, die kleine Einkaufsmöglichkeit im Ortsteil, die Kneipe oder das Vereins- und Kulturhaus im Dorf. Wir sind davon überzeugt, dass diese Orte der Begegnung wesentlich zu einem stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Wo sich Menschen begegnen, können sie sich verbinden und gemeinsam Großes leisten.

Deshalb wollen wir flächendeckend solche Orte der Begegnung erhalten und wieder ausbauen, seien es die Jugendtreffs und soziokulturellen Zentren, aber auch Kultur- und Vereinshäuser oder Nachbarschaftszentren. Vor allem die Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit hatten es in den letzten Jahren schwer und mussten oft um ihre Existenz kämpfen. Damit auch zukünftig wieder flächendeckend in Sachsen Angebote für Kinder und Jugendliche vorhanden sind, werden wir uns für eine Reform der Jugendpauschale sowie eine Anhebung der finanziellen Mittel im Landeshaushalt einsetzen. Insbesondere werden wir uns für die Unterstützung selbstverwalteter Jugendzentren einsetzen, in denen junge Menschen sich bspw. selbst dazu befähigen, Veranstaltungen zu organisieren oder ihre Freiräume auszubauen. Wichtige Bestandteile von Jugendkultur, etwa Skateanlagen oder legale Graffitiflächen, sollen flächendeckend vorhanden sein.

Dort, wo in der Vergangenheit Möglichkeiten der Nahversorgung weggebrochen sind, wollen wir öffentlich gestützte Alternativen schaffen, sei es durch finanzielle Unterstützung gemeinschaftlich organisierter Einkaufsmöglichkeiten – genossenschaftliche oder vereinsgetragene Dorfläden – oder auch ein öffentlich gefördertes Nahversorgungsnetz, welches dort einspringt, wo sich die Privatwirtschaft zurückgezogen hat.

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3.2.3.5 Wohnen

Wir gestalten Stadt für alle statt für Profite: Wohnen muss überall bezahlbar sein! Wohnen wird immer teurer, Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen können sich das Wohnen in der Stadt kaum noch leisten. Gentrifizierung ist in sächsischen Großstädten immer mehr zu spüren. Am Bedarf vorbei geführte Luxussanierungen und –neubauprojekte lehnen wir ab. Wir wollen mehr Investitionen in sozialen Wohnungsbau, Erhaltungssatzungen für Milieuschutz in Wohngebieten, niedrigere Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen und stärkeres Mitspracherecht der Bürger*innen gegenüber Investor*innen.

(These 4 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Der Wohnungsmarkt in Sachsen ist differenziert. Während insbesondere in Dresden und Leipzig, aber auch im Speckgürtel der Großstädte Mieten steigen und Wohnraum zum knappen Gut wird, leiden viele Gemeinden, Klein- und Mittelstädte jenseits der Großstädte weiterhin unter den Folgen der Abwanderung und des demografischen Wandels. Unser Ansatz für eine linke Wohnungspolitik wird den unterschiedlichen Herausforderungen in Ballungsgebieten und ländlichen Räumen gerecht.

Wir werden die Privatisierung von öffentlichen Wohnungsbeständen und Liegenschaften stoppen. Dafür werden wir ein sachsenweites Privatisierungsverbot gesetzlich verankern. Wir werden die kommunalen Wohnungsgesellschaften stärken und sie überall im Land zu wirkungsvollen Instrumenten zum Milieuschutz und zur Mietpreisdämpfung entwickeln. Zudem prüfen wir prüfen die Gründung einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft zur Unterstützung der kommunalen Ebene. Die Regelung der Sächsischen Gemeindeordnung, die den kommunalen Wohnungsbestand auf 15 bis 20 Prozent Marktanteil begrenzt, werden wir ersatzlos streichen.

Auch Wohnungsgenossenschaften sind wichtige Partnerinnen der sozialen Wohnraumversorgung. Daher wollen wir ihnen, ebenso wie den kommunalen Wohnungsgenossenschaften, vorrangig Fördermittel im Bereich Bauen und Wohnen ausreichen.

Noch immer sind Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen oft mit Altschulden aus der DDR belastet, die nach wie vor eine erhebliche Belastung für die Unternehmen und eine Behinderung notwendiger Investitionen in den Bestand darstellen. Wir werden Möglichkeiten suchen, die Altschuldenbelastung auch jenseits der Entschuldung bei Rückbau und Teilrückbau zu senken. Die dadurch freigesetzten finanziellen Ressourcen sollen durch die Wohnungswirtschaft für energetische Sanierung und den barrierefreien Umbau des aktuellen Wohnungsbestandes eingesetzt werden. Aus Klimaschutzaspekten werden wir erforderliche Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden durch erneuerbare Energien und nicht durch die Neuinstallation von fossilen Heizungsanlagen fördern und gleichzeitig eine Verdrängung oder übermäßige finanzielle Belastungen der betroffenen Mieterinnen und Mieter verhindern. Zugleich werden wir Vorkehrungen und Maßnahmen ergreifen, die den Stromverbrauch in Haushalten im Freistaat Sachsen senken und Strompreissteigerungen nicht einseitig auf den Rücken der Ärmsten abladen. Dazu werden wir ein Verbot von Stromabschaltungen durchsetzen und durch eine Abwrackprämie für alte Haushaltsgeräte den Stromverbrauch senken. Neue Gebäudedämmungen werden wir nur noch mit nachhaltigen Dämmstoffen zulassen und die Zuschüsse für die Kosten der Unterkunft für einkommensarme Haushalte sowie das Wohngeld erhöhen.

Wir werden kooperative Wohnformen, seien es Genossenschaften, Vereine, GmbHs oder andere Rechtsformen, bei denen alle Mieter*innen ihr Haus im kollektiven Eigentum gemeinsam verwalten, unterstützen. Auch Eigentümer*innen-Mieter*innen-Kooperationen bieten insbesondere in schrumpfenden Städten und Dörfern Möglichkeiten zur Zwischennutzung und zum Erhalt ungenutzten Wohnraums. Deshalb werden wir solche Kooperationen unterstützen.

Wir werden den sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbau neu starten. Dem Angebot von sachsenweit nur wenigen tausend Sozialwohnungen auf der einen Seite steht ein Vielfaches an Anspruchsberechtigten auf der anderen Seite gegenüber. Daher ist es auch in Kommunen mit hoher Leerstandsquote keineswegs selbstverständlich, dass Menschen mit geringem Einkommen eine Wohnung erhalten. Deshalb werden wir mehr finanzielle Mittel in die soziale Wohnraumförderung stecken. Wir stellen sicher, dass die vom Bund ausgereichten Mittel hierfür zweckgebunden und vollumfänglich genutzt werden. Darüber hinaus werden wir das Förderprogramm Sozialer Wohnungsbau auf weitere Kommunen ausweiten, die einen Bedarf an Sozialwohnungen nachweisen. Die Belegungsbindung von Sozialwohnungen wollen wir von bisher 15 Jahren unbefristet ausweiten.

Wir werden alle Möglichkeiten des Miet- und Städtebaurechts nutzen, um Mieter*innen vor Mietsteigerungen und Verdrängung zu schützen und gewachsene Stadtviertel zu erhalten. Dazu gehören insbesondere die Einführung eines sächsischen Mietendeckels in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten, die Ausschöpfung der Mittel der Kappungsgrenze sowie ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum, das verhindert, dass Wohnungen abgerissen oder in Gewerberäume oder Ferienwohnungen umgewandelt werden. Hierfür werden wir die rechtliche Grundlage schaffen. Wir wollen, dass Kommunen für bestimmte Gebiete ihrer Gemeinde sogenannte Milieuschutzsatzungen erlassen, um insbesondere die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Luxussanierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen, die in der Regel eine rücksichtlose Verdrängung der Mieter*innen zur Folge haben, können somit eingedämmt werden. Vor in solchen Gebieten geplanten Modernisierungen müssen diese von der Kommune zusätzlich genehmigt werden. Außerdem werden wir den Kommunen ein Vorkaufsrecht einräumen. Wir wollen, dass Groß- und Mittelstädte zukünftig qualifizierte Mietspiegel erstellen. Dabei werden wir die Kommunen finanziell unterstützen.

Wir wollen eine neue Wohngemeinnützigkeit, wie sie in der Bundesrepublik bis 1989 verankert war, begründen. Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit folgt einem einfachen Prinzip: Wer sich dem Gemeinwohl verpflichtet, erhält Vergünstigungen, Förderungen und andere Anreize und Vorrechte, die helfen, den öffentlichen Auftrag der Wohnungsversorgung für Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen zu erfüllen. Die Gewinne sind gedeckelt und dürfen allein in den gemeinnützigen Zweck reinvestiert werden. Träger*innen der neuen Gemeinnützigkeit können kommunale Wohnungsunternehmen, Genossenschaften, aber z. B. auch kooperative Wohnprojekte werden. Auch in Sachsen gewinnen börsennotierte Wohnungskonzerne immer mehr Einfluss. Insbesondere Vonovia hat enorme Bestände in Dresden und Leipzig. Wir werden diese Konzerne in die Schranken weisen und streben eine Vergesellschaftung ihrer Wohnungsbestände an. Wohnungen sind keine Ware. Mit ihnen darf nicht an der Börse spekuliert werden.

In Kommunen mit hohen Wohnungsleerständen, welche dauerhaft nicht mehr genutzt werden, ist ein Abriss dieser Wohneinheiten weiterhin notwendig. Es darf jedoch nicht sein, dass Wohnungen dort abgerissen werden, wo Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen fehlt. Abriss darf daher nur in extremen Leerstandssituationen vollzogen werden. Wir werden unser Leitbild bei der Förderung deshalb daran ausrichten, die Wohnungen und das Wohnumfeld in Stadtteilen zu verbessern und die Modernisierung bzw. die Schaffung alters- und behindertengerechten Wohnraums zu fördern. Wir legen den Fokus darauf, Bestandsgebäude in Stadt- und Dorfkernen zu sanieren, statt an Ortsrändern neu zu bauen. Wir werden ermöglichen, dass die Stadtumbauprogramme auch für den familienfreundlichen Umbau von Wohnungen genutzt werden können. Die Förderung richtet sich auch auf die energetische Gebäudesanierung und nachhaltiges Bauen aus. Auch die Nutzung von Dächern zur Begrünung oder weiteren Wohnraumgewinnung nehmen wir in den Blick.

Wir wollen, dass die Aufstellung und Fortschreibung von Stadtentwicklungskonzepten künftig wieder durch den Freistaat gefördert werden. Der Grundsatz „Innenentwicklung hat Vorrang vor der Außenentwicklung“ muss Priorität haben. Dabei gilt das Prinzip, dass bisher schon versiegelte Flächen vorrangig genutzt werden, bevor die Neuversieglung von Flächen stattfindet. Die Städte und Gemeinden sollen über planungsrechtliche Instrumente in die Lage versetzt werden, durch gemeindliche Vorkaufsrechte die Bebaubarkeit von Grundstücken im Sinne der Stadtentwicklung durchzusetzen.

Menschen wünschen sich, quer durch alle sozialen Schichten, eine vitale Stadt der kurzen Wege, in der sie leben und arbeiten können – gleichzeitig umgeben von möglichst viel Grün. Eine urbane, grüne Infrastruktur verbessert Luftqualität und das Stadtklima, mindert Hitze und Lärm. Grünflächen fördern die Begegnung und dienen der Erholung von großen Kreisen der Bevölkerung, insbesondere in Großstädten und in Mittelzentren. Deswegen wollen wir das Förderprogramm Zukunft Stadtgrün, welches zur Steigerung der Attraktivität von Städten mit Parkanlagen, Grün- und Wasserflächen und anderen Begrünungsformen geschaffen wurde, fortsetzen und wenn möglich erweitern.

Wir wollen, dass Grundstücke öffentlicher Eigentümer*innen künftig in erster Linie im Erbbaurecht vergeben werden. Sowohl im Erbbaurecht als auch bei einem Verkauf sollen die Anbieter*innen den Zuschlag erhalten, die das beste und sozialste Konzept vorlegen. Vom Höchstpreisverfahren ist Abstand zu nehmen. Das ist auch ein wichtiger Schritt, um die Spekulation mit Wohnungen und Boden zu bekämpfen. Wir wollen eine gesetzliche Bodenpreisbremse, um die Spekulation mit Bauland, aber auch mit Ackerland zu unterbinden.

Für Eigentümer*innen von Garagen- und Erholungsgrundstücken muss es endlich einen nachhaltigen Rechtsfrieden geben. Unser Ziel ist die Schaffung eines Ausgleiches der Folgen aus der Anwendung von Sonder‑, Anpassungs- und Überführungsgesetzen für nach DDR-Recht bestandsgeschützte Eigentumspositionen an Gebäuden und Grundstücken.

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3.2.4 Ostdeutsche Arbeits- und Lebensleistungen anerkennen

Fast 30 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur BRD sind immer noch erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West sowie rechtliche Benachteiligungen der Menschen, die Erwerbsbiografien in der DDR haben oder heute in Ostdeutschland leben, festzustellen: z. B. bei der Rente, bei den Einkommen, bei der Berücksichtigung in leitenden Funktionen von Behörden, Gerichten, Unternehmen und Hochschulen sowie bei der Verteilung von Vermögen.

Die nach wie vor festzustellenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fehlentwicklungen in den ostdeutschen Ländern haben ihre Ursache sowohl in den grundsätzlichen Weichenstellungen für die deutsche Einheit, die mit dem Einigungsvertrag im Jahre 1990 getroffen worden sind, als auch in den seither unaufgearbeiteten sowie ungelöst gebliebenen ökonomischen, rechtlichen und politischen Versäumnissen. Hinzu kommen die Verletzungen bzw. die Nichtumsetzung von Bestimmungen des Einigungsvertrages zum Nachteil der Menschen, die in der DDR wirksame Rechts- und Eigentumspositionen, fachliche Qualifikationen und Rentenansprüche erworben hatten.

Das Fundament für die Gestaltung einer solidarischen Gesellschaft, in der alle, ob in Ost oder West, gleich gut und sozial sicher leben können, setzt die Beseitigung immer noch bestehender Benachteiligungen zwingend voraus.

Wir wollen Strukturen schaffen und unterstützen, insbesondere wirtschaftliche. Der Aufbau und Ausbau dieser Strukturen geht nur gemeinsam. Dabei sollten altbewährte Praxis und innovative Ideen zu einer selbstbewussten Gestaltung dieser Struktur führen.

Wenn der Osten und insbesondere Sachsen Testfeld für neoliberale Politik gewesen ist, ist es Zeit, neue, andere Konzepte des Gemeinwohls zu probieren. Es braucht demnach andere Steuerungsmöglichkeiten, eine komplett andere Art von Wissen und Wissensvermittlung und eine neue Idee von Zukunft.

Bei alldem kommt es vor allem auf die neue Generation an, die besagten anderen Blick auf den vergangenen und zukünftigen Osten hat. Deswegen ist es höchste Zeit, dem Einigungsvertrag entsprechend konkrete Taten und Maßnahmen folgen zu lassen, um endlich und tatsächlich gleichwertige Lebensverhältnisse in West und Ost sowie in Stadt und Land zu schaffen. Das stärkt das für die Zukunft notwendige Vertrauen in einen handlungsfähigen/-willigen sozialen Rechtsstaat und in eine demokratische Politik.

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3.2.4.1 Treuhand

Für viele Ostdeutsche ist die Treuhandanstalt bis zum heutigen Tage mit einschneidenden und prägenden biografischen Verlusterfahrungen und erlittenen Enttäuschungen mit Blick auf die freiheitliche Demokratie und die soziale Marktwirtschaft verbunden. Die selbst erfahrenen Ungerechtigkeiten der Treuhandgesellschaft im Umgang mit den volkseigenen Betrieben der DDR und deren Beschäftigten, prägt für viele Ostdeutsche bis heute ihr Bild von der Wiedervereinigung Deutschlands als Ausverkauf des Ostens. Auch und gerade in Hinblick auf den sozialen Frieden und Zusammenhalt in Sachsen muss das Treuhandunrecht aufgearbeitet werden.

Unser Ziel ist, gegenüber der Bundesregierung und im Bundesrat auf die zeitnahe Einsetzung einer mit ausgewiesenem externen wissenschaftlichen Sachverstand besetzten Kommission zur Untersuchung und Bewertung der Aktivitäten der Treuhandanstalt und der späteren Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) hinzuwirken. Dazu ist sicherzustellen, dass die dafür erforderlichen Akten und Unterlagen der Treuhandanstalt und der BvS auch weiterhin nach Ablauf der gesetzlichen Verschlussfristen vollständig gesichert und der Öffentlichkeit sowie Wissenschaft und Forschung rückhaltlos zugänglich gemacht werden.

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3.2.4.2 DDR-Zusatzrenten

Wir wollen die längst überfällige Entlastung der Haushalte der ostdeutschen Bundesländer von den seit Jahren von ihnen zu tragenden Aufwendungen für die Zahlung von DDR-Renten und Sonderrenten durch Übernahme dieser Zahlungen durch den Bund, bzw. mindestens die Veränderung der derzeit gelten Regelung von 60:40 Prozent der Kosten von Ländern und Bund umkehren zu 40:60 Prozent.

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3.3. Bildung, Kultur, Sport und Medien

3.3.1. Grundsätze linker Bildungspolitik

Wir wollen eine inklusive Bildung ohne soziale, finanzielle, räumliche und bauliche Barrieren – wer sich bilden will, muss dies ermöglicht bekommen. Jeder Mensch hat ein Recht auf gute Bildung. Der Zugang zu Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Deshalb muss Bildung in Sachsen kostenfrei sein. Konsequent bedeutet das, dass wir Gebühren und Beiträge wie z. B. Kitagebühren oder Schülerbeförderungsbeiträge abschaffen, die Lernmittelfreiheit umfänglich durchsetzen und Angebote im außerschulischen Bereich mittelfristig kostenfrei stellen wollen. Die UN-Behindertenrechtskonvention muss auch im Bildungsbereich umgesetzt werden.

(These 7 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Wir sind überzeugt: Bildung ist ein Menschenrecht. Deshalb muss sie allen Menschen in gleichem Maße zugänglich sein und darf nicht von der sozialen, finanziellen oder kulturellen Herkunft abhängen. Bildung ist ein Schlüsselelement für gesellschaftliche Zusammenarbeit, Frieden und Fortschritt. Bildung ist ein wichtiger Grundpfeiler einer demokratischen und sozial gerechten Gesellschaft und ist als lebenslanger Prozess ständigen Veränderungen unterworfen. Bildung kennt keine festen Zeiträume und Orte. Wir fordern daher Lernumfelder, in denen sich alle bestmöglich bilden können. Lernende, Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter*innen sollen unter idealen Bedingungen lehren, fördern und arbeiten können.

Dies ist in Sachsen nur möglich, indem wir eine sozial gerechte und demokratische Bildungsreform starten, damit Bildung endlich wieder den Stellenwert bekommt, den sie verdient. Es muss endlich Schluss sein mit dem Prinzip der Auslese. Niemand darf zurückgelassen und ausgegrenzt werden.

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3.3.2. Ziele linker Bildungspolitik

Wir wollen Bildung neu denken und an die Erfordernisse unserer Zeit anpassen. Dazu muss das Bildungssystem in Gänze auf den Prüfstand gestellt werden. In Zeiten ständig verfügbarer Informationen kommt es nicht mehr darauf an, Fakten auswendig zu lernen. Es sind andere Kompetenzen gefragt, es braucht andere Methoden. Wir wollen den fächerübergreifenden Unterricht ausbauen, um den komplexen Problemen der Realität gerecht werden zu können. Es gilt Zeit- und Problemmanagement, Selbstvertrauen, Urteilsvermögen, Sozialkompetenz, Kreativität, Eigenständigkeit und Medienkompetenz zu fördern und zu entwickeln.

Wir wollen die natürliche Freude am Lernen pflegen und erhalten, um beste Voraussetzungen für das lebenslange Lernen zu schaffen. Probleme wie eine unzureichende Alphabetisierung der Bevölkerung oder die immer noch zu hohe Schulabbrecher*innenquote müssen endlich der Vergangenheit angehören. Unser Ziel ist es, jedem Menschen in Sachsen einen Schul- und Berufsabschluss zu ermöglichen. Daran wollen wir uns messen lassen.

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3.3.3. Frühkindliche Bildung und Kindertagesstätten – Gute Bildung von Anfang an!

Bildung ist ein lebenslanger Prozess, der mit dem Tag der Geburt beginnt und somit selbstverständlich auch in den frühen Jahren unseres Lebens stattfindet. Mit dem Sächsischen Bildungsplan aus dem Jahr 2006 liegt ein solider Rahmen für die frühkindliche Bildung vor, den es in den kommenden Jahren stärker umzusetzen und weiterzuentwickeln gilt. Insbesondere die Themen der inklusiven Bildung und die Förderung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache verdienen erhöhte Aufmerksamkeit und erfordern zusätzliches Fachpersonal und passende räumliche Bedingungen. Jedes Kind hat das Recht auf den Besuch einer Kita in der Nachbarschaft.

Wir setzen uns für den Ausbau des Angebotes an sorbischsprachigen Kitas ein. Kindern soll in jeder Gemeinde des sorbischen Siedlungsgebietes die Aneignung der sorbischen Sprache ermöglicht werden.

Um im Bereich der frühkindlichen Bildung grundsätzliche Reformen anzustoßen und längerfristig eine Beitragsfreiheit zu erreichen, wollen wir auch im frühkindlichen Bildungsbereich die Verantwortlichkeit des Freistaates stärken. Wir werden ausreichend wohnortnahe und barrierefreie Betreuungsplätze bereitstellen. Wir wollen, dass unsere Jüngsten in kleinen Gruppen mit einem Betreuungsschlüssel von 1:4 in der Krippe, 1:5 in der Kindertagespflege, 1:10 im Kindergarten und 1:17 im Hort bestmöglich betreut und gefördert werden. Technisches Personal, Hilfspersonal und Auszubildende sind dabei nicht auf den Betreuungsschlüssel anzurechnen.

Kurzfristig wollen wir zur stufenweisen Erreichung der Beitragsfreiheit in Kindertagesstätten eine Kostenteilung zwischen Land, Kommunen und Eltern im Verhältnis von 50:35:15 Prozent erreichen. Das letzte Kitajahr stellen wir beitragsfrei. Damit entlasten wir Eltern wie auch Kommunen. Mittelfristig schaffen wir die komplette Beitragsfreiheit für den Kitabesuch. Die Kosten hierfür trägt der Freistaat.

Um den Anforderungen für Entwicklungsdokumentationen und Elternberatung Rechnung zu tragen, werden wir 20 Prozent der Arbeitszeit für diese Aufgaben anrechnen. Krankheits‑, Weiterbildungs- und Urlaubstage werden wir in die Berechnung des Betreuungsschlüssels mit einbeziehen. Damit sich die Erzieher*innen voll und ganz auf die Kinder konzentrieren können, braucht es zusätzliches Personal, unter anderem in Form von Verwaltungsassistent*innen.

Den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Kitas werden wir verbessern und Belastungen so weit wie möglich reduzieren. Dazu gehören insbesondere Investitionen in Schallschutzmaßnahmen, welche letztendlich auch den Kindern zu Gute kommen.

Die Erzieher*innenausbildung werden wir reformieren. Dazu wollen wir die staatlichen Berufsschulzentren zu Ausbildungs- und Kompetenzzentren entwickeln. Die Ausbildung zur Sozialassistent*in als Zugangsvoraussetzung zur Erzieher*innenausbildung kann durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Hochschulreife in Verbindung mit einem berufsvorbereitenden Praktikum ersetzt werden. Eine Ausbildungsvergütung für alle zukünftigen Erzieher*innen muss durch den Freistaat und die freien Träger abgesichert sein. Das Prinzip der Kostenfreiheit soll durch entsprechende Förderprogramme auch bei einer Ausbildung an privaten Fachschulen und Fachhochschulen gelten, um den Erzieher*innenberuf attraktiver zu machen. Dabei sollte die Ausbildung generell an europäische Standards angepasst und folglich in die Hochschulausbildung integriert werden. Praxisanleiter*innen sind mit vier Wochenstunden in der Planung des Personalschlüssels zu berücksichtigen. Da Erzieher*innen einen wertvollen Beitrag zur Bildungsarbeit leisten, muss sich dieser auch in der Vergütung der Erzieher*innen widerspiegeln. Damit wird dem Beruf der Erzieher*in endlich die verdiente Anerkennung zuteil.

Im Bereich der frühkindlichen Bildung wollen wir die Bildung für Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe und Interkulturalität stärken. Geschlechterspezifische Spiel- und Lernsituationen sollen so weit wie möglich abgebaut und gemeinsames Spielen und Lernen in den Vordergrund gerückt werden. Die Weiterentwicklung von Kitas zu Eltern-Kind-Zentren wird inhaltlich und personell gefördert und flächendeckend in Sachsen ausgebaut. Mit Blick auf verstärkte Maßnahmen zur Integration und zu interkulturellen Kompetenzen fördern wir Willkommenskitas.

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3.3.4. Schulbildung

Wir denken schulische Bildung stets aus Sicht der Kinder. Deshalb gestalten wir Schulpolitik für die Schüler*innen und nichtim wirtschaftlichen Verwertungsinteresse. Bildung ist keine Ware. Dazu gehört für uns, dass jedes Kind in einer Schule in seiner Nachbarschaft gemeinsam mit seinen Freund*innen lernen kann. Wir machen Schluss mit der Auslese nach der vierten Klasse und ermöglichen das Lernen in kleinen Klassen von maximal 20 Schüler*innen in allen Klassenstufen. Wir werden eine echte Lernmittelfreiheit einführen, die natürlich auch die kostenfreie Beschulung aller Kinder und Jugendlichen sowie die kostenfreie Schüler*innenbeförderung auch in den Großstädten einschließt.

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3.3.4.1 Schule für alle – so lang wie möglich gemeinsam

Wir wollen ein möglichst langes gemeinsames Lernen aller Kinder und Jugendlichen ermöglichen. Gerade das Lernen in heterogenen Gruppen ermöglicht die individuelle Förderung der Schüler*innen. Deshalb bleibt der Schwerpunkt linker Bildungspolitik die Überwindung des gegliederten Schulsystems. So werden wir die Gemeinschaftsschule als Regelschultyp einführen, an der die Kinder bis mindestens zur 10. Klasse gemeinsam lernen können. Entsprechende Übergangsphasen im Interesse von Schüler*innen, Lehrkräften und Schulträger*innen werden wir unterstützen.

Wir setzen die UN-Behindertenrechtskonvention konsequent um. Inklusion geht nicht zum Nulltarif, Kinder mit Unterstützungs- und Förderbedarf müssen betreut und gefördert werden. Wir werden sicherstellen, dass langfristig die Beschulung aller Kinder in allen Schulen möglich ist. Die pädagogisch notwendige personelle Ausstattung werden wir sichern und die Schulträger*innen in die Lage versetzen, die sächliche Ausstattung der Schulen im Sinne der Barrierefreiheit den Anforderungen einer inklusiven Schule anzupassen. Hierfür werden wir einen verbindlichen Zeitplan entwickeln. Inklusive Schulen erfordern multiprofessionelle Teams aus Lehrkräften, Förderlehrkräften, sozialpädagogischen, psychologischen und therapeutischen Fachkräften.

Wir werden bei Schulbaumaßnahmen insbesondere solche Konzepte fördern, welche eine Beschulung außerhalb von Klassenverbünden und ‑räumen ermöglichen und offene Denkräume bzw. offene Lernlandschaften schaffen.

Schule muss sich als Antwort auf Entwicklungen in Gesellschaft und Wissenschaft ständig erneuern. Schulen in freier Trägerschaft können dabei im Austausch mit staatlichen Schulen die Bildungslandschaft im Freistaat insgesamt inhaltlich voranbringen, solange sie keine sozialen oder weltanschaulichen Zugangsbarrieren aufmachen. In Sachsen wurde die verfassungsrechtlich garantierte Schulvielfalt im Zuge wachsender, selbst verschuldeter Ressourcenprobleme von Landesregierung und Schulverwaltung gegen alle Widerstände immer stärker zurückgedrängt. Das neue Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft schränkt die Handlungsspielräume dieser Schulen noch weiter ein. Wir werden dem sächsischen Verfassungsgrundsatz auf Gründung von freien Schulen gerecht werden, indem ein transparentes, diskriminierungsfreies Verfahren zur Gründung von freien Schulen installiert wird, das eine kostenfreie fachliche Beratung der Gründungsinitiativen und eine unabhängige wissenschaftliche Bewertung und Begleitung des Schulmodells beinhaltet. Der Schulbesuch für Kinder an freien Schulen muss kostenfrei sein und die Lehrkräfte an freien Schulen müssen dieselbe Vergütung erhalten wie die Lehrkräfte an staatlichen Schulen. Voraussetzung dafür ist, dass die Schulen in freier Trägerschaft nach ihrer Anerkennung der staatlichen Schule finanziell gleichgestellt werden.

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3.3.4.2 Schule demokratisch gestalten

Die Demokratisierung der Schule ist ein fortwährender, offener Prozess. Wir werden dafür alle schulischen Abläufe und insbesondere auch den Unterricht in den Blick nehmen. Demokratie muss in der Schule gelebt werden. Wo immer möglich, müssen Schüler*innen in die Planung von Unterrichtsvorhaben einbezogen und unterschiedliche gesellschaftliche Interessen thematisiert werden. Die demokratische Schule legt Wert auf das Erfahren und Verinnerlichen ethisch-sittlicher Normen und Werte unserer Gesellschaft und befähigt die Schüler*innen zur kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst, mit anderen und mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Die Fähigkeit zum offenen, streitbaren Dialog sowie zum Perspektivwechsel istdabei kontinuierlich zu fördern und zu unterstützen.

Der Einflussnahme von Unternehmerverbänden und unternehmensnaher Institutionen sowie von Religionsgemeinschaften muss Einhalt geboten werden. In der Gesellschaft strittige Themen müssen auch in der Schule als strittig behandelt werden. Junge Menschen müssen mit ihren Ideen und Meinungen ernst genommen werden. Schule kann nur in einem guten Miteinander aller Beteiligten funktionieren.

Ein besonderer Schwerpunkt soll außerdem auf der Beschäftigung mit der Kolonialzeit liegen, da das Wissen hierum notwendig ist, um gegenwärtiges globales Unrecht zu verstehen und dessen Kontinuitäten wie Rassismus und Ausbeutung wirkmächtig bekämpfen und zukünftig überwinden zu können.

Die Bundeswehr hat an Schulen und auf Ausbildungsmessen nichts zu suchen. Die bestehende Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministerium und der Bundeswehr wollen wir aufkündigen. Das unaufgeforderte Zusenden von Werbematerialien der Bundeswehr soll beendet werden.

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3.3.4.3 Schulalltag im Interesse der Schüler*innen gestalten

Im Bereich der kulturellen Bildung werden wir die Streichungen in der Stundentafel zurücknehmen und insbesondere Ethik‑, Musik‑, Kunst‑, aber auch Sportunterricht wieder vollumfänglich erteilen. Gleichzeitig werden wir in diesen Unterrichtsfächern die Benotung abschaffen. Perspektivisch wollen wir neben den Schulnoten auch Worturteile und Lernentwicklungsberichte etablieren, um die Aussagekraft im Hinblick auf den Lernfortschritt zu erhöhen.

Die Kopfnoten werden wir abschaffen, da sich die Persönlichkeit von Schüler*innen nicht mit einer kaum objektivierbaren Zahl ausdrücken lässt. Ebenso werden wir die Abschaffung von Hausaufgaben forcieren, da Studien eindeutig belegen, dass diese keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistungsentwicklung von Schüler*innen haben. Damit alle Schüler*innen die gleichen Chancen haben, soll der Unterricht in Ganztagsschulen unter professioneller Betreuung vor- und nachbereitet werden. So ermöglichen wir den Kindern die Trennung zwischen Schulalltag und Freizeit.

Wir sorgen dafür, dass alle Schulen flächendeckend und dauerhaft mit Schulsozialarbeiter*innen versorgt werden. Dabei werden wir dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit zwischen Schulen und der offenen Jugendarbeit ausgebaut wird. Der schulpsychologische Dienst muss ausgebaut werden. Zusätzlich setzen wir uns für ein Anti-Mobbing-Programm ein. Um die Lehrkräfte effektiv zu entlasten, fordern wir den Einsatz von Schulkrankenschwestern und ‑pflegern sowie Verwaltungsassistent*innen und technischem Personal in Form von hauptberuflichen IT- Verantwortlichen zur Unterstützung der Digitalisierung an den Schulen. Dazu braucht es ebenfalls eine flächendeckende Versorgung mit WLAN an allen Schulen und den Einsatz von Medienpädagog*innen.

Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Zweitsprache müssen an jeder Schule gefördert werden können, um eine Konzentration an einzelnen Standorten zu verhindern. Nur so kann Integration gelingen. Wir wollen ein Programm „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ) zur Aus- und Weiterbildung für alle Lehrer*innen an allen Schultypen auflegen.

In den Schulen sollen alle Formen von Rassismus stärker als bisher thematisiert werden, um Kinder und Jugendliche immun gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu machen. Dazu gehört es, den Unterrichtsstoff und alle Lehr- und Lernmaterialien auf diskriminierende und ausgrenzende Inhalte zu überprüfen. In interkulturellen Projekten sollen Kinder und Jugendliche lernen, dass Menschen aus allen Ländern und Kulturen wichtige Beiträge zur Entwicklung der Menschheit geleistet haben.

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3.3.4.4 Für das Leben lernen

Die Lehrpläne müssen an die Erfordernisse unserer Zeit angepasst werden. Neben einem soliden Basiswissen benötigen Schüler*innen vor allem analytische Fähigkeiten und Kompetenzen wie Sozialkompetenz, Selbständigkeit, Selbstbewusstsein und einen sicheren Umgang mit Medien, um gut auf das Leben im digitalen Zeitalter vorbereitet zu sein. Dazu gehört der Erwerb von Medienkompetenz wie auch eine Aufwertung geschlechtersensibler Bildung für Akzeptanz.

Politische Bildung ist in Sachsen im Bundesländervergleich unterdurchschnittlich vertreten. Wir werden den Anteil und den Stellenwert politischer Bildung erhöhen. Anhand aktueller kommunal- und landespolitischer Themen soll das Bewusstsein für kommunale Mitbestimmung geschärft werden. Der Besuch einer Holocaustgedenkstätte soll in den Lehrplan aufgenommen und im Unterricht vor- und nachbereitet werden. Fahrten zu Gedenkstätten, Museen, Parlamenten etc. müssen für alle Schüler*innen kostenfrei zugänglich sein. Wir werden den Fachbereich Bildung für nachhaltige Entwicklung verbindlich in die Lehrpläne schreiben. Themen wie Klimaschutz sollen auch ganz praktisch Einzug in die Schule halten durch Ernährungsbildung, Schulküchen und ‑gärten.

Den konfessionellen Religionsunterricht werden wir durch einen überkonfessionellen Ethikunterricht für alle Schüler*innen ersetzen.

Wir streben zudem eine Erweiterung des praktischen Unterrichts in den Schulen an, um bei den Schüler*innen das Interesse am Handwerk zu wecken.

Wir werden die Umweltbildung u. a. im Nationalpark Sächsische Schweiz, im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft sowie in den Naturparken Erzgebirge/Vogtland, Dübener Heide und Zittauer Gebirge durch entsprechende Programme für Schulklassen fördern.

Wir wollen bilinguale Schulkonzepte erhalten und ausbauen, da sie eine wichtige Maßnahme zur Erhöhung der sprachlichen und interkulturellen Kompetenz von Schüler*innen darstellen.

Sorbische Schulen werden wir erhalten und fördern. Wir wollen die Beschulung nach dem 2plus-Konzept, also dem Erlernen von Sorbisch und Deutsch plus weiterer Sprachen, ausbauen. Ziel ist dabei eine vertiefte Differenzierung auf Grundlage der bestehenden Sprachkenntnisse der Schüler*innen (z. B. Muttersprachler*innen, Witaj-Kinder).

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3.3.4.5 Schule als Arbeitsplatz – Interessen der Lehrkräfte in den Fokus nehmen

Die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte hat enorm zugenommen. Die Unterrichtsverpflichtung wurde in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich erhöht. Wir werden Lehrkräfte wieder in die Lage versetzen, ihrer Aufgabe von Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, der Begleitung und Förderung von Kindern und Jugendlichen und der Zusammenarbeit mit Eltern umfassend nachkommen zu können.

Wir wollen die pädagogische Ausbildung reformieren und eine Verzahnung von theoretischer und praktischer Ausbildung, von Fachwissenschaft und Pädagogik, Didaktik und Methodik über die gesamte Dauer der Ausbildung herbeiführen. Inklusion, Integration, Heterogenität, Digitalisierung – all dies muss mehr Berücksichtigung in der Lehrer*innenausbildung finden. Wir wollen eine gemeinsame Ausbildung von Lehrer*innen mit einer Spezialisierung für unterschiedliche Schulstufen. Diese sorgt für eine universelle Einsetzbarkeit der Lehrkräfte an allen Schultypen.

Wir werden dafür die Wiederbegründung von Pädagogischen Hochschulen als Orte der pädagogischen Ausbildung für Lehr- und Erziehungskräfte in Angriff nehmen. Bestehende erziehungswissenschaftliche Einrichtungen des Freistaates werden wir in diese Hochschulen integrieren.

Wer die erste Staatsprüfung erfolgreich absolviert hat, muss einen Rechtsanspruch auf den unverzüglichen Beginn der zweiten Phase der Ausbildung haben. Dazu braucht es ein langfristig angelegtes Personalentwicklungskonzept des Landes, das Perspektiven und Chancen im sächsischen Schulwesen bietet. Ein solches integriertes Personalentwicklungskonzept werden wir in der kommenden Legislaturperiode vorlegen. Den Irrweg der Lehrer*innenverbeamtung werden wir zurücknehmen: Mit uns wird es keine Verlängerung dieser Maßnahme über das Jahr 2023 hinaus geben. Wir setzen uns für eine Aufhebung der ungleichen und ungerechten Bezahlung ein.

Die gegenwärtige, pädagogisch nicht zu rechtfertigende Praxis, dass etwa Lehrkräfte an Gymnasien eine niedrigere Unterrichtsverpflichtung haben als an allen anderen Schultypen, ist abzuschaffen. Die Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte müssen ausgebaut und gleichzeitig Anreize für deren Wahrnehmung gesetzt werden.

Wir wollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, um allen Lehrkräften Altersteilzeit zu ermöglichen.

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3.3.5. Berufliche Bildung

Die Berufsausbildung im dualen System soll in Sachsen der Regelfall bleiben. Die duale Ausbildung muss inhaltlich in breit aufgestellten Berufsschulen und Berufsschulzentren, die den Bedarf der Region abdecken können, stattfinden. Vor allem im ländlichen Raum werden wir aufgrund der negativen demografischen Entwicklung den Bestand an staatlichen Berufsschulzentren (BSZ) bedarfsgerecht erhalten, um Jugendlichen kurze Schulwege zu ermöglichen und den Fachkräftebedarf in jeder Region abzusichern. Voraussetzung dafür ist eine Prognose für den künftigen Fachkräftebedarf, die im Zusammenwirken zwischen den Landkreisen als Schulträger, dem Landesamt für Schule und Bildung, der Bundesagentur für Arbeit, den Wirtschafts- und Sozialverbänden und dem DGB zu erstellen ist. Bei der Planung der Berufsschulstrukturen sind insbesondere Handwerkskammern, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und weitere Fachverbände hinzuzuziehen.

Um einen erfolgreichen Übergang von der Schule in die Berufsausbildung zu erleichtern, werden wir als Orientierungshilfe bereits ab Klasse 5 unterschiedliche Berufsfelder darstellen. Zeitlich begrenzte Berufspraktika ab Klasse 7 sollen Jugendliche auch für neue, jenseits überlieferter Geschlechter- und Rollenbilder etablierte oder weniger bekannte, Berufsbilder gewinnen. Wir streben zudem eine Erweiterung des praktischen und polytechnischen Unterrichts in den Schulen an, um bei den Schüler*innen das Interesse am Handwerk zu wecken.

Um allen den Abschluss einer Berufsausbildung zu ermöglichen, muss die Förderung der beruflichen Erstausbildung durch die Bundesagentur für Arbeit über das 25. Lebensjahr hinaus ermöglicht werden. Wir setzen uns für eine Qualifizierung der Abiturausbildung jenseits des Gymnasiums ein. Wir wollen die Möglichkeit, eine Berufsausbildung mit Abitur zu erlangen, erleichtern. Gerade für den Bereich von Technik und Naturwissenschaften kann dies eine qualitative Entwicklung bedeuten, die den Übergang in die Berufspraxis und den Übergang zu einem späteren Hochschulstudium vereinfacht.

Wir fordern eine gebührenfreie Berufsausbildung, die nur durch die finanzielle Gleichstellung von privaten und staatlichen Schulen zu erreichen ist. Auch für Azubis setzen wir uns für eine elternunabhängige, den Bedarf deckende Grundsicherung ein, deren Höhe gewährleistet, dass niemand weniger als 1.050 Euro im Monat zum Leben hat. Gebührenfreiheit schließt für uns selbstverständlich auch ein kostenfreies Mobilitätsticket für alle Auszubildenden im Freistaat Sachsen ein. Die Berufsberatung muss weiter ausgebaut werden, insbesondere auch für den zweiten Bildungsweg. Dieser muss mit umfangreichen Maßnahmen weiter gefördert werden. Wir setzen uns für einen umfangreichen Ausbau der politischen Bildung an allen Berufsschulen ein.

Auch für die Berufsausbildung werden wir ein inklusives Ausbildungssystem etablieren, in dem kein Mensch zurückgelassen wird. Dafür sind an den Berufsschulen die räumlichen und personellen Bedingungen zu schaffen. Das arbeitsmarktpolitische Instrument der assistierten Ausbildung unterstützt Arbeitgeber*innen bei der Ausbildung und ermöglicht auch Jugendlichen mit Behinderung, Benachteiligung und Lernschwierigkeiten, eine vollwertige duale Ausbildung wahrzunehmen. Dieses Instrument werden wir in Sachsen stärker bewerben und umsetzen.

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3.3.6. Hochschulpolitik

Wesentlicher Bestandteil einer linken Hochschulpolitik ist der Widerstand gegen den fortschreitenden neoliberalen Umbau der Hochschulen. Dem wirtschaftsliberalen Konzept einer marktförmigen unternehmerischen Hochschule setzen wir unsere Vision von offenen, freien, vielfältigen und demokratischeren Hochschulen entgegen.

3.3.6.1 Für die offenen Hochschulen

Hochschulen müssen für alle zugänglich sein. Studieninteressierte sollen unabhängig ihrer sozialen Herkunft, ihres Geschlechts oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen den gleichberechtigten Zugang zum Studium erhalten. Für die Aufnahme eines Studiums für Studierende aus dem Ausland muss es flexible Regelungsmöglichkeiten geben. Auch der Zugang zur Hochschule über den zweiten Bildungsweg muss gestärkt werden. Schulische und berufliche Bildung soll beim Hochschulzugang als gleichwertig anerkannt werden. Für Menschen ohne Abitur wollen wir den Hochschulzugang erleichtern. Berufliche Weiterbildungsangebote wollen wir ausbauen und gebührenfrei stellen. Die Abiturnote oder das Ergebnis von Eignungsfeststellungsprüfungen sollen nicht mehr entscheidend für die Aufnahme eines Studiums sein. Langfristig wollen wir den Numerus Clausus abschaffen.

Durch die Einführung eines Orientierungsstudiums wollen wir die Studienabbruchs- und Studienwechselquoten senken. Ein zweisemestriges Orientierungsstudium soll Studierenden ermöglichen, einen Einblick in das Fach zu erhalten, sich grundsätzlich mit der Materie vertraut zu machen und ihnen einen Raum geben, in dem Fehler und Ausprobieren erlaubt sind. Wir fördern den Ausbau der Studienplätze für Masterstudiengänge. Jede*r Bachelorabsolvent*in muss die Möglichkeit haben, einen Masterabschluss erwerben zu können. Im Bachelor-/Mastersystem soll der Master zum Regelabschluss werden.

Neben restriktiven Zulassungsbeschränkungen verschärfen Studiengebühren die soziale Auslese an den Hochschulen. Wir schaffen alle Studien- und Verwaltungsgebühren ab. Der Zugang zu Bildung ist ein Menschenrecht und darf sich nicht nach dem persönlichen Einkommen oder dem der Eltern richten. Die finanziellen Probleme der Hochschulen dürfen nicht auf den Schultern der Studierenden lasten. Es ist Aufgabe des Staates, die Hochschulfinanzierung ausreichend sicherzustellen. Wir wollen Studierende auch im Bereich der ausbildungsbedingten Ausgaben für das Studium unterstützen.

Wir werden uns für eine elternunabhängige, bedarfsdeckende finanzielle Grundsicherung für alle Studierenden in Höhe von mindestens 1.050 Euro einsetzen, die weder an die Regelstudienzeit noch an andere Einschränkungen gebunden ist.

Wir führen ein studentisches Mobilitätsticket für alle Studierenden der sächsischen Hochschulen ein. Die staatlichen Zuschüsse an die Studierendenwerke müssen an deren Bedarf angepasst werden. Vor allem bei der Schaffung von Wohnheimplätzen und dem Ausbau der psychosozialen Beratungsangebote müssen die Studierendenwerke besser ausgestattet werden. Der steigende Bedarf an finanziellen Mitteln darf nicht über die Erhöhung der Semesterbeiträge auf die Studierenden umgelegt werden.

Die Begleitung und Integration Studierender aus dem Ausland wollen wir stärker unterstützen. Wir wollen, dass sämtliche Praktika und Vorbereitungsdienste, die während des Studiums zu absolvieren sind, mindestens in Höhe des BAföG-Höchstsatzes vergütet werden. Für alle Studierenden im praktischen Jahr, Praktikum und in Referendariaten/Vorbereitungsdiensten werden die Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge übernommen. Es wird eine einheitliche Gewährung von Krankheitstagen geben. Außerdem werden wir die Praxisphasen so gestalten, dass ein angemessener Freiraum für Lehrveranstaltungen und Selbststudium bleibt. Die Bereitstellung von Arbeitskleidung und ‑material sowie Aufbewahrungsmöglichkeiten für Kleidung und persönliche Gegenstände erfolgt kostenfrei.

Das Prinzip des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfungsleistung nach drei erfolglosen Versuchen lehnen wir ab. Wir wollen diese Dreiversuchsregel abschaffen. Wir schaffen die finanziellen Voraussetzungen für inklusive Hochschulen sowohl für Studierende als auch für Beschäftigte. Bei der Inklusion sind alle Dimensionen von Benachteiligungen zu berücksichtigen. Um die soziale Förderung von Studierenden mit Beeinträchtigungen zu gewährleisten und sie zum Beispiel in Fragen des Nachteilsausgleichs zu begleiten, wollen wir an jeder Hochschule Inklusionsbeauftragte mit Rede‑, Antrags- und Stimmrecht in den Gremien etablieren und die für ihre Arbeit nötigen Personal- und Sachmittel sicherstellen. Langfristig regen wir an, die Entscheidung über die entsprechende Form des Nachteilsausgleichs nicht vom jeweiligen Prüfungsamt/Prüfungsausschuss treffen zu lassen, sondern von einer unabhängigen Clearingstelle. Wir schützen das Recht der Studierenden auf informationelle Selbstbestimmung. An allen Hochschulen muss eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Nachweis der Prüfungsunfähigkeit genügen. Herabwürdigende Äußerungen bezogen auf Herkunft, das Geschlecht, die Religion, gesundheitliche Beeinträchtigungen, das Alter oder die sexuelle Identität von Menschen sind nicht zu dulden. Wir werden daher die Möglichkeit zur strikten Sanktionierung von diskriminierenden Äußerungen durch Hochschulangehörige prüfen lassen.

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3.3.6.2 Forschung und Lehre wieder verzahnen

Die Öffnung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes zur getrennten Entwicklung von Lehr- und Forschungsprofessuren und die damit aufgehobene Verbundenheit von Forschung und Lehre werden wir rückgängig machen. Stattdessen soll Lehre eng mit aktuellen Forschungen verknüpft sein. Für die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Lehre wollen wir verpflichtende kostenfreie Weiterbildungen für Dozierende in den Bereichen der Didaktik und der Erwachsenenpädagogik, die auf das Lehrdeputat angerechnet werden. Der Staatsvertrag über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssicherung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen muss in das Hochschulgesetz aufgenommen werden, um den sächsischen Hochschulen Rechtssicherheit zur Akkreditierung von Studiengängen gewährleisten zu können.

Wir lehnen jegliche Form von Forschung ab, die für militärische Zwecke genutzt wird. Wir wollen die Selbstverpflichtung aller sächsischen Hochschulen in Form von Zivilklauseln. Die Bundeswehr darf kein Drittmittelgeber für sächsische Hochschulen sein. Zusätzlich soll durch die Einrichtung einer Ethikkommission für die gesamte Hochschule ein Mitspracherecht bei der Vergabe von Drittmitteln gesichert werden. Hochschulinterne Beauftragte sollen sicherstellen, dass die Annahme von Drittmitteln zwingend transparent gemacht wird. Die dominante Rolle von Drittmitteln und den damit verbundenen personellen und finanziellen Ressourcen zur Einwerbung, welche die Hochschulen bereitstellen müssen, wollen wir mit der Erhöhung der Grundfinanzierung eindämmen. Die Lehrenden müssen entlastet werden. Die Finanzierung von Lehrstühlen, Instituten oder gar ganzen Fakultäten durch Drittmittel von Wirtschaftsunternehmen darf nicht zur Abhängigkeit von diesen Unternehmen führen. Das Land Sachsen muss auch ohne Drittmittelforschung die Entlohnung der Mitarbeiter*innen an den Hochschulen gewährleisten. Die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen) erhalten Promotionsrecht. Die Mittel für die Investitionen an den Hochschulen stocken wir auf, um den riesigen Sanierungsstau endlich zu beheben. Die Hochschulbibliotheken müssen besser ausgestattet werden, damit sie auch aktuelle Herausforderungen – wie die digitalisierte Wissensvermittlung – meistern und allen Mitgliedern der Hochschule die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen können. Der Freistaat Sachsen muss sich auch auf Bundesebene für ein dauerhaftes Engagement in der Grundfinanzierung der Hochschulen einsetzten. Zeitlich begrenzte Initiativen und Pakte schaffen nur Unsicherheit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Es bedarf einer dauerhaften Sicherung der Finanzierung von Studienplätzen.

Die Berufsakademie Sachsen bekommt Hochschulstatus. Vorbild für die Umgestaltung der Berufsakademie Sachsen mit ihren sieben staatlichen Studienakademien in Dresden, Leipzig, Plauen, Glauchau, Breitenbrunn, Riesa und Bautzen ist das Modell der dualen Hochschule wie bspw. im Freistaat Thüringen. Die Umgestaltung muss von staatlicher Seite personell und finanziell auskömmlich ausgestattet werden.

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3.3.6.3 Arbeitsverhältnisse an Hochschulen sozial gerecht gestalten

Wir sagen den prekären Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen den Kampf an. Die Stärkung des Mittelbaus erfolgt über einen Ausbau der Möglichkeiten für eine (wissenschaftliche) Weiterqualifizierung, geregelte Aufstiegschancen und die Etablierung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall. An die Stelle des Lehrstuhlprinzips sollen flache Hierarchien und statusübergreifende kollegiale Zusammenarbeit innerhalb der Institute und Fakultäten (auch „Department-Modell“) treten. Bei Drittmittelverträgen muss die Arbeitsvertragslaufzeit mindestens der Projektlaufzeit entsprechen. Wir setzen uns für die Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zugunsten eines Wissenschaftsqualifizierungsgesetzes ein. Der Mittelbau trägt derzeit zu einem großen Teil die Lehre. Dauerhafte Lehraufgaben sollen über sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse realisiert werden und nicht über Lehraufträge. Es gilt der Grundsatz: Dauerstellen für Daueraufgaben. Zur Verhinderung von prekärer Beschäftigung an den Hochschulen wollen wir die Etablierung von unbefristeten Stellen zu eigenständiger Lehre und Forschung von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen als Lecturer oder Researcher innerhalb eines Departments und neben der Professur.

Den Beamtenstatus bei Neuanstellungen lehnen wir ab. Wir wollen eine Ausweitung der Tarifverträge auf alle Beschäftigten der Hochschule. Darunter zählen auch wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte sowie Lehrbeauftragte. Wir werden die hochschulspezifischen Einschränkungen im Sächsischen Personalvertretungsgesetz für wissenschaftliche und studentische Beschäftigte streichen.

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3.3.6.4 Hochschulen demokratisieren

Zentrales Ziel ist die demokratische Organisation und Selbstverwaltung der Hochschule. Wir wollen eine gleichberechtigte Mitbestimmung aller Mitgliedergruppen einer Hochschule umsetzen – ob Professor*innen, Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen oder technisch-administrative Mitarbeiter*innen. Die Austrittsoption aus der verfassten Studierendenschaft werden wir abschaffen.

Wir fordern die Ausweitung des hochschulpolitischen Mandats der verfassten Studierendenschaft. Die Erweiterung des hochschulpolitischen Mandats ist ein notwendiger Schritt zu einer politisch aktiveren Studierendenschaft. Der Studierendenrat hat die Aufgabe, die „internen” hochschulpolitischen Belange der Studierenden zu bearbeiten, die sich aus der Beziehung zu den anderen Statusgruppen an der Hochschule ergeben. Zusätzlich soll er auch auf gesellschaftliche Entwicklungen mit einer eigenen Position reagieren können, falls diese Entwicklungen Einfluss auf das studentische oder hochschulpolitische Leben haben könnten. Zur besseren Vertretung von studentischen Interessen auch in der Leitungsebene der Hochschulen, wollen wir eine*n studentische*n Prorektor*in einführen. Studierende sollen auch an der inhaltlichen Ausrichtung in Forschung und Lehre beteiligt werden. Wir wollen die Möglichkeiten für Studierende schaffen, eigenständig und selbstverwaltet bspw. Tutorien für ihre Kommiliton*innen anbieten zu können. Wir treten für die Verankerung von Promovierendenvertretungen an den Universitäten und von deren Rechten im Landeshochschulgesetz ein. Der Mittelbau benötigt endlich eine gesetzlich verankerte Vertretung. Wir setzen die viertelparitätische Besetzung in Senat und Fakultätsrat um. Wir wollen die Rechte des Senates stärken. Die Kompetenzen, die wesentlich für die Selbstverwaltung der Hochschulen sind, werden wieder dem Senat übertragen. Die Hochschulräte werden wir wieder abschaffen. An die Stelle der Hochschulräte treten Hochschulkuratorien. Diese sollen die Brücke zwischen Stadtgesellschaft und Hochschule herstellen und deren lokale Vernetzung stärken. Der oder die Kanzler*in wird vom Senat gewählt. Für eine umfassende Transparenz aller Gremien ist es erforderlich, interne Termine, Tagesordnungspunkte und Protokolle an zentraler Stelle zu veröffentlichen. Eine Nicht-Veröffentlichung darf nur mit spezieller Begründung stattfinden. Für Studierende, die sich neben dem Studium in Hochschulgremien engagieren, fordern wir eine Aufwandsentschädigung.

Wir wollen die zentrale Steuerung der Hochschulen durch die Staatsregierung demokratisieren. Zukünftig soll der Hochschulentwicklungsplan durch den Landtag beschlossen und Zielvereinbarungen zwischen Ministerium und Rektor*in nicht nur gelockert, sondern auch durch den Senat bestätigt werden. Wir sorgen dafür, dass die Zielvereinbarungen mit den jeweiligen Hochschulen auf Augenhöhe erstellt werden. Der Hochschulentwicklungsplan muss vom Landtag beschlossen werden.

Statt der Regelung der Lehramtsausbildung allein auf Verordnungsebene wollen wir ein Lehrer*innenbildungsgesetz verabschieden, um die Gestaltung des Lehramtsstudiums transparent und parlamentarisch begleitet umsetzen zu können. Forschung, Lehre und Studium wollen wir über ein bedarfsgerechtes, kostenfreies Bildungs- und Betreuungsangebot, flexible Arbeitszeitmodelle und eine flächendeckende Möglichkeit zum Teilzeitstudium familienfreundlich organisieren. Eine aktive Gleichstellungspolitik ist auch in der Hochschule notwendig. Wir wollen das Geschlechterverhältnis in allen Hochschulbereichen ausgleichen. Wir wollen die Kompetenzen und Ressourcen der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ausweiten. Weiterhin ist das Ziel die geschlechterparitätische Besetzung der Mitgliedsgruppen in allen Hochschulgremien, mindestens aber im (erweiterten) Senat. Ebenso sollte das Rektorat geschlechterparitätisch besetzt sein.

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3.3.6.5 Hochschule in gesellschaftlicher Verantwortung

Hochschulen sollen Orte kritischer Reflexion und Infragestellung des Status quo sein. Sie produzieren nicht nur verwertbare Leistungen, sondern strahlen auch in die Gesellschaft zurück. Über die Ausrichtung an den Interessen der Wirtschaft wird ihnen ihr kritisches Potential genommen. Über eine Befreiung von der Abhängigkeit von Drittmitteln mittels einer auskömmlichen Grundfinanzierung und die Beschränkung der privatwirtschaftlichen Betätigung der Hochschulen sollen ihre Ziele gesellschaftliche sein. Es sollen Freiräume für kritische Theorie und Praxis an den Hochschulen geschaffen werden und eine Auseinandersetzung über gesellschaftliche Gegenentwürfe und Strategien ihrer Umsetzung stattfinden, sodass ein Raum für die Entwicklung gesellschaftlicher Utopien und Zeit für kritisches Hinterfragen geschaffen wird.

Der wissenschaftliche Fortschritt und eine lebendige Forschungskultur leben nicht zuletzt vom wissenschaftlichen Austausch. Dazu gehört, dass Professor*innen, Doktorand*innen, Studierende und andere Mitglieder des Wissenschaftsbetriebs die Ergebnisse ihrer Arbeit frei veröffentlichen können. Aber auch, dass diese Veröffentlichungen dann möglichst leicht verfügbar und zugänglich sind. Ohne Open Access wird der wissenschaftliche Informationsfluss künstlich verknappt. Der freie und ungehinderte Zugang zu Forschungsergebnissen ist die Voraussetzung dafür, dass Informationen sich zu Wissen verdichten können. Wir setzen uns dafür ein, eine umfassende Open-Access-Förderstrategie zu entwickeln. Dazu gehört ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht, das im Sächsischen Hochschulgesetz verankert werden soll. Die Ergebnisse von Forschungsleistungen – Forschungsdaten und, soweit möglich, Softwarecodes -, die in Sachsen überwiegend durch öffentliche Mittel finanziert wurden, sollen zwingend als Open-Access-Publikation erscheinen. An den Hochschulen entwickelte Lerninhalte sollen ebenso nach Möglichkeit entsprechend veröffentlicht werden. Nur so kann es gelingen, dass Wissenschaft auch für die Gesellschaft verfügbar und nachvollziehbar wird.

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3.3.7. Erwachsenenbildung

In einer sich rasch ändernden Gesellschaft ist lebensbegleitendes Lernen unabdingbar. Jede Person hat das Recht, die zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, zur Mitgestaltung von Gesellschaft und Demokratie sowie zur Wahl und Ausübung des Berufs erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen zu erwerben. Wir werden die dafür notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit jeder in Sachsen lebende Mensch dieses Recht umsetzen kann.

Weiterbildung ist nicht nur als berufliche Weiterbildung auszugestalten, sondern auch im kulturellen und politischen Bereich unabdingbar. Sie gewinnt für die Gestaltung eines demokratisch organisierten Allgemeinwesens zunehmend an Bedeutung und ist in besonderer Weise für ehrenamtlich Engagierte zu fördern. Der Ausbau der politischen Weiterbildung und die Förderung demokratischen Engagements sind für uns eine wichtige Antwort auf das Erstarken rassistischer und rückwärtsgewandter Kräfte. Für die wissenschaftliche Weiterbildung werden wir die Hochschulen zunehmend in die Verantwortung nehmen, um stärker als bisher aktuelles Wissen zu vermitteln und die Gesellschaft auf einen insgesamt hohen Bildungsstand zu heben.

Die Volkshochschulen und andere anerkannte Träger*innen der Weiterbildung haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine bedarfsgerechte Grundförderung, um die Erwachsenenbildung flächendeckend, aufsuchend, inklusiv und leistungsfähig auszubauen. Wir werden die Absicherung des Förderauftrages entsprechend der sächsischen Weiterbildungskonzeption durch eine gesetzliche Grundförderung von mindestens 14 Millionen Euro pro Jahr mit zweijähriger Dynamisierung sicherstellen. Wir wollen den Erhalt der Volkshochschulen und den umfassenden Ausbau der kommunalen Präsenz in ganz Sachsen erreichen. Für die VHS-Kursleiter*innen sind rechtlich abgesicherte und angemessen vergütete Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen. Die Volkshochschulen und andere anerkannte Träger der Weiterbildung werden durch uns das Recht erhalten, staatliche Prüfungen zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen durchzuführen.

Wir unterstützen die Einrichtung einer Schule für sorbische Sprache und Kultur in der zweisprachigen Oberlausitz als eigenständige Institution, um allen Bewohner*innen der Lausitz Wissen über Sprache, Geschichte und Kultur der slawischen Minderheit zu vermitteln.

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3.3.8. Kultur

Sachsen verfügt über eine bunte Kulturlandschaft. Sie ist vielfältig und reichhaltig, sie wirkt ressortübergreifend und lässt sich darum nicht von anderen Bereichen wie Bildung, Wirtschaft oder dem Sozialen abgrenzen. Kultur stärkt die soziale Kompetenz des und der Einzelnen und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Eine vielfältige Kulturlandschaft erhöht die Lebensqualität aller und stellt gleichzeitig einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in unserem Freistaat dar. Insbesondere für ländliche Regionen können Kunst und Kultur ein probates Mittel sein, der Abwanderung entgegen zu wirken und die Wirtschaft sowie den Tourismus zu stärken. Es besteht die Gefahr, dass der Kulturkampf von rechts und die Auseinandersetzung um die Freiheit der Kunst und Kultur die nächsten Jahre prägen werden.

In Sachsen gehört jedes 16. Unternehmen zur Kultur- und Kreativraumwirtschaft. Auch wenn sich Sachsen rühmt, die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben im Bereich von Kunst und Kultur zu haben, kann die Mehrzahl der Kunst- und Kulturschaffenden jedoch kaum davon leben. Das durchschnittliche Einkommen in der Kultur- und Kreativwirtschaft beträgt bei den Männern 1.121 € und bei den Frauen* 908 € im Monat (Kulturwirtschaftsbericht 2018).

Diesen Umstand wollen wir beenden. Wir werden die Kommunen und Kulturräume so ausstatten, dass es ihnen möglich ist, die reichhaltige Kunst- und Kulturlandschaft in Sachsen zu erhalten, weiterzuentwickeln und auskömmlich zu finanzieren. Wir wollen, dass alle Menschen in Sachsen am kulturellen Leben teilhaben können und die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln kein Problem mehr darstellt. Wir wollen finanzielle Barrieren genauso abbauen wie Barrieren im Bereich der Infrastruktur. Wir schaffen einen inklusiven Zugang zu Kunst und Kultur, damit jede und jeder sich lebenslang nicht nur kulturell bilden, sondern auch an gesellschaftlichen Entwicklungen, Impulsen und Diskussionen teilhaben kann.

Wir wollen ein landesweites Entwicklungskonzept für Kunst und Kultur erstellen und uns auch weiterhin für eine verbesserte finanzielle Ausstattung der Kommunen stark machen. Wir werden die Kulturraummittel dynamisieren, um Tariferhöhungen und allgemeine Preissteigerungen abbilden zu können sowie Haustarifverträge in den Theatern und Orchestern abschaffen. Wir wollen Honoraruntergrenzen für Kulturschaffende in allen Sparten festlegen und der Privatisierung öffentlicher Kultureinrichtungen entschieden entgegentreten. Um die Erreichbarkeit von kulturellen Angeboten und Veranstaltungen zu gewährleisten, muss der ÖPNV insbesondere im ländlichen Raum ausgebaut werden. Außerdem wollen wir die Teilhabe an kulturellen Angeboten. Die musische Erziehung in den Schulen muss weiter unterstützt werden. Eltern müssen bei der Finanzierung des Musikunterrichts ihrer Kinder finanziell entlastet werden. Wir wollen Jugendkunstschulen erhalten und fördern, um Kindern und Jugendlichen künstlerisch-experimentelle Freiräume zu eröffnen, in denen sie Erfahrungen bei Kunstschaffenden sammeln können.

Musikschulen wollen wir in der Fläche erhalten und fördern. Dabei werden wir den Fokus auch auf die Arbeitsbedingungen der Musiklehrer*innen legen. Noch immer bekommen Honorarlehrkräfte an den öffentlichen Musikschulen, die ca. 75% der Beschäftigten stellen, im Verhältnis zu den Tariflöhnen für Festangestellte weit niedrigere Honorare für dieselbe Tätigkeit. Wir wollen erreichen, dass die Honorarsätze erhöht werden und dabei die Tariflöhne als Orientierung dienen. Festangestellte Musiklehrer*innen an Musikschulen sollen Tariflohn erhalten. 

Kulturelle Bildung verstehen wir nicht nur als Bestandteil der Schulbildung oder der Ausbildung in musischen Fächern, sie gehört für uns zum lebenslangen Lernen. Sie findet auch an Orten statt, die der Freizeitgestaltung, Erholung und der Aneignung von allgemeinem und kulturellem Wissen dienen, wie etwa Bibliotheken, Museen, Ausstellungen.

Wir wollen Vielfalt der Akteurinnen und Akteure in der Kultur erhalten und das Spektrum der Fördermöglichkeiten erweitern. Es geht dabei nicht allein um finanzielle Unterstützung – manchmal benötigen Menschen, die ein Projekt realisieren wollen, einfach nur eine geeignete Räumlichkeit. Deshalb wollen wir, neben der finanziellen Absicherung durch institutionelle oder projektbezogene Förderung, z. B. verstärkt landeseigene und kommunale Liegenschaften und Gebäude, die keiner Verwendung unterliegen, umwidmen und über (Zwischen-) Nutzungsverträge kulturellen und künstlerischen Initiativen zur Verfügung stellen. Dafür werden wir den Kommunen die notwendigen Landesmittel zur Verfügung stellen. Wir setzen zudem auf Synergieeffekte durch eine stärkere Vernetzung der Kultureinrichtungen des Landes, ganz gleich, ob es sich um kommunale, staatliche oder Einrichtungen in freier Trägerschaft handelt. Wir wollen die Rahmenbedingungen verbessern, die es den Einrichtungen erlaubt, nicht nur zu kooperieren, sondern etwa auch Ressourcen gemeinsam zu nutzen.

Wir wollen die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen finanziell so ausstatten – nicht zuletzt durch Erhöhung des Stiftungskapitals – dass sie den erhöhten Anforderungen angesichts einer sich ausweitenden Kunst- und Kulturszene in Sachsen sowie den gestiegenen Sach- und Personalkosten gerecht zu werden vermag.

Wir wollen die Erfassung der Industriedenkmäler vorantreiben und uns um ihren Erhalt kümmern. Nach behutsamer Sanierung sollen diese insbesondere zur Nutzung durch Kreative und Künstler*innen zur Verfügung stehen. Wir wollen, dass Kommunen ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen und über das Land die entsprechenden Mittel für diese Maßnahmen erhalten. Wir werden eine Landesgesellschaft Industriedenkmäler gründen, welche sich um die städtebaulich prägende Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts kümmert. Diese Denkmäler sind jedoch nicht von den industriellen Bedingungen der damaligen Zeit losgelöst zu betrachten. Stattdessen sind sie bis heute hervorragende Orte, um den Kolonialismus, seine Wirkmechanismen und Machtstrukturen lokalhistorisch nachvollziehen zu können und bieten sich damit auch als besondere Lernorte an. Daher wollen wir das Mandat der Landesgesellschaft Industriedenkmäler auch als bildungspolitisches Mandat verstanden wissen.

Wir setzen uns für die vereinfachte Restitution von Sammlungsobjekten aus kolonialen Kontexten ein. Wir verstehen diese aber nicht als bloßen Prozess der Rückgabe von Objekten, sondern sehen darin die Möglichkeit, eine neue, hierarchiefreie Beziehung zwischen vormals kolonisierenden und kolonisierten Gesellschaften zu begründen. Hierfür setzen wir uns für die Digitalisierung und Veröffentlichung der Bestände der Staatlichen Kunstsammlung Dresden (SKD) und der Staatlichen Ethnologischen Sammlung (SES) ein, damit die mit der Restitution verbundene Provenienzforschung auch für nicht-akademische Interessierte aus dem In- und Ausland offensteht.

Wir werden ferner eine gesellschaftliche Diskussion über eine Beweislastumkehr in Fragen von zurückzugebenden ethnographischen Objekten aus kolonialen Kontexten, die für uns immer gewaltvoll waren, anstreben.

Im Fall von menschlichen Überresten in den Sammlungen der SKD und der SES werden wir schon jetzt für eine Beweislastumkehr eintreten, um diese mit dem Umweg über die Rehumanisierung schnellstmöglich an die Gesellschaften zurückgeben, von denen sie im 19. Jahrhundert für die Rassenforschung geraubt wurden.

Wir wollen Atelierbeauftragte einsetzen, die Künstler*innen, Kunst- und Kreativschaffende bei der Suche nach geeigneten Industrieobjekten unterstützen und behilflich sind, dauerhafte Nutzungen sicherzustellen.

Wir werden eine Feiertagsreform im Freistaat Sachsen durchführen. Dazu werden wir den Buß- und Bettag abschaffen und einen Familienfeiertag um den Weltkindertag einführen. Die Einführung weiterer Feiertage wie dem Internationalen Frauen*tag am 8. März werden wir prüfen. Der 8. Mai soll als Gedenktag an die Befreiung vom deutschen Faschismus und die Beendigung des zweiten Weltkrieges in Europa erinnern. Im Bewusstsein um den 70. Jahrestag des Beginns des faschistischen Krieges am 1. September wollen wir das Gedenken zum Weltfriedenstag/Anti-Kriegstag lebendig halten und unterstützen.

Wir werden die bedarfsgerechte Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk und anderer sorbischer Organisationen sicherstellen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass das Finanzierungsabkommen zwischen dem Freistaat, dem Bund und dem Land Brandenburg unbefristet gilt und mit dem notwendigen Inflationsausgleich abgeschlossen wird. Langfristig streben wir die Umstrukturierung von einer Zuwendungs- zu einer Kapitalstiftung an, ohne dabei die grundsätzlichen Förderpflichten des Bundes und der Länder Sachsen und Brandenburg aufzulösen. Im Sächsischen Landtag werden wir auf die Novellierung des Sorbengesetzes hinwirken.

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3.3.9. Sport

Für uns ist Sport ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Er fördert soziale Kontakte, Gesundheit und kann Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters zusammenführen. Wir wollen unabhängig vom Einkommen sportliche Betätigungsmöglichkeiten für alle schaffen bzw. erhalten. Insbesondere für Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem Einkommen werden wir die Betätigung in Sportvereinen erleichtern. Die bisher für Neubau und Modernisierung von Sportstätten vom Freistaat bereitgestellten finanziellen Mittel reichen bei Weitem nicht aus, um den Investitionsstau spürbar zu verringern. Wir werden deshalb die in den Landeshaushalt eingestellten Investitionsmittel langfristig sicherstellen, um Planungssicherheit zu ermöglichen.

Unsere Sportpolitik orientiert sich an den Sportwünschen breiter, aber unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. Sie wird sich nicht für die Partikularinteressen einzelner Sportverbände instrumentalisieren lassen, sondern hat Interessenkonflikte auszugleichen.

Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass alle Menschen im Land Möglichkeiten für sportliche Betätigung erhalten, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem sozialen Status, von Nationalität und Geschlecht oder Alter, Einkommen und Region.

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3.3.9.1 Sportpolitik im Spannungsfeld von Breiten- und Leistungssport

Freizeit- und Breitensport, Leistungssport und Nachwuchsförderung werden wir gleichermaßen unterstützen. In der kommunalen Sportförderung aber haben der Breitensport und der Sport im gemeinnützigen Verein im Mittelpunkt zu stehen. Wir werden eine bessere Verzahnung von Breiten- und Leistungssport ermöglichen, mit dem Ziel, dass beide voneinander profitieren.

Wir wollen den inklusiven Charakter des Sports stärken und insbesondere dafür Sorge tragen, dass auch Menschen mit Beeinträchtigung sowie Menschen mit Migrationshintergrund teilhaben können. Hierfür werden wir ein Sonderförderprogramm ins Leben rufen, das die Nachteile und Mehraufwendungen gegenüber nicht-beeinträchtigten Menschen ausgleichen soll. Wir wollen integrative Sportangebote, interkulturelle Öffnung und Zugang zum Vereinsleben für Migrant*innen und Geflüchtete verstärken. Dies geht einher mit der Stärkung lokaler Sport,- Kultur- und Bildungsstätten als wesentlicher Teil gemeinschaftlichen Zusammenlebens und Miteinanders.

Sportvereine sind wichtige Partner bei der Gestaltung des Sportlebens in der Kommune, weil sie einen Großteil der Nachwuchs- und ehrenamtlichen Arbeit leisten. Die Förderung des Vereinssports muss deshalb weiterhin ein zentrales Anliegen der Sportpolitik sein, vor allem wenn die Vereine Jugend- und Nachwuchsarbeit als sinnstiftende Freizeitgestaltung leisten oder der Ausweitung von Ganztagsschulangeboten dienen. Wir werden Vereine, die sich dem Behindertensport zugewandt haben, besonders unterstützen. Die Nutzung von Sportstätten soll für Kinder und Jugendliche entgeltfrei sein.

Wir werden eine Spitzensportreform umsetzen, um die Arbeit des Olympiastützpunktes Sachsen auf hohem Niveau zu unterstützen und die Talentförderung in den sächsischen Stützpunkten auch weiterhin auf hohem Niveau zu ermöglichen. Wir setzen uns für den Erhalt aller bestehenden Strukturen ein und unterstützen vor allem die Nachwuchsstützpunkte und die Eliteschulen des Sports.

Der zunehmenden Kommerzialisierung von Sport – die besonders im Fußball zu Tage tritt – wollen wir wirksame Grenzen setzen. Friedliche Fangruppen sollen nicht als Sündenbock dienen. Ihre Kommunikation auf Augenhöhe mit Vereinen und der Polizei wollen wir systematisch fördern.

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3.3.9.2 Ehrenamt und Sportstätten

Die Ausübung des Ehrenamts in den Sportvereinen werden wir angesichts der territorialen Entfernungen in den größeren Landkreisen im Sinne des Gesetzes zur Förderung ehrenamtlichen bürgerschaftlichen Engagements deutlich stärker unterstützen. Insbesondere möchten wir die Qualifizierung der Übungsleiter*innen für die Sportvereine intensiver unterstützen, bspw. durch Freistellungen und finanzielle Förderungen. Bei der Ausbildung der Übungsleiter*innen werden wir einen stärkeren Fokus auf die Bekämpfung von Diskriminierung und antidemokratischem Verhalten legen. Wir sprechen uns für demokratische und solidarische Vereinsstrukturen aus.

Die Bereitstellung und Unterhaltung von Sportstätten ist eine elementare Aufgabe kommunaler Sportpolitik. Für uns haben dabei Sportstätten für den Breitensport Vorrang vor exklusiven Individualsportarten. Wir werden Sportstätten als eine wichtige Rahmenbedingung für den Schulsport sicherstellen und unter bezahlbaren Bedingungen für den Vereinssport zur Verfügung stellen. Wir werden deshalb dafür sorgen, dass das Land die kommunale Ebene angemessen finanziell ausstattet, damit die Kommunen dieser Aufgabe nachkommen können. Sportstätten müssen barrierefrei sein, sowohl für die Sporttreibenden als auch für Besucher*innen. In Bauleitplanungen werden wir die zunehmende Nutzung kommunaler Räume für den Freizeit- und Erholungssport (z. B. Inline-Skate-Bahnen, Radwege im ländlichen Raum, Wanderwege, Freibäder) stärker berücksichtigen.

Die Sportentwicklungsplanung wollen wir als Instrument ausbauen, um den realen Entwicklungsstand des Sports in der Kommune, insbesondere die Differenz zwischen Zustand und Anforderungen an Sportstätten, zu bestimmen. Durch den öffentlichen Dialog mit Bürger*innen über langfristige Vorhaben und Investitionen sowie durch Einbeziehung aller Akteur*innen des Sportgeschehens sind Prioritäten, Ziele und Leitbilder für politische Entscheidungen auszuarbeiten. Unser Ziel ist es, ein integriertes Stützpunkt‑, Standorte- und Sportstättenkonzept zu entwickeln, welches den Anforderungen an das Sportland Sachsen Genüge trägt.

Wir wollen, dass alle Sportarten Frauen* wie Männern in gleichem Maße zugänglich gemacht werden. Auch ist darauf zu achten, dass Sportarten, die bevorzugt von Frauen und Mädchen betrieben werden, ebenso zu fördern sind wie die von Männern und Jungen. Wir treten konsequent gegen jegliche Formen von Homophobie in Sportverbänden und ‑vereinen auf.

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3.3.9.3 Sport in Schule und Gesellschaft im Wandel

Dem Schulsport kommt eine elementare Rolle bei der Gesunderhaltung der Schüler*innen sowie dem Ausgleich des Schulalltags zu. Aus diesem Grunde werden wir die flächendeckende Durchführung des Schulsports sowie die bedarfsgerechte Ausbildung der Sportlehrer*innen gewährleisten. Der klassische Sportunterricht muss reformiert werden. Wir wollen eine Weiterentwicklung hin zu einem täglichen Angebot „Bewegung und Gesundheit“ für alle Kinder erreichen. Den Wettbewerbscharakter des Sportunterrichts ersetzen wir durch differenzierte Bewertung nach Voraussetzungen und Fortschritt. Die Benotung des Sportunterrichts schaffen wir ab. Modelle wie „Bewegte KITA“ und „Bewegte Schule“ sind daher auszubauen und weiterzuentwickeln.

Wir sind ebenso Neuem gegenüber offen und erkennen den Wandel in der Gesellschaft an. Neue Sportarten und Betätigungsformen müssen gleichberechtigt gegenüber den „traditionellen“ Sportarten gefördert werden. Den Wunsch des organisierten E‑Sports nach Anerkennung im DOSB unterstützen wir.

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3.3.10. Medien

Wir leben in einer Zeit, in der sich Printmedien, Rundfunk und Fernsehen immer weiter annähern. Die Nutzung von Medien spielt in allen Bevölkerungsgruppen eine zunehmende Rolle und greift in alle Lebensbereiche ein. Deshalb wollen wir, dass die Alltagsfunktion von Medien sowie ihre Rolle und die Notwendigkeit der Erlangung von Medienkompetenz stärker diskutiert wird: Einerseits, um zu klären, was notwendig ist, um Medienvielfalt und Qualität der Medien sicherzustellen – ebenso aber auch, um ein Bewusstsein zu schaffen für die Rolle der Medien in unserer Gesellschaft, was sie auszeichnet und was sie in einer sich verändernden Medienlandschaft leisten müssen.

Regelmäßig gibt es gesellschaftliche Debatten zu Medien – sei es der Rundfunkbeitrag, die Rolle öffentlicher und privater Anbieter oder auch die Skandale der Sächsischen Landesmedienanstalt. Diese Diskussionen sind politisch in der Form zu begleiten, dass Kritikpunkte wie z. B. Intransparenz aufgenommen werden und aber auch über den Wert von journalistischer Tätigkeit andererseits diskutiert wird. Eine qualitativ hochwertige Medienlandschaft ist nicht kostenfrei zu haben.

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3.3.10.1 Demokratie und Medien – die Stärkung der Rolle von öffentlich–rechtlichen

Medien sind eine wesentliche Säule unserer Demokratie. Presse, Radio und Fernsehen, aber auch die neuen Onlinemedien leisten wesentliche Beiträge zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist dabei eine der wichtigsten Institutionen der öffentlichen Daseinsvorsorge auf kulturellem Gebiet. Ebenso wie öffentliche Theater, Orchester, Museen und andere Kultur- bzw. soziokulturellen Einrichtungen dient er nicht nur einer minimalistischen „Grundversorgung“, sondern hat einen umfassenden Informations‑, Bildungs‑, Beratungs- und Kulturauftrag.

Dazu gehören vollständige, wahrheitsgemäße und der Komplexität des Gegenstands angemessene Informationen und Berichte, ein investigativer politischer Journalismus, aber auch aufwändigere Spielfilmproduktionen, Unterhaltungssendungen und Liveübertragungen von Sportereignissen. Die Verdrängung wichtiger Teile davon in die privaten Medien bzw. hinter Bezahlschranken ist für uns keine Alternative und auch nicht die Zukunft von Medien. Wir wollen deshalb für die öffentlich-rechtlichen das Recht auf kostenlose Kurzberichterstattung von allen gesellschaftlich relevanten Ereignissen, insbesondere auch im Sport, einführen. Weiterhin setzen wir uns auch bei angebotener Unterhaltung für öffentlich-rechtliche Qualitätsmaßstäbe ein, um eine Objektivierung in der Debatte rund um Medien sicherzustellen.

Die neuen Medien sollen dazu genutzt werden, die Informationsvielfalt sowie das kulturelle Angebot auszubauen. Regelungen wie zur Presseähnlichkeit im Internet und unnütze Vorgaben wie die Drei-Stufen-Tests für Telemedienangebote wollen wir abschaffen.

Die Vielfalt des Angebots muss sich auch im Fernsehen zu allen Sendezeiten, wie z. B. am Hauptabend, widerspiegeln. Der exorbitante Anteil von Krimiformaten im ERSTEN und ZWEITEN zur Hauptsendezeit ist zugunsten von mehr Vielfalt zu reduzieren. Kurzfilm, Animationsfilm, Dokumentarfilm wie auch politische Investigation müssen am Hauptabend regelmäßige Sendeplätze haben.

Aufgabe der Sender ist es, in der Gesellschaft eine hohe Akzeptanz anzustreben. Wichtig ist, dass sie möglichst viele der Beitragszahler*innen mehrmals in der Woche mit ihren Angeboten erreichen. Um Qualität zu sichern, sollen sie regelmäßig untersuchen, ob und wie sie ihren gesetzlichen sowie gesellschaftlichen Auftrag erfüllen. Neben der Quotenerfassung, Nutzerbefragungen und Glaubwürdigkeitsbefragungen müssen alle Angebote auch regelmäßig internen sowie externen Qualitätsevaluierungen unterzogen werden, wie auch der Umgang mit den freien Programmmacher*innen sowie Produzent*innen auf den Prüfstand zu stellen ist.

Da Hör- und Sehgewohnheiten insbesondere in der Kindheit gebildet werden, muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine trimedialen Angebote für Kinder stark erweitern.

Öffentlicher-rechtlicher Rundfunk muss für alle Menschen nutzbar sein. Deshalb ist das Angebot von Sendungen mit Untertiteln und Gebärdensprache massiv auszubauen.

Die Transparenz ist auszubauen. Die Darstellungen der Sender sollten miteinander vergleichbar sein. Ombudsstellen sowie Publikumsräte wollen wir zum Standard entwickeln.

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3.3.10.2 Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Wir wollen die solidarische Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beibehalten. Allerdings sollten Gruppen wie z. B. Geringverdiener*innen und Transferleistungsbezieher*innen vom Rundfunkbeitrag befreit werden. Der Nachteilsausgleich der Rundfunkbeitragsbefreiung für Menschen mit Behinderungen ist entsprechend der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag enthaltenen Regelung wieder einzuführen.

Das bisherige Verfahren zur Ermittlung der Höhe des Rundfunkbeitrags garantiert, dass die Finanzierung dem Auftrag folgt. Die Höhe des Rundfunkbeitrags darf nicht durch medienpolitische Erwägungen bestimmt sein. Einen Eingriff in die Programmgestaltung durch Politik darf es nicht geben.

Es ist und bleibt Aufgabe der Medienpolitik, im Besonderen der Landesregierungen und Bundesregierung, Auftrag und Struktur der Sender zu definieren. Wie der Auftrag umgesetzt wird, obliegt den Sendern.

Genauso kann Medienpolitik beschließen, die Sender von Kosten zu entlasten. So könnte man große Beträge einsparen, wenn die Sender z. B. nicht mehr für die Einspeisung ihrer Programme an Kabelnetzbetreiber*innen zahlen müssten sowie die sozialen Befreiungskosten nicht durch die anderen Beitragszahlerinnen und ‑zahler, sondern durch den Staat zu tragen sind. Allein dadurch könnte der Beitrag um ca. 1,30 Euro je Monat sinken.

Der Fokus der Medienpolitik muss größer werden. Medienpolitik muss neben den Rundfunkunternehmen alle Medienmärkte betrachten, über die Unternehmen auf die öffentliche Meinungs- und Willensbildung relevanten Einfluss nehmen (Plattformbetreiber, soziale Netzwerke etc.).

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3.3.10.3 Transparente, staatsferne und zeitgemäße Strukturen im MDR Rundfunkrat

Wir streben eine zeitnahe Novellierung des MDR-Rundfunkstaatsvertrags an. Die Gremien müssen staatsfern zusammengesetzt sein und in ihnen müssen weitere gesellschaftlich relevante Gruppen wie z. B. Behindertenverbände, Verbraucherschutzverbände, NGOs und Minderheiten einen Platz haben. Insbesondere die Rechte des Rundfunkrats sind mit der Novelle auszubauen. Mindestens die Hälfte der Mitglieder in Verwaltungsrat bzw. Rundfunkrat müssen Frauen* sein.

Die Transparenz des Senders ist weiterzuentwickeln.

Die Möglichkeiten des Internets soll der MDR umfassend nutzen können. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht auch in der Verantwortung zur Widerspiegelung tatsächlicher gesellschaftlicher Verhältnisse.

Im Programm des MDR wollen wir deshalb u. a. die Sichtbarkeit von Frauen und LGBTTIQA* erhöhen und die Darstellung stereotyper Rollenbilder mindern.

Um die innere Rundfunkfreiheit zu stärken, sind Redakteursbeiräte einzuführen. Die festen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen über den Personalrat mit vertreten werden können.

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3.3.10.4 Medienaufsicht für privat-kommerzielle Anbieter (SLM) neu strukturieren

In Sachsen gibt es im Bereich der Medienaufsicht für die privat-kommerziellen Anbieter mit der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) eine in Deutschland einmalige Konstruktion. Neben einem starken Medienrat gibt es eine weitgehend machtlose Versammlung sowie einen Geschäftsführer.

Als die aus gesellschaftlichen Gruppen plural zusammengesetzte Versammlung im Frühjahr 2019 bei der Besetzung des Geschäftsführerpostens ihre Eigenständigkeit zeigte, führte das aufgrund der gegenwärtigen Konstruktion und Besetzung der Organe zur Handlungsunfähigkeit der SLM.

Wir werden deshalb innerhalb einer Gesetzesnovelle die Versammlung in ihren Rechten wesentlich aufwerten und weiteren gesellschaftlich relevanten Gruppen einen Platz in dieser zuteilen. Der Medienrat wird aufgelöst.

Wir werden darauf achten, dass die SLM ihren Aufgaben angemessen ausgestattet ist, kritisieren aber den unsachgemäßen Umgang mit Gebührenmitteln in der Vergangenheit.

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3.3.10.5 Freie Radios, lokales Fernsehen, Kinos – Vielfalt erhalten und stärken

Für uns sind nichtkommerzielle Freie Radios und lokale Fernsehprogramme wichtige Bestandteile der Medienlandschaft. Wir wollen sie erhalten und insbesondere nichtkommerzielle Angebote künftig aus Mitteln der Sächsischen Landesmedienanstalt und aus Landesmitteln fördern. In jedem Landkreis sollte es mindestens ein solches nichtkommerzielles trimediales Angebot geben.

Die Medienförderung durch die Mitteldeutsche Medienförderung (MDM) sollte weiter profiliert werden. Die Finanzierung durch den Freistaat ist zu erhöhen. Diese Mittel sollten vor allem dazu dienen, die Profilierung der Region im Bereich des Kinder- und Animationsfilms zu befördern sowie die Entwicklungsförderung auszubauen. Die MDM muss bei der Vergabe darauf achten, dass die Produzentinnen und Produzenten soziale und ökologische Standards bei der Produktion berücksichtigen.

Das Kino muss als Kulturort wesentlich und vor allem in der Fläche gestärkt werden. Wir wollen, dass es in fünf Jahren in jeder Kommune ab 5.000 Einwohner*innen die Möglichkeit gibt, regelmäßig Kinofilme zu sehen.

Allgemein ist der Lokaljournalismus stärker zu fördern. Schließlich leistet dieser einen wesentlichen Beitrag für die öffentliche Meinungs- und Willensbildung und dient damit auch der Demokratie. Wenn Lokaljournalismus wegbricht, gibt es weniger Kontrolle von Politik und Unternehmen vor Ort. Dem ist entgegenzuwirken.

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3.3.10.6 Medien und Bildung – Kritische Mediennutzung für alle!

Medienkompetenz umfasst unterschiedlichste Fähigkeiten: Den kritischen Konsum und zielgerichteten Einsatz von Medien, ihre Weiterentwicklung und die Interaktion mit ihnen, die rechtssichere Schaffung von Medieninhalten sowie Verständnis für ihre algorithmische Zusammenstellung. Orientierung in der Welt elektronischer Medien und der Umgang mit den sich daraus ergebenden Möglichkeiten an Information und Teilhabe, aber auch mit den möglichen Gefahren, gehört zu den Grundvoraussetzungen für Selbstbestimmung und Einmischung in einer demokratischen und digitalisierten Gesellschaft. Damit freie Strukturen des Netzes nicht blindlings angegriffen und zerstört werden, braucht es flächendeckende medienpädagogische Angebote. So können wir Jugendmedienschutz am effektivsten garantieren. „Law and Order“ ist auch hier nicht alternativlos.

Wir werden eine Offensive auf dem Gebiet der Medienbildung starten. Diese soll sich nicht nur an Kinder und Jugendliche, sondern auch an Eltern und Pädagog*innen richten. An die Stelle des Abschirmens vor schädlichen Einflüssen muss mehr und mehr das Erlernen eines selbstbewussten und kompetenten Umgangs mit allen Medieninhalten treten. Wir werden medienpädagogische Projekte an Schulen ausreichend finanzieren. Medienbildung ist für uns Querschnittsaufgabe aller Bildungseinrichtungen, aber auch außerschulischer Bildungsangebote. Medien sollen nicht neben dem pädagogischen Alltag existieren, sondern müssen inhaltlich und methodisch integraler Bestandteil von Unterricht sein. Wir wollen dafür eine Offensive bei der entsprechenden Aus- und Weiterbildung von Pädagog*innen anstrengen und sicherstellen, dass es an allen Schulen Medienpädagog*innen gibt, die mit entsprechenden Konzepten und Methoden neue Technik, aber auch die Nutzung von elektronischen Endgeräten in den Unterrichtsalltag integrieren. Weiterhin sollen sie in den verschiedenen Fächern einen sensiblen und kritischen Umgang mit Medien schulen, insbesondere zur Vermittlung von Kompetenzen in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit.

Voraussetzung für den kompetenten Umgang mit Medien ist der Zugang zum Internet. Deshalb braucht Medienbildung die Überwindung der digitalen Spaltung. Leistungsfähige Netzanschlüsse müssen auch dort vorhanden sein, wo es sich für Telekommunikationskonzerne nicht lohnt. Netzfähige Endgeräte müssen zum Existenzminimum gehören. Schülerinnen und Schüler müssen die Möglichkeit haben, Computer täglich genauso zu verwenden wie Schreibheft und Schulbücher. Dabei kann bspw. mithilfe von Leihgeräten sichergestellt werden, dass in den Bildungseinrichtungen alle am Angebot partizipieren können und der finanzielle Aufwand für Einzelne kein Ausschlusskriterium ist.

Zur Sicherstellung der nötigen Administration und Pflege der IT-Strukturen soll den Bildungseinrichtungen entsprechendes Fachpersonal zur Verfügung stehen. Bildungsmaterialien sollen dabei frei zur Verfügung und der Einsatz nicht-proprietärer Software im Fokus stehen. Aufgabe von Bildung ist es nicht, Wirtschaftsinteressen zu bedienen, wenn statt teurer Lizenzen und Abhängigkeiten von Einzelanbieter*innen auch Open-Source-Lösungen zum Ziel führen.

Zudem muss Medienbildung neben der Schule Eingang finden in die Aus- und Weiterbildung, in Betriebe, öffentliche Bildungseinrichtungen und Hochschulen. Dabei ist schon bei der Entwicklung der Medienbildungsangebote auf die Verzahnung von Technik und Inhalt zu achten.

Wir wollen alle Menschen in Sachsen im selbstbewussten Umgang mit ihren persönlichen Daten und dem Schutz ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung unterstützen. Sie sollen aber auch selbst am Prozess medialer Öffentlichkeit teilhaben können. Klassische Bürgermedien und offene Kanäle, wie beispielsweise Freie Radios, sind Orte, an denen aktive Medienkompetenz erprobt und vermittelt wird. Sie alle sind potenzielle Quellen kritischer Gegenöffentlichkeit. Damit Medienkompetenz alle Altersgruppen erreicht, möchten wir Angebote der Zivilgesellschaft und außerschulische Bildungsangebote fördern und staatliche Akteur*innen, wie bspw. die Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien oder die/den Sächsische*n Datenschutzbeauftragte*n bei dieser Aufgabe angemessen unterstützen.

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3.4. Demokratie, mitbestimmte Politik, Netzpolitik und Verwaltung

3.4.1. Demokratisierung der Demokratie

3.4.1.1 Mehr direkte Demokratie jetzt!

Mitbestimmungsmöglichkeiten und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind für uns ein hohes Gut, welches es unablässig zu wahren und einzufordern gilt. Deswegen machen wir uns für ein neugieriges und weltoffenes Sachsen stark, in dem sich alle Menschen auf verschiedenen Ebenen einbringen und ihre Ideen und Vorstellungen umsetzen können.

Wir wollen, dass wichtige Fragen von landespolitischer Bedeutung breit diskutiert und direkt durch die Menschen entschieden werden. Auf Landesebene wollen wir mehr direkte Demokratie und Mitbestimmungsmöglichkeiten durch Volksentscheide und eine Absenkung des dafür notwendigen Quorums von bisher 450.000 Unterschriften auf 5 Prozent der Wahlbeteiligung zur letzten Landtagswahl durchsetzen. Auch in den Kommunen sollen sich mehr Menschen als bisher einbringen können. Die Senkung der Quoren in Städten und Gemeinden auf fünf Prozent sowie mehr Entscheidungskompetenz kommunaler Interessenvertretungen sind dafür unabdingbar.

Zu oft erschweren bürokratisch aufwändige und hohe Hürden eine direkte Beteiligung und sind für viele ein Hindernis im Vorbringen ihrer Anliegen. Deswegen müssen sich bestehende Strukturen wandeln, im Sinne der Menschen und für eine wirklich partizipative und barrierefreie Demokratie in Sachsen. Dazu gehören u. a. die Reform des Petitionsrechts sowie erweiterte Durchgriffs- und Anhörungsrechte.

Parallel dazu muss Politik selbst erfahrbar(er) für die Menschen werden. Intransparenz, verkomplizierte Abläufe oder mangelnde Beteiligungschancen verhindern das bisher. Wir brauchen einen modernen und transparenten Umgang mit politischer Praxis. So können z. B. Online-Tools zur Übertragung von Debatten oder für Abstimmungen Zugänge erleichtern. Gleiches gilt für eine zwingend notwendige Digitalisierung der Sammlung von Unterschriften für Volksbegehren. Da, wo Menschen politisch aktiv werden wollen, müssen Wege geschaffen werden, dies zu tun und zwar einfach, verständlich und bedarfsgerecht.

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3.4.1.2 Politische Meinungsbildung und zivilgesellschaftliches Engagement stärken!

Der Zusammenhalt aller, Humanität, aber auch die soziale und kulturelle Lebenslage jedes Einzelnen sollen bei Debatten und Entscheidungen im Mittelpunkt stehen. Damit sich dieser Anspruch auch in allen politischen Entscheidungsprozessen widerspiegelt, braucht es eine stärkere Förderung demokratischer Meinungsbildung und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteur*innen.

Kurz: Es braucht eine feste Verankerung und Förderung politischer Bildung in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Viele Menschen sind in Sachsen bereits aktiv und bereichern unsere Gesellschaft durch ihr tägliches Engagement. Erfahrungen und Kompetenzen von Initiativen, Ehrenamtlichen, aber auch Bündnissen und Zusammenschlüssen werden wir deswegen viel stärker in politische Debatten und Entscheidungsprozesse einbeziehen. Ein erster Schritt ist bspw. die Schaffung von offenen Diskussionsforen auf Landes- und kommunaler Ebene.

Wir werden die UN-Kinderrechtskonvention vollständig umsetzen und dafür sorgen, dass Kinder- und Jugendliche endlich an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden. Konkret wollen wir Kinder- bzw. Jugendparlamente und Jugendbeiräte in Städten und Gemeinden einrichten, und kleinteilige, lebensweltnahe und projektbezogene Beteiligungsangebote ausbauen, weil wir überzeugt davon sind, dass politische Bildung und Beteiligung so früh wie möglich beginnen muss – gerade, wenn es darum geht, die Lust auf Politik zu fördern und Kinder- und Jugendliche in ihren Erfahrungen ernst zu nehmen und in ihren Anliegen zu unterstützen. Jungen Menschen muss jedoch auch über diese Gremien hinaus mehr Gehör geschenkt werden, um insbesondere in kleinen Städten die Attraktivität für jüngere Menschen zu erhöhen. Wir halten es dementsprechend für eine gute Überlegung, für Stadt- und Gemeinderäte eine U‑27-Quote (zum Wahltag) zu diskutieren.Die in der Sächsischen Gemeindeordnung als Soll-Bestimmung festgelegten Jugendparlamente sind zwar ein guter erster Schritt, um die Stimmen junger Menschen in den Städten und Gemeinden Sachsens lauter zu machen, jedoch haben diese oft lediglich Rede- und Antragsrechte in den kommunalen Gremien und keine tatsächlichen Kompetenzen. Wir werden uns daher für Jugendbeteiligung in Form von Jugendbeteiligungsforen einsetzen, in welchen in basisdemokratischen Verfahren, offen für alle Jugendlichen, für die Kommune verbindliche Absprachen getroffen werden. Dort können für jugendpolitische Inhalte Forderungen beschlossen werden, aber auch Beratungen für andere Themen vorgenommen werden, sowie Personen zu den Ausschüssen und Sitzungen der Räte entsandt werden. Dabei sind die Jugendlichen und ihre Interessen verpflichtend anzuhören. Die Jugendbeteiligungsforen sollen mit eigenen Budgets ausgestattet werden, über die Jugendliche nach dem Vorbild der Beteiligungshaushalte (wie z. B. aus Porto Alegre bekannt) entscheiden. Zur Sensibilisierung der Teilnehmenden werden Angebote zur politischen Bildung im Allgemeinen, aber auch speziell für die Jugendpolitik geschaffen – hervorzuheben ist dabei die Schaffung des Angebotes an Schulen. Zur Koordinierung und Organisation des Ganzen sollen Kommunen Jugendbeteiligungsbüros errichten, die jederzeit die Jugendlichen in der Organisation unterstützen und beraten.

Auf kommunaler Ebene setzen wir uns für mehr Beteiligung ein und fordern Bürger*innenhaushalte als verbindliches Instrument der lokalen Politik. Gleichfalls müssen unabhängige Bürger*innenbüros und Beschwerdestellen als Scharnier und Anlaufstelle eingerichtet werden. Die Menschen sollen sich ohne Angst vor etwaigen Sanktionen frei und unmittelbar äußern können und Hilfe bekommen. Wir kämpfen für mehr direkte Demokratie, mehr Beteiligung und gleiche Chancen für alle, sich einzubringen. Deswegen setzen wir uns für die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts aller Personen ohne Altersbegrenzung ein.

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3.4.1.3 Demonstrationsrechte stärken anstatt Kriminalisierung

In Sachsen wird antifaschistischer Protest und zivilgesellschaftliches Engagement kriminalisiert und marginalisiert. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit als wichtiges demokratisches Grundrecht muss gewahrt und gewährleistet werden. Demonstrationsrechte müssen gestärkt werden, vor allem stellen wir uns gegen jedwede Kriminalisierung von antirassistischem und antifaschistischem sowie zivilgesellschaftlichem Protest.

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3.4.2. Politik und Verwaltung

3.4.2.1 Entbürokratisierung und Behörde 2.0

Wir kämpfen dafür, dass die Menschen in Sachsen Vertrauen in Politik und Verwaltung zurückgewinnen und in ihren Politiker*innen Ansprechpartner*innen erkennen für ein ehrliches, wertschätzendes Ringen um die Lösung im einzelnen Kleinen bis großen Ganzen – also um das Radverkehrskonzept der Stadt bis zu den gesellschaftlichen Chancen von Migration. Politik muss ermöglichend sein und Alternativen im Sinne eines solidarischen Miteinanders erarbeiten. Eine gleichberechtigte Teilhabe an politischen Prozessen, ein modernes Behörden- und Verwaltungswesen – kurz: ein grundlegender Modernisierungsprozess – sind dabei wesentlich. Trotz vollmundiger Entbürokratisierungsversprechen gedeihen Anträge und Bescheide zu staatlichen Förderprogrammen oder sozialen Sicherungssystemen zu abschreckenden Papiermonstern. Die Kreisgebietsreform sowie die Zusammenlegung von Gemeinden haben in Sachsen eine bürgerferne Verwaltungsstruktur geschaffen, deren riesige Flächenausdehnungen Identifikation verhindert und damit Beteiligung erschwert.

Wir wollen Behördenbürokratie endlich abbauen, Entscheidungs- und Verfahrensprozesse vereinfachen und beschleunigen, sodass die Menschen mit ihren Anliegen schnell, bedarfsgerecht und unbürokratisch unterstützt werden können. Insbesondere in sozialen Bereichen werden wir neue Wege gehen. Für Zuwendungen bis 150.000 Euro wollen wir eine kurz bemessene Frist zur Entscheidung und eine „Bewilligungsfiktion“. Die Bewilligungsbehörden sollen über einen Antrag auf Zuwendungen spätestens binnen eines Monats nach Eingang entscheiden müssen. Entscheidet die Bewilligungsbehörde dennoch nicht rechtzeitig oder ohne zureichende Begründung, so gilt der Antrag nach Ablauf der Frist als bewilligt. Eine umfassende Digitalisierung der Verwaltungsabläufe ist ein wichtiger Schritt zur Schaffung unabhängiger und barrierefreier Zugänge zu Hilfsangeboten und Unterstützung. Gleichzeitig ist es ein radikaler Wandel von der Zuständigkeit für Politikfelder innerhalb der Verwaltung zu Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen. So werden Geburtsurkunde, Elterngeld oder Kindergeld nicht mehr von verschiedenen Behörden bearbeitet, sondern digital gesteuert. Dafür muss die Landesverwaltung grundlegend umgebaut werden.

Die Schließung oder Verlagerung von Verwaltungs- und Behördenstandorten ist nur dann vertretbar, wenn eine qualitätsgerechte und zuverlässige Aufgabenerfüllung, insbesondere infolge des demografischen Wandels, an dem bisherigen Standort entweder gar nicht mehr oder nur unter unvertretbar hohem Kostenaufwand gesichert werden kann.

Historisch gewachsene Gemeinden wollen wir deshalb in ihrer Eigenständigkeit unterstützen. Das bisherige gebietsreformerische Leitbild des Freistaates Sachsen, das bezogen auf das Jahr 2025 Gemeindemindestgrößen von 5.000 Einwohnern bzw. im Verdichtungsraum von 8.000 Einwohnern fordert, werden wir deshalb aufgeben. Um die verwaltungstechnischen Aufgaben bewältigen zu können, werden wir Kooperationsverbünde mit bis zu 15.000 Einwohner*innen anregen. Zur Aufgabenverteilung zwischen den beteiligten Gemeinden werden wir keine Vorgaben machen, denn die Verteilung wird ausschließlich durch die kommunale Leistungsfähigkeit, das Vermögen zur Personalgewinnung und ähnliche Faktoren vor Ort bestimmt. Die Fortentwicklung der Gemeindeverwaltungen im Sinne des Konzepts „smart village“ werden wir im Hinblick auf die kurzfristig zu erwartenden Mehrausgaben durch Fördermittel des Freistaates unterstützen.

Das derzeit geltende Personalvertretungsrecht muss novelliert werden, um die Mitbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst auf allen Ebenen deutlich zu stärken. Die vor uns stehenden neuen Herausforderungen bei dem in den nächsten Jahren anstehenden, altersbedingten Personalumbau in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes sind nach Auffassung der LINKE. Sachsen nur mit einer seriösen und verlässlichen Personalplanung sowie mit einem dazu mit Gewerkschaften und Interessenvertretungen der Beschäftigten rechtzeitig zu schließenden Demografie-Tarifvertrag zu bewältigen.

Darüber hinaus sind die im öffentlichen Dienst- und Beamtenrecht in Sachsen nach wie vor geltenden gesetzlichen Gründe für die Nichtzulassung zum öffentlichen Dienst wegen sogenannter Staatsnähe ersatzlos zu streichen. Die pauschale Anhebung des Ruhestandsalters für Beamtinnen und Beamte auf 67 Jahre wollen wir wieder rückgängig machen. Das Regelruhestandsalter soll nach den Zielsetzungen der LINKE. Sachsen spätestens mit dem 65. Lebensjahr erreicht sein. Beamt*innen im Polizeivollzugsdienst und in besonderen langjährigen Belastungssituationen sollen dabei grundsätzlich mit dem 60. Lebensjahr abzugsfrei in den Ruhestand gehen können. Überdies fordern wir die Wiedereinführung des Weihnachtsgelds für Beamt*innen.

Die Rentensituation ehemaliger Volkspolizist*innen werden wir verbessern, indem wir erhaltene Zahlungen von Bekleidungs- und Wohnungsgeld als Lohnbestandteil anerkennen.

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3.4.2.2 Transparente und moderne Verwaltung

Der Kampf für Gleichheit und soziale Gerechtigkeit hört an der Amtstür nicht auf. Transparenz und die Wahrung und der Schutz personenbezogener Daten der Bürger*innen stehen an erster Stelle, auch in Verwaltungsstrukturen, Behörden und Ämtern.

Wie in allen Bereichen gesellschaftspolitischen Zusammenlebens fordern wir, gerade mit Blick auf eine wirklich zukunftsfähige Modernisierung von Verwaltungsstrukturen, dass bindende hohe soziale, gesellschaftliche und ökologische Standards in Vergabeverfahren von Verwaltungen implementiert werden.

Wir wollen deswegen, dass staatliche Vergabeverfahren in Sachsen die regionale Wertschöpfung stärken, indem über eine wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Gelder und die Herstellung von Wettbewerb hinaus auch sozial‑, arbeitsmarkt‑, gesellschafts- und umweltpolitische Zielstellungen verwirklicht werden. Leistungen müssen prinzipiell ohne Kinder- oder Zwangsarbeit erbracht werden, Fairtrade- und Umweltstandards wie der Lebenszyklusansatz sollen Vergabenormalität werden.

Beim Einkauf und der Vergabe von Gütern und Dienstleistungen werden die Tarifgebundenheit der Unternehmen bzw. faire Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ebenso berücksichtigt wie die Förderung von benachteiligten Gruppen, etwa von Langzeitarbeitslosen, Frauen*, Queers oder Migrant*innen.

Auch müssen Stellen ideologiefrei vergeben werden: Es kann nicht sein, dass ostdeutsche Biographien benachteiligt behandelt werden bzw. benachteiligt sind. Um den Frauenanteil in Spitzenpositionen in sächsischen Behörden, Verwaltungen und bei anderen öffentlichen Arbeitgeber*innen endlich zu erhöhen, wollen wir eine verbindliche 50-Prozent-Quote einführen. Davon erwarten wir uns auch eine Neuausrichtung der Personalpolitik im Hinblick auf die biographische Perspektive von Frauen* und die Ermöglichung von Teilzeit, Elternzeit oder Telearbeit.

Öffentliche Gelder müssen auf Gender Mainstreaming geprüft und Maßnahmen zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit fest in Verwaltungsabläufe implementiert werden, z. B. durch Förderung von Frauen*- und Mädchenprojekten.

Wir wollen Einkommensgerechtigkeit. Auch mit Blick auf Verwaltungen und Behörden in Sachsen lehnen wir unverhältnismäßige Gehälter ab, die sich an Bezügen von Spitzenmanager*innen und privaten Konzernen orientieren. Wir fordern deswegen unbedingte Kostentransparenz und einen Nachweis von Verwaltungseffizienz, indem die Gehälter von Geschäftsführer*innen und Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen verpflichtend öffentlich zu machen sind. Gleiches gilt für Lobbyaktivitäten von Interessenvertretungen und Wirtschaftsverbänden.

Ein modernes Land muss modern verwaltet werden. Dazu zählen ein effektives e‑Government in öffentlicher Hand, umfangreiche Open-Data-Bemühungen und Open Access mit beispielhaft gutem Fälschungs- und Missbrauchsschutz ebenso wie ein starkes Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz. Regierungen und ihre Verwaltungen sind steuerfinanziert, das heißt, die Gemeinschaft erbringt die Mittel für deren Betrieb. Regierungsentscheidungen und Regierungshandeln müssen aus diesem Grund auch umfänglich nachvollziehbar sein. Wir wollen uns deshalb für die gesetzliche Sicherung eines umfangreichen Informationsrechts in Sachsen einsetzen, aber ebenso den Staat in eine proaktive Transparenzpflicht nehmen. Uns ist wichtig, dass auch in diesem Bereich die Barrierefreiheit und der Identitäts- und Datenschutz klar gewährleistet sind.Zu einer modernen Verwaltung gehört auch die energetische Gebäudesanierung. Vom Landtag über die Ministerien bis hin zu den nachgeordneten Behörden streben wir eine klimaneutrale Verwaltung des Freistaats an.

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3.4.2.3 Behörde für alle! Barrierefreie Verwaltungsstrukturen schaffen

Eine Verwaltung muss für alle Menschen möglichst gut und barrierefrei erreichbar sein. Es sollte allen möglich sein, Anforderungen oder behördliche Dokumente zu verstehen und nachvollziehen zu können. Genauso wie es möglich sein muss, Anliegen und Forderungen gleichberechtigt geltend zu machen.

Wir wollen integrative und inklusive Maßnahmen fördern und umsetzen, z. B. zur Vermittlung von inklusiven und interkulturellen Kompetenzen in den Verwaltungen und Behörden sowie Ausrichtung auf diese, um den realen gesellschaftlichen Gegebenheiten auch Rechnung zu tragen. Mitunter gibt es nicht einmal zweisprachige Dokumente, was eine Verständigung erschwert.

Grundsätzlich müssen Behörden auch in leichter Sprache agieren können, anstatt im verkomplizierten Behördendeutsch. Viel zu oft sind Prozesse und Verfahren schwer verständlich und für die Betroffenen kaum nachvollziehbar. Die Behördenstrukturen in Sachsen müssen sich endlich verändern. Dazu wollen wir eine Landesagentur für Leichte Sprache etablieren, welche sämtlichen Behörden dienstleistend zur Seite steht und als Ansprechpartnerin für Bürger*innen dient.

Dazu gehören, neben behindertengerechter Infrastruktur in den Verwaltungen und Behörden, barrierefreie Anlaufstellen in Wohnortnähe zur besseren Erreichbarkeit. Für nicht sehende Menschen sollen Beschilderungen in Behörden und benötigte Dokumente in Brailleschrift ausgefertigt werden. Angeschlossen an Verwaltungen gibt es Kontaktbüros, die bei Anträgen, Förderungen, und der Ausgestaltung von Engagement unterstützen. Dafür wird die Fördermittellandschaft deutlich entschlackt und übersichtlicher gestaltet – egal ob für kleine und mittelständische Unternehmen, Projekte oder Vereine. Behördenunabhängige Beratungsangebote müssen kostenfrei zur Verfügung stehen. Bürger*innen sollten die Möglichkeit haben, durch kostenfreie Telefonberatung ihre Anliegen vorbringen zu können – ohne Angst vor Sanktionen.

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3.4.2.4 Politische Praxis erleichtern statt erschweren!

Wir wollen, dass die Wirkmächtigkeit von Kommunalpolitik gestärkt wird. Kommunalpolitiker*innen müssen für ihre Arbeit ausreichend Mittel bekommen, damit sie sich und ihre wichtige Arbeit vor Ort auch wirklich einbringen können. Dazu gehören eine ausreichende Finanzierung der Sachmittel für Kommunalpolitiker*innen und eine dafür zwingend notwendige einheitliche Regelung in Sachsen. Oftmals fehlt es an Austauschmöglichkeiten vor Ort und der Vernetzung untereinander, dabei ist gerade das wichtig für diekonstruktive und gemeinsame Arbeit an Lösungsvorschlägen und eine Erfahrungsweitergabe. Wir möchten deswegen Austauschplattformen schaffen und Pilotprojekte zur besseren Vernetzung fördern.

Grundsätzlich muss die bestehende politische Praxis hinterfragt und neu gestaltet werden. So ist Politik immer noch hauptsächlich Männersache. Klar, dass die Interessen von Frauen so nur unzureichend berücksichtigt werden. Politisch aktiv sein wird dann durch Sitzungen zu kinderunfreundlichen Zeiten oder eine frauenfeindliche Debatten- und Umgangskultur erschwert. Durch ungleiche Teilhabe, fehlende Sichtbarkeit und männliche Dominanz in diesen Bereichen wird gesellschaftliche Realität schlicht ausgeblendet, oft klischeehaft und insbesondere durch die männliche Brille gezeigt. Das ist ein Problem, denn alle genannten Bereiche sind machtvolle Instrumente öffentlicher Wahrnehmung und Orte wichtiger Entscheidungen und Debatten. Auch auf kommunaler Ebene sind mehr Männer als Frauen* in Gremien oder Ämtern politisch aktiv. Wir kämpfen für die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter: Wir werden uns für die geschlechterparitätische Besetzung in Behörden, Ämtern und den Parlamenten stark machen und als ersten Schritt eine entsprechende Anpassung des Landeswahlgesetzes durchsetzen.

Neben dem Abbau von stereotypen Geschlechterrollen brauchen wir eine verbindliche Quote von 50 Prozent für alle politischen Ämter und Mandate sowie eine emanzipatorische und solidarische Arbeitsmarkt- und Familienpolitik, die bestehende Ungleichheitsverhältnisse im Visier hat und diese bekämpft. Dazu gehören Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf genauso wie eine gezielte Förderung von Frauen. Gleichheit in der Partizipation ist ein wichtiges Kriterium für Demokratie. Zudem müssen Anträge in kommunalen Interessenvertretungen auf gleichstellungspolitische Relevanz geprüft werden.

Grundsätzlich gehört zur Stärkung politischer Praxis und Chancengleichheit für alle auch die Öffnung des kommunalen Wahlrechts für Migrantinnen und Migranten aus Nicht-EU-Staaten. Da, wo Menschen leben, sollen sie gleichberechtigt teilhaben können, egal wie lange sie in Sachsen leben oder woher sie kommen. Deshalb wollen wir Migrant*innenbeiräte und die Stärkung von migrantischen Interessenvertretungen und Selbstorganisationen als ständige Akteur*innen im gesellschaftspolitischen Leben in den Kommunen fördern.

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3.4.3. Kommunalpolitik mit Links

3.4.3.1 Mehr Mitbestimmung für eine lebendige Kommunalpolitik

Unser oberstes Anliegen ist es, die Menschen in den Städten und Gemeinden mit ihren Bedürfnissen und Anliegen, mit ihren Nöten und Sorgen zum Ausgangspunkt des kommunalpolitischen Handelns zu machen. Die Kommunen können nicht bloß als Verwaltungseinheiten betrachtet werden. Hier leben, gestalten und wirken Menschen zusammen und darin wollen wir sie unterstützen. Dazu gehört für uns auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.

Deshalb werden wir verpflichtende Bürger*innenentscheide bei allen Fragen von Gemeindezusammenschlüssen sowie die Senkung des Quorums auf fünf Prozent umsetzen. Kommunale Haushalte müssen transparent und bürgernah aufbereitet werden.  Bürger*innenhaushalte sehen wir als Element von Beteiligungskultur. Im Zuge der längst überfälligen Digitalisierung wollen wir Sitzungen und Kreistage live übertragen. Bei der Staatsregierung wollen wir eine*n Regierungsbeauftragte*n für sorbische Angelegenheiten einsetzen. Für die Kreisverwaltungen im sorbischen Siedlungsgebiet wollen wir jeweils eine hauptamtliche Vollzeitstelle für sorbische Angelegenheiten einrichten, die durch den Freistaat Sachsen zu finanzieren ist.

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3.4.3.2 Kommunen entlasten – Selbstverwaltung stärken!

Sachsens Städte und Gemeinden haben sich in den letzten zwanzig Jahren zweifellos zu einem anziehenden und lebenswerten Gemeinwesen entwickelt. Dennoch sind die Kommunen keine Inseln der Harmonie: Armut in einer reichen Gesellschaft tritt hier ganz augenscheinlich zutage. Die sozialen Widersprüche der Gesellschaft, die sich in den letzten Jahren vertieft haben, können in den Kommunen ganz konkret wahrgenommen werden. Angesichts der immer geringer werdenden Handlungsspielräume auf kommunaler Ebene scheint die Ohnmacht von Politik hier besonders augenfällig zu sein. Globalisierung und EU-Wettbewerbspolitik schränken die kommunale Selbstverwaltung ein. Unterfinanzierte Kommunen werden zur Mangelverwaltung gezwungen. Die Grenzen kommunalen Handelns werden schmerzlich erfahrbar. Wir wollen das ändern und das Leben in den Städten und Gemeinden für alle lebenswert gestalten.

Wir werden Kommunen in ihrer Selbstverwaltung stärken, die Kommunalabgaben begrenzen und solidarisch verteilen. Die finanzielle Belastung von Kommunen muss abgebaut werden. Dazu gehört auch der Abbau von Förderbürokratie. Wir brauchen eine einfachere, direktere und schnellere Fördermittelpolitik, die keine Be- sondern Entlastung ist und unterstützend wirkt. Wir wollen kommunale Wohnungsunternehmen, eine kommunale Wirtschaftsförderung und Krankenhäuser in kommunaler Hand sowie starke interkommunale und regionale Kooperationen zwischen den Gemeinden.

Der Finanzausgleich zwischen dem Freistaat und den sächsischen Städten und Gemeinden (Finanzausgleichsgesetz) bedarf einer gründlichen Evaluierung. Zu prüfen ist, ob die Finanzbedarfsbestimmung zukünftig auch an den zentralörtlichen Funktionen orientiert werden sollte. Die Bedeutung der Einwohnerveredelung als bedarfsbestimmendes Element sollte aus unserer Sicht reduziert werden und durch einen Demografiefaktor ergänzt werden. Durch die Fehlentwicklungen der letzten Jahre – Stichwort Gemeindezusammenschlüsse – sollte auch über einen Flächenfaktor nachgedacht werden.

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3.4.3.3 Soziale Kommune der Zukunft und nachhaltige Entwicklung vor Ort

Wir stehen für eine nachhaltige Politikentwicklung. Klima- und Umweltschutz sowie der Ausbau von erneuerbaren Energien müssen genauso wie Natur‑, Landschafts- und Gesundheitsschutz auch auf kommunaler Ebene eine größere Rolle spielen und daher langfristig als verbindlicher Teil hoher sozialer Standards implementiert werden.

Deswegen wollen wir, dass die kommunale Wasserversorgung sich genauso an Konzepten und Maßnahmen von Nachhaltigkeit und Umweltschutzstandards orientiert wie die Abwasser- und Abfallwirtschaft. Die Entwicklung der Entgelte für Wasserdienstleistungen darf der Freistaat nicht sich selbst überlassen. Die Gebühren- und Entgeltstrukturen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung im ländlichen Raum müssen weiterhin und stetig durch staatliche Förderung entlastet werden. Dabei darf sich der Freistaat nicht nur auf eine Durchleitung zweckgebundener Mittel und der Fördermittel Dritter beschränken. Der Freistaat soll auch einen eigenen Beitrag aus seinem Haushalt leisten. Mit dieser Position unterstreichen wir, dass der Freistaat politisch in der Pflicht steht, durch eine intelligente Förderpolitik sicherzustellen, dass diese elementaren Dienstleistungen im ländlichen Raum auch künftig sozial und wirtschaftlich verträglich erbracht werden können.

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3.4.3.4 Kommunale Gleichstellungsarbeit

Mit Blick auf Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und der dringend notwendigen Gleichstellung zwischen Mann und Frau wollen wir die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten stärken und gleichstellungspolitische Aktivitäten vor Ort, wie Mädchen- und Frauenprojekte oder die mobile Beratung von LGBTTIQA*, fördern. Wir werden die Schaffung von hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten in Gemeinden und kreisfreien Städten vorantreiben. Weitere Maßnahmen und Schritte zum Abbau von Geschlechterungleichheit können z. B. ein Runder Tisch zur Gleichstellung auf kommunaler Ebene, die Gründung von Gleichstellungsbeiräten oder ein frauenpolitischer Ratschlag sein.

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3.4.4. Eine linke Netzpolitik mit Zukunft

Das Informationszeitalter und die Digitalisierung sind allgegenwärtig und greifen in jeden Lebensbereich ein. Das Netz ist der Boden der Informationsgesellschaft und dort müssen Grund- und Freiheitsrechte im digitalen Raum erhalten, verteidigt, geschützt und ausgebaut werden – für eine offene und freie Netzgemeinschaft. Wir sehen die Netzbürger*innen als Souverän und sind gegen Zensur, Netzsperren, Reglementierung, Überwachung und anlasslose Datenspeicherung durch Behörden und Unternehmen. Linke Netzpolitik bedeutet für uns eine Förderung zu mündigen, selbstbestimmten Bürger*innen im digitalen Raum. Die gleichberechtigte Nutzung von Infrastrukturen und den freien Zugang dazu sehen wir als unabdingbare Grundsätze, die es einzuhalten gilt. Wir setzen uns ein für Green IT, Dezentralisierung statt Monopolisierung, freie Wissenszugänge, kreative Entfaltung und direkte Demokratie und Teilhabe. Wir wollen das Netz als Raum für gesellschaftliche Innovation schützen und erhalten.

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3.4.4.1 Für eine offene und freie Netzgemeinschaft

Vorratsdatenspeicherung und massenhafte Überwachung verhindern keine Kriminalität oder gesellschaftliche und soziale Konflikte, diese gab es bereits ohne das Internet. Wir sehen eine digitale Zukunft nur in einer offenen und freien Netzgemeinschaft. Die Souveränität, die Anonymität und der Schutz des Individuums sowie die gleichzeitige Förderung von öffentlichen Informationen und Mitbestimmung für Bürger*innen sind die Säulen, auf denen wir aufbauen wollen. Wir sind gegen den Einkauf und die Ausnutzung von Sicherheitslücken sowie Einschränkungen von Freiheits- und Verbraucherrechten. Die Aufdeckung von Missständen, Korruption und Datenskandalen dürfen nicht bestraft und geächtet werden. Der digitale Raum ist privater und gleichzeitig öffentlicher Lebensraum und muss den Menschen Schutz und Informationen bieten.

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3.4.4.2 Infrastruktur, Netzneutralität, Open Data und Open Access

Das Netz ist eine gemeinsam genutzte Infrastruktur und der freie Zugang dazu ein Grundrecht. Fehlt der Zugang, dann erfolgt bereits die Beschneidung in den Freiheiten und Möglichkeiten des Individuums. In den Bereichen Forschung und Wissenschaft sind verfügbare Informationen die Basis für Innovation und Fortschritt. Daher sind für uns Informationsbeschaffung und gleichgestellte Teilhabe im digitalen Raum die Grundpfeiler einer linken Netzpolitik. Wir sind für Netzneutralität – im digitalen Raum darf es keine Klassengesellschaft oder Benachteiligung geben. Ein nachhaltiger Ausbau der digitalen Infrastruktur muss durch Land und Kommunen erfolgen. Wir fordern und fördern die Nutzung offener Standards, Open Data, Open Access, die Einhaltung von Nutzerrechten und den Schutz von Nutzerdaten. Der Einstieg und die Nutzung von Technologien müssen anwenderfreundlich, leicht zugänglich und sicher gestaltet sein. Staatliche und private Institutionen müssen dabei vorbildhaft fungieren. Nutzer und Verbraucher sind nur begrenzt für den persönlichen digitalen Schutz verantwortlich.

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3.4.4.3 Grundrechte schützen, kostenlose Angebote schaffen und Potentiale nutzen

Automatisierung, künstliche Intelligenz, Robotik, die Globalisierung von Geld- und Warenströmen – all das verändert nicht nur Wirtschaft und Arbeit, die Digitalisierung greift in alle Bereiche des Lebens ein. Immaterielle Güter folgen anderen Marktregeln und die Rahmenbedingungen dafür müssen abgeschätzt und evaluiert werden. Wir wollen kostenlose Angebote im Netz erhalten und fördern. Die Auswirkungen von Technologien und Umbrüchen sind in einer vernetzten Welt unberechenbarer und weitreichender. Gesetzgebungen, Reglementierungen, Technologien und Dienste können erhebliche Aus- und Nachwirkungen haben und müssen hinsichtlich ihrer Folgen für Grund- und Freiheitsrechte klar abschätzbar sein. Mit einem Staatsministerium und einer Enquete-Kommission für Digitalisierung wollen wir versuchen, uns den Herausforderungen zu stellen und diese auf einem demokratischen und nachhaltigen Wege zu lösen.

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3.4.5. Sicherheit, Freiheit und der Schutz der Rechte der in Sachsen lebenden Menschen

Das staatliche Gewaltmonopol ist eine zivilisatorische Errungenschaft – im demokratischen Rechtsstaat ist es Polizei, Verwaltung und Justiz übertragen. Diese dürfen das Gewaltmonopol nur unter strenger Bindung an das Gesetz ausüben und nur zu Zwecken, die vom Volk gewünscht und gebilligt sind.

Sachsens Polizei braucht eine bessere bauliche und technische Infrastruktur sowie mehr Personal. Straftaten müssen schneller und konsequenter geahndet werden, ohne dabei in verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte oder Verfahrensgarantien einzugreifen oder diese gar aufzugeben. Deshalb lehnen wir die Forderung nach immer mehr beschleunigten Strafverfahren ab, denn diese verkürzen zwangsläufig Verfahrens- und Verteidigungsrechte. Damit Strafverfahren schneller bearbeitet werden können, müssen die Staatsanwaltschaften konsequenter die Ermittlungen leiten und alle an der Strafverfolgung beteiligten Bereiche personell verstärkt werden. Wir fordern eine Sensibilisierung und Qualifizierung der Strafverfolgungsbehörden für Delikte gegen Angehörige des sorbischen Volkes.

Um Kriminalität bestmöglich zu bekämpfen und Beweise verfahrensfördernd zu sichern, sind moderne Ermittlungsmethoden nötig. Allerdings darf nicht alles eingesetzt werden, was technisch möglich ist. Ermittlungsmaßnahmen müssen verhältnismäßig sein. Das heißt, dass ihr Einsatz erforderlich und angemessen sein muss. Wir weisen den Versuch der CDU zurück, diese Grundsätze aufzuweichen – zumal Methoden, die sich die Sicherheitsbehörden wünschen, nicht zwangsläufig die Sicherheitslage verbessern. Sicher ist nur, dass diese stets neue Begehrlichkeiten auslösen, was wir strikt ablehnen.

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3.4.5.1 Sicherheitspartnerschaft statt Sicherheitsillusion

Wir schließen eine großflächige und anlasslose Videoüberwachung im öffentlichen Raum ebenso aus wie die Einführung von automatisierter Gesichtserkennungs- und Trackingsoftware. Diese Instrumente greifen tief in Grundrechte ein, ohne Straftaten verhindern zu können – in der Regel wird Kriminalität nur verdrängt. Am Ende kommt es auch immer darauf an, ob genug Personal zur Verfügung steht, um Täter*innen zu verfolgen. Der Preis einer solchen Sicherheitsillusion ist zu hoch. Der öffentliche Raum gehört uns allen – Interaktion und Austausch, Toleranz und Akzeptanz gehören zu einer lebendigen Gesellschaft. Es muss möglich sein, sich frei und unbeobachtet im öffentlichen Raum aufzuhalten.

Straftaten im öffentlichen Raum – auf Straßen und Plätzen, in Bus und Bahn, im Straßenverkehr und in Park- und Grünanlagen – können das Grundvertrauen in die öffentliche Sicherheit erschüttern. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass Polizeivollzugsdienst und kommunale Polizeibehörden im Bereich der Gefahrenabwehr und Kriminalprävention eng kooperieren und die vielerorts vorhandenen kriminalpräventiven Räte einbeziehen. Wir tragen Sorge, dass der Freistaat diese Sicherheitspartnerschaft auf Augenhöhe finanziert und Datenschutzstandards sowie persönliche Freiheitsrechte wahrt. Für die Sicherheit ist und bleibt zuerst der Freistaat verantwortlich. Die Verlagerung staatlicher Sicherheitsgarantien und ‑strukturen auf die kommunalen Ordnungsbehörden und deren Vollzugsbedienstete lehnen wir ab. Im Bereich der Gefahrenabwehr tragen wir dafür Sorge, dass die Polizei, vorbehaltlich der gesetzlich geregelten gerichtlichen Kontrolle, Träger des staatlichen Gewaltmonopols bleibt.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Die ständige Verschärfung von Sicherheitsgesetzen und die fast pausenlose Einschränkung von Grundrechten auf Landes- und Bundesebene müssenaufhören! Diese Entwicklung braucht dringend eine Auszeit. Es ist vielmehr Zeit, die bisherigen Änderungen zu evaluieren und gegebenenfalls auch wieder zu entschärfen. Überdies wollen wir den Sinn und Zweck von Strafnormen gründlich hinterfragen.

Freiheitsentzug für das ticketlose Nutzen des öffentlichen Personennahverkehrs oder unsägliche Strafprozesse gegen Lebensmittelretter*innen lehnen wir kategorisch ab! Diese Normen gehören auf den Prüfstand. Wir werden entsprechende Initiativen in Richtung Bund starten. Containern ist kein Verbrechen! Unabhängig von einer Änderung des StGB auf Bundesebene wollen wir Lebensmittelretter*innen unterstützen und gemeinsam mit ihnen, mit betroffenen Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen an Lösungen zum Wohle aller arbeiten.

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3.4.5.2 Präsenz schafft Sicherheit – gefühlt und tatsächlich

Anstelle anonymer Überwachungstechnologien im öffentlichen Raum werden wir Sorge tragen, dass mehr Polizist*innen für die Bürger*innen vor Ort ansprechbar sind – in konkreten Gefahrensituationen, aber nicht nur dann. Auto‑, Fuß- und Fahrradstreifen in den urbanen Zentren, in Mittel- und Kleinstädten werden wir verstärken. Zudem werden wir mehr Bürgerpolizist*innen vor Ort einsetzen, die einen überschaubaren Bereich betreuen und für die Einwohner*innen wohnortnah erreichbar sind. Auch wegen dieser neuen Anforderungen werden wir mehr Personal für den Vollzugsdienst einstellen und entsprechend qualifizieren. Die Polizeiausbildung muss in hoher Qualität und mit ausreichenden räumlichen und sächlichen Kapazitäten sichergestellt werden. Dabei werden wir die Ausbildung für den Kriminalpolizeidienst über einen eigenständigen Studiengang qualifizieren.

Sachsens Polizei muss flächendeckend präsenter werden. Damit die Polizeidirektionen und die Reviere verstärkt werden können, werden wir die Bereitschaftspolizei nicht länger in Leipzig und Dresden konzentrieren, sondern Bereitschaftspolizeibeamte für Unterstützungseinsätze verstärkt in den Revieren einsetzen. Die Polizeiposten in den Mittel- und Kleinstädten werden wir dauerhaft besetzen.

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3.4.5.3 Zielgenau ermitteln – vor allem gegen organisierte Kriminalität

An die Stelle öffentlichkeitswirksamer Massenkontrollen und Kleindealer-Razzien, die wenig mehr bringen als schöne Fotos für den Innenminister, werden wir die Ermittlungsarbeit künftig gezielt gegen schwere kriminelle Bedrohungen wie organisierte Kriminalität oder Menschenhandel richten. Auch Wirtschafts‑, Steuer- und Cyberkriminalität stellen erhebliche Gefahren dar. Schließlich sind sie meist mit hohen wirtschaftlichen und Vermögensschäden verbunden, betreffen viele Menschen und wirken bis in private Lebensbereiche hinein. Daher werden wir entschieden gegen Wirtschafts- und Finanzkriminalität, Steuerkriminalität und Cyberkriminalität vorgehen. Die Behörden wollen wir mit mehr Ressourcen ausstatten, damit sie Strukturermittlungen durchführen und Fachleute engagieren können. Deshalb werden wir spezialisierte Ermittlungseinheiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft, gegebenenfalls auch im Bereich der Strafrechtspflege, errichten. Sie sollen schlagkräftig auf komplexe und neue, in ihrer Erscheinungsform veränderte, Kriminalitätsphänomene reagieren. Dazu zählen vor allem international organisierte Kriminalität, grenzüberschreitende Kriminalität, Internetkriminalität, Cybermobbing und Cybergrooming.

Hoheitliche Ermittlungs- und Strafverfolgungsaufgaben gehören in die Hand von öffentlich Bediensteten. Sie sind Hoheitsträger in eigener Verantwortung. Folglich werden wir Aufgaben der Prävention, Ermittlung und Verfolgung von Straftaten nicht an private Unternehmen auslagern. Jegliche Erscheinungsform von „Bürgerwehren“ oder sonstigen Strukturen, die das Gewaltmonopol unterlaufen oder in Frage stellen, weisen wir zurück – ebenso jede Anmaßung von Selbstjustiz. Die Polizei hat Gefahren abzuwehren, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften zu unterstützen und Kriminalität vorzubeugen. Dafür muss sie sachgerecht ausgestattet sein.

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3.4.5.4 Bürgernahe, demokratische und demokratisch kontrollierte Polizei

Menschen, soziale Milieus, Städte und Regionen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen an öffentliche Sicherheit. Die Polizei muss diese Bedürfnisse früh erkennen, zuhören und gemeinsam mit den Menschen und Bündnispartner*innen vor Ort Maßnahmen umsetzen. Sachsens Polizei und Justiz haben jedoch Nachholbedarf in interkultureller Kompetenz – sie müssen noch stärker bürgerzugewandt agieren. Ihre personelle Zusammensetzung muss die Vielfalt der in Sachsen lebenden Menschen widerspiegeln. Eine heterogene Bevölkerung braucht gegenseitige und wechselseitige Akzeptanz, auf deren Grundlage die gemeinsamen Normen umgesetzt werden. Die Grund- und Freiheitsrechte sowie die Garantie ihrer Ausübung müssen im Mittelpunkt der gesellschaftspolitischen Ausbildung der Polizei stehen. Hierzu werden wir die Ausbildung an der Fachhochschule der Sächsischen Polizei durch Kooperation mit anderen – zivilen – Universitäten und Hochschulen öffnen und modernisieren.

Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Zweifellos gibt es auch hier Fälle von fremdenfeindlich geprägten Handlungen und Äußerungen durch Polizeivollzugsbeamt*innen. Damit die Polizei sicher auf den Schutz des Rechtsstaats, der Verfassung und der Grundrechte orientiert bleibt, werden wir konzentriert und kontinuierlich gegen verfassungsfeindliche, rassistische und menschenverachtende Einstellungen innerhalb der Behörden vorgehen. Deshalb sollte die Ausbildung umstrukturiert werden. In der Aus- und Fortbildung sowie durch eine bessere Führungsarbeit soll der Abschottung und Verselbstständigung einzelner Abteilungen, etwa des Spezialeinsatzkommandos, entgegengewirkt werden. Anstelle eines Korpsgeistes ist eine funktionierende Fehlerkultur ebenso notwendig wie wirksame Strukturen zur Konfliktbewältigung und zur Ahndung von Fehlverhalten. „Racial Profiling“ und andere rassistische Methoden werden wir konsequent unterbinden. Ein Umgang auf Augenhöhe soll die sächsische Polizei auszeichnen. Die Polizei besitzt keinen Blankoscheck für ihr Handeln und für die Anwendung von Eingriffsbefugnissen, sondern sie unterliegt demokratischer Kontrolle. Dabei gilt auch für Polizeibeamt*innen: Fehlverhalten darf nicht verallgemeinert, sondern muss individuell festgestellt und geahndet werden – ein Generalverdacht verbietet sich.

Um das Vertrauen in die Polizei und innerhalb der Polizei zu stärken, werden wir eine „Unabhängige Ombudsstelle der sächsischen Polizei beim Sächsischen Landtag“ einrichten. Diese Ombudsstelle arbeitet als unabhängige Anstalt öffentlichen Rechts auf gesetzlicher Grundlage – sowohl für Bürger*innen bei Beschwerden gegen Handlungen von Polizeibediensteten als auch für Polizeibedienstete bei Beschwerden gegen Entscheidungen von Vorgesetzten und Benachteiligungen im Dienst. Anonymität muss jederzeit gewahrt bleiben. Die unabhängige Ombudsstelle soll auch unabhängige Beobachter*innen einsetzen können, die an Demonstrationen teilnehmen und Rechtsverstöße insbesondere von Polizeikräften oder nicht demonstrierenden Personen dokumentieren und darüber auch die Öffentlichkeit informieren.

Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Verfassungsgut. Alle haben qua Verfassung das Recht, sich friedlich zu versammeln und zu demonstrieren. Versammlungen und Demonstrationen sind Ausdruck eines lebendigen demokratischen Gemeinwesens. Sie sind bunt und kontrovers. Familien mit kleinen Kindern, Frauen*, Migrant*innen, Menschen mit Behinderung, große und kleine Gruppen sollen ohne Angst an Versammlungen und Demonstrationen teilnehmen können. Die Versammlungsbehörden und die Einsatzstrategie der Polizei haben darauf Einfluss – diese Verantwortung werden wir Polizei und den kommunalen Verwaltungen stärker bewusst machen und mit den Akteur*innen Strategien der Deeskalation erarbeiten. Behörden und Polizei haben zuallererst das verfassungsmäßige Recht auf Versammlungsfreiheit zu garantieren. Dem sind alle Verwaltungsmaßnahmen unterzuordnen.

Alle Betroffenen sollen die Möglichkeit haben, Beschwerde zu erheben und das Verhalten der Polizei angemessen und unabhängig überprüfen zu lassen. Dazu müssen die handelnden Polizeibeamt*innen identifiziert werden können. Deshalb werden wir eine gesetzlich bestimmte Kennzeichnungspflicht an der Dienstkleidung einführen. Wir werden sicherstellen, dass das gewählte Modell einen Datenzugriff Dritter ausschließt.

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3.4.5.5 Kein Verlass auf das Landesamt für Verfassungsschutz

Das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen nachrichtendienstlicher Tätigkeit und polizeilicher Arbeit ist für uns unumstößlich. Dies bedeutet auch, dass wir sowohl eine „Vergeheimdienstlichung“ der Polizei ablehnen als auch repressive Maßnahmen wie Berufsverbote bei Mitgliedschaft in als extremistisch eingestuften Organisationen. Im Ergebnis dieser Abwägungen bleibt es uns ein zentrales Anliegen, das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) aufzulösen. Bis zu seiner Auflösung treten wir für eine tatsächliche und wirksame parlamentarische Kontrolle des LfV zum Schutz der Verfassung und der mit ihr garantierten Grundrechte und Grundfreiheiten der Bürger*innen ein.

Das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz ist aus unserer Sicht hochproblematisch. Unsere Erfahrungen mit dieser Behörde stützen keineswegs die These, dieser Geheimdienst schütze die Demokratie vor Gefahren. Im Kampf gegen zentrale Bedrohungen, etwa rechtsterroristische Zellen wie den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU), erwies er sich eher als hinderlich denn als hilfreich. Stattdessen agiert das LfV vor allem politisch und übt die Definitionsgewalt über politische Einstellungen aus, die als extremistisch kategorisiert werden. Das wollen wir ändern und die Öffentlichkeitsarbeit über den Verfassungsschutzbericht, vor allem aber politische Bildungsarbeit im Sinne der Extremismustheorie beenden.

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3.4.5.6 Kinder und Jugendliche verdienen besonderen Schutz

Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen sichere Lebensbedingungen, damit sie selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden und den Alltag bewältigen können. Darum werden wir weiter für die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz und in die sächsische Verfassung kämpfen. Wenn sie Opfer von Jugendgewalt oder von gewalttätigen Eltern oder anderen Sorgerechtsträgern werden, haben sie einen Anspruch auf Schutz und Hilfe. Besonders in den Großstädten wird die soziale Benachteiligung junger Menschen, die in Armut aufwachsen müssen, immer deutlicher. Das besondere Risiko für Kinder und Jugendliche, Gewalt und Kriminalität ausgesetzt zu sein, muss durch Mittel der Armutsbekämpfung gezielt verringert werden. Darüber hinaus werden wir andere Formen des Gewaltschutzes für Kinder und Jugendliche entwickeln, denn Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat oft auch andere Ursachen als Armut. Überforderung von Eltern ist nicht in erster Linie eine Frage der Armutsgefährdung.

Offene Jugendarbeit ist wichtig für unsere Gesellschaft, deshalb müssen die Arbeitsbedingungen insbesondere die Bezahlung der Angestellten in der Jugendarbeit dringend verbessert werden. Hierzu werden wir die Landkreise und Kommunen finanziell so ausstatten, dass eine breit aufgestellte Jugendarbeit finanziert werden kann.

Um dem Fachkräftemangel im Bereich der Jugendarbeit zu begegnen, muss zusätzlich das Studienplatzangebot im Bereich der Sozialen Arbeit ausgebaut werden. Um wieder praxisnahe Ausbildung, auch für kleine Träger der Jugendarbeit in Sachsen, zu gewährleisten, werden wir die Praxispartner*innen bei BA-Studiengängen im sozialen Bereich finanziell unterstützen.

Vor allem im Bereich der Kinder- und Jugenddelinquenz setzen wir auf den Vorrang sozialpädagogischer und psychologischer Intervention vor Repression. Auf kriminelle Handlungen von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden muss der Rechtsstaat rasch, dadurch erzieherisch und zugleich persönlichkeitsdifferenzierend reagieren. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen darauf logistisch eingestellt sein. Wir streben ein hohes Maß an interdisziplinärer Abstimmung an, etwa nach dem Beispiel des Hauses des Jugendrechts in Leipzig. Der Ansatz der täterorientierten Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft vor Ort und der beschleunigten Strafverfahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden stärkt die Möglichkeit der Einflussnahme. Unser Ziel ist es, bei mehrfach aufgefallenen jungen Tatverdächtigen möglichst früh konsequent zu reagieren und Hilfe anzubieten. Die Zahl der kriminalitätspräventiv tätigen Sozialarbeiter*innen im Freistaat werden wir erhöhen.

Gewaltprävention, Demokratieverständnis, kulturelle Bildung und Empathie mit Opfern werden wir zu integralen Bestandteilen der Lehrpläne machen. Mit einem jährlichen Wettbewerb als „Schule der Toleranz“ stellen wir gute Beispiele in den medialen Mittelpunkt. Politik und politische Einflussnahme sollten für sächsische Schüler*innen keine Fremdworte sein, damit sie zu Pionier*innen zivilgesellschaftlicher Initiativen werden und unser Gemeinwesen weiterentwickeln helfen. Auch werden wir sicherstellen, dass an allen Schulen im Freistaat Verkehrsschulungen dauerhaft gesichert werden.

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3.4.5.7 Strafvollzug: Durch Resozialisierung Sicherheit erhöhen

Damit Kriminalität erfolgreich bekämpft und ihr vorgebeugt werden kann, müssen Straftäter*innen schnell und rechtssicher verfolgt und bestraft werden. Werden dabei Freiheitsstrafen verhängt, braucht es einen wirkungsvollen, strikt auf Resozialisierung orientierten Strafvollzug. Wir akzeptieren keinen Verwahrvollzug, sondern streben einen Behandlungsvollzug an, der die Chancen vergrößert, dass Gefangene nach ihrer Entlassung gesetzestreu leben. Das macht unser Leben sicherer und spart Geld. Die Vollzugsbediensteten müssen auf psychische Verhaltensauffälligkeiten, sozial abweichendes Verhalten, Devianzen und Suchtmittelabhängigkeit differenziert reagieren können. Wir wollen den Strafvollzug modernisieren und in weit größerem Maße auf Formen des offenen und freien Vollzugs setzen – begonnen bei Jugendlichen und Heranwachsenden.

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3.4.5.8 Rechtsmedizin sichern

Die Rechtsmedizin in Sachsen werden wir auskömmlich finanzieren. Investitionen in Bausubstanz, aber auch Modernisierungen an den Standorten der drei kreisfreien Städte Chemnitz, Leipzig und Dresden haben bedarfsgerecht zu erfolgen. Die Rechtsmedizin wollen wir in Sachsen bedarfsgerecht personell ausstatten, damit die vielfältigen Aufgaben bewältigt werden können. Zusätzlich sind Abteilungen zur vertraulichen Spurensicherung und ‑auswertung einzurichten, entsprechend zu finanzieren und auszustatten. Die Kosten für rechtsmedizinische Gutachten werden vom Freistaat Sachsen getragen.

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3.4.6. Menschenleben schützen, Feuerwehr und Rettungswesen stärken

Nicht nur die Beamt*innen und Beschäftigte der Polizei müssen öffentliche und persönliche Sicherheit gewährleisten. Im Bereich der allgemeinen Gefahrenabwehr sind zudem die kommunalen Verwaltungen (Bau‑, Verkehrs‑, Versammlungsbehörde u. a.), die klassischen Ordnungsbehörden sowie die Rettungsdienste, der Katastrophenschutz und die Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren tätig.

Retten, Löschen, Bergen beruht in Sachsen überwiegend auf der Aktivität von Menschen, die sich in Hilfsorganisationen wie zum Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr engagieren. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich aber in den letzten Jahrzehnten verändert und stellen so die auf Freiwilligkeit beruhende Sicherheitsarchitektur vor große Herausforderungen. Die Pflichtaufgabe „Feuerwehr“ ist von der Kassenlage der Kommunen genauso abhängig, wie sie durch die Modernisierung des Arbeitslebens und der veränderten Freizeitgestaltung an ihre Grenzen kommt. Technische Ausstattung ist eben nicht alles, es muss auch Menschen geben, die sie bedient. Die wenigen hauptamtlichen Kräfte und Berufsfeuerwehren entspannen die Situation dabei nur räumlich sehr begrenzt. Gerade diese „Blaulichtbereiche“ brauchen deshalb bestmögliche organisatorische, sächliche, personelle und finanzielle Bedingungen. Die Einsatzkräfte müssen leistungsfähig, motiviert und bestmöglich ausgerüstet sein.

Zeitnah wollen wir das Ehrenamt stärken. Dazu streben wir die Würdigung des Ehrenamtes durch Einführung eines zusätzlichen Rentenpunktes für je fünf Jahre Ehrenamt an. Wir werden eine familienfreundlichere Ausbildungsordnung durchsetzen. Die Entschädigungsleistungen an die Ehrenamtlichen, wie auch die Ausgestaltung der Ausfallentschädigung für freistellende Unternehmen, werden wir neu regeln. Ab dem ersten Tag Abwesenheit sollen auf Nachweis die betriebswirtschaftlichen Ausfälle und Mehraufwendungen erstattet werden. Die Aufwandsentschädigung für den Feuerwehrdienst werden wir in einer Verordnung unter Mitbestimmung des Landesfeuerwehrverbandes einheitlich festlegen. Gemeindespezifische Sonderzahlungen sind möglich.

Wir wollen Brandschutzbedarfspläne gemeindeübergreifend aufstellen und Schutzziele fest definieren. Dies bedeutet auch, dass wir bei Nichterreichen des Schutzzieles staatliche Unterstützung organisieren werden. Für uns gilt: ein definierter Grundschutz muss allen Menschen zugesichert werden.

An der Sächsischen Landesfeuerwehrschule in Nardt werden wir eine dem aktuellen Stand entsprechende Ausbildung sichern. Die technische Infrastruktur und die persönliche Ausrüstung für Polizei, Rettungsdienst, Katastrophenschutz und Feuerwehr sind sachsenweit auf dem neuesten Stand zu halten. Die Kosten hierfür trägt der Freistaat. Die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Rettungsdienste werden wir deutlich verbessern.

Perspektivisch wollen wir ein Nebeneinander von Freiwilliger Feuerwehr, Berufsfeuerwehr der Gemeinden, Betriebs- und Werkwehren und staatlichen Einsatzkräften unter zentraler Steuerung einer gemeinsamen Einsatzplanung und Führung. Wir werden eine zentrale Beschaffung etablieren, die sicherstellt, dass sächsische Feuerwehrkräfte auch die Wehr wechseln können und Synergien bei der Beschaffung gehoben werden können.

Für uns ist eine moderne Feuerwehr ohne Förderung und Einbeziehung von Frauen* undenkbar. Die Herstellung von Gleichstellung, gleichberechtigte Teilhabe und der Abbau von stereotypen Rollenbildern oder geschlechterspezifischen Berufsbildern gehören für uns dazu. Deshalb muss an allen Standorten die gleichberechtigte Beteiligung und Förderung von Frauen* in den Wehren ermöglicht und konkrete Infrastruktur geschaffen werden. Familien- und Berufsplanung – nicht nur für Frauen* – und Ehrenamt müssen vereinbar bleiben bzw. überhaupt geschaffen werden.

Wir wollen einen Rettungsdienst in kommunaler Verantwortung, welcher nicht durch Ausschreibungen oder Vergabemechanismen gezwungen wird, Wirtschaftlichkeit vor Menschenrettung zu denken. Der Rettungsdienst ist für uns Teil des Gesundheitssektors und darf nicht gewinnorientiert organisiert sein oder dem angeblichen Kostensenkungsdruck unterliegen.

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3.4.7. Antifaschistische Politik stärken

Dem gesellschaftlichen Rechtsruck der vergangenen Jahre stellen wir uns offensiv entgegen. Wir stehen für die gesellschaftliche Ächtung von Rassismus und aller auf Ungleichwertigkeitsideologie beruhender Diskriminierung, Geschichtsrevisionismus oder autoritäre Politikmodelle ein. Dafür werden wir ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept zur Zurückdrängung der extremen Rechten mit präventiven und repressiven Ansätzen für alle Ebenen erarbeiten, das sowohl die proaktive Unterstützung der Kommunen bei der Verhinderung von Nazidemonstrationen und ‑konzerten oder Häuserkäufen durch rechte Gruppen bzw. Personen als auch die steuerrechtliche Prüfung von Einrichtungen der extremen Rechten einschließt.

Sachsen war das Kernland des NSU. Gerade deshalb setzen wir uns für einen sächsischen Entschädigungsfonds für NSU-Opfer ein. Wir werden zentrale Erinnerungsorte in Chemnitz und Zwickau schaffen und ein NSU-Dokumentationszentrum etablieren. Die Integration des NSU-Komplexes in die Lehrinhalte an sächsischen Schulen ist uns ein Anliegen. Darüber hinaus werden wir Aufklärungs- und Fortbildungsangebote für Lehrkräfte an Schulen und Ausbildungsstätten intensivieren, um auf allen Bildungsebenen den bestehenden Ressentiments und Ideologien der Ungleichwertigkeit entgegenzutreten. Inhaltlich sollen diese Angebote am schnellen Erkennen, Intervention und Umgang mit menschenverachtendem Gedankengut sowie Ideologien der Ungleichwertigkeit ausgerichtet werden.

Wir werden eine Forschungsstelle „Rechtsterrorismus“ einrichten und den Ausbau des Lehr- und Forschungsangebotes zu Ideologien der Ungleichwertigkeit vorantreiben. Die Wahrung des wissenschaftlichen Pluralismus bei dieser Forschungsfrage werden wir sicherstellen.

Wir werden ein landeseigenes Lagebild „Offene Haftbefehle“ etablieren und das Monitoring rechtsmotivierter Straftaten unter Einbeziehung der Opferberatungen verbessern. Die Entwaffnung der extremen Rechten einschließlich sogenannter Reichbürger*innen werden wir vorantreiben.

Zentrale Projekte wie die Beratungsstellen für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt sowie die mobilen Beratungsteams werden wir vollständig entfristen. Darüber hinaus werden wir einen Fonds für Opfer rechter Gewalt etablieren. Das Programm „Weltoffenes Sachsen“ werden wir mit mindestens 10 Mio. Euro jährlich dauerhaft absichern.

Wir werden ein Landesgesetz zur Demokratieförderung mit notwendiger Weiterentwicklung des Demokratie-Zentrums etablieren. Die Unabhängigkeit zivilgesellschaftlichen Initiativen werden wir sichern.

Die Singularität des „Deutschen Faschismus“ in der Bildung und Erinnerungspolitik werden wir gewährleisten. Hierfür werden wir uns für den Rückbau des falsch verstandenen Totalitarismusansatzes einsetzen.

Den Sachsen-Monitor als Mittel der landesspezifischen Einstellungsforschung werden wir weiterentwickeln und eine unabhängige, transparente und wissenschaftlich fundierte Erarbeitung sicherstellen.

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3.4.8. Reform der Drogenpolitik: Vernunft statt lebensgefährliche Ideologie

Die Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland steht offiziell auf vier Säulen: Prävention, Beratung und Rehabilitation, Überlebenshilfe und Schadensreduzierung sowie Repression und Angebotsreduzierung. In Sachsen wurde der Spieß bisher umgedreht: Zu Lasten der ersten drei Säulen, die auf eine tatsächliche Hilfe und Unterstützung für Betroffene – ob Konsumierende, deren Angehörige und Freund*innen oder die Gesellschaft im Allgemeinen – abzielen, wird die Säule der Repression ausgebaut. Präventionsmaßnahmen sind in der Regel unter- und befristet projektfinanziert. Beratungs- und Behandlungsangebote sind oft Mangelware und freie Plätze mit teils sehr hohen Wartezeiten verbunden. Angebote der Überlebenshilfe und Schadensreduzierung werden bagatellisiert, kriminalisiert oder – sofern sie bundesrechtlich bereits ermöglicht sind – auf Landesebene blockiert.

Wir wollen Sachsen zum humanistischen, vernunftorientierten Vorreiter der deutschen Drogenpolitik machen. Dabei nehmen wir verstärkt auch die weit verbreiteten Alkohol‑, Nikotin‑, Spiel- und Arzneimittelabhängigkeiten in den Fokus. Wir wollen Leben retten, Selbstbestimmung schützen und progressive Ansätze fördern.

Drogenpolitik ist in jeder Lebenslage und in allen Altersstufen relevant. Deshalb werden wir eine ständige Expert*innenkommission einrichten, die die bisherige und zukünftige sächsische Drogenpolitik regelmäßig evaluiert, nationale und internationale Best Practice aufzeigt und konkrete Maßnahmen für einen neuen sächsischen Weg formuliert. Sie setzt sich aus verschiedenen Expert*innen wie Ärzt*innen, Jurist*innen, Sozialarbeiter*innen, Wissenschaftler*innen, aber auch direkt betroffene Konsumierende, ihre Verwandten oder Freund*innen, Vertreter*innen von Verbänden, Vereinen und Initiativen zusammen. Das Gremium soll regierungsunabhängig agieren, durch das Parlament beauftragt werden und in jeder einschlägigen Angelegenheit gehört und mit den nötigen finanziellen Mittel ausgestattet werden.

Wir werden Präventionsangebote stärken, um die Entstehung von Süchten und Abhängigkeiten, die ein selbstbestimmtes Leben erschweren, einzudämmen. Dazu wollen wir die Angebotslandschaft bedarfsgerecht ausbauen und langfristig sichern. Suchthilfe, ‑beratung und ‑behandlung basieren oft auf individueller Vertrauensarbeit. Diese ist nicht mit projektbezogenen Kurzbefristungen zu stemmen, sondern muss langfristig sicher aufgestellt sein. Wir werden die Prävention im vorschulischen und schulischen Bereich stärken, entsprechende Schulprogramme ausbauen und alle betroffenen Berufsgruppen unterstützen.

Beratungs- und Behandlungsangebote werden wir bedarfsgerecht ausbauen und besser miteinander verzahnen. Sie sollen in ihren Kapazitäten so ausgestaltet sein, dass spürbar Wartezeiten abgesenkt werden können. Die Hilfelandschaft werden wir weiter in Richtung Familienfreundlichkeit entwickeln. Suchtbelastete Familien, Elternteile und vor allem Kinder benötigen Ermutigung und Unterstützung – eine familienorientierte Sichtweise soll dazu Grundlage aller Angebote und Interventionen sein. Wir werden dafür die unbürokratische Zusammenarbeit und Vernetzung der verschiedenen Hilfesysteme, von Jugend- und Familienhilfe über Suchtkrankenhilfe bis Arbeitsagentur und Sozialamt, entscheidend verbessern. Wir wollen in Sachsen die Verbesserung der Situation von Kindern aus suchtbelasteten Familien zum Gesundheitsziel erklären.

Erfolgreiche Ansätze und Methoden der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe werden wir unterstützen. Die seit zwei Jahrzehnten bundesrechtlich legalisierten Konsumräume haben in tausenden Notfällen Leben gerettet. Wir wollen die nötige Landesverordnung zum Betrieb dieser Einrichtungen erlassen und den Kommunen die Entscheidungshoheit darüber geben, ob sie diese Räume benötigen und einrichten wollen. Wir werden Drug-Checking entkriminalisieren und als staatlich gefördertes Angebot ausbauen.

Der Konsum von illegalisierten Substanzen ist keine Straftat. Auch Süchte sind keine Straftaten. Überzogene Strafverfolgung stärkt die organisierte Kriminalität, behindert eine glaubwürdige Präventionsarbeit, erhöht die Hürden für die Drogen- und Suchthilfe und verhindert jeden Jugend- und Verbraucherschutz. Repression werden wir daher zurückfahren, Härte bei Bagatelldelikten beenden sowie stattdessen die bisherigen Regelungen zum Umgang mit geringen Mengen erweitern und auf eine bundesweite Vereinheitlichung hinwirken. Nach portugiesischem Vorbild werden wir kommunale Beratungsstrukturen einrichten, die anstelle harter Strafprozesse eine ganzheitliche Fürsorge zum Auftrag haben. Für uns gilt dabei der zwingende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei allen Verwaltungsakten, repressiven Maßnahmen und politischen Entscheidungen.

Wir werden uns für eine Legalisierung und kontrollierte Bezugsmöglichkeit von Cannabis einsetzen. Da Konsum allein keine Straftat ist und wir Repressionsmaßnahmen in diesem Kontext für ungeeignet halten, streben wir perspektivisch die Entkriminalisierung jeglicher Drogen an.

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3.5. Wirtschaft und Arbeit

3.5.1. Unsere Ziele für Wirtschaft und Arbeit in Sachsen

DIE LINKE bekennt sich zum Wirtschafts- und Industriestandort Sachsen. Den seit mehreren hundert Jahren andauernden Erfindergeist der Handwerker*innen, Ingenieur*innen und Wissenschaftler*innen wollen wir weiter fördern, um neue innovative Ideen „Made in Saxony“ zu befördern. Unser Ziel ist es, das vorhandene regionale Potenzial zu stärken und auszubauen. Gerade die technologische Revolution in Form künstlicher Intelligenz und der notwendige ökologische Umbau der Industrie erfordert eine klare Ausrichtung und staatliche Begleitung, um einzelwirtschaftlichen Entscheidungen eine Orientierung zu geben.

Wir sind überzeugt: Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Deshalb wollen wir Sachsen perspektivisch zu einem Land mit nachhaltiger, sozial-ökologischer Wirtschaftsweise entwickeln. Das bedeutet für uns:

Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse im Freistaat herstellen. Die Spaltung der Bevölkerung und Regionen mit wenigen „Reichen“ und vielen „Armen“ müssen wir überwinden.

Wir wollen Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in Sachsen sozial gerecht gestalten und gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen im Land sichern. Betriebliche Mitbestimmung wollen wir ausbauen. Öffentliche und privatwirtschaftliche Arbeitsplätze sollen dazu gefördert werden können.

Wir wollen die Einkommensschere zwischen Ost und West schließen. Wir setzen auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit in Ost und West.

Wir wollen Sachsen und all seinen Regionen eine selbst tragende Wirtschaftsentwicklung ermöglichen. Dazu wollen wir die Binnenwirtschaft sowie regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Wir warten nicht auf Großinvestitionen von außerhalb Sachsens, sondern wollen Potentiale im Freistaat identifizieren und intelligent fördern.

Wir wollen den Zugang zu allgemeiner, politischer und beruflicher Bildung für alle kostenfrei stellen. So öffnen sich für jeden Einzelnen individuelle Lebensperspektiven und es werden qualifizierte Fachkräfte in der Wirtschaft sowie Berufsperspektiven von Erwerbstätigen gesichert.

Um die demografischen Grundlagen auch jenseits der großen Städte nachhaltig zu sichern und Abwanderung einzudämmen, wollen wir in allen Landesteilen eine Grundausstattung der Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge sichern und, wo notwendig, neu schaffen.

Wir wollen Markt und Wettbewerb klaren sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen und einer effektiven kartellrechtlichen Kontrolle unterwerfen. Demokratische Wirtschaftsformen wie öffentliches Eigentum und Genossenschaften wollen wir stärken, ebenso wie internationale, direkte Handelspartnerschaften. In der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit des Freistaats setzen wir ausschließlich auf die Förderung internationaler zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit.

Wir wollen den Fokus auf gesellschaftlich sinnvolle und ressourcenschonende – kurz: nachhaltige – Produkte und Dienstleistungen richten. Wer ressourcenschonende Produkte herstellt, soll besonders gefördert werden. Den Energieverbrauch der Wirtschaft wollen wir senken und damit den Verbrauch von nicht regenerativen Ressourcen verringern. Den Übergang zu einer auf erneuerbaren Energien und dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen basierenden Energiewirtschaft wollen wir beschleunigen.

Wir setzen uns ein für ein gerechtes Steuersystem, das Großunternehmen und hohe Einkommen stärker belastet als kleine und mittlere Unternehmen und Geringverdienende. Damit stärken wir die Kaufkraft im Land und die Handlungsfähigkeit von Land und Kommunen.

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3.5.2. Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen

3.5.2.1 Arbeits- und Einkommensbedingungen verbessern

Wir stehen dafür, das Billiglohnland Sachsen zu überwinden. Wir fordern einen höheren Mindestlohn und bessere Tarifverträge. Arbeit in Sachsen wird noch immer schlechter bezahlt als in den alten Bundesländern. Wir unterstützen die Gewerkschaften in Arbeitskämpfen um Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen und Tarifverträge, gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit und gute Beschäftigung! Außerdem fordern wir den Ausschluss von Scheingewerkschaften und fair ausgehandelte Flächentarifverträge!

(These 6 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Wir wenden uns gegen alle Formen der Niedriglohnbeschäftigung und prekäre Arbeitsverhältnisse wie nicht oder nur schlecht vergütete Dauerpraktika für junge Menschen, Leiharbeit und sachgrundlose Befristung.

Dafür wollen wir die Tarifbindung stärken. Sachsen ist Schlusslicht bei Tarifverträgen. Nicht einmal jeder fünfte Betrieb trifft Vereinbarungen mit Gewerkschaften. Das liegt auch an der Betriebsstruktur in Sachsen: In fast 90 Prozent der Betriebe arbeiten weniger als 10 Beschäftigte. Nur 43 Prozent der Arbeitnehmer*innen werden durch Tarifverträge geschützt, deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt. Im Durchschnitt verdienen Beschäftigte ohne Tarifvertrag ein Viertel weniger als Tarifbeschäftigte mit vergleichbarer Arbeit. Auch das ist ein Grund, warum in Sachsen rund 250.000 Menschen vom Mindestlohn leben – insbesondere die in Einzelhandel, Gastronomie oder der Wach- und Sicherheitsbranche Beschäftigten.

Die Billiglohn- und Ausbeuterpolitik der Staatsregierung ist gescheitert. Wir wollen, dass Sachsen für Beschäftigte attraktiver wird. Dafür braucht es eine gesetzliche Tarifbindung und demokratische Mitspracherechte für die Beschäftigten. Die Arbeit von Betriebsräten ist in allen Betrieben unverzichtbar. Sie müssen ungehindert gebildet werden dürfen und arbeiten. Wir streiten für eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, durch die die Betriebsratswahlen erleichtert und Betriebsräte besser geschützt werden.

Deshalb setzen wir uns dafür ein, den Mindestlohn auf mindestens 12 Euro zu erhöhen. Wir wollen, dass der Freistaat und seine Kommunen ihre Marktmacht als Auftraggeber*innen nutzen können. Sachsen ist neben Bayern das letzte Bundesland ohne Tariftreuegesetz. Deshalb werden wir das Sächsische Vergabegesetz ändern: Öffentliche Aufträge werden nur noch an Unternehmen vergeben, die sicherstellen, dass sie selbst und alle Nachunternehmen – neben Sozial‑, Umwelt- und Gesundheitsschutzauflagen – auch die entsprechenden Flächen- und Branchentarifverträge einhalten. Wir fordern mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge. Als ein Hindernis dabei, sollte im Tarifausschuss das „Einvernehmenserfordernis“ abgeschafft werden. Ein Mindeststundenlohn nach der Entgeltgruppe 1 Stufe 2 nach der Entgelttabelle zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (Ost) in der jeweils geltenden Fassung ist den Arbeitnehmer*innen mindestens zu garantieren. Für kleine und mittelständische Unternehmen werden wir entsprechende Anpassungsregelungen vornehmen.

Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit und eine gerechte Entlohnung sind unser Ziel. Wir setzen uns für eine Lohnangleichung Ost-West ein und wollen insbesondere in frauenspezifischen Berufen, im Pflege‑, Erziehungs- und Dienstleistungsbereich die Einkommenssituation der dort Beschäftigten verbessern. Wir wollen Möglichkeiten suchen, bisher unbezahlte Pflege- und Hausarbeit angemessen gesellschaftlich zu entlohnen. Wir werden gleichzeitig geschlechternormierte Berufsbilder aufweichen und Berufe, egal ob „klassisch weiblich“ oder „klassisch männlich“ wahrgenommen, für alle Menschen öffnen. Dafür werden wir den Girls‘ Day ebenso wie den Boys‘ Day stärken. „Klassische Frauenberufe“ wollen wir aufwerten und die existierende Lohnlücke zu gleichwertiger Arbeit schließen.

Die Annäherung der ostdeutschen Effektivlöhne an das Westniveau stagniert seit 20 Jahren. Nach wie vor liegt das Lohnniveau im Osten bei nur 83 % des Lohnniveaus im Westen. Wir wollen eine deutliche Anhebung des Lohnniveaus Ost sowie die Abschaffung unterschiedlicher Rechtsrahmen Ost und West bei Tariflöhnen erreichen. Damit einhergehend streiten wir für die Überwindung der fortgesetzten Unterrepräsentanz und strukturellen Benachteiligung von Menschen aus Ostdeutschland und Menschen mit ostdeutscher Biografie in Behörden, Gerichten, Unternehmen und Hochschulen. Dazu gehört für uns auch, deutlich mehr Gerichts- und Behördenstandorte des Bundes in Sachsen anzusiedeln.

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3.5.2.2 Arbeitsmarktpolitik gestalten

Obwohl die Wirtschaft händeringend Fachkräfte sucht, stagniert in Sachsen der Anteil Langzeitarbeitsloser. Aktuell sind das weiterhin über 46.000 Menschen. Laut Umfragen ist aber nicht einmal jeder zweite Betrieb im Freistaat bereit, Langzeitarbeitslose einzustellen. Dabei haben die meisten Langzeitarbeitslosen einen Berufs- oder Studienabschluss. Fast die Hälfte könnte als Facharbeiter*innen vermittelt werden. Diese absurde Situation wollen wir auflösen und Arbeitsmarktpolitik als Struktur- und Beschäftigungspolitik gestalten. Ziel muss es sein, die Bereitschaft, Langzeitarbeitslose einzustellen, zu erhöhen, mentale Hürden abzubauen und gezielte Anreize zu schaffen. Das Förderprogramm „Sozialer Arbeitsmarkt“ des Bundes wollen wir um niedrigschwellige Angebote ergänzen. Unser Ziel ist es, den Einstieg in die andauernde Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern.

Mit Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung wollen wir Zugangsbarrieren zur Erwerbstätigkeit abbauen sowie durch Qualifizierung und Integration der betroffenen Personen den Neu‑, Quer- oder Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglichen. Mit einer Landesförderung wollen wir vor allem diejenigen Personengruppen erreichen, die bislang nur unzureichend an beruflicher Qualifizierung teilhaben, wie geringqualifizierte, ältere oder nichtleistungsempfangende Menschen im erwerbsfähigen Alter. Unser Ziel sind dabei Bildungsgänge, die zu einem verwertbaren Berufsabschluss führen. Wir wollen, dass auch Menschen jenseits der 40 die Chance auf eine berufliche Neuorientierung haben.

Mit einem Förderprogramm „Sozialer Arbeitsmarkt Sachsen“ wollen wir privatwirtschaftliche Arbeitsplätze durch revolvierende Fonds insbesondere im Start-Up- und Hochtechnologiebereich unterstützen, wenn damit sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Betrieben mit betrieblicher Mitbestimmung gesichert oder geschaffen werden.

Wir wollen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) zwischen Markt und Staat aufbauen: Gesellschaftlich wertvolle Arbeit, die sich der kapitalistischen Verwertungslogik entzieht, soll durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gefördert werden. So können auch zivilgesellschaftliche Strukturen – wie zum Beispiel Beratungsstellen, Frauenzentren, soziokulturelle oder Nachbarschaftszentren – gestärkt werden, lokale Vereine und Verbände profitieren davon. Durch die Bündelung der Fördermittel von EU, Bund, Ländern, SGB III und SGB II, ergänzt durch kommunale Mittel und Eigenmittel der Träger, wollen wir Menschen in Arbeit bringen, statt sie in den Mühlen der Ämter zu halten. In Sachsen sollen mindestens 10.000 auf Dauer angelegte Arbeitsplätze mit mindestens dreijähriger Beschäftigungsdauer und existenzsicherndem Einkommensniveau entstehen. Dabei soll das Projekt durch regionale Beiräte unter Einbeziehung von Politik, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden überwacht werden.

Um die allgemeine, politische und berufliche Bildung für Arbeitnehmer*innen zu garantieren, setzen wir uns für einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Bildungsurlaub ein. Moderne und zukunftsorientierte Beschäftigung braucht Weiterbildung und Inspiration. Nicht nur Beschäftigte, auch Betriebe profitieren davon enorm, wenn neues Wissen Einzug hält. Sachsen ist eines von zwei Bundesländern, in dem dieser Anspruch noch nicht geregelt wurde. Wir wollen, dass allen Erwerbstätigen ein Bildungsurlaubsanspruch von 10 Tagen in zwei Jahren ermöglicht wird.

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3.5.2.3 Integration von Menschen mit Beeinträchtigung

Auch in Sachsen müssen Menschen mit Beeinträchtigungen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir sehen darin nicht nur die Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Vor allem ist es gesellschaftliche Pflicht, allen Menschen auch durch Arbeit ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Um dies zu leisten, wollen wir die Landesausbildungs- und ‑beschäftigungsprogramme zu einem integrierten Sonderprogramm gemeinsam mit der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter, den kommunalen Integrationsämtern und der Rentenversicherung weiterentwickeln. Betriebe sollen bei der Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze und der Beantragung von Förderung zur Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen besser unterstützt und Antragsprozesse entbürokratisiert werden. Die Dauer der Antragsverfahren wollen wir verkürzen.

Gleichzeitig setzen wir uns sowohl für eine Gesetzesreform zur Vereinfachung der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt als auch für eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe nach SGB IX ein. Der Mindestlohn muss auch in Werkstätten für behinderte Menschen gelten.

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3.5.2.4 Arbeitsschutz in Sachsen verbessern

Die Arbeitsschutzverwaltung in Sachsen ist jahrelang personell ausgedünnt worden. Ihre Tätigkeit ist nur noch mit Hilfe von Priorisierungserlassen aufrechtzuerhalten. Der dramatische Rückgang der Kontrolltätigkeit hat dem Missbrauch der Beschäftigten in den Unternehmen und gesundheitlicher Gefährdung Tür und Tor geöffnet. Infolge des personellen Kahlschlags sank die Zahl der Betriebskontrollen. Unternehmen im Freistaat werden im Schnitt nur noch alle 30 Jahre begutachtet. Betriebe aus Bereichen, für die kein Priorisierungserlass besteht, fallen fast vollständig durch das Raster. Das ist dramatisch, denn schwere und tödliche Arbeitsunfälle gingen in der Vergangenheit zu 87 Prozent auf mangelnden Arbeitsschutz zurück! Dem betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz kommt deshalb große Bedeutung zu. Um die Kontrolle der Sicherheitsstandards und die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen in den Unternehmen zu gewährleisten, wollen wir die Arbeitsschutzbehörden personell deutlich stärken. Betriebe sollen zukünftig wieder engmaschig geprüft werden.

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3.5.2.5 Digitalisierung der Arbeitswelt

Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt in den nächsten Jahren einschneidend verändern. Arbeitsabläufe und Qualifikationsanforderungen wandeln sich. In gesellschaftlichen und privaten Bereich werden immer mehr technische Innovationen Einzug halten. Neue Berufe werden entstehen, bestehende sich grundsätzlich ändern. Viele heute noch arbeitsintensive Prozesse werden in Zukunft von Computern und Robotern übernommen.

Dadurch verändert sich auch die Arbeitsorganisation. Immer mehr Menschen nutzen Homeoffice. Damit einher geht eine höhere Flexibilität, in der frei entschieden werden kann, wann und wo Arbeit stattfindet. So kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spürbar steigen. Auf der anderen Seite ist damit oft der Druck zu permanenter Erreichbarkeit verbunden. Die Grenzen von Berufs- und Privatleben drohen zu verschwimmen. Der Arbeitstag endet nicht automatisch nach acht Stunden. So entwickelt sich schnell eine gesundheitsgefährdende Dauerbelastung. Den Bestrebungen von Wirtschaftsverbänden, in diesem Zusammenhang bestehende Regeln zum Arbeitsschutz und zur Arbeitszeit ersatzlos als antiquiert zu schleifen, werden wir uns entgegenstellen. Vielmehr müssen diese Regeln modernisiert und angepasst werden. Es gilt fort, dass Arbeitgeber*innen keinen Rund-um-die-Uhr-Anspruch auf ihre Mitarbeiter*innen haben. Auch im digitalen Zeitalter haben diese ein Recht auf Privatleben und Familie. Das umfasst auch den Schutz ihrer persönlichen Daten.

Unternehmen schreiben immer mehr Tätigkeiten über das Internet aus. Das reicht von einfachen Recherchearbeiten bis zu komplexen Ingenieursleistungen. Das sogenannte Crowdworking bietet einen leichteren Zugang zu Arbeit und mehr Flexibilität oder die Chance zu einem Zuverdienst. Es kann sogar der Start in eine erfolgreiche Selbständigkeit sein. Die aktuellen Erfahrungen zeigen jedoch, dass viele Crowdworker*innen digitale Tagelöhner*innen sind: Schlecht bezahlte Soloselbständige ohne soziale Absicherung. In anderen Fällen handelt es sich um Scheinselbständige, die von einzelnen Auftraggeber*innen abhängig sind und wenig bis keinen eigenen Gestaltungsspielraum haben, jedoch die vollen Risiken ihrer Tätigkeit tragen. Solchen Auswüchsen stellen wir uns entgegen.

Digitalisierung ist ein Prozess, den wir gestalten können und müssen. Aus diesem Grund werden wir ein Staatsministerium für Digitalisierung im Freistaat einrichten, welches sich um die Herausforderungen und Belange der Digitalisierung gebündelt kümmert.

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3.5.2.6 Innovative Arbeitsmarktprojekte im gesellschaftlichen Experimentierraum

Die Arbeits- und Lebenswelt verändert sich. Auf diese Veränderungen wollen wir reagieren und gemeinsam mit den Menschen im Land innovative Modellprojekte erproben.

Wir wollen, dass Sachsen Vorreiter in Sachen Arbeitszeitverkürzung wird: Wie in Schweden wird hier der 6‑Stunden-Tag bei vollem Lohnausgleich getestet. Produktivität steigt, Krankenstände und Arbeitsstress sinken. Eine gemeinsame Kommission aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen erarbeitet dafür ein Handlungskonzept.

Die Veränderung der Erwerbsarbeit durch die Digitalisierung sorgt bei vielen für Verunsicherung. Spüren die einen bereits jetzt die Vorteile, klagen die anderen über zunehmenden Druck oder fragen sich, ob es ihren Arbeitsplatz in einigen Jahren überhaupt noch geben wird. Wir wollen, dass die Mitbestimmung der Menschen bei der Gestaltung der Arbeits-und Lebensbedingungen der Zukunft im Vordergrund steht. Hierfür müssen Anforderungen und soziale Standards formuliert und offensiv öffentlich diskutiert werden. Zu diesem Zweck wollen wir eine Enquete-Kommission Digitalisierung einrichten, welche die Herausforderungen der Digitalisierung für die Arbeitswelt, aber auch für Politik, Behörden und Verwaltung untersucht und Handlungsmöglichkeiten aufzeigt.

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3.5.3. Kleine und Mittelständische Unternehmen unterstützen

Die Kleinteiligkeit der sächsischen Wirtschaft ist eine besondere Herausforderung. Kleine und mittelständische Unternehmen prägen den Wirtschaftsstandort Sachen. Fast 90 Prozent der Betriebe haben weniger als 10 Beschäftigte.

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3.5.3.1 Fachkräfte sichern, Unternehmen mit Zukunft gestalten

Damit kleine und mittelständische Unternehmen ihre wichtige Rolle im Wirtschaftsgefüge des Freistaates wahrnehmen und nachhaltig wirtschaften können, benötigen sie eine funktionierende wirtschaftliche und soziale Infrastruktur. Wir wollen Verkehr, Logistik und Breitbandausbau daher auf die Bedürfnisse dieser Unternehmen ausrichten. Aber auch bei der sozialen Infrastruktur ist der Freistaat in der Pflicht: Es braucht gute Schulen und Kitas, familienfreundliche Angebote, ein attraktives Lebensumfeld wie kulturelle Angebote und ein aktives Vereinsleben, um Mitarbeiter*innen langfristig binden zu können. Daher wollen wir mit konkreten Maßnahmen dazu beitragen, dass Menschen in allen Regionen des Freistaates gleichwertige Lebensverhältnisse vorfinden.

Außerdem werden wir ein Förderprogramm „Fachkräftesicherung“ auflegen. So wollen wir kleine und mittelständische Unternehmen genauso wie sächsische Kommunen bei der Entwicklung von Arbeits-­, Lern-­ und Lebensbedingungen unterstützen, um Fachkräfte im Freistaat zu halten bzw. nach Sachsen zu holen. Dazu gehören beispielsweise Projekte für lernförderliche Arbeitsbedingungen in den Unternehmen und familienfreundliche Infrastrukturen in den Kommunen.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken sollen noch stärker in die Kreditfinanzierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen einbezogen werden. Struktur- sowie regionalpolitisch besonders wichtige Vorhaben wollen wir über Landesbürgschaften absichern. Zur besseren Absicherung der Bedarfe an Risikokapital werden bestehende Instrumente gestärkt und neue Formen auf Landesebene entwickelt. Ein Beispiel hierfür wäre ein Innovationsfonds Sachsen.

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3.5.3.2 Starke Kommunen, starke regionale Wirtschaft

Für eine stabile regionale wirtschaftliche Entwicklung sind besonders der Erhalt und die Fortführung von Betrieben entscheidend. Pro Jahr gibt es in Sachsen rund 1.000 Unternehmensübergaben. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es, insbesondere jenseits der Großstädte, immer schwieriger für Inhaber*innen kleiner und mittelständischer Unternehmen, die passenden Nachfolger*innen zu finden. Wir wollen die Inhaber*innen dieser Unternehmen deshalb unterstützen. Landeszentral wie regional wollen wir Kontakt- und Informationsangebote bspw. durch Nachfolgebörsen gemeinsam mit den Kammern und Verbänden etablieren und finanzielle Unterstützungsangebote zur Bewältigung besonderer Lasten bei der Unternehmensnachfolge unterbreiten.

Kleine und mittelständische Unternehmen leben besonders häufig von regionalen Wirtschaftsbeziehungen. Daher müssen wir die Binnennachfrage stärken: Dies gelingt zum einen durch die Verbesserung der Einkommensverhältnisse der Menschen im Freistaat, aber auch durch die öffentliche Hand als Auftraggeber*in. Insbesondere in konjunkturschwachen Zeiten bietet sich so die Möglichkeit, eine stabile regionale Wirtschaftsentwicklung zu stützen und den Investitionsstau in den sächsischen Kommunen aufzulösen. Dazu wollen wir eine höhere kommunale Investitionspauschale für mehr Handlungsspielräume vor Ort und damit für die Regionalentwicklung durchsetzen sowie regionale Wirtschaftskreisläufe stärken.

Wir wollen Wirtschafts- und Arbeitsförderung in regionalen Verantwortungsgemeinschaften, das heißt, wir wollen freiwilligen Verbünden aus Kommunen sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten Regionalbudgets zur eigenverantwortlichen Bewirtschaftung übertragen. Damit wollen wir die Kooperation zwischen Kommunen und Wirtschaftsräumen stärken, statt Standortwettbewerb zu befeuern. Wo erforderlich, müssen vor allem finanzschwache Kommunen vom Eigenanteil bei Kofinanzierungen für Investitionen befreit werden.

Gemeinsam mit den betroffenen Kommunen, den Bürger*innen und der regionalen Wirtschaft werden wir Konversionskonzepte für die zivile Nutzung ehemaliger Bundeswehrstandorte und Kasernen entwickeln.

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3.5.4. Land- und Forstwirtschaft

Agrarpolitik heute muss mehr leisten als Produktion von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen. Die heutige Gesellschaft verlangt zu Recht die Einhaltung von Sozial‑, Umwelt- und Tierschutzstandards, sie fordert eigenständige Beiträge zum Klimaschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zur Pflege von Kulturlandschaften und sie mahnt faire globale Handelsbeziehungen an.

Wir wollen eine strukturreiche, vielfältige Landwirtschaft und eine ausgewogene Verteilung von Tierhaltungsbetrieben. Wir wollen, dass sich Landwirtschaft stärker an regionalen Wirtschaftskreisläufen und an der Qualität ihrer Produkte orientiert. Dafür müssen mehr hochwertige, gesunde und saisonale Lebensmittel vom Hof nebenan bereitgestellt werden – vor allem in den Küchen von Kita, Schule oder Krankenhaus, aber auch im Supermarktregal.

Längst ist die heimische Fleischlust nicht mehr nur ein nationales Gesundheitsproblem. Für deutsche Schnitzel wird in Brasilien, Paraguay und Argentinien die grüne Lunge des Planeten abgeholzt. Es werden Flächen für die Futterproduktion gebunden, die dringend für die Ernährung der dortigen Bevölkerung und die Entwicklung einer regionalen Landwirtschaft benötigt werden. Das ist ungerecht. Deshalb wollen wir durch verstärkte Umwelt- und Ernährungsbildung in Schulen und durch Verbraucher*innenaufklärung das verheerende Modell eines egoistischen westlichen Lebensstils mit seiner gigantischen Lebensmittelverschwendung und einem zu hohen Fleischkonsum korrigieren.

Die Kehrseite des überhöhten Fleischkonsums sind vielfach – neben nitratverseuchten Böden und belastetem Grundwasser – Schweine ohne Ringelschwanz, Küken im Schredder, bestialische Zustände in Schlachthöfen. Der hohe Medikamenteneinsatz, besonders von Antibiotika, in der Nutztierhaltung gefährdet die menschliche Gesundheit. Diesen Kreislauf müssen wir durchbrechen! Mega-Ställe werden wir nicht mehr genehmigen, Tierverstümmelungen und Qualzuchten wollen wir beenden sowie den Antibiotikaansatz weiter reduzieren. Stattdessen setzen wir in der Tierhaltung auf robuste Mehrnutzungsrassen und tiergerechte Haltungsformen. Käfigsysteme, Kastenstände oder Vollspaltenbuchten haben mit uns ausgedient. Wir werden Investitionsförderungen an höchste wissenschaftliche Standards bei Haltungssystemen binden.

Vor allem aber braucht es eine bodengebundene Tierhaltung, die ausreichend Fläche für die Futtererzeugung und die Gülleausbringung berücksichtigt. Der Ökolandbau setzt diese Anforderungen am konsequentesten um und wird deshalb durch uns besonders gefördert. Die fachliche Beratung zur Umstellung – auch von Teilflächen – bauen wir aus.

Außerdem unterstützen wir die flächendeckende Einführung einer rechtlich verbindlichen Haltungskennzeichnung in Deutschland und Europa. Eine gute Grundlage dafür bietet das zweistufige Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes.

Wir wollen weniger und kürzere Tiertransporte, die strenger kontrolliert werden. Dafür stärken wir die kommunalen Kontrollbehörden personell und finanziell.

Ebenfalls wichtig ist das Thema existenzsichernder Erzeugerpreise als Voraussetzung für gute Löhne für die Beschäftigten in der Landwirtschaft. Mit Milch- und Fleischpreisen auf Ramschniveau wird das nicht funktionieren. Deshalb werden wir die Marktdominanz der Lebensmittelriesen von Aldi bis Rewe, der Mega-Molkereien und großen Schlachthöfe zurückstutzen und die Verhandlungsmacht der Bäuer*innen stärken. Dafür werden wir die Förderung regionaler, genossenschaftlich organisierter Erzeugergemeinschaften oder von Selbstversorgungsstrukturen wie der solidarischen Landwirtschaft, dezentrale Verarbeitungskapazitäten und Eigenvermarktungsstrukturen stärken. Die Vorgabe von Mindesterzeugerpreisen beispielsweise für Milch und Fleisch wollen wir unterstützen.

Auswirkungen des Klimawandels haben in den vergangenen Jahren immer wieder der sächsischen Agrarwirtschaft die Ernte verdorben. Zuletzt sorgte 2018 ein Rekordhitzejahr für extreme Verluste in Wäldern, in Fischereiteichen, auf vielen Feldern, aber auch in Ställen, weil das Gras für die Kühe fehlte. Die Klimabilanz der landwirtschaftlichen Produktion muss verbessert werden! Dazu werden wir den Mineraldünger- aber auch den Pflanzenschutzmitteleinsatz auf dem Feld verringern, moderne boden- wie ressourcenschonende Techniken fördern und das Anbaumanagement optimieren, beispielsweise um Wasser zu sparen, die Bodenverdichtung zu reduzieren oder den Humusaufbau zu fördern. Außerdem soll der externe Energieeinsatz im landwirtschaftlichen Betrieb reduziert werden, z. B. durch eigene Bioenergie.

Unser Ziel ist klar: Ganz Sachsen soll glyphosatfrei werden! Wir wollen den Einsatz dieses extrem giftigen Totalherbizids verbieten – auf privaten, staatlichen, kommunalen bis hin zu landwirtschaftlichen Flächen!

Der Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft wird aktuell durch fehlende Fachkräfte und Betriebsnachfolger*innen sowie die allgemeine Finanzkrise verstärkt. Boden ist ein begrenztes und deshalb begehrtes Gut – knapper werdende Flächen lassen die Preise explodieren. Finanzstarke, landwirtschaftsfremde Investoren booten Bäuer*innen immer häufiger am Markt aus und sichern sich Boden als ein lukratives Anlage- und Spekulationsobjekt. Dadurch wird landwirtschaftlichen Betrieben Land entzogen, Junglandwirt*innen Chancen verbaut und Dorfentwicklung verspielt. Durch einen landeseigenen Bodenfonds, in dem Flächen angekauft und gesammelt werden, wollen wir Boden langfristig für Landwirte vor Ort – insbesondere für Junglandwirt*innen – sichern und in Pachtverträgen auf besonders umweltverträgliche Bewirtschaftungskonzepte wertlegen.

Den Flächenverbrauch durch Verkehr, Siedlungsbau oder Rohstoffgewinnung werden wir deutlich zurückzuführen. Naturschutzfachliche Ausgleichsmaßnahmen sollen gezielt der Entsiegelung von Brachflächen und Aufwertung von strukturarmen Landschaften dienen.

Hand in Hand mit einer nachhaltigen Agrarwirtschaft geht eine gesunde Umwelt, denn weniger Gift und dafür strukturreiche Äcker und Feldraine oder ein klimawandelfester Wald bieten Lebensraum für zahlreiche oftmals bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Dafür werden wir das Schutzgebietssystem in Sachsen kontinuierlich weiterentwickeln, Biotopverbünde ausbauen, Agrarumweltmaßnahmen und Artenschutzprogramme stärker fördern. Land-/Forstwirt*innen und Naturschützer*innen sind dabei Partner*innen, keine Kontrahent*innen.

Widerstand hat sich gelohnt: Es ist ruhig um die Risikotechnologie Grüne Gentechnik geworden, seit sich BASF aus der Gentechnikforschung in Europa zurückgezogen hat. Sachsen ist seit 2013 praktisch gentechnikfrei. Dennoch bleibt die potenzielle Bedrohung durch global agierende Agrochemiekonzerne und über Agrarimporte. Deshalb wollen wir, dass Sachsen dem Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen in Europa“ beitritt und damit verbindlich erklärt, dass es in Sachsen auch künftig keine grüne Gentechnik auf dem Acker geben wird. Wir sorgen mit der Stärkung des Anbaus heimischer Eiweißfuttermittel zusätzlich dafür, dass Gentechnik auch aus dem Futtertrog oder vom Teller verschwindet. Wir werden dagegen besonders die ökologische Pflanzenzüchtung fördern.

Willkommen Wolf, Reiher oder Biber: Konflikte im Zusammenleben mit geschützten tierischen Rückkehrern müssen wir aushalten lernen durch verstärkte Aufklärung der Bevölkerung, durch die Wiederentdeckung längst vergessener Kulturtechniken wie dem wirksamen Schutz von Weidetieren, aber auch durch einen finanziellen Ausgleich von Mehraufwand und Schaden für Nutztierhalter*innen. Mit der LINKEN wird es eine Weidetierprämie für Schafe, Ziegen aber auch Rinder geben. Das Geld dafür ist gut investiert – in ein wertvolles Ökosystem, das unseren Enkeln eine artenreiche Umwelt hinterlässt.

Der sächsische Wald genießt ein hohes Ansehen in der Bevölkerung und bietet vor allem Erholungs‑, aber auch Nutz- und Schutzfunktion. Durch immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse und Klimaveränderung sowie die einseitige Ausrichtung auf zwar ertragreiche, aber instabile Monokulturen in der Vergangenheit ist sein Fortbestand in der jetzigen Form jedoch bedroht. Massive Sturmschäden, Trockenstress und in dessen Folge großflächiger Schädlingsbefall, dessen Ausmaß längst noch nicht abschätzbar ist, zeigen sehr deutlich auf, dass ein Umbau zu ökologisch stabilen, naturnahen und strukturreichen Mischwäldern die zentrale Aufgabe ist. Der Staatsbetrieb Sachsenforst muss diesen Umbau auf den eigenen Staatswaldflächen konsequent umsetzen, aber auch Privatwaldbesitzer*innen durch Beratung und Wissenstransfer dabei unterstützen.

Artenreiche Wildtierbestände gehören für uns zu einem gesunden Wald. Waldumbau und Wildtierbejagung müssen dabei in einem gesunden Verhältnis zueinanderstehen. Kurzfristige betriebswirtschaftliche Interessen dürfen in einem so komplexen Ökosystem nicht handlungsleitend sein.

Der Anteil von Waldflächen, die von der wirtschaftlichen Nutzung ausgeschlossen sind, soll weiter erhöht werden. Privatwaldbesitzer*innen werden für Naturschutzleistungen, wie zum Beispiel ein höherer Totholzanteil, belohnt.

Forstbetriebsgemeinschaften als Zusammenschluss vieler Kleinwaldbesitzer*innen, die die flächenübergreifende Bewirtschaftung und Vermarktung des natürlichen Rohstoffes Holz koordinieren, sind zu fördern.

Wir wollen konkrete Maßnahmen ergreifen, um die Lebensmittelverschwendung zu begrenzen. Wir wollen in Sachsen landesgesetzlich untersagen, dass Lebensmittel aus Lebensmittelgeschäften weggeworfen werden. In Anlehnung an ein Gesetz aus unserem Nachbarland Frankreich, welches veranlasst hat, dass Supermärkte mit einer Fläche von mehr als 400 Quadratmetern keine Lebensmittel mehr wegwerfen dürfen, wollen wir ein ähnliches Gesetz für Sachsen vorschlagen. Statt der massiven Lebensmittelverschwendung müssten Supermärkte und der Großhandel unverkaufte Produkte spenden, in der Landwirtschaft nutzen oder zu Tierfutter verarbeiten. Das würde die Supermärkte dazu bringen, besser zu planen und gleichzeitig den Tafeln zusätzliche Essensspenden einbringen. Abseits davon wollen wir eine Änderung des Diebstahlparagraphen durchsetzen, sodass die Mitnahme von Lebensmitteln aus den Supermarkttonnen (sog. Containern) legalisiert wird.

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3.5.5. Tourismus

Der Tourismus in Sachsen boomt und wird zu einem immer wichtigeren Bereich der sächsischen Wirtschaft. Bereits 180.000 Menschen verdienen sich ihren Lebensunterhalt in touristischen Betrieben. Dennoch wird er weiterhin im Verbund mit anderen Wirtschaftszweigen definiert. Die Förderung der Tourismuswirtschaft bleibt als freiwillige Aufgabe für die Kommunen unterrepräsentiert.

Wir werden daher zum einen den Kommunen, bei denen der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, ermöglichen, diesen für sich zur Pflichtaufgabe zu erklären und damit einen direkteren, zweckgebundenen Zugang zu Mitteln des Freistaates zu erhalten. Zum anderen werden wir Maßnahmen entwickeln, die es ermöglichen, gezielt Angebote des Tagestourismus zu fördern.

Tourismus ist ein Standort- und Wettbewerbsfaktor für Kommunen, mit Wechselwirkungen auf viele andere Wirtschaftsbereiche wie Gastronomie und Verkehr. Über eine Kopplung von Abgaben wie der Kurtaxe oder Bettenabgabe mit Fahrberechtigungen für den ÖPNV werden wir Gästen und Anwohner*innen ein attraktives Angebot zur kostenfreien Nutzung von Verkehrsmitteln unterbreiten, den Individualverkehr reduzieren und die öffentliche Daseinsvorsorge stärken.

Gerade mit Blick auf die Herausforderungen durch den Strukturwandel und die anlaufenden oder abgeschlossenen Renaturierungsprozesse in der Lausitz oder im Leipziger Land wird der Tourismus als Wirtschaftsfaktor eine Möglichkeit bieten, um kleine und mittelständische Unternehmen zu erhalten und Lebensqualität zu sichern. Dazu werden wir die bestehende Förderung ausbauen und in Interessengemeinschaften mit den benachbarten Bundesländern und Staaten gemeinsame Projekte und Absprachen verbessern. Wir wollen, dass die Anbindung des Mulderadwegs (Freiberg–Zwickau), des Spreeradwegs (Bautzen) und des Oder-Neiße-Radwegs (Görlitz–Zittau) an den Eisenbahnfernverkehr erfolgt, um eine bessere touristische Erreichbarkeit zu gewährleisten.

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3.5.6. Förderpolitik in Sachsen neu gestalten

Die bisherige Förderpolitik des Freistaates, insbesondere bei Großansiedlungen, unterliegt der Standortlogik und dem Wettbewerb. Gefördert wird vor allem, wer eigentlich schon finanzkräftig ist. Zu oft wird mit Steuermitteln Großkonzernen der rote Teppich ausgerollt, zu oft hat sich der Staat dabei erpressbar gemacht. Beispiele wie Bombardier oder Siemens haben dies in den letzten Jahren deutlich gezeigt. Wir wollen die Förderpolitik im Freistaat deshalb wieder vom Kopf auf die Füße stellen: Im Fokus steht nachhaltiges Wirtschaften statt Standortwettbewerb.

Wir wollen eine gezielte Landesförderung zur Schaffung und Sicherung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze gestalten. Dazu gehört auch, bürokratische Hürden bei der Beantragung von Förderung abzubauen. Wir werden auch Projekte initiieren, die es ermöglichen, gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen komplette Anschubfinanzierungen zu ermöglichen und nicht nur Teile ihrer Investitionsmasse zu übernehmen. Auch Betriebszusammenschlüsse sächsischer Unternehmen zu größeren und konkurrenzfähigeren Betrieben und Betriebsverbünden wollen wir fördern.

Die unmittelbare finanzielle Förderung von Unternehmen wollen wir auf Darlehen oder Mitarbeiter*innen- bzw. öffentliche Beteiligungen umstellen. Im Mittelpunkt steht für uns dabei die Nachhaltigkeit des unternehmerischen Engagements. Durch die finanziellen Rückflüsse aus Darlehen ermöglichen wir kontinuierlich ausgestattete, revolvierende Förderfonds. Zur Voraussetzung für eine Förderung machen wir das konsequent zivile Engagement von Unternehmen. Produkte und Dienstleistungen zur militärischen Nutzung werden wir von der Förderung ausschließen.

Um die einseitige Abhängigkeit ganzer Regionen von einzelnen Wirtschaftsbranchen zu reduzieren, wollen wir eine konsequente Umstellung der Gründungsförderung in Sachsen auf die Unterstützung forschungs- und wissensbasierter Produkte und Dienstleistungen mit nachhaltiger Wirkung. Dazu werden wir kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Start-up-Unternehmen aus Praxis und Wissenschaft stille Beteiligungen des Freistaates und öffentliches Risikokapital – verbunden mit Gewinnbeteiligung – zur Verfügung stellen.

Da wo Fördermittel als Beihilfen gewährt werden, wollen wir bereits bei der Vereinbarung der Förderung für den Fall einer Standortschließung oder einer Verlagerung des Standortes trotz Unternehmensprofits eine Abschlagszahlung an den Staat, gemessen am Standortwert und der Höhe der öffentlichen Förderung, vereinbaren.

Öffentliche Fördermittel werden wir grundsätzlich an Tarife und Qualifikationen von Beschäftigten binden. Nur Unternehmen ohne Beschäftigte in Leiharbeitsverhältnissen können Investitionsförderungen im vollen Umfang erhalten. Ebenso streben wir eine stärkere Bindung von Fördermitteln an Mitarbeiter*innenbeteiligungen an. Die Vergabe öffentlicher Mittel soll stets an Nachhaltigkeitskriterien gebunden werden.

Immer wieder haben in der Vergangenheit internationale Konzerne, trotz guter Auftragslage vor Ort, Beschäftigte entlassen und Betriebsteile geschlossen. Sei es, weil diese nicht mehr zum Konzernportfolio passten, sei es wegen falscher Managemententscheidungen oder zur Steigerung der Profite. Wir schaffen die Rahmenbedingungen und notwendigen finanziellen Unterstützungen durch Landesförderung, die es ermöglichen, dass solche Werke von den Mitarbeiter*innen übernommen und in Selbstverwaltung oder als Genossenschaften fortgeführt werden können.

Wir wollen, dass die öffentliche Hand überlegt, ob sie es zulässt, dass mit öffentlicher Förderung geschaffene Arbeitsplätze und damit gesellschaftliche Werte einfach wegrationalisiert werden oder besser im öffentlichen Interesse die Vergesellschaftung und Übergabe des unternehmerischen Eigentums forciert werden sollte.

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3.5.7. Forschung und Entwicklung für den Wirtschaftsstandort Sachsen

Sachsens Wirtschaft ist geprägt von Klein- und Kleinstunternehmen, deren eigene Innovationskraft auf Grund fehlender Investitionsmittel stark begrenzt ist. Gleichzeitig existiert in diesen Betrieben ein hohes praktisches Erfahrungs- und Innovationswissen, welches für die Umsetzung zukunftsträchtiger Ideen aus der Forschung gebraucht wird. Wir wollen Wissenschaft und Wirtschaft in Sachsen daher zusammenbringen, um Sachsen als Land der Erfindungen zu stärken. Dabei wollen wir die Forschungs- und Entwicklungspolitik konsequent auf sozial-ökologische Innovationen und ressourcenschonende Produkte ausrichten.

Wir wollen speziell Zusammenschlüsse kleiner Unternehmen zu Innovationsnetzwerken fördern. Eine öffentliche Kofinanzierung von Forschungs- und Entwicklungs-Projekten (FuE) wollen wir ebenso forcieren wie die Intensivierung des Wissenstransfers aus Hochschulen und Forschung in Unternehmen. Dies wollen wir durch eine überproportionale Förderung solcher FuE-Projekte bzw. deren Transfers erreichen, welche zwischen sächsischen Unternehmen und sächsischen Forschungseinrichtungen stattfinden. Zur Voraussetzung der Förderung von FuE-Projekten machen wir die konsequent friedliche und nichtmilitärische Nutzung.

Für eine intensivierte Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft setzen wir auf die Schaffung von Technologiezentren. Darüber hinaus werden wir Mittel für Verbundprojekte von Unternehmen und Einrichtungen der Wissenschaft und der außeruniversitären Forschung bereitstellen. Dienstleistungen der Technologie- und Gründerzentren wollen wir stärker spezialisieren und attraktiver ausgestalten. Dabei soll klarer zwischen Technologiegründungszentren einerseits und Gewerbegründungszentren andererseits unterschieden werden. Für kleine und mittelständische Unternehmen wollen wir darüber hinaus Innovationsgutscheine ausgeben.

Die Gründungsförderung in Sachsen wird auf die Unterstützung forschungs- und wissensbasierter, zukunftsorientierter Produkte und Dienstleistungen konzentriert. Dabei soll ein Großteil der Wertschöpfung auch tatsächlich vor Ort stattfinden. Dazu wird Start-Up-Unternehmen aus Praxis und Wissenschaft öffentliches Risikokapital zur Verfügung gestellt und in Form von stillen Beteiligungen ausgestaltet. Innovative Unternehmungsgründungen von Frauen* werden besonders gefördert.

Findet nach erfolgreicher öffentlich geförderter Gründung und dem Erreichen der Gewinnzone eine Verlagerung des Unternehmenssitzes in ein anderes (Bundes-)Land statt, müssen die so geförderten Unternehmen eine Abschlagszahlung in Höhe von zehn Prozent des Unternehmenswertes – mindestens jedoch in der Höhe der vorher geleisteten Förderung an den Freistaat leisten.

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3.5.8. Daseinsvorsorge: Öffentlich vor Privat

Wir wollen öffentliche Unternehmen stärken: Wir wenden uns gegen jede Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge. Strom- und Wasserversorgung sowie Nahverkehr sind gemeinschaftliche Aufgaben, die nicht Gewinninteressen und Profitstreben unterliegen dürfen. Für öffentliche Unternehmen der Daseinsvorsorge – ob im Landes- oder im kommunalen Besitz – wollen wir deshalb eine gesetzliche Privatisierungsbremse erlassen. Wo möglich, wollen wir Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wie beispielsweise Energie- und Wasserversorgung oder auch Verkehrsunternehmen rekommunalisieren. Dazu gehört für uns ausdrücklich auch die Versorgung mit Breitbandinternet. Öffentliche Unternehmen müssen sich dabei stets am Gemeinwohlinteresse statt an Renditeerwartungen orientieren. So gewährleisten wir, dass die öffentliche Hand Einfluss auf Klimaschutzmaßnahmen hat, wie die Umrüstung der Nahverkehrsflotte, der Ausbau des ÖPNV-Angebotes und die Versorgung mit klimafreundlicher Energie.

Für eine nachhaltige Kreditfinanzierung und einen vertrauensvollen Umgang mit den Geldern der Bürger*innen wollen wir die kommunalen Sparkassen stärken.

Die kommunale Gemeinschaft wollen wir dabei anregen, für ihre Sparkassen eine Zivilklausel – das heißt den konsequenten Verzicht auf Kreditvergabe oder Anlagen in rüstungsproduzierende oder –exportierende Unternehmen – zu vereinbaren.

Zur Verantwortung der Sparkassen zur Daseinsvorsorge gehört auch, die Sicherstellung eines Geldautomatennetzes – gerade im ländlichen Raum – zu gewährleisten. Den Abbau der Netze wollen wir konsequent umkehren.

Wirtschaftsdemokratie in öffentlichen Unternehmen wollen wir deutlich ausbauen, auch als Vorbild für die Privatwirtschaft. Öffentliche Beteiligungen in Sachsen müssen transparent gemacht, demokratisch kontrolliert und gesteuert werden. So wollen wir einen sächsischen Subventionsbericht vorlegen und Transparenz bei der Fördermittelvergabe herstellen. Neben klima- und umweltschädlichen Investitionen wollen wir die Gehälter von Beschäftigten in Management- und Geschäftsführungspositionen öffentlicher Unternehmen offenlegen und begrenzen.

Öffentliche Unternehmen wie auch der öffentliche Dienst müssen einen besonderen Beitrag zur Ausbildungsförderung leisten: Durch Ausgestaltung flexibler Arbeitszeiten, familienfreundlicher Freistellungsregelungen, leistungsgerechter Bezahlung und Einstellungskorridore im öffentlichen Dienst wollen wir das Personal verjüngen und jungen Menschen eine berufliche Perspektive geben.

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3.5.9. (Solo-)Selbstständigen und Künstler*innen ein soziales Netz spannen

Seit vielen Jahren werden in Sachsen mehr Firmen geschlossen als gegründet. Grund dafür ist auch, dass Selbstständige in ihrer Tätigkeit sozial kaum abgesichert sind und sich viele deshalb lieber eine Anstellung suchen. Doch viele Menschen, insbesondere im Bereich der digitalen Dienstleistungen, arbeiten heute als Soloselbstständige. Ihre Einkommen sind meist sehr niedrig, eine soziale Absicherung nicht vorhanden. Wir wollen, dass Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit gehen, dafür nicht bestraft werden.

Deshalb wollen wir Selbstständige gleichberechtigt in alle sozialen Sicherungssysteme aufnehmen. Lebensrisiken von Selbstständigen und insbesondere von Soloselbstständigen wollen wir dadurch mindern. Die Beiträge sollen dabei nach realistischem Einkommen und nicht nach fiktiven Mindestbemessungsgrenzen berechnet werden.

Für öffentliche Aufträge, insbesondere im Kreativ- und Gestaltungsbereich, bei denen oft auch Soloselbstständige zum Zuge kommen, wollen wir kurzfristig existenzsichernde Mindesthonorare einführen, um digitaler oder kreativer Selbstausbeutung einen Riegel vorzuschieben.

Darüber hinaus wollen wir mittelfristig die Einführung von flächendeckenden Mindesthonoraren anstrengen, die sowohl die spezielle Qualifikation als auch die Arbeitsleistung einbeziehen. Beiträge zu den Sozialkassen sind dabei bereits auszuweisen und damit Auftraggeber*innen wie Auftragnehmer*innen transparent zu machen.

Die soziale und wirtschaftliche Situation von Künstler*innen und Kulturschaffenden, die im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft oftmals unter prekären Bedingungen ihrer Arbeit nachgehen, wollen wir verbessern. Die Fortschreibung des Kulturwirtschaftsberichts für Sachsen wollen wir zügig beenden und die Handlungsempfehlungen und Maßnahmen daraus umsetzen. Dazu ist die Schaffung eines Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft analog zur Bundesinitiative „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft“ mit dem Regionalbüro Mitteldeutschland auf Landesebene notwendig. Darüber hinaus wollen wir eine entsprechende Koordinierungsstelle beim Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr einrichten.

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3.6. Sozial-ökologische Erneuerung für uns und unsere Enkelkinder

Wir wollen den Klimawandel stoppen! Für eine ökologische und nachhaltige Politik. Der Klimawandel ist ein zentrales gesellschaftliches Thema. Um ihn zu stoppen, bedarf es vieler Maßnahmen, zum Beispiel einer Agrarwende und des Öko-Landbaus sowie den Ausbau von Nachhaltigkeitsbildung, nachhaltigem Konsum, aktivem Naturschutz und eine radikale Mobilitätswende. Weil die Folgen des Klimawandels vor allem die Ärmsten der Gesellschaft treffen, müssen soziale Auswirkungen abgefedert werden. Den Kohleausstieg und Strukturwandel in den betroffenen Regionen wollen wir solidarisch und sozial gerecht gestalten.

(These 8 der Mitgliederbefragung zu den Schwerpunkten zur Landtagswahl)

Wir wollen den Klimawandel stoppen und stehen für eine ökologische und nachhaltige Politik! Wir wollen in Sachsen heute die Bedingungen dafür schaffen, dass auch unsere Enkelkinder hier noch glücklich Leben können. Wir setzen uns für lebenswerte ländliche Räume mit einer breit ausgebauten Daseinsvorsorge und Bleibeperspektiven für junge Menschen ein.

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3.6.1 Klimaschutz und Energiewende

Der Kohleausstieg ist beschlossene Sache – dafür haben auch wir gekämpft. Uns ist jedoch der Ausstieg im Jahr 2038 viel zu spät, um einen Beitrag für die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Es gilt nun, den Kohleausstieg zu gestalten! Sachsen muss sich auf einen anspruchsvollen und sozial verträglichen Weg in ein neues Energiezeitalter begeben.

Der Freistaat liegt im hinteren Bereich der Bundesländer beim Ausbau erneuerbarer Energien. Wir wollen deshalb den Ausbau erneuerbarer Energieträger in Sachsen zur Strom- und Wärmeerzeugung massiv fördern. Hierfür setzen wir auf Sonne, Wind, Biomasse, Wasser und Erdwärme, um den Energieträger Kohle rasch abzulösen. Ziel ist es, dass der sächsische Bruttostromverbrauch vollständig von diesen Energieträgern gedeckt werden kann. Wir wollen einen ökologisch sinnvollen Mix verschiedener Energieformen erreichen, mit dem wir die Stromversorgung sicherstellen und der Strom bezahlbar bleibt.

Dafür werden wir den Klimanotstand für Sachsen ausrufen und ein modernes Klimaschutzgesetz für Sachsen auflegen, welches auf der Grundlage einer aktuellen Potenzialstudie ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energie beschreibt und Maßnahmen zur schrittweisen Umsetzung festlegt. Darin eingeschlossen sind die Förderung von Speichertechnologien ebenso wie Netzausbau‑, Energieeffizienz- und Einsparinitiativen. Dabei setzen wir auf die intelligente Steuerung von Erzeugung und Verbrauch (virtuelle Kraftwerke) und Sektorenkopplung. Weiterhin wollen wir erneuerbare Wärmekonzepte entwickeln, die die Nutzung von Erdgaskraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung als Brückentechnologie beinhalten. Die Umsetzung und Evaluierung des Klimaschutzgesetzes soll durch einen Klimabeirat aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft unterstützt werden.

Zur Erhöhung der Akzeptanz von erneuerbaren Energien legen wir ein Gesetz zur Demokratisierung des Energiesektors vor, welches die Beteiligung von Bürger*innen und/oder Kommunen an Investitionen festschreibt und vereins- oder genossenschaftliche Betreiberinitiativen fördert. Die sächsische Energieagentur SAENA soll dabei entsprechende Kompetenzen und Ressourcen erhalten, um diese Ziele zu erreichen.

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3.6.1.1 Strukturwandel und Energiewende

Für einen geordneten sozialverträglichen Strukturwandel in den sächsischen Braunkohlerevieren wurden viele Jahre verschenkt. Bislang läuft er unkontrolliert, ohne Konzept und ohne die Menschen vor Ort einzubeziehen. Das werden wir ändern. Dabei haben wir eine klare Zielstellung: Einen Strukturbruch in den betroffenen Regionen wie in den frühen 1990er Jahren wird es mit uns nicht geben! Wir werden nicht zulassen, dass die Kosten des Kohleausstiegs den Bürger*innen aufgebürdet werden.

Der Kompromiss im Abschlussbericht der Kohlekommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ lautet, dass frühestens 2035, spätestens 2038 Schluss mit der Kohle ist. Das gefundene Ausstiegsdatum bedeutet nun Klarheit und ist trotzdem zum Erreichen der internationalen Klimaschutzziele noch immer zu spät. Spätestens bis zum endgültigen Ende der Kohleverstromung und Förderung müssen die Strukturwandelmaßnahmen in den betroffenen Regionen greifen. In der Lausitz und den mitteldeutschen Revieren dürfen die genehmigten Braunkohletagebaue wie geplant auslaufen, keine neuen Tagebaue erschlossen werden, keine Dörfer mehr der Kohle zum Opfer fallen. Wir werden alternative emanzipatorische Projekte auch in den Dörfern anstoßen, die von Abbaggerung bedroht waren und nun leer stehen.

Wir wollen die Regionen stärken und in das postfossile Energiezeitalter überführen. Dabei soll die Lausitz Energieregion bleiben, weil sie dafür beste Voraussetzungen bietet. Das Fachwissen der Menschen in der Region muss genutzt werden, um mit einem erfolgreichen Mix aus erneuerbaren Energien, Power-to-X-Anlagen in Kombination mit Erdgaskraftwerken als Brückentechnologie die Energieversorgung der Zukunft in der Lausitz zu verankern.

Die Lausitz war aber nie und soll auch in Zukunft nicht nur Energieregion sein. Die Lausitz ist vielschichtig, verschiedene Wirtschafts- und Industriezweige sind in ihr beheimatet. Die Lausitz ist längst touristisches Highlight, sie ist Natur- und Landwirtschaftsregion sowie vielfältige Kulturlandschaft. Hier leben Sorbinnen und Sorben, deren auf ihren slawischen Wurzeln beruhende Sprache, Literatur, Handwerkskunst und Volksbräuche diesen Landstrich in ganz Deutschland einzigartig machen. Diese Vielschichtigkeit ist für uns ein Vorteil, wir wollen sie stärken und damit der Lausitz eine Zukunft jenseits der Kohle sichern.

Die Lausitz ist aber auch eine länderübergreifende Region. Wir werden sie nur dann erfolgreich durch den Strukturwandel begleiten können, wenn Sachsen und Brandenburg zusammen agieren. Wir wollen deshalb endlich einen Staatsvertrag zwischen Sachsen, Brandenburg und dem Bund mit einer gemeinsamen Strategie für den Strukturwandel in der Lausitz.

Für uns steht der Anspruch, dass die Beschäftigten im Kohletagebau oder Kraftwerk im Zuge des Strukturwandels nicht »ins Bergfreie fallen«. Insbesondere in der Lausitz werden angesichts ihrer ungünstigen demografischen Entwicklung die gut ausgebildeten Fachkräfte der Energiewirtschaft dringend gebraucht – für neu entstehende Wirtschaftszweige u. a. rund um erneuerbare Energien, aber auch für die Fachkräftesicherung der aktuellen Unternehmenslandschaft. Ein großer Teil der Fachkräfte wird außerdem im Sanierungsbergbau benötigt. Darüber hinaus sichern bereits heute berufsbegleitende Weiterbildungen und Umschulungen teilweise den Fachkräftebedarf der Region von morgen. Für ältere Arbeitnehmer*innen greifen angepasste Sozialpläne, für deren Finanzierung zuerst das Unternehmen selbst verantwortlich ist.

Wir wollen eine Bund-Länder-Gesellschaft nach dem Vorbild der LMBV gründen, die sich nach dem Kohleausstieg um die Beseitigung der Folgelasten kümmert, den Kraftwerksrückbau steuert und die Rekultivierung der Flächen organisiert. Ihr Sitz soll in Hoyerswerda sein. Dazu müssen die aktuellen Betreiber endlich insolvenzfeste Sicherheitsleistungen bilden, die zur Finanzierung der Folgekosten herangezogen werden.

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3.6.1.2 Strukturwandel von unten

Der Strukturwandel wird aus unserer Sicht aber nur gelingen, wenn er als Mitmachprojekt durch die Menschen in der Region gestaltet werden kann und die Beschäftigten in Unternehmensentscheidungen mit einbezogen werden.

Wir wollen einen „Strukturwandel von unten“, der partizipativ und demokratisch ist und alle Interessierten mit ihren Vorschlägen gleichermaßen einbezieht. Damit setzen wir bewusst ein Gegengewicht zur strukturellen Dominanz traditioneller Wirtschaftskerne und deren Verbänden, aber auch zu staatlichen Verwaltungsstrukturen, die die gesellschaftliche Strukturwandeldiskussion inzwischen bestimmen. Wir wollen verhindern, dass die umfangreichen finanziellen Mittel weit überwiegend in nachholende, teilweise längst überholte Infrastrukturmaßnahmen fließen. Wir werden deshalb einen Perspektivsicherungsfonds einrichten, der einen niedrigschwelligen Zugang zu Fördermitteln für zivilgesellschaftliche Akteur*innen garantiert.

Wir wollen für die Lausitz im Rahmen des Strukturwandelprozesses das Pilotprojekt eines personell, räumlich und zeitlich begrenzten Grundeinkommens starten. Damit wollen wir – insbesondere im Kultur- und Bildungsbereich – eine zusätzliche Chance eröffnen, auch ungewöhnliche Ideen auszuprobieren und zur Projektreife zu führen. Gleichzeitig leisten wir dadurch einen Beitrag für die gesamtgesellschaftliche Debatte zum bedingungslosen Grundeinkommen und zur Gewinnung von konkreten Erkenntnissen über Auswirkungen auf soziale Strukturwandelprozesse sowie auf bestehende Sozialsysteme.

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3.6.2. Umwelt- und Naturschutz

3.6.2.1 Gesunde Ökosysteme

Sachsen hat keine moderne Umweltschutzpolitik. Das betrifft alle Schutzgüter: Biologische Vielfalt, Wasser, Boden, Luft.

Die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt und die Vielfalt des Ökosystems nehmen weiter ab. Diese eingetretenen Schäden betreffen die Nutzungs- und Funktionsfähigkeit des gesamten Naturhaushaltes und damit uns alle unmittelbar. Dennoch gibt es unter anderem keine Maßnahmenpakete für Vogelschutzgebiete in Umsetzung der europäischen NATURA2000-Richtlinie, es gibt keine funktionierende Biotopverbünde, es gibt keinen Plan, um das Insektensterben einzudämmen und vieles mehr. Dies wollen wir ändern.

Wir streben Naturschutz in der Fläche an. Hierfür setzen wir auf die kleinteiligere Bewirtschaftung und den Schutz vieler unterschiedlicher Kulturarten sowie die Erweiterung der Fruchtfolgen. Dies bedeutet auch eine konsequente Zielerreichung in Nationalparks und Naturschutzgebieten, den Erhalt von Stadtnatur sowie den Ausbau eines weiteren Biosphärenreservates in Sachsen. Wir wollen eine nachhaltige Landwirtschaft fördern, also auch bestäuberfreundliche Praktiken in der Fläche sowie Blühstreifen in Städten und Dörfern ausbauen. Wir werden ein Programm zur Wiederbegrünung und Renaturierung von Gemeindeflächen im Freistaat landespolitisch und finanziell unterstützen. Das „Baum-ab-Gesetz“, wodurch zahlreiche Bäume ohne Ersatz gefällt wurden, nehmen wir zurück.

Wir führen das kommunale Vorkaufsrecht im Wald‑, Wasser- und Naturschutzrecht wieder ein, um die kommunale Entscheidungsfreiheit wiederherzustellen. Nur der Rückkauf von Flächen kann einen effizienten Hochwasserschutz gewährleisten und nur eine standortangepasste Mischung aus technischen und naturnahen Hochwasserschutzmaßnahmen kann weiterhelfen. Wir überwinden die Zersplitterung der Zuständigkeiten für kleine und große Flüsse und Bäche und betrachten Hochwasserschutz von der Quelle bis zur Mündung. Grundlage dafür ist, unter anderem, durch die gezielte Unterstützung aller Gemeinden für einen effektiven Hochwasserschutz an ihren Gewässern zu sorgen. Dazu gehört auch der Stopp weiterer Bebauung in Überschwemmungsgebieten. Sachsenweit setzen wir uns für die Verringerung des Flächenziels der Bodenversiegelung von 4 ha auf 2 ha pro Tag ein.

Ein ebenso zentraler Bestandteil von Umweltpolitik stellt der Schutz vor Luftverschmutzung dar. Auch in Sachsen stehen wir vor der Herausforderung, Emissionen von Stickoxiden, Kohlenstoffdioxid, Feinstäuben, Schwermetallen wie Quecksilber und weiteren Schadstoffen zu reduzieren.

Wir werden Wege zur Ausgestaltung einer verpflichtenden Elementarschadensversicherung (z. B. Unwetter, Hochwasser etc.) prüfen. Wo eine solche Versicherung nicht möglich ist, werden wir dafür sorgen, dass der Freistaat zur Sicherung einspringt.

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3.6.2.2 Umweltverwaltung

In den vergangenen Jahren ist die Umweltverwaltung geschwächt worden. Zahlreiche Aufgaben – vom Abfallsektor bis zum Naturschutz – können nur noch unvollständig wahrgenommen werden. Wir werden die Umweltverwaltung ertüchtigen und bei Gesetzesvorhaben deren Mitwirkungsrechte und ‑möglichkeiten in Abstimmungsprozessen zu Planvorhaben stärken. Daneben werden wir eine frühzeitige, transparente Beteiligung der Bürger*innen und Vereine ermöglichen, um Konflikte in Bauvorhaben zu reduzieren und das Umweltinformationsrecht zu stärken.

Der Staatsbetrieb Sachsenforst ist zeitgleich Oberste und Obere Forst- und Jagdbehörde. Diesen Konflikt werden wir beheben: die Obere Behörde wird bei der Landesdirektion Sachsen angesiedelt und die Unteren Behörden der Landkreise für alle Jagdbezirke zuständig. Wie in vielen anderen Bundesländern üblich, werden Sächsische Großschutzgebiete statt dem Staatsbetrieb Sachsenforst wieder der Verwaltung der obersten Naturschutzbehörde unterstellt, um Interessenkonflikten vorzubeugen und die konsequente Umsetzung naturschutzfachlicher Ziele gewährleisten zu können.

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3.6.3. Tierschutz

Tierschutz ist in Sachsen immer noch ein Thema, welches durch die Staatsregierung grob vernachlässigt wird. Und das, obwohl Tierschutz Staatsziel mit Verfassungsrang ist. So erfahren Tierschutzvereine nicht die Unterstützung, die sie brauchen, um das meist ehrenamtliche Engagement zu stärken. Tierheime in Sachsen sind größtenteils auf Spenden angewiesen und das, obwohl die Unterbringung von Fundtieren gesetzliche Pflichtaufgabe ist.

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3.6.3.1 Unterstützung der Tierheime und der Kommunen

Wir wollen eine staatliche Fördergarantie für Tierheime und sonstige Tierschutzeinrichtungen. Angebote müssen bedarfsgerecht und flächendeckend vorgehalten werden. Erstmalige Einrichtungen, Um- und Ausbau sowie der laufende Betrieb und Unterhalt werden wir gezielt fördern.

Zur Verwahrung von gefährlichen Tieren, Wildtieren bzw. von behördlich beschlagnahmten oder eingezogenen Tieren werden wir zentrale Stellen an den Dienststellen der Landesdirektionen schaffen. Wir werden dafür sorgen, dass der Freistaat den Kommunen die Kosten und Aufwendungen für Fund‑, herrenlose und in Obhut genommene Tiere voll erstattet, damit diese Finanzierung nicht von der Haushaltslage der Kommunen abhängig ist.

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3.6.3.2 Institutionelle Verankerung und Stärkung des Tierschutzes

Tierschutzorganisationen müssen staatlich anerkannt werden. Wir werden ein Landestierschutzbüro einrichten, welches die Zusammenarbeit und Koordinierung im Bereich Tierschutz verbessern soll. Zudem setzen wir uns für ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen ein. Wir werden einen Tierschutzbeirat und die Stelle eines oder einer Landestierschutzbeauftragten einrichten, welche beim Landtag angesiedelt wird. Beide sind bei Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, die den Tierschutz betreffen, anzuhören. Der oder die Landestierschutzbeauftragte wird nach eigenem Ermessen oder nach Beschwerden hinsichtlich tierschutzrelevanter Aspekte tätig und erstattet dem Landtag jährlich Bericht über seine oder ihre Arbeit. Analog wollen wir kommunale Tierschutzbeauftrage und ‑beiräte etablieren.

Wir wollen einen sächsischen Landestierschutzplan erarbeiten, um bspw. den Tierschutz zu verbessern, Aus‑, Fort- und Weiterbildung der im Tierschutz Tätigen zu gewährleisten und die im Tierschutz arbeitenden Träger*innen zu unterstützen.

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3.6.3.3 Weitere Maßnahmen

Wir werden die Rassehundeliste abschaffen und setzen stattdessen auf einen Sachkundenachweis für Besitzer*innen, wenn der Hund, gleich welcher Rasse, durch Bisse auffällig geworden ist.

Tierversuche müssen reduziert werden. Landesweit wollen wir ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen umsetzen. Wir wollen Pelztierhaltung verbieten.

Freilaufende Katzen müssen kastriert und registriert werden.

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3.7. Sachsen in Europa

Wir wollen von Sachsen aus ein positives Leitbild für ein Europa der Regionen entwickeln und Sachsen darin als Teil einer größeren grenzüberschreitenden Region betrachten. Wir wollen nicht weniger, wir wollen mehr Europa. Wir streiten in einem ersten Schritt für die Umgestaltung der Europäischen Union zu einer Sozial‑, Rechts- und Wirtschaftsunion. Dazu muss insbesondere die soziale Säule der Europäischen Union stark ausgebaut werden. Denn für uns ist Europa ein Projekt der Solidarität, ein Projekt selbstbewusster Bürger*innen, die ihre eigene Demokratie gestalten. Dazu gehört auch, die Vielfalt der Kulturen, der Sprachen, der Lebensstile, der Träume und Visionen, die sonst nur Reisende erleben können, als dauerhafte Stärke dieses Kontinents anzuerkennen. Was wir in Sachsen haben, bringen wir ein und lernen Neues. Wir lassen uns nicht davon abbringen, Gemeinsames für diesen Kontinent zu entwickeln, nach vorn zu treiben, zu erstreiten. Freiheit in Gleichheit, Wohlfahrt, Rechtsstaatlichkeit und starke Grundrechte sollen dafür ebenso Grundlage sein, wie ein demokratischer Aufbruch in Europa. Wir wollen kein Europa des Kapitals, sondern eines für uns Menschen. Für ein solches Europa kämpfen wir, scheinbar gegen den Mainstream und doch mit Mehrheiten. Unsere Vision ist nicht die nationale Grenzstation. Denn es geht nicht um Nationen, sondern um Menschen. Unser Ideal ist auch ein Europa der Regionen und der alte Traum einer sozialen Republik, in der alle Menschen frei sein können. Frei von Armut, frei von Gewalt und frei, das eigene Zusammenleben demokratisch zu gestalten. Hier, in Europa. Wir wollen mit möglichst vielen Menschen in Sachsen über unsere Vision einer Republik Europa ins Gespräch kommen und gemeinsam nach Wegen und Lösungen suchen.

Sachsen nutzt seine Möglichkeiten nur ungenügend und bewegt wenig, um die europäische Einigung zu vertiefen und sozial auszugestalten. Sächsische Europapolitik darf sich nicht darin genügen, Fördermittel abzugreifen.

Sachsen setzt EU-Recht, das Rahmenbedingungen für Gerechtigkeit, Teilhabe und sozialen Ausgleich dient, nur zögerlich oder gar nicht um. Dabei sind dies gerade Felder, die für viele Menschen das Leben erleichtern und sicherer machen können und über die sie auch erfahren können, welchen Gebrauchswert die Europäische Union für den Einzelnen wie die Gesellschaft haben kann – über die Fördermittelpolitik hinaus. Es wird seitens des Freistaates kaum in der Öffentlichkeit vermittelt, was unsere Vertreter*innen in den verschiedenen europäischen Gremien bewirken und in welcher Weise sie initiativ werden. Kein Wunder, dass so der Gedanke der europäischen Einheit und dessen Übersetzung in praktische Politik für viele abstrakt bleiben und es Menschen gibt, die jenen Alt- und Neurechten auf den Leim gehen, die das europäische Projekt am liebsten begraben sähen und Menschen anderer Herkunft von vornherein ausschließen wollen. Und die misstrauische bis ablehnende Haltung wird auch von Vertreter*innen der Staatsregierung befeuert, indem sie selbst für jedes hausgemachte Problem die EU verantwortlich machen und dabei ausblenden, dass es in vielen Fällen die Regierungen der Mitgliedstaaten sind, die die Verantwortung für Richtungsentscheidungen tragen und den Charakter der EU prägen. Wir werden das ändern.

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3.7.1. Sachsen in einem friedlichen Europa – Wir stehen für Zusammenhalt und Solidarität.

Friedliche Koexistenz, Abrüstung und gute Nachbarschaft in einem ‚gemeinsamen Haus Europa‘ (Michail Gorbatschow) sind seit der Deutschen Einheit immer die Grundlage gewesen, auf der linke Europapolitik aufbaut. Vielen Sachsen und Sächsinnen, die die historische Umwälzung von 1989 insbesondere in den sächsischen Großstädten miterlebten, ist bewusst, welch hohe Bedeutung für unser Leben der Umstand hatte, dass sich diese Umwälzung – im Land und international – friedlich vollzog. 30 Jahre nach dem historischen Umbruch in Europa ist der Frieden jedoch wieder gefährdet: Immer umfangreichere NATO-Militärtransporte durchqueren Sachsen in Richtung Osten, immer wieder werden Bundeswehreinheiten aus sächsischen Standorten an die russische Westgrenze verlegt, immer unverfrorener wirbt die Bundeswehr in den Schulen unseres Bundeslandes. Wir lehnen diese Militarisierungstendenzen klar und deutlich ab, insbesondere die erneute Meldung der Panzergrenadierbrigade 371 für die Führung der NATO-Speerspitze ab 2021. Sachsen soll nicht zum Schauplatz der Vorbereitung einer militärischen Eskalation in Osteuropa werden. Wir werden uns gemeinsam mit allen friedensbewussten Menschen in Sachsen dagegen engagieren. Wir unterstützen die in Sachsen erklärten ‚Bürgermeister für den Frieden‘ im Städtebündnis mit Hiroshima und Nagasaki für eine atomwaffenfreie Welt und unterstützen die Initiative dabei, weitere sächsische Bürgermeister für sich zu gewinnen.

Sachsen muss sich stärker einbringen in Europa. Bislang hat es der Freistaat versäumt, die Möglichkeiten zur Mitarbeit in den verschiedenen EU-Gremien, wie etwa den Ausschuss der Regionen, auch nur annähernd auszuschöpfen. Wir erwarten von einer neuen sächsischen Regierung, dass sie sich intensiv beteiligt bei der Suche nach Wegen aus der strukturellen Krise der EU.

Sachsen braucht eine effektivere Interessenvertretung in der EU als bisher, wir werden daher das Vertretungsmodell im Ausschuss der Regionen verändern (bislang nimmt ein MdL im Auftrag der Staatsregierung diese Funktion wahr) und darüber hinaus Möglichkeiten schaffen, dass sich Regionen auch außerhalb der direkten Landesgesetzgebung an der EU-Gesetzgebung beteiligen können. Wir werden die Informationspolitik zu den Aktivitäten und eigenen Initiativen des Freistaates im Ausschuss der Regionen verbessern und für Transparenz sorgen. Der Informationsfluss zwischen dem Ausschuss der Regionen auf der einen und Sächsischem Landtag bzw. Öffentlichkeit auf der anderen Seite funktioniert derzeit nicht.

Notwendig ist es, im Rahmen einer tiefgreifenden Demokratisierung der Institutionen den Ausschuss der Regionen als wichtigstes Vertretungsgremium von Kommunen und Regionen auf europäischer Ebene zu stärken. Wir wollen mehr Mitspracherecht der Regionen erreichen, auch in ihren Unterschieden. Regionale und kommunale Belange sollen in der EU eine größere Rolle spielen als bisher. Wir treten dafür ein, dass die Regionen von Anfang an beteiligt werden bei der Erarbeitung von Gesetzesvorhaben, die sie selbst betreffen, der Ausschuss der Regionen ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht erhält und perspektivisch zu einer mit verbindlichen gesetzgeberischen Rechten ausgestatteten Kommunalkammer ausgebaut wird. Eine Erneuerung der Europäischen Union kann nur erfolgreich sein, wenn sie von den Regionen her gedacht und betrieben wird.

Sachsen darf kein Bremsklotz sein bei der Vertiefung der europäischen Kooperation in Sachen sozialen Ausgleichs und des Klimawandels. Sachsen muss sich hier thematisch in die europäische Suche nach Lösungsansätzen einbringen, etwa in Fragen des Umsteuerns vom Kraftverkehr weg zu anderen Arten von Transport und Mobilität, in Fragen des Energie- und Ressourcenverbrauchs, der Vermeidung von Bodenversiegelung, des Umgangs mit den Auswirkungen des Klimawandels.

Wir wollen ein Europa, das sich weiterhin für die politische Lösung von Konflikten engagiert, auf dem Kontinent wie anderswo auf der Welt. Wir wollen ein Europa, das auch im Verhältnis zu Russland auf Dialog und Kooperation setzt, statt in eine Logik des Kalten Krieges zurückzufallen. Wir wollen uns dafür einsetzen, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu beenden. Wir wollen von Sachsen aus ein Europa mitgestalten, das seine Beziehungen zu den Entwicklungsländern klar auf der Basis von Gerechtigkeit, Solidarität und gegenseitigem Respekt neu ausrichtet, statt den Abschluss von Freihandelsabkommen zu betreiben, die deren Abhängigkeit zementieren und nur noch verstärken.

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3.7.2. Wir sind für ein Europa der Regionen

Sachsen hat bisher in vielfältiger Weise profitiert von den EU-Zuschüssen für strukturschwache Regionen und wird eine Förderung weiterhin benötigen – wie andere Regionen auch. Wir werden uns stark machen für die Fortsetzung der länderübergreifenden Kohäsionspolitik, die einen guten Ansatz solidarischen Miteinanders in der EU darstellt. Wir treten darüber hinaus für die Neubelebung des Netzwerkes der Städtepartnerschaften ein, denn auch sie sind geeignet, individuellen wie administrativen Austausch über Ländergrenzen hinweg zu befördern.

Wir setzen uns dafür ein, dass Programme wie der Europäische Sozialfonds (ESF), der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und andere in Sachsen sinnvoll und nachhaltig genutzt werden. Wir fordern – nicht nur für Sachsen – die fortgesetzte Unterstützung von strukturschwachen Regionen sowie Regionen im Strukturwandel über das Jahr 2020 hinaus. Hier muss einerseits der Freistaat in Richtung entsprechender europäischer Institutionen Initiative entwickeln und andererseits dort, wo künftig Fördermittel nicht mehr in bisheriger Höhe zur Verfügung stehen, als Land Verantwortung übernehmen und sich verstärkt mit eigenen Mitteln am Fortgang der Entwicklung beteiligen. Das betrifft etwa die Räume Leipzig und Dresden, in denen es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben hat.

Sachsen sollte für und mit Regionen in vergleichbarer Lage (z. B. auch gemeinsam mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Tschechien, Polen) Pilotprojekte im Übergang von der Braunkohleförderung und ‑verstromung zu erneuerbaren Energien forcieren, generell in Fragen des Strukturwandels aktiver werden, wissenschaftliches Know-how dafür liefern. Es braucht enormes Forschungspotential, gerade auch in Sachsen, um die in Paris vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen. Es geht um unser aller Lebensgrundlagen, deshalb können wir diese Anforderungen nur gemeinsam mit unseren Nachbar*innen bewältigen. Die kleinteilige Unternehmensstruktur in Sachsen bietet auch Vorteile und gute Voraussetzungen für Forschung und Innovation. Nicht zuletzt können durch das aktive Angehen der Aufgaben hinsichtlich Energiewende und Klimaschutz hier neue Arbeitsplätze entstehen.

Wir wollen den Strukturwandel sozial gestalten – er kann nur in einer Weise vor sich gehen, dass alle hier lebenden Menschen davon profitieren und sie in sozialer wie kultureller Hinsicht eine Perspektive haben. Wir setzen uns sowohl in Sachsen als auch europaweit dafür ein, dass Regionen wie die Lausitz in den Fokus der Regional- und Strukturförderung kommen. Dabei geht es um ganzheitliche Konzepte zur Strukturförderung, die stärker auf Gemeinsamkeiten der betroffenen Regionen basieren.

Wir unterstützen den Vorschlag, im Rahmen der Neuausrichtung der Strukturpolitik die Region Lausitz zu einer Europäischen Minderheiten-Kompetenzregion für deutsch-slawische Mehrsprachigkeit zu entwickeln. Die Region kann und muss zudem das kulturell-sprachliche Potential der Sorb*innen noch stärker für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Lausitz und auch für die Zusammenarbeit mit den Nachbarn in Polen und Tschechien nutzen.

In der Vergangenheit hat es sich herausgestellt, dass in regionalen Körperschaften, im Gewerbe wie auch bei Einzelpersonen, große Unsicherheit herrscht, in welchen Fällen und in welchem Maße Fördermittel für Projekte beantragt werden können. Deshalb sind wir für die Einrichtung ständiger regionaler Beratungsstellen, die Unterstützung bei der Beantragung von EU-Fördermitteln leisten. Es braucht eine länderübergreifende Vereinheitlichung und Endbürokratisierung bei der Beantragung und insgesamt mehr Informationen darüber, welche Möglichkeiten seitens der EU zur Förderung regionaler Vorhaben resp. der Entwicklung von Regionen bestehen. Auf der anderen Seite bedarf es auch Informationen über Beteiligungsmöglichkeiten an diesen Prozessen.

Regionalpolitik darf nicht an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort vorbeigehen, vielmehr soll die Zivilgesellschaft in die Entwicklung lokaler Projekte einbezogen werden.

Dies ermöglicht nicht zuletzt eine zielgerichtete Verwendung der Zuschüsse für den Strukturwandel, statt der Konzentration auf Leuchttürme.

Die Mittel aus dem Kohäsionsfonds der EU dienen der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in den unterschiedlichen Regionen und der Strukturförderung, sind jedoch nicht ausreichend, die Armut in Teilen Europas und auch in Sachsen wirksam zu bekämpfen. Dazu muss die EU ein Armutsbekämpfungsprogramm auflegen, in dem regionale und europäische Bemühungen gebündelt werden.

Die Kohäsions- und Fördermittelpolitik soll zudem an Erfordernissen der Energiewende und des Klimaschutzes, nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung sowie guter Arbeit und Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet werden. Ostdeutsche Besonderheiten sollen bei der Förderung der Landwirtschaft seitens der EU stärker Berücksichtigung finden.

Doch Fördermittelvergabe ist nicht alles, was den Gebrauchswert einer europäischen Politik ausmacht, die auf sozialen Ausgleich und gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilen der Europäischen Union setzt. Dazu gehören auch Rahmenbedingungen in Form von Gesetzesakten und Richtlinien, die geeignet sind, diese Union sozialer auszugestalten. In der letzten Legislaturperiode konnten mit Unterstützung der linken Fraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL) wichtige Regelungen auf den Weg gebracht werden, wie etwa die Reform der Entsenderichtlinie, das Recht auf ein Bankkonto oder Initiativen zur Einleitung der Energiewende.

Die aus der Entsenderichtlinie resultierende Arbeitnehmerfreizügigkeit muss sozial flankiert werden, nur so gerät sie zum Vorteil für alle. Es darf kein Lohndumping im Schatten der Arbeitnehmerfreizügigkeit geben, die polnische Pflegekraft oder der/die rumänische Saisonarbeiter*in müssen in gleicher Weise entlohnt werden wie inländische Arbeitskräfte. Wir treten für europaweite Mindeststandards bei den Beschäftigungsbedingungen ein.

Wir werden die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit in Sachsen umsetzen. Alle öffentlichen Einrichtungen sind barrierefrei umzugestalten. Wir brauchen, um dies zu realisieren, zudem ein Inklusionsgesetz für Sachsen.

Doch zuallererst ist die Europäische Grundrechtecharta zu nennen – wir wollen erreichen, dass sie unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus für alle Menschen in Sachsen Geltung erlangt. Die Grundrechtecharta sollte ein Thema des gesellschaftlichen Diskurses auch in Sachsen sein, denn sie bildet die Grundlage für das europäische Miteinander. Wir wollen im Land darüber debattieren, was sie für uns bedeutet, für unser friedliches Zusammenleben hier in Europa, für das Leben in guter Nachbarschaft.

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3.7.3. Länder- und grenzübergreifende Kooperation statt Konkurrenz.

Wir wollen, dass Sachsen seine Kooperation mit den Nachbarstaaten im Dreiländer-Eck vertieft. Bislang sind, was die stärkere Verflechtung der Euroregionen betrifft, oft nur unkonkrete Verlautbarungen seitens der Staatsregierung zu vernehmen. Es gibt viele nachbarschaftliche Projekte vor Ort, die von zivilgesellschaftlichen Initiativen angestoßen und getragen werden. Wir wollen dafür sorgen, dass sie die nötige institutionelle Unterstützung erfahren.

Wir wollen insgesamt eine stärkere regionale Vernetzung in Sozialpolitik, Wirtschaft, Verkehr und Kultur erreichen.

Wir werden das ÖPNV-Netz zwischen Sachsen und den grenznahen Regionen von Tschechien und Polen weiter ausbauen, genauso wie die Energie‑, Verkehrs- oder Gesundheitsinfrastruktur. Dafür bedürfen die beteiligten Kommunen auch einer einheitlichen rechtlichen Grundlage. Es ist an der Zeit, auch gemeinsame Projekte gegen den Klimawandel und für Natur- und Umweltschutz zu intensivieren.

Wir treiben den Ausbau der Kooperation im Bildungsbereich voran, entwickeln gemeinsam Projekte, intensivieren den Schüler*innenaustausch und Stipendienprogramme (schulische, berufliche, Hochschulbildung).

Wir wollen gegenseitiges Verstehen und den kulturellen Austausch von Kindheit an fördern und uns für Mehrsprachigkeit in Kitas und Schulen stark machen. Deshalb sorgen wir flächendeckend für Angebote zum Erlernen von Polnisch und Tschechisch in diesen Einrichtungen. Während in Tschechien und Polen Deutsch zumeist als zweite Fremdsprache erlernt wird, gibt es auf deutscher Seite bisher noch zu wenig Interesse, die Sprache der Nachbarländer zu erlernen.

Wir setzen uns für die Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Schul‑, Berufs- und Hochschulabschlüssen ein.

Wir wollen gemeinsam und grenzüberschreitend den Kampf gegen Rechtspopulismus, Nationalismus und menschenfeindliche Ideologien führen und gegen Antiziganismus vorgehen. Geschlechtergerechtigkeit und die Gleichstellung von LGBTTIQA* wollen wir gegen jeden Versuch der Zurücknahme des Erreichten verteidigen.

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3.7.4. Migration

Die Europäische Union und mit ihr die Mitgliedsstaaten stehen vor der Aufgabe, eine humane, in eine friedfertige wie friedensstiftende Außenpolitik eingebettete Migrationspolitik zu entwickeln. Finanzielle und strukturelle Hilfeleistungen in Krisengebieten sowie Entwicklungshilfe ohne erpresserische Vorbedingungen sind geeignet, für die Menschen vor Ort Lebensperspektiven zu schaffen. Oft sind es zivilgesellschaftliche Initiativen, die in praktischem Handeln für Humanität und Solidarität einstehen und somit auch für eine sich erneuernde, demokratisierende und solidarische EU.

Wir wollen, dass sich Sachsen in angemessener Weise an der europaweiten und menschenwürdigen Unterbringung Geflüchteter beteiligt. Das Dubliner Übereinkommen, das die jeweilige Zuständigkeit für die Aufnahme von Geflüchteten regelt, bedarf einer grundlegenden Neuausrichtung. Die derzeitige Regelung ist für die Mitgliedsstaaten im Süden des Kontinents katastrophal: Sie werden weitgehend alleingelassen bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten, die über das Mittelmeer oder angrenzende Staaten nach Europa kommen.

Wir wollen, dass Sachsen die Einrichtung und den Betrieb von Abschiebehaftanstalten sofort einstellt. Die Praxis der Abschiebehaft lehnen wir prinzipiell ab.

Auf europäischer und Landesebene treten wir für ein wirksames Integrationsgesetz ein! Dazu suchen wir den Dialog mit der Zivilgesellschaft unserer Nachbarstaaten, denn Integration darf nicht an der Binnengrenze enden. Wir sind dafür, dass Sanctuary Cities (Zufluchtsstädte) auch in Sachsen entstehen. Europaweit existieren schon über 80 solcher Städte, bspw. Barcelona und Glasgow, welche Geflüchteten, unabhängig von ihrem augenblicklichen Aufenthaltsstatus, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen gewähren.

Wir wollen die Beteiligung sächsischer Kommunen an europaweiten Initiativen zur Unterbringung in Seenot geratener Flüchtlinge unterstützen. Wir werden einen Abschiebestopp für Opfer rechter Gewalt und Zeugen von Straftaten im Freistaat etablieren.

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3.7.5. Wir sind für ein Sachsen in einem Europa des Friedens

Der Frieden nach dem Ende des 2. Weltkrieges war die Voraussetzung für die Entstehung der Vorgänger der heutigen Europäischen Union. Frieden ist und bleibt der Stabilitätsfaktor, der in Europa bewahrt werden muss. Militarisierung und Aufrüstung widersprechen einer friedlichen Weiterentwicklung der EU. Frieden ist die Grundlage für ein ökologisches, nachhaltiges, wirtschaftliches, zukunftssicheres, demokratisches, soziales und kooperatives Zusammenleben in Europa und mit den Völkern der Welt.

Die zukünftige Fraktion wird in Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen der Linkspartei in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Thüringen darauf hinwirken, dass den Truppen der US–Armee keine Durchfahrt mit Personal und Gerät über ostdeutsche Straßen gewährt wird.

Wir wollen, dass Sachsen aktive Friedenspolitik nach außen ausstrahlt. Keine sächsischen Polizisten sollen in Krisengebieten außerhalb von Europa Einsatzkräfte und Personal ausbilden. Wir sehen die Zusammenarbeit in der Schulung von Rettungskräften nach dem Vorbild des Deutschen Roten Kreuzes als Alternative.

Wir wollen, dass die sächsischen Städte und Gemeinden klare Zeichen für den Frieden setzen. Die Initiative „Bürgermeister für den Frieden“ soll gefördert und ausgebaut werden.

Der 1. September soll mehr in die Öffentlichkeit gebracht und als der Weltfriedenstag begangen werden.

Wir wollen, dass Sachsen international Zeichen für eine friedliche Kooperation setzt. Die Städtepartnerschaften der Städte Sachsens sollen als Podium für friedliche Verständigung miteinander ausgebaut und gefördert werden. Der Dialog auf dieser untersten Ebene der Partnerschaft ist zu intensivieren.

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4. Links wirkt: Im Bund, in den Ländern und vor Ort

Unsere Ideen für Sachsen haben wir Ihnen dargelegt. Vieles klingt nach 30 Jahren Dauerherrschaft der CDU vielleicht utopisch. Vielleicht fällt es Ihnen schwer, sich vorzustellen, dass sich Sachsen tatsächlich in diese Richtung entwickeln könnte. Doch unsere Politik wirkt bereits jetzt: Ob im Bund, in den Ländern oder den Kommunen.

So haben wir seit 2002 für die Einführung des Mindestlohns gekämpft – gegen den Widerstand aller anderen Parteien. Aus der angeblich utopischen Idee ist mittlerweile Realität geworden. Und Millionen Beschäftigte, gerade hier im Freistaat, profitieren davon. Mit unserem Druck haben wir es geschafft, dass die sozial ungerechte Praxisgebühr abgeschafft wurde. Wir haben das Rentenunrecht durch die doppelte Beitragszahlung (Doppel-Verbeitragung) bei Betriebsrenten beendet und werden auch nicht nachlassen, das Rentenunrecht Ost, was durch die Überleitung der Ostrentner*innen in das bundesdeutsche Rentensystem entstanden ist, zu bekämpfen. Dass SPD und Grüne heute vom Hartz-IV-System abrücken wollen, liegt nicht zuletzt auch an dem Druck, den wir aufgebaut haben.

Doch auch in den Ländern, in denen wir an Regierungen beteiligt waren und sind, können wir viele Erfolge verbuchen: In Mecklenburg-Vorpommern konnte unter unserer Regierungsbeteiligung erstmals ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor erprobt werden – ein Modell, das in anderen Bundesländern wie Brandenburg, Berlin oder Thüringen aufgegriffen wurde. Durch sie fanden tausende Menschen im Land wieder beruflichen Halt und Neuanfang.

In Berlin machen wir den Unterschied. Die Senkung des Preises des Sozialtickets, die Aufstockung der Kältehilfe, die Anhebung des Mindestlohnes bei landeseigenen Betrieben, die Begrenzung von Mietsteigerungen im sozialen Wohnungsbau: Berliner Regierungspolitik trägt wieder linke Handschrift. So kämpfen wir aktuell um die Rekommunalisierung von Wohneigentum, um den Menschen im Land bezahlbare Wohnungen bereitstellen zu können. Dass sich in Berlin Widerstand gegen die Immobilienindustrie formiert, die auch über Enteignung der Mietriesen spricht, ist nicht zuletzt Folge unserer konsequent sozialen Politik.

In Thüringen und Brandenburg haben wir erfolgreich das beitragsfreie Kitajahr erkämpft unddamit die ersten Schritte zu kostenfreien Kindertagesstätten getan. In Berlin haben wir die Kitagebühren komplett gestrichen und die Zuzahlungen für zusätzliche Sportangebote, Essen, Musik- oder Sprachunterricht gesetzlich begrenzt.

In Thüringen haben wir das Wahlalter gesenkt, um Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen politischen Interessen zu vertreten. Wir fördern die Niederlassung von Ärzt*innen und helfen so, gute ärztliche und medizinische Versorgung im ländlichen Raum zu sichern. Wir haben die Krankenhausplanung reformiert, eine Fachärztequote zur Erhöhung der Behandlungsqualität eingeführt und den öffentlichen Gesundheitsdienst gestärkt. Mit dem neuen Schulgesetz haben wir Schulschließungen gestoppt und gerade kleinere Schulen im ländlichen Raum gesichert. Künftig werden wir einen thüringenweiten Verkehrsverbund etablieren, um eine Mobilitätsgarantie für die Menschen im Land zu schaffen.

In Brandenburg haben wir das Schüler*innen‐BAföG eingeführt, um Kindern unabhängig vom Einkommen der Eltern den Zugang zum Abitur zu ermöglichen. Frühzeitig haben wir tausende neue Lehrer*innen ins Bildungssystem gebracht, um Lehrer*innenmangel, wie er in Sachsen gerade grassiert, gar nicht erst entstehen zu lassen. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen haben wir in Brandenburg insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen gestärkt, z. B. mit Programmen zur Fachkräftesicherung, zur Innovationsfähigkeit von Unternehmen, zur Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft und zur Entwicklung des ländlichen Raums. Außerdem ist Brandenburg mit dem Parité-Gesetz das erste Bundesland, in dem Parteien zu den Landtagswahlen Frauen* und Männer gleichermaßen bei der Aufstellung der Landesliste berücksichtigen müssen.

Für unsere Ideen für das solidarische Sachsen gibt es weltweit erfolgreiche Beispiele, die zeigen, dass es möglich ist, wenn man nur will: In Preston (Großbritannien) hat sich die Stadt aufgemacht, die Privatisierung öffentlichen Eigentums zu beenden. Lokale Unternehmen werden gestützt, statt in dubiose Finanzpapiere investiert. Öffentliche Einrichtungen vergeben ihre Aufträge wieder an lokale Anbieter*innen, statt dem vermeintlich billigsten Angebot hinterherzueilen. So wird regionale Wirtschaft gestützt und sozialer Mehrwert geschaffen. Dieser Ansatz ist Vorbild für viele andere Städte geworden.

In Wien (Österreich) bleiben die Mietpreise im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten gering. Etwa 60% der Wiener*innen leben in gefördertem Wohnraum. Die Stadt baut selbst pro Jahr fast 7.000 neue Wohnungen. Und mittlerweile hat die Stadt durch eine neue Bauordnung zwei Drittel des Bodens der Spekulation entzogen. Dieser Boden ist für sozialen Wohnungsbau reserviert, Mietpreise sind auf fünf Euro pro Quadratmeter gedeckelt und Maklergebühren sind verboten.

In Barcelona (Spanien) hat das regierende linke Bündnis Digitalisierung und Demokratisierung verbunden. Energie- und Wasserversorgung, Nahverkehr, Müllbeseitigung, Straßenbeleuchtung und Parkplatzangebot werden einbezogen und digitalisiert. Aber alles bleibt weiterhin unter Kontrolle der Stadt und der Bürger*innen. So geht linke Digitalisierung.

Doch auch in Sachsen wird linke Politik wirksam: In Leipzig haben wir die städtische Liegenschaftspolitik vom Kopf auf die Füße gestellt. Statt um Verkauf geht es jetzt um Erhalt von kommunalen Flächen und Grundstücken, um soziale Infrastruktur wie Kitas, Schulen aber auch Wohnungen zu entwickeln. Für sozialen Wohnungsbau haben wir 2 Mio. Euro zusätzlich bereitgestellt. Die jährlichen Preiserhöhungen bei Bus und Bahn haben wir gestoppt. Der Preis der Leipzig-Mobicard bleibt durch uns stabil. Die freie Kulturszene haben wir gestärkt. Insgesamt fließen 5,2 Mio. Euro mehr in die Kulturförderung. Beitragserhöhungen bei Kindergrippen, Kindergärten und Horten haben wir verhindert. Die Jugendhilfe wurde auf unsere Initiative aufgestockt und ein Jugendparlament eingeführt.

In Dresden haben wir eine neue kommunale Wohnungsbaugesellschaft gegründet, um der Stadt wieder ein Instrument zur aktiven Wohnungspolitik zu geben. Das Geschäftsgebaren des Vonovia-Konzerns wird streng geprüft, um Mieter*innen vor dem Immobilienmulti zu schützen. Wir haben ein Sozialticket eingeführt und die Fahrpreise in Verbindung mit dem Dresden-Pass um 50% gesenkt. Bei der Verkehrsplanung stehen nun die Interessen von Fuß- und Radverkehr sowie die Barrierefreiheit im Mittelpunkt. Die Kulturförderung haben wir aufgestockt und insbesondere soziokulturelle Projekte durch die Schaffung eines Kleinprojektefonds gestärkt. Unserem Ziel, in jeder Schule eine Schulbibliothek einzurichten, kommen wir immer näher: 2017 wurden an 20 Grundschulen Bibliotheken eingerichtet, jährlich folgen 10 weitere Schulen. Schulsanierungen haben wir die höchste Priorität eingeräumt. Die kommunalen Kliniken haben wir gestärkt, indem wir ihre Kapitaleinlage um 4 Mio. Euro erhöht haben.

In Chemnitz haben wir das kostenfreie Vorschuljahr in den Kitas eingeführt. Allein 2 Mio. Euro stecken wir in die Sanierung von Schulhöfen, weitere 700.000 Euro in Spielplätze in Kindergärten. Den Tagestakt von Bus und Bahn haben wir ausgeweitet und einen Ringbus eingeführt. Kommunale und vereinsbetriebene Sportstätten fördern wir mit 1,7 Mio. Euro mehr. Volkshochschule und Musikschule haben eine bessere Ausstattung erhalten und das Theater neue Bühnentechnik. Die freien Kulturträger haben wir auf mindestens 5% des Kulturetats aufgestockt. Begegnungsstätten in Wohngebieten fördern wir verstärkt. Die Suchthilfe haben wir ausgebaut und eine Stelle für Suchtkoordination geschaffen. Eine halbe Mio. Euro stecken wir zusätzlich in den Städtebau. Barrierefreies Bauen ist als Standard für Neubauten verankert. Projekte in den Stadtteilen fördern wir besonders. Bürgerplattformen sollen so auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden.

Linke Politik wirkt. Unsere Ideen sind solide und finanzierbar. Neue Ideen für sozialen Fortschritt und gesellschaftlichen Zusammenhalt verbinden wir überall da, wo wir regieren, mit solider Haushaltspolitik und stabilen Finanzen. Während andere Unsummen in vermeintliche Prestigeprojekte versenken, investieren wir öffentliches Geld dort, wo es hingehört: In die Menschen im Land und zur Verbesserung ihres Lebensumfeldes.

Und wir sind uns sicher: Auch Sachsen kann mehr. Wir haben die besten Startbedingungen. Warum also länger warten? Realisieren wir gemeinsam eine Politik für Fortschritt und Zusammenhalt.

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5. Unser Versprechen für ein solidarisches Sachsen

In den vorangegangenen Kapiteln haben wir versucht, Ihnen unsere Ideen für ein solidarisches Sachsen zu skizzieren. Wir haben gezeigt, wie wir Sachsen besser, gerechter und moderner gestalten wollen. Wir sind uns sicher: So schaffen wir die Grundbedingungen dafür, den Freistaat auch in den kommenden Jahrzehnten sicher in die Zukunft zu führen und das Leben der Menschen in diesem Land besser zu gestalten.

Wir wissen aber auch: Solange wir dieses Land nicht allein gestalten, werden wir unsere Ideen nicht im vollen Umfang und sofort umsetzen können. Klar: Je stärker DIE LINKE, desto mehr Ideen werden wir in die Realität umsetzen können – ob in Regierung oder Opposition. Dennoch wollen wir an dieser Stelle eines klarstellen: Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Doch nicht um jeden Preis. Regieren ist für uns kein Selbstzweck. Wir wollen gestalten statt verwalten. Deshalb haben wir neun zentrale Projekte definiert. Neun Projekte, die die Mehrheit der Bevölkerung teilt, die den Fortschritt aktiv gestalten und den Zusammenhalt sicherstellen und für die wir besonders kämpfen werden.

  • Wir wollen das Privatisierungsverbot! Sachsenweit soll die Privatisierung öffentlichen Eigentums und kommunaler Wohnungen gestoppt werden.
  • Wir wollen eine kostenfreie Mittagsversorgung in Schulen und Kitas. Kein Kind soll mehr auf Grund der Einkommenssituation der Eltern mittags vor einem leeren Teller sitzen.
  • Wir wollen eine kostenlose Schüler*innenbeförderung. Eltern sollen nicht mehr für den Schulweg bezahlen.
  • Wir wollen einen landesweiten Verkehrsverbund. Damit werden wir einen einheitlichen Sachsentarif mit dezentraler Planung, landesweiten Sozialtickets und einheitlich hohen Qualitätsstandards ermöglichen.
  • Wir wollen das sächsische Vergabegesetz ändern. Der Mindestlohn muss gesetzlich garantiert werden und sozialer Mehrwehrt ein Vergabekriterium.
  • Wir wollen direkte Demokratie stärken. Direkte Beteiligungsformen wollen wir ausbauen und die Quoren für Bürger*innenbeteiligung senken.

Dabei sind drei Projekte für uns soziale Mindestbedingungen. Bedingungen, die mindestens erfüllt sein müssen, damit wir uns an der Mehrheitsbildung im Freistaat beteiligen können:

  • Wir wollen die Gemeinschaftsschule einführen. Die Gemeinschaftsschule als Option für längeres gemeinsames Lernen mindestens bis zur Klasse 8 muss geschaffen werden.
  • Wir wollen, vor allem in den Städten, den sozialen Wohnungsbau Mindestens 20.000 Wohnungen müssen jährlich entstehen.
  • Wir wollen, vor allem in den kleineren Orten, die Nahversorgung sicherstellen. Dafür wollen wir öffentlich geförderte oder genossenschaftlich verwaltete Dorfläden etablieren, mehr öffentliche Pflegeeinrichtungen schaffen und durch Anreize die Haus- und Facharztversorgung deutlich verbessern.

Wir wollen dieses Land zum besseren gestalten. Deshalb werden wir uns nach der Landtagswahl mit allen demokratischen Mitbewerber*innen an den Tisch setzen, die bereit sind, diese sozialen Mindestbedingungen mitzutragen. Für uns und unsere Projekte ist nicht entscheidend, mit wem wir diese Projekte umsetzen – für uns, auch als Sächsinnen und Sachsen, ist zentral, dass sie umgesetzt werden. Damit das solidarische Sachsen entsteht. Für Fortschritt und Zusammenhalt – in ganz Sachsen.

Wenn Sie diese Ideen teilen, dann laden wir Sie ein, mit uns gemeinsam Verantwortung in diesem Land zu übernehmen und bitten Sie um Ihre Stimme. Gemeinsam schaffen wir ein Zuhause für alle, die hier leben.

Ihre Partei DIE LINKE. Sachsen

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